Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Überblick
Bei der Abfallentsorgung kann zwischen dem Entsorger und seinem Kunden ein tauschähnlicher Umsatz vorliegen, wenn der übernommene Abfall werthaltig ist. In diesem Fall liegt nicht nur eine Leistung des Entsorgers, sondern auch eine Lieferung des Kunden vor. Dadurch erhöht sich die Bemessungsgrundlage für die Entsorgungsleistung. Das BMF hatte schon 2008 zu den Rechtsfolgen Stellung genommen, überarbeitet und präzisiert jetzt die Vorgaben und gibt für die Praxis wesentliche Ausnahmen von der Annahme eines tauschähnlichen Umsatzes vor.
Kommentar
Die rechtliche Problematik
Führt ein Unternehmer eine Leistung aus, gehört alles das zur Bemessungsgrundlage, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Führt der Leistungsempfänger neben einer Geldzahlung auch noch eine Lieferung oder sonstige Leistung als Gegenleistung aus, liegt nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG ein Tausch oder nach § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG ein tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe vor. In einem solchen Fall liegt nicht nur ein steuerbarer Umsatz vor, sondern jeder der Beteiligten führt – soweit Unternehmereigenschaft vorliegt – einen steuerbaren Umsatz aus.
Außerdem hat der Tausch oder tauschähnliche Umsatz auch einen Einfluss auf die Höhe der Bemessungsgrundlage: Nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG gehört auch der Wert der erhaltenen Lieferung oder sonstigen Leistung neben der Baraufgabe zur Bemessungsgrundlage. Damit ist die Feststellung, ob es sich um einen Tausch oder tauschähnlichen Umsatz handelt, für beide an einem Leistungsaustausch beteiligten Personen von Bedeutung.
Bei der Abfallentsorgung kann es zu einem solchen tauschähnlichen Umsatz kommen, wenn der Entsorgungsunternehmer werthaltigen Abfall zu entsorgen hat.
Die Finanzverwaltung hatte schon mit einem Schreiben vom 1.12.2008 zu den Rechtsfolgen bei den tauschähnlichen Umsätzen in der Abfallwirtschaft Stellung genommen. Dieses BMF-Schreiben hatte aber diverse Fragen aufgeworfen und für Verunsicherung in der Abfallwirtschaft geführt. Insbesondere ergab sich aus der Altfassung des BMF-Schreibens, dass auch die regelmäßige Entleerung von Abfalltonnen zu einem tauschähnlichen Umsatz führen konnte, wenn die Tonnen werthaltigen Abfall enthielten (z. B. bei der regelmäßigen Entleerung von Altpapiertonnen).
Die Finanzverwaltung hat jetzt das Schreiben aus dem Dezember 2008 vollständig überarbeitet. Dabei wurden insbesondere die Voraussetzungen präzisiert, in welchen Fällen von einer Entsorgungsleistung von eigenständiger wirtschaftlicher Bedeutung ausgegangen werden muss. Darüber hinaus wurden die Bagatellgrenzen nach oben angepasst und die Ausnahmeregelungen ergänzt.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Fällt bei einem Unternehmer Abfall an, muss er diesen nach dem Krw-/AbfG ordnungsgemäß entsorgen oder verwerten lassen. Ggf. bestehen nach anderen spezialgesetzlichen Vorschriften weitere Verpflichtungen, für eine ordnungsgemäße Entsorgung Sorge zu tragen. Im Regelfall wird der Unternehmer die fachgerechte Entsorgung nicht selber ausführen, sondern sich eines darauf spezialisierten Unternehmers bedienen.
Als Abfall gelten nach § 3 Abs. 1 Krw-/AbfG alle beweglichen Sachen, deren sich der Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.
Grundsätzlich ist die Entsorgung von Abfall durch einen Unternehmer eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG, wenn der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zuzumessen ist. Dabei kann sich die Leistung im Rahmen eines Umsatzes oder im Rahmen von 2 Umsätzen (tauschähnlicher Umsatz) vollziehen. Dies ist dann gegeben, wenn der Abfall werthaltig ist und dies auch den Leistungsaustausch beeinflusst hat.
In der überarbeiteten Fassung des BMF-Schreibens hat die Finanzverwaltung den Hinweis aufgegeben, dass insbesondere dann der Entsorgung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wenn über die Entsorgung ein Entsorgungsnachweis ausgestellt wird. Der Ausstellung eines Entsorgungsnachweises kommt somit keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu.
In der überarbeiteten Fassung des BMF-Schreibens vom 20.9.2012 geht die Verwaltung erstmals ausführlich darauf ein, wann der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt. Danach muss eine Vereinbarung über die Aufarbeitung oder Entsorgung der Abfälle getroffen worden sein – die Verpflichtung zur Einhaltung abfallrechtlicher Normen oder die Ausstellung eines Entsorgungsnachweises sind alleine nicht ausreichend. Insbesondere gilt:
- Von einer bloßen Abfalllieferung an den Entsorger ist auszugehen, wenn der Entsorger dem Abfallerzeuger eine Vergütung für den Abfallstoff zahlt, ohne dass der Entsorgungsleistung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt.
- Haben die Abfallstoffe einen positiven Marktwert und werden sie unmittelbar im Produktionsprozess z. B. als Roh- oder Brennstoff eingesetzt, steht nicht die Entsorgungsleistung im Vordergrund, selbst wenn die Eigenschaft als Abfallstoff noch nicht ...