Leitsatz (amtlich)
1. Während eines laufenden Insolvenzverfahrens kann ein erneutes Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet werden. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn ein selbständig tätiger Schuldner einen freigegebenen Geschäftsbetrieb fortführt und Anfechtungsansprüche vorliegen.
2. Ob bei einem erneuten Restschuldbefeiungsantrag des Schuldners der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO eingreift, bleibt dahingestellt.
Normenkette
InsO §§ 2-3, 11, 16 ff.
Tenor
B e s c h l u s s
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der ...
wird heute um 18:00 Uhr das Insolvenzverfahren gemäß §§ 2,3,11,16 ff. InsO wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.
Zum Insolvenzverwalter wird bestellt:
Rechtsanwalt ...
Gründe
I. Über das Vermögen der Schuldnerin ist aufgrund Fremdantrages und - mit Antrag auf Restschuldbefreiung verbundenen - Eigenantrages am 23.04.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (74 IN 4/04). Eine Verfahrensaufhebung ist bislang nicht erfolgt. Das Anlagevermögen ist an den Schwiegervater der Schuldnerin übergeben und sodann die selbständige Tätigkeit der Schuldnerin aus der Masse freigegeben worden.
Ein Antrag des Finanzamtes Göttingen vom 31.01.2007 auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin hat das Insolvenzgericht Göttingen mit - rechtskräftigen - Beschluss vom 02.03.2007 (74 IN 49/07) als unzulässig abgewiesen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH (BGH ZInsO 2004, 739), wonach während eines laufenden Insolvenzverfahrens ein neuer Insolvenzantrag unzulässig ist.
Am 06.09.2007 hat die Antragstellerin wegen rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.07.2006 bis 31.08.2007 in Höhe von 5.962,90 € Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt. Mit Verfügung vom 12.09.2007 hat das Insolvenzgericht die Antragstellerin zunächst auf Bedenken gegen die Zulässigkeit des Insolvenzantrages hingewiesen. Die Antragstellerin hat darauf nachgefragt, ob das Unternehmen der Schuldnerin freigegeben worden ist.
Nachdem die Freigabe in dem (eröffneten) Verfahren 74 IN 4/04 festgestellt worden war, hat das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 12.10.2007 (ZVI 2007, 571) einen Sachverständigen eingesetzt. In der Folgezeit sind weitere Sozialversicherungsbeiträge fällig geworden. Unter Berücksichtigung von Teilzahlungen ergibt sich nach den Angaben der Antragstellerin im Schriftsatz vom 15.01.2008 eine Betrag von 5.928,33 €.
In seinem Abschlussgutachten vom 18.02.2008 empfiehlt der Sachverständige, das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Nach seinen Feststellungen betrieb die Schuldnerin im Zeitpunkt der Antragstellung zwei Ladengeschäfte zum Verkauf von Schnittblumen und weiteren Gewächsen. Inzwischen sind die Angestellten entlassen und eines der Ladengeschäfte geschlossen worden. Für den Fall der Verfahrenseröffnung hat der Sachverständige eine (erneute) Freigabe der selbständigen Tätigkeit angekündigt, da Überschüsse aus dem Geschäftsbetrieb nicht zu erwarten sind.
Das Vermögen der Schuldnerin umfasst zwei PKW und einen PKW -Anhänger. Im Hinblick auf § 811 Ziffer 5 ZPO ist nur einer der PKW verwertbar zu einem geschätzten Erlös von 800 €. Nicht verwertbar sind auch die Geschäftsausstattung und ein Warenlager. Weiter bestehen Ansprüche aus anfechtbaren Leistungen in Höhe von 7.087,00 e aufgrund von Zahlungen der Schuldnerin an die Antragstellerin in Höhe von 6.687,00 € und Pfändungen weiterer Gläubiger in Höhe von 400 €.
Der freien Masse von 7.887,00 € stehen gegenüber Verbindlichkeiten bei der Antragstellerin in Höhe von ca. 5.900 € und bei dem Finanzamt in Höhe von 17.517,27 € aus Lohn- und Umsatzsteuern.
II. Das Insolvenzgericht hat das Insolvenzverfahren eröffnet.
1) Die Schuldnerin ist zahlungsunfähig (§ 17 InsO), das Vermögen der Schuldnerin wird voraussichtlich ausreichen, um die Kosten des Verfahrens zu decken (§ 26 InsO).
2) Weiter liegt auch das rechtliche Interesse im Sinne des § 14 Abs. 1 InsO vor.
a) Zum Vorliegen des rechtlichen Interesses bei Zulassung des Antrages hat das Insolvenzgericht im Beschluss vom 12.10.2007 (ZVI 2007, 571) im Rahmen der Anordnung eines Sachverständigengutachtens zusammengefasst folgendes ausgeführt:
Nach der Rechtsprechung des BGH (ZInsO 2004, 739) besteht zwar an der Durchführung eines so genannten Zweitinsolvenzverfahren grundsätzlich kein rechtlich geschütztes Interesse von Neugläubigern. Dem entschiedenen Fall lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Schuldner einen Restaurantbetrieb mit Einverständnis des Insolvenzverwalters fortsetzte. Für die Entscheidung hat der BGH darauf abgestellt, dass nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit eines Schuldners im vollen Umfang zur Insolvenzmasse gehören (unter Hinweis auf den Beschluss vom 20.03.2003 NZI 2003, 389, 392 = ZInsO 2003, 413, "Psychologinnenentscheidung"). Das mangelnde rechtliche Interesse hat der BGH daraus hergeleitet, dass die Antragstellerin nicht darlegte, dass der ...