Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustellung des die Zwangsverwaltung anordnenden Beschlusses an den geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Leitsatz (amtlich)
Der die Zwangsverwaltung anordnende Beschluss kann wirksam dem geschäftsführenden Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zugestellt werden.
Normenkette
BGB § 714; ZPO § 170 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.09.2005; Aktenzeichen 81 T 483/05) |
AG Berlin-Neukölln (Entscheidung vom 01.06.2005; Aktenzeichen 70 L 498/04) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 81 des LG Berlin vom 19.9.2005 wird auf Kosten der Schuldnerin zurückgewiesen.
Gründe
I.
[1] Die in Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Eigentümer eines Hausgrundstücks in das Grundbuch eingetragenen Gesellschafter K. und S. bestellten mit notarieller Urkunde des Notars M. vom 19.2.1991 (Urk.Nr. 113/91) für die Rechtsvorgängerin der Gläubigerin eine Grundschuld, die in das Grundbuch eingetragen wurde und dem jeweiligen Grundstückseigentümer gegenüber vollstreckbar ist (§ 800 ZPO). In der Folgezeit wurden weitere Personen in die Gesellschaft (im Folgenden Schuldnerin) aufgenommen und ebenfalls als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Nicht eingetragen ist der zum Geschäftsführer bestellte Gesellschafter F. H.
[2] Nach Titelumschreibung auf die Gläubigerin und gegen die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter hat die Gläubigerin die Anordnung der Zwangsverwaltung beantragt. Die notarielle Urkunde ist allein dem Geschäftsführer der Schuldnerin zugestellt worden. In der Zustellungsurkunde ist als Adressat "F. H., Geschäftsführer der GbR" angegeben sowie das Aktenzeichen "Urk.Nr. 113/91".
[3] Das AG hat die Zwangsverwaltung angeordnet. Die von der Schuldnerin eingelegte Erinnerung ist ebenso erfolglos geblieben wie die sofortige Beschwerde. Mit der von dem LG zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihren Antrag auf Aufhebung der Zwangsverwaltung weiter. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
[4] Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, aus einem dinglichen Titel gegen die aus dem Grundbuch ersichtlichen Gesellschafter könne auch in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden. Daher sei das Vollstreckungsgericht nicht gehindert gewesen, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in den die Zwangsverwaltung anordnenden Beschluss als Schuldnerin aufzunehmen. Die Zustellung an den Geschäftsführer sei wirksam. Davon abgesehen seien Zustellungsmängel jedenfalls nach § 189 ZPO geheilt.
III.
[5] 1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
[6] a) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere ist das Beschwerdegericht zu Recht davon ausgegangen, dass ein nach §§ 736, 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 800 Abs. 1 ZPO zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen geeigneter Titel vorliegt. In dem umgeschriebenen Titel sind die im Grundbuch als Eigentümer eingetragenen Gesellschafter aufgeführt (§ 17 Abs. 1 i.V.m. § 146 ZVG). Aus diesem Titel kann nach § 736 ZPO in das Vermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts vollstreckt werden. Daran hat sich durch die Anerkennung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als rechtsfähig (§ 14 Abs. 2 BGB) nichts geändert (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2004, IXa ZB 288/03, NJW 2004, 3632, 3634 m.w.N.; vgl. auch Senat, Beschl. v. 6.4.2006 - V ZB 158/05, BGHReport 2006, 992 = MDR 2006, 1254 = NJW 2006, 2191).
[7] b) Das Zustellungserfordernis des § 750 Abs. 1 ZPO ist gewahrt. Die an den geschäftsführenden Gesellschafter H. erfolgte Zustellung ist gem. § 170 Abs. 1 ZPO wirksam. Die Schuldnerin verweist auf kein Vorbringen, aus dem sich eine der Zustellung entgegen stehende Beschränkung der Vertretungsmacht ihres geschäftsführenden Gesellschafters ergibt (§ 714 BGB). Auch rechtliche Erwägungen vermögen eine solche Beschränkung nicht zu rechtfertigen.
[8] aa) Der von der Schuldnerin ins Feld geführte Grundsatz der Selbstorganschaft einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts steht nicht entgegen. Denn dieser Grundsatz verbietet lediglich eine Übertragung der Geschäftsführung und der Vertretung der Gesellschaft auf Dritte unter Ausschluss sämtlicher Gesellschafter (vgl. Senat, Urt. v. 6.4.2006 - V ZB 158/05, BGHReport 2006, 992 = MDR 2006, 1254 = NJW 2006, 2191, 2192; BGH, Urt. v. 16.11.1981 - II ZR 213/80, MDR 1982, 552 = NJW 1982, 877; Urt. v. 20.9.1993 - II ZR 204/92, WM 1994, 237, 238; vgl. auch BGH, Urt. v. 21.4.1986 - II ZR 198/85, BGHZ 97, 392, 395 = MDR 1986, 825). Darum geht es hier nicht.
