Leitsatz (amtlich)
1. Begehrt im Verfahren nach § 1748 BGB das Kind die Ersetzung der Einwilligung des leiblichen Vaters in die Adoption durch den Stiefvater, so ist nur das Kind, nicht auch der Stiefvater beschwerdeberechtigt.
2. Zur „Verfahrensfähigkeit” eines ausländischen Minderjährigen.
3. Die Anwendung deutschen Rechts anstelle des Heimatrechts des Kindes nach Art. 23 S. 2 EGBGB kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Heimatrecht des Kindes anders als § 1748 BGB keine Möglichkeit vorsieht, die verweigerte Einwilligung seines Vaters zu ersetzen und das Kind sich auf Dauer in der Obhut seiner mit einem deutschen Staatsangehörigen wiederverheirateten Mutter in Deutschland aufhält.
Normenkette
BGB § 1748; EGBGB Art. 14, 22-23; MSA Art. 2 Abs. 2 S. 2; Gesetz über die Familie von Bosnien und Herzegowina Art. 142 ff.
Verfahrensgang
LG Coburg (Beschluss vom 15.05.2001; Aktenzeichen 21 T 17/01) |
AG Kronach (Aktenzeichen XVI 2/00) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) wird verworfen.
II. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird der Beschluss des LG Coburg vom 15.5.2001 aufgehoben.
III. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das LG Coburg zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1) und 2) stammen aus der am 30.12.1984 in Bosnien geschlossenen, mit Urteil des AG K. vom 28.8.1996 geschiedenen Ehe ihrer Mutter mit dem Beteiligten zu 3), die beide Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina sind. Die elterliche Sorge für die Beteiligten zu 1) und 2) wurde in dem Urteil vom 28.8.1996 – nach Art. 1, 2, 13 MSA in Anwendung deutschen Rechts (§ 1671 Abs. 1 und 2 BGB a.F.) – der Mutter übertragen. Die Familie lebte seit Ende 1993 in Deutschland. Der Beteiligte zu 3) ist Ende 1996 oder Anfang 1997 in seinen Heimatort in Bosnien zurückgekehrt. Die Mutter hat sich am 10.6.1997 wiederverheiratet mit dem Beteiligten zu 4), einem deutschen Staatsangehörigen. Dieser will die Beteiligten zu 1) und 2) adoptieren. Der Beteiligte zu 3) verweigert die Einwilligung in die Adoption. Die Beteiligten zu 1) und 2) haben, vertreten durch ihre Mutter, am 23.2.2001 beantragt, die Einwilligung des Beteiligten zu 3) zu ersetzen.
Das VormG hat mit Beschluss vom 28.2.2001 den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2), ihre Mutter und der Beteiligte zu 4) mit einem gemeinsamen, von allen unterzeichneten Schreiben Beschwerde eingelegt. Das LG hat mit Beschluss vom 15.5.2001 „die sofortigen Beschwerden der Beteiligten … (zu 1) und 2))” zurückgewiesen.
Dagegen haben die Beteiligte zu 1) (nach § 59 FGG), die Mutter als gesetzliche Vertreterin der Beteiligten zu 1) und 2) und der Beteiligte zu 4) zu Protokoll der Rechtspflegerin des VormG weitere Beschwerde eingelegt.
II. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4) ist unzulässig. Die weiteren Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 2) sind zulässig und haben insofern Erfolg, als sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung führen.
1. Der Beteiligte zu 4) ist nicht beschwerdeberechtigt (§§ 20, 29 Abs. 4, § 57 Abs. 1, § 63 FGG).
Es bedarf keiner Erörterung, ob neben einer Beschwerdeberechtigung nach § 57 Abs. 1 Nr. 9 FGG (vgl. Keidel/Engelhardt, FGG, 14. Aufl., § 57 Rz. 34) auch eine Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG – unter dem Gesichtspunkt der Beeinträchtigung einer Anwartschaft (vgl. BGH JZ 1962, 250; BayObLGZ 1960, 407 [410]; Keidel/Kahl § 20 Rz. 7) – in Betracht kommt. In jedem Fall steht der Beschwerdeberechtigung § 20 Abs. 2 FGG entgegen. Die Einwilligung eines Elternteils kann nur auf Antrag ersetzt werden. Antragsberechtigt ist allein das Kind (§ 1748 Abs. 1 S. 1 BGB). Deswegen ist nach § 20 Abs. 2 FGG im Falle einer Zurückweisung des Antrags auf Ersetzung der Einwilligung auch nur das Kind beschwerdeberechtigt (BayObLG, Beschl. v. 24.4.1984 – BReg 1 Z 78/83, FamRZ 1984, 935; Keidel/Engelhardt, FGG, 14. Aufl., § 57 Rz. 34; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 20 Rz. 23, § 57 Rz. 2, 25; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 57 Rz. 1).
2. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist zulässig.
a) Die Beteiligten zu 1) und 2) besitzen als Kinder von Eltern bosnischer Staatsangehörigkeit ebenfalls die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina (vgl. Art. 249 der Verfassung der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 21.2.1974; Art. 4 Nr. 1, Art. 22 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien vom 24.12.1976; Art. 4 Nr. 1 des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit von Bosnien und Herzegowina vom 6.10.1992 in der bereinigten Fassung vom 11.9.1996). Sie sind sowohl nach deutschem Recht wie nach ihrem Heimatrecht noch minderjährig und stehen unter elterlicher Sorge (vgl. Art. 87, 105 des Gesetzes über die Familie vom 29.5.1979 in der Fassung vom 20.12.1989 von Bosnien und Herzegowina).
b) Die Mutter konnte als gesetzliche Vertreterin wirksam die weitere Beschwerde für die Beteiligten zu 1) und 2) ...