Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebühr für Berichtigung des Grundbuchs bei Verschmelzung von Genossenschaften
Normenkette
EG Art. 234; EWGRL 335/69 Art. 7 Abs. 1 Buchst. b, Art. 5 Abs. 2, Art. 10 Buchst. c; KostO § 60
Nachgehend
Tenor
Das Verfahren der Erinnerung gegen den Kostenansatz des Grundbuchamts Breisach (UR II 7/01) wegen der Erhebung einer Gebühr für die Berichtigung des Grundbuchs wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.
Der Europäische Gerichtshof wird gemäß Artikel 177 EGV in Verbindung mit Artikel 20 des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Vorabentscheidung über die folgenden Rechtsfragen angerufen:
1. Ist die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinien 73/79/EWG des Rates vom 9. April 1973 zur Änderung des Anwendungsbereichs des ermäßigten Satzes der Gesellschaftsteuer, der zugunsten bestimmter Umstrukturierungen von Gesellschaften in Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital vorgesehen ist, 73/80/EWG des Rates vom 9. April 1973 betreffend die Festsetzung gemeinsamer Sätze der Gesellschaftsteuer, 74/553/EWG des Rates vom 7. November 1974 zur Änderung von Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital und 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 zur Änderung der Richtlinie 69/335/EWG betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (im Folgenden „Richtlinie” genannt) dahingehend auszulegen, dass unter das Verbot des Artikel 10 Buchstabe c) der Richtlinie unabhängig von den Voraussetzungen des Artikels 4 der Richtlinie sämtliche Vorgänge fallen, die in Artikel 10 Buchstabe c) der Richtlinie genannt sind?
2. Ist zwischen Gebühren für eine staatliche Dienstleistung und Steuern bei der Anwendung der Richtlinie keine Unterscheidung zu treffen, so dass „Gebühren” nach der Kostenordnung Besitzwechselsteuern gleichsetzt werden können?
3. Sollte der Gerichtshof die Frage zu Ziffer 2 bejahen, so schließt sich hieran die folgende Frage an: Ist Artikel 12 Absatz 2 letzter Satz der Richtlinie so auszulegen, dass ein Ausnahmetatbestand dadurch geschaffen ist, wenn in § 60 der deutschen Kostenordnung (Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Fassung vom 26. Juli 1957, Bundesgesetzblatt I S. 960) zum Beispiel für die Berichtigung des Grundbuchs bei Erbfällen keine Gebühren erhoben werden, wenn der Berichtigungsantrag innerhalb von zwei Jahren nach dem Erbfall gestellt wird?
Tatbestand
I. Sachverhalt
Am 3. August 1995 wurde im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Freiburg eingetragen, dass aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 14. Juni 1995 und der Verschmelzungsbeschlüsse der Generalversammlungen vom 27. April 1995 die W.- und V. B. eG in Br. mit der Genossenschaft B. W. eG in Br. durch Aufnahme verschmolzen ist (§§ 2, 79 ff Umwandlungsgesetz (UmwG) vom 28. Oktober 1994, Bundesgesetzblatt I S. 3210, ber. 1995 I S. 428).
Die W.- und V. B. eG in Br. a. Rh. war im Grundbuch von Breisach als Eigentümerin mehrerer Grundstücke eingetragen. Im Hinblick auf die oben genannte Verschmelzung beantragte sie am 13.05.1997 die Berichtigung des Grundbuchs.
Das Grundbuchamt berichtigte durch Eintragung in Abteilung I am 10. Juni 1997 den Namen der Eigentümerin in „B. W. eG in Br.”. Für diese Grundbuchberichtigung stellte das Grundbuchamt gemäß §§ 60, I; 19-20 Kostenordnung (KostO) aus einem Grundstückwert von 6.608.554,00 DM (= 3.378.900,00 EUR) einen Betrag von 10.040,00 DM (=5.133,37 EUR) in Rechnung.
Mit Schreiben vom 19.03.2001 legte die B. W. eG in Br. gegen den Kostenansatz Erinnerung ein. Zur Begründung beruft sich die Genossenschaft im Wesentlichen auf die Richtlinie 69/335/EWG und die hierzu vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ergangene Rechtsprechung.
Die Bezirksrevisorin am Landgericht Freiburg, die für die Wahrnehmung der fiskalischen Interessen des Landes Baden-Württemberg zuständig ist, hat namens der Staatskasse beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Sie trägt vor, Artikel 10 c der Richtlinie komme nicht zur Anwendung, da die erhobene Gebühr aus der Teilnahme der Genossenschaft am Rechtsverkehr unabhängig von ihrer Rechtsform resultiere. Auße rdem beruft sich die Bezirksrevisorin auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache „Societa Immobiliare SIF SpA gegen Amministrazione delle Finanze dello Stato” (C-42/96). Sie meint, dass sich aus dieser Entscheidung die Berechtigung des Landes Baden-Württemberg ergebe, Grundbuchgebühren zu erheben, die sich nach dem Wert des Objektes und nicht nach dem Aufwand der Dienstleistung berechnen. Wegen der Einze lheiten des Vortrags der Bezirksrevisorin wird auf die Seiten 1 bis 19, 51 bis 56, sowie 59 bis 77 der...