Zusammenfassung
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 WEG gelten §§ 5 Abs. 4, 7 Abs. 2 und § 10 Abs. 3 WEG in der vom 1.12.2020 an geltenden Fassung auch für solche Beschlüsse, die vor dem 1.12.2020 gefasst oder durch gerichtliche Entscheidung ersetzt wurden. Dies bedeutet im Klartext, dass bestimmte Altbeschlüsse zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden müssen. Um die Bindung an die bislang formlos gefassten, seit dem 1.12.2020 aber einzutragenden Beschlüsse nicht sofort entfallen zu lassen, ordnet § 48 Abs. 1 Satz 2 WEG an, dass die Bindung eines Sondernachfolgers an sämtliche Beschlüsse bis zum 31.12.2025 weiter gilt. Diese Frist läuft bald ab. In der Praxis ist daher bis Ende nächsten Jahres dafür zu sorgen, dass sämtliche wirksamen Beschlüsse, die auf einer Öffnungsklausel beruhen und vor dem 1.12.2020 gefasst wurden, nachträglich zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden müssen ("Verdinglichung").
1 Schritt 1: Klärung, ob es eine Öffnungsklausel gibt
Die Verwaltungen müssen für die grundsätzlich anzustrebende Verdinglichung zunächst klären, ob es in der von ihnen verwalteten Wohnungseigentumsanlage eine Gemeinschaftsordnung gibt (so wird es fast immer sein) und ob diese eine oder mehrere Öffnungsklauseln enthält (das kann, muss aber nicht so sein).
Öffnungsklauseln
Die Wohnungseigentümer haben eine Kompetenz, einen Beschluss zu fassen, wenn ihnen das WEG für seinen Gegenstand eine Beschlusskompetenz einräumt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 WEG).
Zum anderen kann eine Beschlusskompetenz aus einer Vereinbarung folgen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 WEG). Eine solche Vereinbarung, die den Wohnungseigentümern eine Beschlusskompetenz für einen Gegenstand gibt, ist im allgemeinen Sprachgebrauch eine "Öffnungsklausel".
Die Frage, ob es eine Öffnungsklausel gibt, kann eine Verwaltung in der Regel selbst beantworten. Muss für die Überprüfung dennoch namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) ein Rechtsanwalt beauftragt werden, besteht für den Vertragsschluss nach § 9b Abs. 1 Satz 1 WEG eine Vertretungsmacht. Ob der Vertrag im Innenverhältnis geschlossen werden darf, bemisst sich an § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG oder einem Beschluss nach § 27 Abs. 2 WEG. In der Regel, aber nicht immer, dürfte der Vertragsschluss eine untergeordnete Bedeutung haben und nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen.
2 Schritt 2: Bestimmung der Beschlüsse, die auf der Öffnungsklausel beruhen
Enthält eine Gemeinschaftsordnung Öffnungsklauseln, sind in einem zweiten Schritt die Beschlüsse, die auf einer solchen Öffnungsklausel beruhen und vor dem 1.12.2020 gefasst worden sind ("Altbeschlüsse"), von den Verwaltungen aus der Masse aller von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlüsse zu bestimmen.
Mit diesem Ziel ist die Beschluss-Sammlung, aber auch die Sammlung sämtlicher Niederschriften zu überprüfen. Es kann ferner Beschlüsse geben, die in beiden Unterlagen nicht dokumentiert sind.
Sonderhonorar
Die Verwaltungen können mit der GdWE dafür ein Sonderhonorar vereinbaren. Ein Anspruch hierauf besteht allerdings nicht.
Die Bestimmung der entsprechenden Beschlüsse kann im Einzelfall mit Schwierigkeiten verbunden sein. Denn es ist vor allem seit dem Juli 2007 möglich, dass es neben der vereinbarten Beschlusskompetenz (= die auf der Öffnungsklausel beruhende Beschlusskompetenz) auch eine gesetzliche Beschlusskompetenz gab. Dann ist von den Verwaltungen zunächst zu klären, auf welcher Grundlage der Beschluss überhaupt fußte.
Vereinbarte oder gesetzliche Beschlusskompetenz
Ein Beispiel hierfür ist die Änderung eines Umlageschlüssels zu den Betriebs- oder Verwaltungskosten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum. Für diesen Beschluss gab es bis zum 1.7.2007 keine Beschlusskompetenz. Er konnte also nur auf einer Öffnungsklausel beruhen. Am 1.7.2007 hatte sich diese Rechtslage geändert. Durch § 16 Abs. 3 WEG a. F. erlangten die Wohnungseigentümer eine Beschlusskompetenz für diesen Bereich.
Findet die Verwaltung beispielsweise in einer Niederschrift aus dem Jahre 2010 die Änderung des Umlageschlüssels für die Kosten der Reinigung des Treppenhauses, kann diese daher auf einer Öffnungsklausel beruhen, die diese Beschlüsse erlaubt, aber auch auf § 16 Abs. 3 WEG a. F. In der Praxis dürfte dies den Wohnungseigentümern häufig nicht bewusst gewesen sein. Es wird anhand der Beschlussfassung daher auch nicht deutlich sein, welcher Beschlusskompetenz sich die Wohnungseigentümer bedient haben.
3 Schritt 3: Überprüfung auf Mängel
Nach der Bestimmung, um welche Beschlüsse es geht, sind diese auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Dabei sind formale und materielle Beschlussmängel vorstellbar. Besondere Probleme bereiten hier Öffnungsklauseln, die nicht eindeutig regeln, welches Quorum erreicht werden muss und ferner nicht bestimmen, was gilt, wenn das Quorum verpasst ist.
Außerdem kann ein Beschluss ungültig sein. Ein Beschluss, der auf einer Öffnungsklausel beruht, kann nichtig sein, wenn er gegen ein Gesetz verstößt (§ 134 BGB) oder sittenwidrig (§ 138 BGB) ist.
Die durch eine Öffnungsklausel legitimierte Mehrheitsmacht soll darüber hinaus auch durch solche Individualrechte begrenzt werden, die zwar zu den unentzieh...