Zusammenfassung
Geldschulden erlöschen in der Regel durch Zahlung des entsprechenden Geldbetrags. Allerdings kann eine Schuld auch durch auf andere Weise zum Erlöschen gebracht werden, insbesondere durch ein sog. Erfüllungssurrogat. Die Aufrechnung stellt ein solches Erfüllungssurrogat dar. Die Aufrechnung bewirkt eine wechselseitige Tilgung von zwei sich gegenüberstehenden Forderungen, ohne dass tatsächlich eine Zahlung vorgenommen wird.
Die Wirkungen und Voraussetzungen der zivilrechtlichen Aufrechnung sind insbesondere in den §§ 387 ff BGB geregelt. Auch das Steuerrecht kennt die Aufrechnung als Erfüllungssurrogat, wie ein Blick in § 47 AO zeigt. Grundsätzlich gelten für eine Aufrechnung mit einem Anspruch oder gegen einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis die Vorschriften des bürgerlichen Rechts entsprechend. Allerdings nur, soweit sich nicht aus den steuerrechtlichen Vorschriften etwas anderes ergibt. Eine solche Ausnahme ist z. B. in § 226 Abs. 3 AO enthalten: Danach darf gegen einen Anspruch aus einem Steuerschuldverhältnis nur aufgerechnet werden, wenn der Gegenanspruch (d. h. der Anspruch, der dem Aufrechnenden selbst zusteht) unbestritten oder rechtskräftig festgestellt ist.
1 Begriffsbestimmungen – Hauptforderung und Gegenforderung
Die Aufrechnung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, die gegenüber dem anderen Teil erklärt wird (einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung). Die Aufrechnung ist nur möglich, wenn sich zwei gleichartige Ansprüche wechselseitig gegenüberstehen. Um diese beiden Ansprüche auseinanderhalten zu können, wird von Hauptforderung (auch Passivforderung), also die vom Aufrechenden als Schuldner zu erfüllende Verbindlichkeit dem und Gegenforderung (auch Aktivforderung, Aufrechnungsforderung), also die dem Aufrechnenden als Gläubiger zustehende Forderung gesprochen. Die aufrechnende Person schuldet die Hauptforderung und ist zugleich Gläubigerin der Gegenforderung. Die Person, der gegenüber die Aufrechnung erklärt wird, ist die Aufrechnungsgegnerin. Diese ist damit im Gegensatz zur aufrechnenden Person n Gläubigerin der Hauptforderung und Schuldnerin der Gegenforderung.
Hauptforderung und Gegenforderung
Der selbstständige Elektromeister Martin Bauer ist Mandant der Steuerberaterin Ingrid Schott. Frau Schott stellt für ihre steuerliche Beratung Herrn Bauer 1.700 EUR brutto in Rechnung. Als ihr in ihrer Kanzlei die Telefonanlage zusammenbricht, beauftragt sie Herrn Bauer damit, die Telefonanlage wieder in Gang zu setzen. Herr Bauer stellt für seine umfangreichen Bemühungen Frau Schott 2.500 EUR brutto in Rechnung. Beide Ansprüche sind fällig. Frau Schott rechnet mit dem ihr zustehenden Anspruch in Höhe von 1.700 EUR auf und überweist die restlichen 800 EUR auf das Konto von Herrn Bauer. Damit ist ihre Schuld in Höhe von 1.700 EUR durch Aufrechnung und der Restbetrag von 800 EUR durch Zahlung erloschen.
Hauptforderung sind in diesem Fall die 2.500 EUR, die Frau Schott als diejenige, die die Aufrechnung erklärt, Herrn Bauer schuldet.
Gegenforderung sind die 17300 EUR, die Frau Schott gegenüber Herrn Bauer zustehen.
Merke: Die aufrechnende Person ist immer Schuldnerin der Hauptforderung und Gläubigerin der Gegenforderung. Der Aufrechnungsgegner ist immer Gläubiger der Hauptforderung, d. h. ihm steht die Forderung zu, gegenüber der aufgerechnet wird und Schuldner der Gegenforderung.
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Aufrechnende Person |
Aufrechnungsgegner bzw. Aufrechnungsempfänger |
Hauptforderung |
Schuldnerin der Forderung |
Gläubiger der Forderung |
Gegenforderung, Gegenanspruch im Sinne § 226 Abs. 3 AO |
Gläubigerin der Forderung |
Schuldner der Forderung |
Begriffsbestimmung im Zivil- und Steuerrecht
Diese Begriffsbestimmungen werden im Steuer- wie im Zivilrecht gleichermaßen verwendet. § 226 Abs. 3 AO bezeichnet die Gegenforderung als Gegenanspruch.
2 Zivilrechtliche Voraussetzungen einer Aufrechnung und steuerrechtliche Besonderheiten
Die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Aufrechnung sind in den §§ 387 ff BGB ausführlich geregelt. Daneben finden sich aber auch anderen Stellen Regelungen zu Aufrechnungen, insbesondere zu Aufrechnungsverboten, vgl. z. B. § 309 BGB (Aufrechnung für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Forderungen durch nicht durch Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließbar), § 422 Abs. 2 BGB (Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit bei Gesamtschuldnerschaft), § 719 Abs. 2 BGB (Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit bei gesamthänderischer Bindung von Gesellschaftsvermögen) oder § 1419 Abs. 2 BGB (eingeschränkte Aufrechnungsbefugnis bei Gütergemeinschaft).
Die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung lassen sich in folgender Kurzformel zusammenfassen: Eine Aufrechnung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Gegenseitigkeit,
- Gleichartigkeit,
- Fälligkeit, Gültigkeit, Durchsetzbarkeit
- Erfüllbarkeit,
- kein Verbot der Aufrechnung.
2.1 Gegenseitigkeit
Die Aufrechnung ist nur zulässig, wenn Forderung und Gegenforderung zwischen denselben Personen bestehen, (vgl. § 387 BGB "Schulden zwei Personen einander Leistungen"). D.h. die Gegenforderung, de...