Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) weicht hinsichtlich der vorgesehenen Änderungen des Umsatzsteuerrechts (Art. 27 – Art. 30 des Gesetzentwurfs) in einigen Punkten von dem vom BMF am 17.7.2023 veröffentlichten Referentenentwurf ab (Änderungen hinsichtlich der bereits dargestellten geplanten Neuregelungen in der AO haben sich nicht ergeben). Auf folgende Regelungen sei besonders hingewiesen:
2.2.1 Änderungen zum 1.1.2024
1. Steuerbefreiung der Leistungen der Pflege und Betreuung hilfsbedürftiger Personen
In § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG wird nach Buchstabe l folgender Buchstabe m eingefügt (der bisherige Buchstabe m wird Buchstabe n):
"m) Einrichtungen, die als Verfahrenspfleger nach den §§ 276, 297, 298, 317 und 419 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern, oder".
In dem neuen Buchstaben m des § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG werden somit zusätzlich zu den im Referentenentwurf aufgeführten §§ 276, 297, 298 und 317 FamFG auch Einrichtungen begünstigt, die als Verfahrenspfleger nach § 419 FamFG bestellt worden sind. Damit werden auch Verfahrenspfleger zu Personen, denen die Freiheit entzogen werden soll, erfasst.
2. Anwendungszeitraum der Neuregelungen zu den §§ 18 und 19 UStG
In dem neuen § 27 Abs. 38 UStG werden nicht mehr (wie im Referentenentwurf) die Regelungen der §§ 18 und 19 UStG generell, sondern nunmehr explizit § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 19 Abs. 1 Satz 4 sowie Abs. 2 UStG angesprochen. Somit sollen diese Regelungen insbesondere mit ihren Befreiungen der Kleinunternehmer von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten erstmals auf den Besteuerungszeitraum 2023 anzuwenden sein.
2.2.2 Änderungen zum 1.1.2025 – Einführung der eRechnung
1. Definition der eRechnung
§ 14 Abs. 1 Satz 2 – 8 UStG wird durch folgende Sätze (2 – 6) ersetzt:
"Eine Rechnung kann als elektronische Rechnung oder vorbehaltlich des Absatzes 2 als sonstige Rechnung übermittelt werden. Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Die elektronische Rechnung muss der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gem. der Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 (ABl. L 133 vom 6. 5. 2014, S. 1) entsprechen. Eine sonstige Rechnung ist eine Rechnung, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt wird. Die Übermittlung einer elektronischen Rechnung oder einer sonstigen Rechnung in einem elektronischen Format bedarf der Zustimmung des Empfängers, soweit keine Verpflichtung nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 besteht."
Auf Grundlage der aktuellen Fassung der MwStSystRL ist in § 14 UStG bisher der Vorrang der Papierrechnung vor der elektronischen Rechnung (eRechnung) geregelt. Ausstellung und Empfang einer eRechnung sind bisher nur vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers möglich. Die obligatorische Verwendung der eRechnung ist Voraussetzung für die zu einem späteren (bisher nicht feststehenden) Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem). Durch die Einführung der obligatorischen Verwendung der eRechnung (nach dem neu zu fassenden § 14 Abs. 2 UStG) soll das Verfahren für die Unternehmer zeitlich entzerrt werden sowie die Nutzung der bestehenden Möglichkeiten der Digitalisierung in der Wirtschaft gefördert werden. Die obligatorische eRechnung soll daher bereits jetzt im Vorgriff auf die Einführung des vorgenannten Meldesystems eingeführt werden. Zum einen sollen dadurch Unternehmen die Vorteile der eRechnung schon frühzeitig nutzen können. Zum anderen sollen durch eine getrennte Einführung von obligatorischer eRechnung und Meldesystem die hierfür jeweils erforderlichen technischen und organisatorischen Umstellungsarbeiten zeitlich entzerrt werden, was einer übermäßigen Belastung aller Beteiligten in der Wirtschaft und der Verwaltung entgegenwirken soll. Der Rat hat Deutschla...