Mit Art. 63 Abs. 1 EuErbVO wurde das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) eingeführt. Dieses ist "zur Verwendung durch Erben, Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bestimmt, die sich in einem anderen Mitgliedstaat auf ihre Rechtsstellung berufen oder ihre Rechte als Erben oder Vermächtnisnehmer oder ihre Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter ausüben müssen". Wenngleich das ENZ gemäß Art. 63 Abs. 2 lit. a) EuErbVO auch als Nachweis über die Rechtsstellung bzw. die Rechte eines jeden Erben anzusehen ist und diesem öffentlicher Glaube zukommt, so wird hierdurch der Erbschein nach nationalem Recht nicht ersetzt (vgl. Art. 62 Abs. 3 EuErbVO). Vielmehr tritt das ENZ als weiteres Instrument daneben, um insbesondere die Abwicklung grenzüberschreitender Erbrechtsangelegenheiten zu erleichtern.
Die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses setzt einen grenzüberschreitenden Bezug voraus, was regelmäßig bedeutet, dass sich der Nachlass in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet als der Nachlassberechtigte. Diese Voraussetzung hat der Verordnungsgeber durch seine Formulierung "zur Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat" in Art. 62 Abs. 1 EuErbVO eindeutig zum Ausdruck gebracht. Da ein ENZ gemäß Art. 65 Abs. 1 EuErbVO nur auf Antrag ausgestellt wird, muss der internationale Zusammenhang bei der Antragstellung zwingend ("muss") angegeben werden (vgl. Art. 65 Abs. 3 lit. f) EuErbVO). Andernfalls fehlt es am Ausstellungsbedürfnis eines ENZ. Ohne grenzüberschreitenden Bezug kommt ohnehin lediglich die Ausstellung eines Erbscheines nach nationalem Recht in Betracht.
Das zuständige Gericht wurde seitens des Verordnungsgebers gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO sogar dazu ermächtigt das Vorliegen vorgenannter Voraussetzung zu überprüfen. In diesem Zusammenhang ist es auch befugt den Antragsteller zur Vorlage geeigneter Nachweise aufzufordern und ihn somit zur Mitwirkung anzuhalten.
5.8.1 Antragstellung
In Deutschland sind gemäß § 34 Abs. 4 IntErbRVG die Amtsgerichte und dort funktionell das Nachlassgericht ausschließlich sachlich zuständig. § 34 Abs. 1 bis 3 IntErbRVG regelt die örtliche Zuständigkeit. Liegt eine Verfügung von Todes wegen vor oder ist ausländisches Recht anzuwenden, so bleibt die Entscheidung dem Richter vorbehalten (§ 16 Abs. 2 Satz 1 RpflG), ansonsten entscheidet der Rechtspfleger gemäß § 3 Nr. 2 lit. i) RpflG.
Nach Art. 63 Abs. 1 EuErbVO sind Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter Antragsberechtigte. Es sollte das hierfür vorgesehene Formblatt verwendet (vgl. Art. 65 Abs. 2 EuErbVO) und im Rahmen der Antragstellung genauestens darauf geachtet werden, dass alle nach Art. 65 Abs. 3 EuErbVO erforderlichen Unterlagen in der geforderten Form beigefügt werden. Das Gericht prüft den Antrag sowie die eingereichten Schriftstücke umfassend, wobei es weitere Nachforschungen von Amts wegen durchführen und gemäß Art. 66 Abs. 5 EuErbVO sogar auf die Mitwirkung anderer mitgliedschaftlicher Behörden zurückgreifen kann. Letztere sind auch verpflichtet mitzuwirken und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Ergibt die abschließende rechtliche Würdigung des zugrundeliegenden Sachverhalts, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an einem ENZ hat, so stellt das Gericht dieses aus (Art. 67 Abs. 1 EuErbVO). Hierzu hat es das Formblatt V (Anhang 5) der EuErbVO-Durchführungsverordnung zu verwenden. Die Gründe für eine Zurückweisung des Antrages regelt Art. 67 Abs. 1 Satz 3 EuErbVO. Hiergegen kann der Antragsteller Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen (vgl. Art. 72 EuErbVO, § 43 IntErbRVG). Die einzuhaltende Frist beträgt bei einem Beschwerdeführer, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, einen Monat ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 IntErbRVG). Hat der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland, so beträgt die Frist zwei Monate ab Bekanntgabe (vgl. § 43 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 IntErbRVG).
5.8.2 Inhalt des Europäischen Nachlasszeugnisses
Der konkrete Inhalt des ENZ ist detailliert in Art. 68 EuErbVO geregelt und deckt sich im Wesentlichen mit dem des deutschen Erbscheins. In Bezug auf das Ehegattenerbrecht hat der EuGH auf Vorlage des KG Berlin festgestellt, dass eine nationale Bestimmung wie diejenige des § 1371 Abs. 1 BGB, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, unter den Anwendungsbereich der EuErbVO fällt und dieser Anspruch entsprechend auch im ENZ erwähnt sein muss.
5.8.3 Abweichungen vom nationalen Erbschein
Dem Antragsteller wird – zur Vermeidung einer missbräuchlichen Verwendung – lediglich eine beglaubigte Abschrift des ENZ ausgehändigt, da die Urschrift stets in den Akten der Ausstellungsbehörde, in Deutschland also beim Nachlassgericht, verbleibt (Art. 70 Abs. 1 EuErbVO). Eine weitere Besonderheit enthält das EN...