1 Begriff und Rechtsgrundlage
Handlungsvollmacht ist jede von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes erteilte Vollmacht, die nicht Prokura ist. Sie erstreckt sich auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Die Frage der "Branchenüblichkeit" ist nach der Verkehrsauffassung in dem jeweiligen Geschäftszweig zu beurteilen. Die Handlungsvollmacht ist in § 54 HGB geregelt, der den Umfang, die Ausnahmegeschäfte sowie einen Vertrauensschutz definiert.
2 Unterschiede zur Prokura
Während die Prokura alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen umfasst, die der Betrieb eines – also irgendeines – Handelsgewerbes mit sich bringt, darf ein Handlungsbevollmächtigter nur Geschäfte erledigen, die für das konkrete Handelsgewerbe branchentypisch sind, für das er tätig ist (§ 54 Abs. 1, § 49 Abs. 1 HGB). Im Gegensatz zur Prokura, die nur durch den Geschäftsinhaber oder dessen gesetzlichen Vertreter erteilt werden darf, kann jeder Kaufmann, Prokurist und sogar ein anderer Handlungsbevollmächtigter mit entsprechender Vollmacht eine Handlungsvollmacht erteilen.
Die Erteilung ist an keine Form gebunden. Sie kann stillschweigend oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen, etwa indem der Geschäftsinhaber über längere Zeit die Unterzeichnung der Geschäftspost durch einen Angestellten mit dem Zusatz "i.V." hinnimmt. Anders als eine Prokura ist eine Handlungsvollmacht nicht im Handelsregister einzutragen.
Weitere Unterschiede bestehen in den Möglichkeiten, eine Handlungsvollmacht nach außen hin zu beschränken und sie zu übertragen (§ 50, § 52 Abs. 2, § 54 HGB).
Die Übertragung der Handlungsvollmacht bedarf jedoch der besonderen Zustimmung durch den Geschäftsinhaber (§ 58 HGB).
Das Gesetz schreibt vor, dass sich der Handlungsbevollmächtigte bei der Zeichnung jedes eine Prokura andeutenden Zusatzes zu enthalten hat, er aber sein Vollmachtsverhältnis mit einem Zusatz zum Ausdruck bringen muss (§ 57 HGB).
Zulässig und üblich ist die Zeichnung mit dem Zusatz "für", "per" oder "i.V.". Ein entsprechender Firmenstempel kann verwendet werden.
3 Umfang der Handlungsvollmacht
Der Umfang der Handlungsvollmacht richtet sich nach dem zugeteilten Geschäftskreis. Er ist – anders als bei der Prokura – vom Vollmachtgeber frei bestimmbar. Das Gesetz nennt drei Gestaltungvarianten (§ 54 Abs. 1 HGB):
- Die Generalhandlungsvollmacht berechtigt zum Betrieb des gesamten Handelsgewerbes (Beispiele: Geschäftsleiter, Filialdirektor).
- Die -am häufigsten vorkommende- Arthandlungsvollmacht gilt für die Vornahme einer bestimmten Art von Geschäften (Beispiele: Einkäufer, Verkäufer, Kassierer).
- Die Spezialhandlungsvollmacht beschränkt die Ermächtigung des Bevollmächtigten dagegen nur auf einzelne, konkret bestimmte Geschäfte (Beispiele: Kauf eines Firmenwagens, Veräußerung eines Warenlagers).
Innerhalb des so abgesteckten Inhalts hängt der jeweilige Umfang der Handlungsvollmacht immer auch von der Branchenüblichkeit der Geschäfte und Rechtshandlungen ab.
Der Generalbevollmächtigte eines Lebensmittelgeschäfts kann zwar Personal einstellen und entlassen, nicht jedoch Wertpapiere ankaufen. Der Verkaufsbevollmächtigte muss sich bei der Einräumung von Zahlungsbedingungen an das für seinen Geschäftsbetrieb Übliche halten; Vertragsstrafen darf er daher grundsätzlich nicht vereinbaren. Die einmalige und nur zum Ankauf eines Warenlagers erteilte Spezialvollmacht ermächtigt auch zu Besichtigungsreisen, zur Einholung von Schätzungsgutachten, zum Abschluss von Verwahrungsverträgen und dergleichen.
4 Gefährliche Geschäfte
Damit der vollmachtgebende Kaufmann vor Geschäften, die als besonders gefährlich gelten, geschützt wird, sind diese grundsätzlich von allen der drei genannten Erscheinungsformen der Handlungsvollmacht ausgenommen, Zu deren Vornahme bedarf der Handlungsbevollmächtigte einer besonderen Befugnis (§ 54 Abs. 2 HGB). Hierzu gehören
- die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken
- die Eingehung von Wechselverbindlichkeiten;
- die Aufnahme von Darlehen;
- eine Prozessführung.
Dieser Ausnahmekatalog erscheint willkürlich, denn andere, nicht minder gefährliche Geschäfte wie etwa der Erwerb von Grundstücken oder die Abgabe eines Bürgschaftsversprechens sind dem Handlungsbevollmächtigten nicht verwehrt. Jedoch gilt auch hier wieder die grundsätzliche Einschränkung, dass der Betrieb des Handelsgewerbes diese Art von Geschäften gewöhnlich mit sich bringen muss.
Da die besonders gefährlichen Geschäfte von der Handlungsvollmacht gesetzlich ausgeschlossen sind, müssen und sollten sich Geschäftspartner immer die besondere Befugnis zur Vornahme der Rechtsgeschäfte nach § 54 Abs. 2 HGB nachweisen lassen.
5 Einschränkungen durch den Vollmachtgeber
Der Vollmachtgeber kann jederzeit durch Anweisung oder Vereinbarung die Befugnisse des Handlungsbevollmächtigten noch weiter beschränken (Beispiel: Einhaltung von Wertgrenzen bei bestimmten Geschäften).
Solche Einschränkungen wirken jedoch gegenüber Dritten nur, wenn diese sie kannten oder kennen mussten (§ 54 Abs. 3 HGB).
6 Besonderheiten bei Abschlussvertretern
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