[9] bb) Entgegen der Auffassung der Schuldnerin ergibt sich eine Einschränkung der Außenvollmacht des Geschäftsführers auch nicht mit Blick auf ein sog. Grundlagengeschäft. Ein solches liegt schon deshalb nicht vor, weil die Entgegennahme eines Vollstreckungstitels lediglich eine formelle Voraussetzung für den Vollstreckungszugriff ist (vgl. Senat, Beschl. v. 6.4.2006 - V ZB 158/05, BGHReport 2006, 992 = MDR 2006, 1254 = NJW 2006, 2192; BGH, Urt. v. 21.4.1986 - II ZR 198/85, BGHZ 97, 392, 395 = MDR 1986, 825).
[10] cc) Der Einwand, die Zustellung an sämtliche Gesellschafter sei deshalb erforderlich, weil eine verlässliche Auskunft über die Vertretungsbefugnisse nicht aus einem öffentlichen Register zu erlangen sei, greift schon deshalb nicht durch, weil sich dieselben Schwierigkeiten für den Gläubiger bei der Klärung der Frage ergeben, wer aktuell Gesellschafter ist (vgl. Senat, Beschl. v. 6.4.2006 - V ZB 158/05, BGHReport 2006, 992 = MDR 2006, 1254 = NJW 2006, 2191, 2192).
[11] dd) Soweit die Schuldnerin beanstandet, die Zustellung an H. als "Geschäftsführer der GbR" lasse sich nicht entnehmen, dass an den Geschäftsführer der Schuldnerin habe zugestellt werden sollen, wird nicht bedacht, dass das in der Zustellungsurkunde angegebene Aktenzeichen auf die zugestellte notarielle Urkunde und damit auch auf die in der Vollstreckungsklausel aufgeführten Gesellschafter der GbR verweist. Für einen verständigen Erklärungsadressaten in der Situation der Geschäftsführers konnte daher kein Zweifel bestehen, welche Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemeint war.
[12] c) Ohne Erfolg macht die Schuldnerin schließlich geltend, der die Zwangsverwaltung anordnende Beschluss enthalte nicht die Namen sämtlicher Gesellschafter; auch sei er nicht sämtlichen Gesellschaftern zugestellt worden.
[13] aa) Aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die u.a. mit einem erleichterten Vollstreckungszugriff begründet worden ist, folgt ohne Weiteres die Parteifähigkeit auch im Zwangsvollstreckungsverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.2001 - II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 351 = AG 2001, 307 = BGHReport 2001, 237 m. Anm. Sprau = MDR 2001, 459). Da hier aus einem gegen die Gesellschafter ergangenen Titel zulässigerweise gegen die Gesellschaft vollstreckt wird (oben III.1.a), ist es nicht zu beanstanden, wenn die Gesellschaft selbst als Schuldnerin in das Rubrum aufgenommen wird.
[14] bb) Die Zustellung des Beschlusses nur an den Geschäftsführer begegnet keinen Bedenken, weil auch die Entgegennahme eines die Zwangsverwaltung anordnenden Beschlusses eine Maßnahme der Geschäftsführung darstellt. Der Geschäftsführung entzogen sind nur solche grundlegenden Angelegenheiten, die - wie etwa Vereinbarungen über den Gegenstand des Gesellschaftszwecks oder die Aufnahme neuer Gesellschafter - der Gestaltung durch die Gesamtheit der Gesellschafter bedürfen (vgl. nur Ulmer in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 709 Rz. 10 ff.; Staudinger/Habermeister [2003], § 709 Rz. 2; jeweils m.w.N.) oder Akte, die den rechtlichen Bestand der Gesellschaft als solcher berühren (vgl. BGH, Urt. v. 21.4.1986 - II ZR 198/85, BGHZ 97, 392, 395 = MDR 1986, 825). Dass es darum nicht geht, wenn ein Vermögensgegenstand statt von der Gesellschaft von einem Zwangsverwalter verwaltet wird, liegt auf der Hand.
[15] 2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1681120 |
DStR 2007, 311 |
NJW 2007, 995 |
BGHR 2007, 325 |
EBE/BGH 2007 |
WM 2007, 519 |
ZIP 2007, 248 |
ZfIR 2007, 368 |
DGVZ 2007, 27 |
DNotZ 2007, 214 |
MDR 2007, 667 |
Rpfleger 2007, 216 |
ZVI 2007, 362 |