Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnis, wenn der Erblasser über ein Grundstück verfügt, das einen wesentlichen Teil seines Nachlasses ausmacht, und ausgeschlossen werden kann, dass er über sein gesamtes Vermögen verfügen wollte.
Normenkette
BGB § 2087
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 31.07.2002; Aktenzeichen 16 T 19562/00) |
AG München (Aktenzeichen VI 4775/78) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) bis 5) gegen den Beschluss des LG München I vom 31.7.2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2) bis 5) haben die dem Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 42.590 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser verstarb 1978 im Alter von 78 Jahren nach längerer Krankheit. Er hinterließ seine nachverstorbene Ehefrau und seinen ehelichen Sohn, den Beteiligten zu 1), welcher kinderlos ist. Die Beteiligten zu 2) bis 4) sind Kinder des Neffen S. des Erblasser. Die Beteiligte zu 5) ist eine Schwester des Erblassers.
Der Nachlass bestand aus Bankguthaben, Wertpapieren und sonstigen Gegenständen im Wert von ca. 86.600 DM. Zum Nachlass gehörte ferner ein damals als Garten- und Ackerland bzw. Grünland ausgewiesenes Grundstück, das der Erblasser 1959 im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erhalten hatte. Es wurde vom Nachlassgericht seinerzeit mit 31.600 DM (das Zweifache des Einheitswertes) bewertet.
Das Nachlassgericht, dem eine letztwillige Verfügung des Erblassers seinerzeit nicht bekannt war, ging zunächst von gesetzlicher Erbfolge aus und bewilligte am 31.5.1978 einen Erbschein, der die Witwe des Erblassers und den Beteiligten zu 1) als gesetzliche Erben zu je 1/2 ausweist. Das Grundbuch wurde entspr. umgeschrieben. Nach Aufstellung eines Bebauungsplans durch die Gemeinde und Durchführung eines Umlageverfahrens in den Jahren 1982/1983 errichtete der Beteiligte zu 1) auf dem ihm im Zuge des Umlageverfahrens zugeteilten und später arrondierten Grundstück ein Einfamilienhaus, welches er seither mit seiner Ehefrau bewohnt.
Um die Jahreswende 1998/1999 beantragten die Beteiligten zu 2) bis 5) unter Vorlage der Kopie eines handschriftlichen Testaments die Einziehung des Erbscheins vom 31.5.1978. Das Testament, das keine Orts- und Datumsangabe enthält, hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:
„Nach meinem Tode ist es mein letzter Wille, dass mein geerbtes Grundstück von meinen Eltern, in 4 gleiche Teile verteilt werden, und zwar 3 Teile für die Kinder meines Neffen S. (Beteiligte zu 2) bis 4) und ein gleicher Teil meiner Schwester (Beteiligte zu 5)).
Die Grundstücke dürfen nicht verkauft oder sonst wie veräußert werden.
Eine Bitte:
Lasst für unser Elterngrab einen schönen Grabstein setzen.”
Die Beteiligten zu 2) bis 5) behaupten, das Testament sei vom Erblasser eigenhändig am 2.1.1978 anlässlich seines Weihnachtsbesuchs bei der Familie S. in Anwesenheit der Eheleute S. errichtet worden. Der Erblasser habe damit einem seit Erwerb des Grundstücks im Jahre 1959 bestehenden Wunsch, das Grundstück möge im Familienbesitz bleiben und an die Nachkommen seines Neffen S. weiter vererbt werden, Rechnung getragen. Die Zuwendung an die Beteiligten zu 2) bis 5) sei auch darin begründet, dass das Verhältnis des Erblassers zu seiner Ehefrau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter schlecht gewesen sei, während er in der Familie des Neffen Anschluss gefunden habe.
Die Antragsteller tragen vor, im Anschluss an die Testamentserrichtung habe der Erblasser den Zeugen S. gebeten, von der Testamentsurkunde Kopien zu fertigen. Diesem Wunsch habe der Zeuge entsprochen, indem er auf einem Kopierer seines Arbeitgebers, mehrere so genannte Nasskopien gefertigt habe. Das Originaltestament habe der Erblasser sodann bei seiner Abreise mitgenommen, um es bei seinen Unterlagen zu verwahren. Das Testament sei bis zum Tod des Erblassers nicht widerrufen worden, es sei vielmehr vom Beteiligten zu 1) in den Unterlagen des Erblassers aufgefunden worden. Dies habe der Beteiligte zu 1) dem Zeugen S. am Telefon bestätigt, als dieser etwa im Juli 1978 angerufen und sich unter Hinweis auf die in seinem Besitz befindliche Kopie des Testaments nach dem Stand der Erbschaft erkundigt habe. Daraufhin habe der Beteiligte zu 1) die Eheleute S. zu sich eingeladen, wo der Zeuge S. dem Beteiligten zu 1) die Kopie des Testaments gezeigt habe. Der Beteiligte zu 1, von Beruf Jurist im öffentlichen Dienst, habe hierzu erklärt, das Testament sei mangels Orts- und Zeitangabe unwirksam. Im Vertrauen auf diese Aussage habe der Zeuge S. die Rechte seiner Kinder aus dem Testament nicht weiter verfolgt. Erst 20 Jahre später habe die Beteiligte zu 2), zwischenzeitlich selbst Juristin, die Kopie des Testaments erstmals zu Gesicht bekommen und die Formwirksamkeit der Verfügung festgestellt.
Die Antragsteller sind der Ansicht, das Testament vom 2.1.1978 sei als Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2) bis 5) zu je 1/8 auszulegen. Die...