Dr. Melanie Besken, Dr. Jürgen Vortmann
Zusammenfassung
Das Franchisesystem ist dadurch gekennzeichnet, dass der Franchisenehmer gegen Zahlung einer Eintrittsgebühr sowie laufender Lizenzgebühren vom Franchisegeber das Recht erhält, dessen bewährtes Angebot an Dienstleistungen oder Waren zu vertreiben. Für den Franchisenehmer liegt der Vorteil im Gegensatz zu einer individuellen Neugründung in einem geringeren Kapital- und Marktrisiko.
Der Franchisevertrag ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Er ist ein Vertrag sui generis. Er enthält Elemente des Kaufvertrags nach § 433 BGB, des Pachtvertrags nach § 581 BGB und des Geschäftsbesorgungsvertrags nach § 675 BGB. Die Verträge sind – entsprechend ihrer Ausgestaltung – dem System der Vertriebsverträge oder dem der Absatzvermittlungsverträge zuzuordnen. Die fehlenden eigenvertraglichen Gesetze führen in Deutschland und in Österreich dazu, dass eine Vielzahl von Urteilen und Einzelgesetzen berücksichtigt werden müssen. Lediglich innerhalb der Staaten der Europäischen Union kann als "Leitlinie" für die Gestaltung des Franchisevertrages die sog. EU-Gruppenfreistellungsverordnung für vertikale Vereinbarungen (Vertikal-GVO, VO (EU) 2022/720) herangezogen werden. Die Anwendung dieser Freistellungsverordnung wird durch Richtlinien, sog. "Guidelines", erläutert. Diese haben eine Bedeutung für die zivilrechtliche Beurteilung von Franchiseverträgen.
1. Wirtschaftliche Interessenlage
1.1 Franchisegeber
Dem Franchisegeber ist in erster Linie daran gelegen, mit dem geringstmöglichen Kapitaleinsatz den größtmöglichen Absatz zu erreichen. Der Aufbau eines eigenen Filialbetriebs fördert zwar den Absatz, er erfordert jedoch auch einen hohen Kapitaleinsatz. Aus diesem Grund ist der Franchisegeber bemüht, die Vorteile eines Filialbetriebs für sich zu nutzen, ohne dessen Nachteile tragen zu müssen. Er bedient sich deshalb des Franchisenehmers, der möglicherweise am Ort bereits einen bekannten Laden besitzt und bereit ist, selbst einen Teil des Unternehmer- und Betriebsrisikos zu übernehmen.
Vorteil:
Der Marktanteil des Franchisegebers wird nicht zuletzt dadurch erhöht, dass der Franchisenehmer ein eigenes persönliches Interesse am wirtschaftlichen Gelingen hat und somit indirekt die absatzwirtschaftlichen Interessen des Franchisegebers vertritt. Der einzige Nachteil für den Franchisegeber besteht in der geringeren Eingriffsmöglichkeit in den fremden Geschäftsbetrieb als bei einem eigenen Filialsystem.
1.2 Franchisenehmer
Der Franchisenehmer, für den häufig das Streben nach Selbstständigkeit im Vordergrund steht, benötigt einen im Verhältnis zu einer eigenen Unternehmensgründung geringeren Kapitaleinsatz. Er profitiert von der bereits am Markt bekannten Ware oder Marke. Eine weitere Hilfestellung bieten ihm dabei die Beratung und die Betreuung durch den Franchisegeber.
Der einzige – allerdings nicht zu unterschätzende – Nachteil besteht für den Franchisenehmer darin, dass er von der Leistungsfähigkeit des Franchisegebers und der der übrigen Franchisenehmer abhängig ist. Nur solange alle Beteiligten dieses Systems für das gute Image des Produkts oder der Dienstleistung sorgen, ist der Einzelne in der Lage, den größtmöglichen Gewinn mit seinem Unternehmen zu erwirtschaften. Das setzt eine gewisse Eigenständigkeit der Franchisenehmer voraus, ohne dass dem Franchisegeber der Einfluss auf die Vermarktung seiner Ware oder Dienstleistung genommen wird. Gerade hierin liegt die besondere Problematik der Franchiseverträge. Diese Voraussetzungen können nur dann erfüllt werden, wenn sich der Franchisevertrag durch eine Ausgewogenheit auszeichnet, die den Interessen beider Vertragsparteien gerecht wird.
2. Franchisevertrag
2.1 Voraussetzungen
Der Franchisevertrag ist ein gegenseitiger, im Gesetz nicht ausdrücklich geregelter Verpflichtungsvertrag besonderer Art. Er regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zum Vertrieb bestimmter Waren oder Dienstleistungen unter Nutzung gewerblicher Schutzrechte und/oder der Überlassung des Know-hows.
Durch den Franchisevertrag wird der Franchisegeber verpflichtet, dem Franchisenehmer zum Zwecke des Vertriebs der Waren oder Dienstleistungen Nutzungsrechte an dem ihm zustehenden Schutzrecht einzuräumen. Zu den Schutzrechten gehören Gebrauchsmuster, Marken, Patente, Firmensymbole sowie die Benutzung eines Namens. Darüber hinaus obliegt es dem Franchisegeber, das ihm zur Verfügung stehende Know-how bezüglich der Vermarktung des Vertragsgegenstandes an den Franchisenehmer zu übergeben. Die Know-how-Überlassung bezieht sich auf die geschäftlichen, technischen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse.
Vielfach werden heute im Franchiserecht sog. Formularverträge verwandt. Darüber hinaus gibt es in fast allen Verträgen wiederkehrende Klauseln. Diese dürfen den Franchisenehmer nicht gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen benachteiligen und müssen dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB genügen.