Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz statt der Leistung: Bemessung anhand der fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Schadensersatz statt der Leistung: Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten wegen im Bauwerk verwirklichter Planungs- und Überwachungsfehler
Leitsatz (amtlich)
Die Anfrage des V. Zivilsenats nach § 132 Abs. 3 GVG vom 13. März 2020 - V ZR 33/19 - wird wie folgt beantwortet:
1. Der VII. Zivilsenat hält an der in dem Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17 Rn. 31 ff., BGHZ 218, 1) vertretenen Rechtsauffassung fest, wonach der Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf.
2. Der VII. Zivilsenat hält daran fest, dass sich der Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB bei Planungs- und Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk realisiert haben, auf Vorfinanzierung "in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 67, BGHZ 218, 1).
Normenkette
BGB §§ 280, 281 Abs. 1, § 634 Nr. 4; GVG § 132 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Anfrage des V. Zivilsenats nach § 132 Abs. 3 GVG vom 13. März 2020 - V ZR 33/19 - wird wie folgt beantwortet:
1. Der VII. Zivilsenat hält an der in dem Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17 Rn. 31 ff., BGHZ 218, 1) vertretenen Rechtsauf-fassung fest, wonach der Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf.
2. Der VII. Zivilsenat hält daran fest, dass sich der Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB bei Planungs- und Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk realisiert haben, auf Vorfinanzierung "in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 67, BGHZ 218, 1).
Gründe
I.
Rz. 1
Der Anfrage des V. Zivilsenats liegt - soweit hier von Bedeutung - folgender Sachverhalt zugrunde:
Rz. 2
Die Kläger erwarben von dem Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 27. Februar 2014 eine Eigentumswohnung zum Preis von 79.800 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem Kaufvertrag heißt es in Nr. III. 1. Abs. 5:
"Dem Verkäufer ist bekannt, dass es in der Vergangenheit an der Schlafzimmerwand Feuchtigkeit gab. Sollte es bis zum 31. Dezember 2015 erneut zu einer Feuchtigkeit im Schlafzimmer kommen, verpflichtet sich der Verkäufer, diese auf seine eigenen Kosten zu beheben."
Rz. 3
Nach Übergabe der Wohnung trat Ende 2014 Feuchtigkeit in dem Schlafzimmer auf, zu deren Beseitigung die Kläger den Beklagten erfolglos unter Fristsetzung aufforderten. Die Wohnungseigentümer ermächtigten die Kläger durch Beschluss auch insoweit zur Behebung der Schäden, als das Gemeinschaftseigentum betroffen ist. Mit der Klage verlangen die Kläger von dem Beklagten die Zahlung voraussichtlicher Mängelbeseitigungskosten ohne Umsatzsteuer in Höhe von 12.312,90 € und den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten; ferner wollen sie feststellen lassen, dass der Beklagte weitere Schäden ersetzen muss.
Rz. 4
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 7.972,68 € nebst vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt und die Ersatzpflicht für weitere Schäden festgestellt. Die Berufung des Beklagten hatte - soweit hier von Interesse - keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt erreichen.
Rz. 5
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs möchte die Revision des Beklagten zurückweisen und für das Kaufrecht daran festhalten, dass bei einem Schadensersatzanspruch statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) der Schaden des Käufers gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB generell nach den voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten bemessen werden kann, unabhängig davon, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird (im Folgenden: fiktive Mängelbeseitigungskosten). Er sieht sich daran durch die mit Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1) geänderte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit der Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB gehindert. Mit Beschluss vom 13. März 2020, hier mit Gerichtsakten am 2. Juni 2020 eingegangen, hat er gemäß § 132 Abs. 3 GVG folgende Anfrage an den VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs gerichtet:
"1. Wird an der in dem Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.) vertretenen Rechtsauffassung festgehalten, wonach der "kleine" Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten ("fiktiven") Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf?
2. Wird ferner daran festgehalten, dass sich ein Schadensersatz-anspruch des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf Vorfinanzierung "in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" richten kann (Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 67)?"
II.
Rz. 6
Zur Begründung der Anfrage führt der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Wesentlichen aus:
Rz. 7
1. Die Auffassung des Berufungsgerichts, den Klägern stehe gegen den Beklagten aufgrund der Vereinbarung in Nr. III. 1. Abs. 5 des notariellen Kaufvertrags ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB wegen der festgestellten Feuchtigkeitsmängel zu, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht habe diesen Anspruch - wie von den Klägern gefordert - nach den voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten bemessen. Dies entspreche der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Kaufrecht, die sich auf die bisherige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats bezogen habe.
