Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 17.06.2008; Aktenzeichen 7 T 9/08) |
AG Cuxhaven (Entscheidung vom 09.08.2007; Aktenzeichen 12 IK 15/00) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 17. Juni 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Landgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Am 5. März 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet. Am 6. Mai 2004 kündigte das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung an. Der weitere Beteiligte zu 2 wurde zum Treuhänder für die Wohlverhaltensperiode bestellt. Am 2. September 2004 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Rz. 2
Aus dem Schlussbericht des weiteren Beteiligten zu 2 vom 19. März 2007 ergab sich, dass der Schuldner trotz mehrfacher Aufforderungen für die Zeit vom 1. Juni 2006 an keine Einkommensnachweise vorgelegt und nicht nachgewiesen hatte, wie er seinen Lebensunterhalt bestritt; Zahlungen an den weiteren Beteiligten zu 2 hatte er nicht geleistet. Mehrere Gläubiger, darunter der weitere Beteiligte zu 1, haben unter Bezugnahme auf diesen Bericht die Versagung der Restschuldbefreiung beantragt. Mit Beschluss vom 9. August 2007 hat das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung gemäß § 296 Abs. 1 InsO wegen mehreren Verstößen gegen die Obliegenheiten des § 295 Abs. 2, des § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO sowie gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO wegen unzureichender Beantwortung einer Anfrage des Gerichts versagt. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hin hat das Landgericht den Beschluss aufgehoben und die Anträge der Gläubiger zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde will der weitere Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung des Beschlusses des Insolvenzgerichts erreichen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 296 Abs. 3 Satz 1, §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob der Schuldner gegen eine der in § 295 InsO aufgeführten Obliegenheiten verstoßen habe. Gemäß § 296 Abs. 1 Satz 3 InsO sei ein Versagungsantrag nur zulässig, wenn der Antragsteller die Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger glaubhaft mache. Daran fehle es hier. Die Antragsteller hätten trotz gerichtlichen Hinweises ihr Vorbringen nicht ergänzt. Für das Gericht sei nicht erkennbar, dass der Schuldner eine abhängige Beschäftigung hätte aufnehmen und eine Vergütung von 3 000 bis 4 000 EUR brutto im Monat hätte verdienen können, die eine Abführungspflicht erst begründet hätte.
Rz. 5
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Gemäß § 296 Abs. 1 InsO kann die Restschuldbefreiung wegen Verletzung einer der in § 295 InsO genannten Obliegenheiten (nur) dann versagt werden, wenn der Schuldner durch die Obliegenheitsverletzung die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Diese Voraussetzung hat der Versagungsantragsteller glaubhaft zu machen. Anderes gilt jedoch, wenn der Schuldner nicht, wie § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO es verlangt, über die Erfüllung seiner Obliegenheiten Auskunft erteilt und dann, wenn es der Gläubiger beantragt, die Richtigkeit dieser Auskunft an Eides Statt versichert. Gemäß § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO ist schon dann die Restschuldbefreiung zu versagen, wenn der Schuldner schuldhaft gegen diese Verfahrensobliegenheit verstößt. Auf eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger kommt es hier nicht an. Sinn und Zweck des § 296 Abs. 2 InsO ist es, dem Gericht die Sachaufklärung zu erleichtern (BT-Drucks. 12/2443, S. 193). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn die Versagung der Restschuldbefreiung von der weiteren, im Gesetz gerade nicht vorgesehenen Voraussetzung einer konkreten Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten abhängig würde (BGH, Beschl.v. 14. Mai 2009 – IX ZB 116/08, NZI 2009, 481, 482 Rn. 14; im Ergebnis ebenso bereits BGH, Beschl.v. 5. Juni 2008 – IX ZA 7/08, NZI 2008, 507 Rn. 3). Hinreichendes Korrektiv ist, dass die Versagung an ein festzustellendes Verschulden des Schuldners geknüpft ist (BGH, Beschl.v. 14. Mai 2009, aaO).
Rz. 7
b) Wie sich aus dem Beschluss des Insolvenzgerichts vom 9. August 2007 ergibt, ist der Schuldner mit Schreiben vom 5. April 2007 aufgefordert worden, innerhalb einer Frist von zwei Wochen Auskunft über seine Einnahmen seit dem 1. Januar 2006 und über seine Unterhaltszahlungen zu erteilen. Er ist darauf hingewiesen worden, dass dann, wenn die Auskunft nicht erteilt wird, die Restschuldbefreiung allein aus diesem Grund versagt werden kann. Der Schuldner hat dieses Schreiben zwar beantwortet, nach Ansicht des Insolvenzgerichts die konkret geforderten Auskünfte aber nicht erteilt. Mit diesem Vorgang, der die Versagung der Restschuldbefreiung sogar von Amts wegen nach sich ziehen könnte (vgl. BGH, Beschl.v. 25. Januar 2007 – IX ZB 156/04, NZI 2007, 534 Rn. 6), hat sich der angefochtene Beschluss nicht befasst.
III.
Rz. 8
Der angefochtene Beschluss kann deshalb keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO). Dieses wird zu prüfen haben, ob der Schuldner Mitwirkungsobliegenheiten bei der Auskunftserteilung nach § 296 Abs. 2 Satz 2 InsO schuldhaft verletzt hat (vgl. dazu BGH, Beschl.v. 25. Januar 2007, aaO S. 535 Rn. 7). Hinsichtlich der Frage des Verstoßes gegen die Abführungspflicht des § 295 Abs. 2 InsO verweist der Senat ergänzend auf den Beschluss vom 7. Mai 2009 (IX ZB 133/07, NZI 2009, 482).
Fundstellen
ZInsO 2009, 2162 |
InsbürO 2010, 112 |
InsbürO 2010, 118 |
FMP 2010, 99 |