Verfahrensgang
LG Augsburg (Entscheidung vom 29.11.2020; Aktenzeichen NöStVK 618/20) |
AG Nördlingen (Entscheidung vom 29.11.2020) |
Tenor
- Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen K .. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen vom 29 November 2020 aufgehoben
- Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg beim Amtsgericht Nördlingen zurückverwiesen.
- Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
- Dem Beschwerdeführer wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin R...B... bewilligt.
- Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 250 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Strafgefangener in der Justizvollzugsanstalt Kaisheim. Mit schriftlichem Antrag vom 6.8.2020 begehrte er von der Antragsgegnerin die Genehmigung, ihm folgende Information aus dem Internet von der zuständigen Sozialarbeiterin zukommen zu lassen.
"- Bundesverfassungsgericht Beschlüsse und Pressemitteilungen
- Landgericht und OLG Urteile/Beschlüsse
- Kammergericht Urteile/Beschlüsse".
Daraufhin wurde ihm am 14.8.2020 mitgeteilt, dass die Recherche für Gefangene im Internet nicht zu den Aufgaben des Sozialdienstes gehöre und er umfangreich anwaltlich vertreten sei.
Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 28.8.2020 stellte der Strafgefangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel, die von der Antragsgegnerin erfolgte Ablehnung der Genehmigung, ihm über, die Sozialarbeiterin die im Antrag genannten Beschlüsse, Urteile und Pressemitteilungen aus dem Internet zukommen zu lassen, aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Genehmigung und damit verbunden die Zuleitung der ursprünglich beantragten Unterlagen (vgl. Antrags Nr. 368/20 vom 5.8.2020) zu erteilen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin R...B... zu gewähren.
Die Justizvollzugsanstalt nahm hierzu mit Schreiben, vom 15.10.2020 Stellung. Der Anfechtungsantrag sei unzulässig. Es handele sich bereits nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG, da der Antragsteller ohne nähere Konkretisierung die Erlaubnis zum Erhalt von Gerichtsentscheidungen beantrage. Die Eröffnung, dass ihm dies nicht ermöglicht werde, sei als bloße Mitteilung unter anderem auch über die Aufgaben der Sozialarbeiter sowie von Rechtsanwälten und Verteidigern zu sehen. Im Übrigen sei der Anfechtungsantrag unbegründet. Das Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG) bleibe gewahrt, da Gefangene durch Hörfunk, Fernsehen sowie Zeitungen und Zeitschriften jederzeit Zugang auf allgemein zugängliche Informationen erhalten. Art. 70 und 72 BayStVollzG seien nicht einschlägig, da der Inhaftierte gerade keine Zeitung oder Zeitschrift, sondern Ausdrucke aus dem Internet begehre und nicht davon ausgegangen werden könne, dass er umfangreiche juristische Literatur zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung benötige. Vielmehr sei Art. 75 BayStVollzG zu beachten, der die Aufgaben der Sozialarbeit als Hilfe zur Selbsthilfe in sozialen Angelegenheiten beschreibe. Hierzu gehöre nicht die Recherchetätigkeit für Inhaftierte, zumal die Rechtsanwältin des Gefangenen selbst vortrage, dass es sich bei dem Begehr um einen "massenhaften" Anfall von Ausdrucken handle und ein solcher "Service" in Ansehung von Art. 3 Abs. 1 GG dann auch allen anderen Inhaftierten gewährt werden müsste. Hingegen sei zur juristischen Beratung und Vertretung die Rechtsanwältin bzw. weitere Rechtsvertreter des Inhaftierten berufen. Nur informatorisch sei angemerkt, dass massenhafte Kopien auch die Übersicht des Haftraums erschweren würden.
Der Verpflichtungsantrag sei ebenfalls unzulässig, da es bereits an einer konkreten Maßnahme fehle, zu der verpflichtet werden könnte, es sich vielmehr um einen allgemeinen und vorbeugenden Verpflichtungsantrag handle, der im Rechtsschutzsystem der §§ 109 ff. StVollzG nicht vorgesehen sei. Er sei auch unbegründet, da es an einer Rechtsgrundlage fehle.
Gemäß Verfügung vom 22.10.2020 erhielt die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Mit Schreiben vom 18.11.2020, eingegangen per Telefax am selben Tag, teilte die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit, dass eine Stellungnahme grundsätzlich beabsichtigt sei und beantragte, die ursprünglich gesetzte Frist um vier Tage bis einschließlich 22.11.2020 zu verlängern. Mit Schreiben seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2020, eingegangen per Telefax am selben Tag, nahm der Antragsteller zum Bericht der Justizvollzugsanstalt vom 15.10.2020 Stellung. Er weist unter anderem darauf hin, dass keine direkte Recherchetätigkeit des Sozialdienstes verlangt werde, sondern vom Antragsteller dann im konkreten Fall konkret...