Rz. 8
2. Inzwischen habe der VII. Zivilsenat seine Rechtsprechung mit Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1) für das ab dem 1. Januar 2002 geltende Werkvertragsrecht geändert. Danach könne der Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lasse, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen. Eine Schadensbemessung nach den Mängelbeseitigungskosten komme nur in Betracht, wenn der Besteller diese aufgewendet habe. Vor den Nachteilen und Risiken einer Vorfinanzierung werde der Besteller dadurch geschützt, dass er gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB Vorschuss verlangen könne. Die vorgenannten Grundsätze zur Schadensbemessung gälten auch für den Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben. Allerdings habe der Besteller keinen Anspruch auf Vorschuss für die Beseitigung der Mängel des Bauwerks gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB, da der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks schulde. Er könne in diesem Fall jedoch Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vor-finanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags von dem Architekten fordern.
Rz. 9
3. Dem wolle sich der V. Zivilsenat für das Kaufrecht nicht anschließen, sehe sich daran jedoch durch die Begründung gehindert, auf die der VII. Zivilsenat die Änderung seiner Rechtsprechung gestützt habe.
Rz. 10
Allerdings sei die Frage, wie der Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) bei mangelhafter Leistung zu bemessen sei, nicht durch Heranziehung der §§ 249 ff. BGB zu lösen. Die Schadensbemessung könne sich nur entweder nach dem jeweiligen besonderen Schuldrecht oder dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht richten. Der VII. Zivilsenat verankere die Rechtsfrage zwar "vordergründig" im besonderen Schuldrecht, stütze sich inhaltlich aber weniger auf spezifisch werkvertragliche Regelungen als vielmehr auf verallgemeinerungsfähige Überlegungen zum Schadensbegriff und zur Gefahr einer Überkompensation, die im Kern namentlich die Auslegung der §§ 280, 281 BGB beträfen. In diesen Normen finde sich die eigentliche Grundlage für den kauf- und den werkvertraglichen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung; das gelte einheitlich auch für andere Vertragstypen. § 437 Nr. 3 BGB und § 634 Nr. 4 BGB enthielten nur Verweisungsnormen auf §§ 280, 281 BGB. Mit der Schuldrechtsreform habe der Gesetzgeber für das Kaufrecht in § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB die Pflicht des Verkäufers zur Lieferung einer mangelfreien Sache eingeführt und daran anknüpfend in § 437 Nr. 1, § 439 BGB einen Nacherfüllungsanspruch des Käufers vorgesehen. Dies entspreche den werkvertraglichen Regeln in § 634 Nr. 1, § 635 BGB.
Rz. 11
Die mit Urteil des VII. Zivilsenats vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1) erfolgte Änderung der Rechtsprechung zur Schadensbemessung lasse sich danach jedenfalls auf der Grundlage der bislang gegebenen Begründung nicht auf das Werkvertragsrecht beschränken. § 634 BGB könne kein Regelungskonzept entnommen werden, nach dem sich der Schadensausgleich daran orientiere, ob eine Mängelbeseitigung durchgeführt werde, sondern zähle nur die Mängelrechte auf. Der Gleichlauf zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht sei Ziel der Schuldrechtsreform gewesen. Der Nacherfüllungsanspruch im Kauf- und im Werkvertragsrecht sowie der jeweils an dessen Stelle tretende Schadensersatzanspruch statt der Leistung seien inhaltsgleich. Das im Kaufrecht fehlende - mit einem Vorschussanspruch flankierte - Selbstvornahmerecht des Käufers rechtfertige keine unterschiedliche Auslegung der §§ 280, 281 BGB in Bezug auf die Schadensbemessung. Dies gelte auch hinsichtlich des weiter aufgeführten Arguments, wonach sich gezeigt habe, dass im Werkvertragsrecht die Gefahren einer erheblichen Überkompensation des Schadens des Bestellers deutlich größer seien als im Kaufrecht. Dabei handele es sich um eine rechtspolitische Erwägung, hinsichtlich derer zu bezweifeln sei, ob sie sich empirisch belegen lasse. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Angleichung der Rechtsprechung der Zivilsenate in diesem Punkt.
