Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft kann es schon zu einem Leistungsbezug eines Gesellschafters oder der Vorgründungsgesellschaft kommen. In diesen Fällen ist es fraglich, ob der zu gründenden Gesellschaft oder dem Gesellschafter bzw. der Vorgründungsgesellschaft der Vorsteuerabzug zusteht. Aufgrund der Rechtsprechung des EuGH sowie des BFH hat die Finanzverwaltung jetzt zu dieser Rechtsfrage Stellung genommen und den UStAE entsprechend ergänzt.
Die rechtliche Problematik
Der Vorsteuerabzug setzt grundsätzlich Unternehmereigenschaft voraus und dass die Leistung für das Unternehmen bezogen wird. Eine Kapitalgesellschaft kann zivilrechtlich erst mit Abschluss des notariellen Gesellschaftervertrags als juristische Person entstehen (als sog. Gründungsgesellschaft). Bis zu diesem Zeitpunkt kann nur eine sog. Vorgründungsgesellschaft vorliegen, die als Personenzusammenschluss nicht mit der entstehenden Kapitalgesellschaft rechtsidentisch ist. Bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft kann es dazu kommen, dass schon vor Abschluss des Gründungsvertrags der Gesellschaft Leistungen durch die Gesellschafter oder eine Vorgründungsgesellschaft bezogen werden. Umstritten war in diesen Fällen, ob und wenn ja, wer einen Vorsteuerabzug aus den erhaltenen Leistungen geltend machen kann.
Der EuGH hatte sich schon 2004 zu einem Sonderfall geäußert, bei dem eine Vorgründungsgesellschaft diverse Leistungen bezog, die dann später von der gegründeten Kapitalgesellschaft für vorsteuerabzugsberechtigende Ausgangsleistungen verwendet wurden. Da in diesem Fall schon von der Vorgründungsgesellschaft ein betriebsfähiges Unternehmen geschaffen war, ging der EuGH von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen von der Vorgründungsgesellschaft an die Gründungsgesellschaft aus. Dieser Umsatz war zwar nicht steuerbar, schloss aber als Ausgangsumsatz den Vorsteuerabzug aus Sicht des EuGH nicht aus.
Die Finanzverwaltung hatte zu diesem Themenkomplex bisher lediglich festgestellt, dass eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft, die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt ist, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Maßgebend sollten dafür die beabsichtigten Umsätze der Kapitalgesellschaft sein.
In einem weiteren Fall (einer gescheiterten Gründung einer "Ein-Personen-GmbH") hatte der BFH entschieden, dass der Gesellschafter der noch zu gründenden GmbH im Hinblick auf eine beabsichtigte Unternehmenstätigkeit der GmbH nur dann zum Vorsteuerabzug berechtigt sein kann, wenn der Leistungsbezug durch den Gesellschafter bei der GmbH zu einem Investitionsumsatz führt. Beratungskosten, die der Gesellschafter im Zusammenhang mit der geplanten Gründung der Gesellschaft getragen hatte, waren deshalb nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen.
Die Anweisung des Bundesministeriums der Finanzen
Das BMF-Schreiben ändert und ergänzt Abschn. 15.22 Abs. 3 und Abs. 4 UStAE.
Die Finanzverwaltung hat jetzt einen neuen Abschn. 15.2b Abs. 4 UStAE zur Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft aufgenommen. Grundsätzlich wird dort festgestellt, dass ein Gesellschafter oder eine zur Gründung einer Kapitalgesellschaft errichtete Personengesellschaft (Vorgründungsgesellschaft) der bzw. die nach Gründung der Kapitalgesellschaft die bezogenen Leistungen in einem Akt gegen Entgelt an diese veräußert und andere Ausgangsumsätze von vornherein nicht beabsichtigt hatte, unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG zum Abzug der Vorsteuer für den Bezug von Dienstleistungen und Gegenständen ungeachtet dessen berechtigt ist, dass die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Dieser Grundsatz muss entsprechend gelten, wenn es sich bei der Übertragung nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen handelt. Dies wird insbesondere dann vorliegen, wenn Einzelgegenstände übertragen werden, die für sich genommen nicht zu einem betriebsfähigen Unternehmen führen.
Soweit die Übertragung außerhalb einer entgeltlichen Leistung erfolgt, kann dem Gesellschafter oder der Vorgründungsgesellschaft unter den übrigen Voraussetzungen des § 15 UStG der Vorsteuerabzug aus einer bezogenen Leistung zustehen, wenn es sich aus Sicht der geplanten Gesellschaft um einen Investitionsumsatz handelt.
Als Investitionsumsatz definiert die Finanzverwaltung bezogene Lieferungen oder sonstige Leistungen, die der Gesellschafter oder die Vorgründungsgesellschaft tatsächlich an die Gesellschaft überträgt und die von der gegründeten Gesellschaft für ihre wirtschaftliche Tätigkeit genutzt werden. Bezogene Leistungen, die generell nicht an die Gesell...