Kommentar
Das BMF hatte am 2.1.2012 in einem umfangreichen Schreiben zu den durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFH veränderten Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG Stellung genommen. Die Finanzverwaltung hatte es allerdings nicht beanstandet, wenn die Unternehmer für alle vor dem 31.3.2012 bezogenen Leistungen den Vorsteuerabzug noch nach den bisherigen Regelungen beurteilten. Jetzt hat sie – nach Ablauf der Nichtbeanstandungsregelung – diese Übergangsfrist verlängert und beanstandet es nicht, wenn für alle Eingangsleistungen, die vor dem 31.12.2012 bezogen werden, die Vorsteuerabzugsberechtigung noch nach den bisherigen Grundsätzen beurteilt wird.
Die Finanzverwaltung hatte schon in dem Schreiben v. 2.1.2012 eine etwas merkwürdige zeitliche Festlegung getroffen, die auch bei der Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung wiederholt wird. Es ist nicht einsichtig, warum die Nichtbeanstandung nur für alle Eingangsleistungen vor dem 31.12.2012 gilt und nicht für alle Eingangsleistungen bis zum 31.12.2012.
Die neue Sichtweise bei der Beurteilung des Vorsteuerabzugs betrifft insbesondere die folgenden Fälle:
- Der Unternehmer hat nur einen anteiligen Vorsteuerabzug, wenn er Leistungen bezieht, die er für unternehmerische Zwecke und für nichtwirtschaftliche Zwecke bezieht.
- Ein Vorsteuerabzug scheidet dann aus, wenn Leistungen bezogen werden, die unmittelbar für unentgeltliche Wertabgaben nach § 3 Abs. 1b oder Abs. 9a UStG verwendet werden sollen.
- Die Finanzverwaltung lässt aus Billigkeitsgründen eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG zu, wenn der Unternehmer wegen einer auch nichtwirtschaftlichen Verwendung beim Leistungsbezug nicht in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen war, sich dann aber später der Umfang der unternehmerischen Nutzung erhöht hat.
Grundsätzlich können diese Regelungen für alle noch offenen Fälle angewendet werden, soweit nicht von der Nichtbeanstandungsregelung Gebrauch gemacht wird.
Konsequenzen für die Praxis
Die neue Sichtweise bei der Vorsteuerabzugsberechtigung führt insbesondere bei Vereinen, Verbänden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die neben einer unternehmerischen Sphäre auch einen nichtwirtschaftlichen Bereich unterhalten, zu erheblichen Abgrenzungsproblemen. Bei Leistungsbezug muss – ggf. anhand der Verwendungsabsicht – festgelegt werden, in welchem Umfang die bezogene Leistung für unternehmerische Zwecke verwendet werden soll. Insoweit ist die Verlängerung der Nichtbeanstandungsregelung zu begrüßen, um den davon betroffenen Unternehmen die Anpassung zu erleichtern.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 24.4.2012, IV D 2 – S 7300/11/10002, BStBl 2012 I