Leitsatz (amtlich)
1. Beruft sich ein Schuldner auf die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Hinblick auf ein über sein Vermögen eröffnetes Insolvenzverfahren, so ist das Insolvenzgericht zur Entscheidung gem. § 89 Abs. 3 InsO zuständig unabhängig davon, ob der Vollstreckungsgläubiger Insolvenzgläubiger oder Neugläubiger ist.
2. Zu überprüfen sind nicht nur „insolvenzspezifische” Einwendungen, sondern alle Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung.
3. Neugläubiger sind gem. § 89 Abs. 1 InsO nicht in jedem Fall an der Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners gehindert, sie können in das insolvenzfreie pfändbare Vermögen des Schuldners vollstrecken.
4. Nähere Angaben können von den Neugläubigern nicht verlangt werden, da diese anderenfalls unbillig benachteiligt würden. Vielmehr ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters bzw. Schuldners, sich im Wege der Vollstreckungserinnerung gem. § 766 ZPO zu wehren.
5. Neugläubiger können daher
- den Gerichtsvollzieher in das bewegliche Vermögen des Schuldners vollstrecken lassen und die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verlangen
- durch die Vollstreckungsrechtspfleger Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erwirken.
Tenor
Der Widerspruch des Schuldners vom 20.07.2007 wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Über das Vermögen des Schuldners ist mit Beschluss vom 29.03.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Eine Aufhebung des Verfahrens ist bislang nicht erfolgt. Mit Beschluss vom 19.01.2006 verurteilte das Amtsgericht Northe Im den Schuldner zur Zahlung eines Betrages vom 1 009,85 EUR an die Vollstreckungsgläubigerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Verurteilung zugrunde liegen Hauskosten für den Zeitraum 01.01.2004 bis 31.10.2004 aufgrund einer am 16.07.2005 erstellten Abrechnung. Auf die Forderungsanmeldung vom 03.05.2006 teilte der Insolvenzverwalter mit, dass er am 11.05.2004 alle Grundstücke aus dem Insolvenzbeschlag freigegeben habe, so dass entstehende Forderungen grundsätzlich an den Schuldner selbst zu richten seien und nicht zur Tabelle angemeldet werden könnten. Die Forderung der Vollstreckungsgläubigerin wurde (auch nicht teilweise) in die Tabelle aufgenommen.
Aufgrund dieser Forderung und eines Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichtes Northe Im vom 03.04.2006 betreibt die Vollstreckungsgläubigerin die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner und hat Antrag auf Bestimmung eines Termines zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gestellt. Im Termin vom 20.07.2007 hat der Schuldner gem. § 900 Abs. 4 ZPO Widerspruch gegen die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung eingelegt mit der Begründung, er habe bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben, seitdem hätten sich keine wesentlichen Neuerungen ergeben, zudem sei über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet worden.
Die Rechtspflegerin des Vollstreckungsgerichtes Northe Im hat die Akten dem Insolvenzgericht Göttingen vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Das Insolvenzgericht Göttingen ist zur Entscheidung über den Rechtsbehelf des Schuldners zuständig (1). Die Entscheidung hat der Richter an sich gezogen (2). In der Sache hat der Rechtsbehelf keinen Erfolg (3,4).
1) Zuständig zur Entscheidung über den Rechtsbehelf ist gem. § 89 Abs. 3 Satz 1 InsO das Insolvenzgericht. Das Insolvenzverfahren ist eröffnet und noch nicht aufgehoben worden. In der Sache beruft sich der Schuldner darauf, dass das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO eingreift. Dies genügt bereits, um die Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes zu begründen unabhängig von der Frage, ob es sich tatsächlich um Vollstreckung eines Insolvenzgläubigers oder eines Neugläubigers handelt. Im Übrigen wird die Auffassung vertreten, dass das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO auch für Insolvenzgläubiger gelte (siehe unten 3 b). Auch aus diesem Gesichtspunkt folgt die Zuständigkeit des Insolvenzgerichtes.
2) Zuständig zur Entscheidung über den Widerspruch gem. § 900 Abs. 4 ZPO ist der Rechtspfleger gem. § 20 Nr. 17 RpflG. Die Richterzuständigkeit greift nicht ein, da es sich nicht um eine Entscheidung nach § 766 ZPO handelt. Allerdings hat der Insolvenzrichter wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache gem. § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG die Entscheidung an sich gezogen.
3) In der Sache ist der Rechtsbehelf unbegründet.
Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass er bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und seitdem keine wesentlichen Neuerungen sich ergeben hätten. Die Regelung des § 903 ZPO greift nicht ein. Ausweislich der Mitteilung des Gerichtsvollziehers hat der Schuldner innerhalb der letzten drei Jahre keine eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Auch wenn es sich dabei nicht um eine „insolvenzspezifische” Einwendung handelt, ist zur Entscheidung darüber das Insolvenzgericht berufen. Andernfalls würden sich gespaltene Zuständigkeiten ergeben, eine verfahrensökonomische Abwickelung wäre nicht mehr gewährleistet (AG Göttingen ZVI 2002, 25, 26 = Rpfleger 2002, 170; FK-InsO/Schmerbach § 6 Rz. 57; a.A. MK-In...