Entscheidungsstichwort (Thema)
Verstoß gegen das Straßenverkehrsgesetz. nach Anhörung der Staatsanwaltschaft
Verfahrensgang
AG Erding (Urteil vom 31.01.2000) |
Tenor
I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Erding vom 31. Januar 2000 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Erding zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Dem Betroffenen lag zur Last, am 30.8.1999 mit einem Personenkraftwagen am Flughafen München im Linienverkehr Fahrgäste befördert zu haben, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung zu sein.
Das Amtsgericht Erding sprach den Betroffenen am 31.1.2000 von diesem Vorwurf frei.
Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, die durch Beschluß vom 8.6.2000 zugelassen wurde.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz.
1. Die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, daß der Betroffene sich keiner (ihm im Bußgeldbescheid zur Last gelegten) Ordnungswidrigkeit nach § 75 Nr. 12, § 48 Abs. 1 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), § 24 Abs. 1 StVG schuldig gemacht habe, ist allerdings im Ergebnis zutreffend. Einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung bedurfte der Betroffene als Fahrzeugführer nur, wenn er einen Personenkraftwagen im Linienverkehr (§§ 42, 43 PBefG) oder bei gewerbsmäßigen Ausflugsfahrten oder Ferienzielreisen (§ 48 PBefG) führte. Die Fahrzeugführung ohne Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung nach § 48 Abs. 1 FeV ist zu unterscheiden von der Personenbeförderung ohne Genehmigung im Sinn des Personenbeförderungsgesetzes. Auch wenn der Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 PBefG) genehmigte Personenbeförderung betreibt, bedarf der Fahrzeugführer unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 FeV einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 FeV konnten im vorliegenden Fall vom Amtsgericht aber nicht festgestellt werden. Erörterungsbedürftig sind nur die Voraussetzungen des Linienverkehrs. Linienverkehr gemäß § 42 Satz 1 PBefG scheidet aus, da es an einer zwischen bestimmten Ausgangs- und Endpunkten eingerichteten regelmäßigen Verkehrsverbindung fehlt; die Fahrgäste haben jedenfalls verschiedene Wohnorte, von denen sie abgeholt werden. Auch die Sonderformen des Linienverkehrs gemäß § 43 Satz 1 PBefG liegen nicht vor; es handelt sich weder um Berufsverkehr noch um Schülerfahrten, Marktfahrten oder Theaterfahrten. Eine entsprechende (ausdehnende) Anwendung auf ähnliche Beförderungsvorgänge (vgl. § 2 Abs. 6 PBefG) kommt bußgeldrechtlich nicht in Betracht (vgl. Art. 103 Abs. 2 GG; § 3 OWiG); die Aufzählung ist abschließend (vgl. Lampe in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze PBefG Stand 1.9.1995 § 43 Rn. 1 m.w.N.).
2. Das Amtsgericht hat die Tat aber nicht unter allen rechtlichen Gesichtspunkten erschöpfend gewürdigt, insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt des Personenbeförderungsgesetzes (§ 61 Abs. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 PBefG).
2.1. Die dem Betroffenen zur Last gelegte Fahrt vom 30.8.1999 umfaßt als prozessuales Ereignis (§ 264 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG) auch die Frage nach der Beteiligung des Betroffenen an einer Personenbeförderung ohne Genehmigung im Sinne des PBefG.
2.2. Normadressat der Bußgeldvorschrift des § 61 Abs. 1 Nr. 1 PBefG ist der Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Satz 2 PBefG; vgl. auch Lampe § 61 Rn. 2). Ob der Betroffene als Unternehmer anzusehen ist (vgl. auch § 3 Abs. 2 Satz 1 PBefG), läßt sich den Feststellungen des Amtsgerichts nicht eindeutig entnehmen; insbesondere ist nicht geklärt, ob die Beförderungsvereinbarung mit dem Betroffenen oder dem Reisebüroinhaber getroffen worden ist (vgl. OLG Thüringen VRS 98, 230/231). Aber auch wenn der Betroffene nur Fahrzeugführer gewesen sein sollte, käme eine Beteiligung an einer Ordnungswidrigkeit des Unternehmers gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 OWiG in Betracht. Dies setzt allerdings einen vorsätzlichen Tatbeitrag zu einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit voraus (vgl. Göhler OWiG 12. Aufl. § 14 Rn. 3 und 5 b m.w.N.).
2.3. Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen unterliegt den Vorschriften des PBefG (§ 1 Abs. 1 Satz 1), wenn sie entgeltlich oder geschäftsmäßig durchgeführt wird. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 PBefG sind als Entgelt auch wirtschaftliche Vorteile anzusehen, die mittelbar für die Wirtschaftlichkeit einer auf diese Weise geförderten Erwerbstätigkeit erstrebt werden. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, spielt es für die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 61 Abs. 1 Nr. 1 PBefG keine Rolle, ob eine Genehmigung überhaupt nicht erteilt werden kann, weil die Beförderung in keiner der vom Gesetz zugelassenen Art und Formen betrieben wird, oder ob die Beförderungsart zwar genehmigungsfähig ist, eine Genehmigung aber nicht erteilt worden ist (vgl. BGH VRS 44, 8...