Rz. 12
4. Ein Abgehen von der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung bei mangelhafter Leistung sei nicht veranlasst. Hierfür seien deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe erforderlich, die im Kaufrecht nicht vorlägen.
Rz. 13
Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des nach § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB zu ersetzenden positiven Interesses sei der Nacherfüllungsanspruch. Deshalb könne der Schadensersatz anhand der Kosten für die ausgebliebene Nacherfüllung bestimmt werden, für die der Käufer nunmehr selbst Sorge tragen müsse. Zu seiner abweichenden Auffassung, nach der sich der Vermögensschaden zunächst in dem mangelbedingten Minderwert der Sache erschöpfe, gelange der VII. Zivilsenat nur, weil er auf die Pflichtverletzung (Sachmangel) abstelle; jedenfalls im Kaufrecht sei richtiger Bezugspunkt die unterbliebene Nacherfüllung. Die Ersatzbeschaffungs- oder Mängelbeseitigungskosten bildeten das Leistungsinteresse des Käufers unabhängig von der Frage, ob er sie tatsächlich aufgewendet habe, zutreffend ab, während dies bei dem mangelbedingten Minderwert der Kaufsache nicht immer der Fall sei. Die bisherige Rechtsprechung entspreche dem Verständnis des Gesetzgebers der Schuldrechtsreform. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass er im Einklang mit der damals gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht darauf abgestellt habe, ob die Kosten bereits aufgewendet worden seien. Änderungen habe er nicht erwogen. Zu den Kernzielen der Schuldrechtsreform habe die Schaffung eines einheitlichen Haftungstatbestands der Pflichtverletzung für sämtliche Vertragstypen in §§ 280 ff. BGB sowie die Sicherung des Vorrangs des Erfüllungsanspruchs gehört. Sachmängel sollten vorrangig durch Nacherfüllung behoben und die Haftung des Verkäufers sollte durch Einführung einer allgemeinen Schadensersatzpflicht verschärft werden. Dies würde durch eine Übernahme der geänderten Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ins Kaufrecht konterkariert, da für den Verkäufer Anreize entstünden, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen. Durch die Ersatzfähigkeit voraussichtlicher Mängelbeseitigungskosten werde der Vorrang des Erfüllungsanspruchs schadensrechtlich umgesetzt.
Rz. 14
Ein Ergebnis, wonach der Käufer einer Sache die beabsichtigte Mängelbeseitigung vorfinanzieren müsse, sehe der V. Zivilsenat als nicht vertretbar an. Hierzu wäre der Käufer bei einer Abkehr von der Schadensbemessung nach voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten jedoch gezwungen, da es ein Selbstvornahmerecht nebst Vorschussanspruch - anders als im Werkvertragsrecht - im Kaufrecht nicht gebe. Ein Vorfinanzierungsanspruch könne - abweichend von der Auffassung des VII. Zivilsenats zur Architektenhaftung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB - auch nicht aus dem Schadensersatzanspruch des Käufers gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB hergeleitet werden. Dies würde im Widerspruch zur gesetzgeberischen Entscheidung stehen, ein Selbstvornahmerecht nebst Vorschussanspruch im Kaufrecht nicht einzuführen. Nach der Dogmatik des allgemeinen Leistungsstörungsrechts sei der Schadensersatzanspruch nicht zweckgebunden und die Dispositionsfreiheit des Geschädigten zähle für Sachschäden zu den anerkannten Grundsätzen des deutschen Schadensersatzrechts.
Rz. 15
Für das Kaufrecht sei nicht erkennbar, dass die bisherige Rechtsprechung zu einer Überkompensation geführt habe. Im Regelfall komme es nicht zu unangemessenen Ergebnissen, weil der Käufer - wie hier - die Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung vermeiden wolle. Auch könne er anerkennenswerte Gründe dafür haben, die Behebung des Mangels auf später zu verschieben oder diesen gar nicht zu beheben. Die bisherige Rechtsprechung sei praktikabel und der Schaden könne relativ verlässlich bemessen werden. Vorfinanzierungsbezogene Lösungen könnten zu einer Vermehrung von Prozessen führen. Nicht anders liege der Fall, wenn der Käufer die mangelhafte Sache veräußere und der Erwerber sich an dem Mangel nicht störe.
Rz. 16
Schließlich spreche gegen die Übernahme der neuen Rechtsprechung auch die Kohärenz der Rechtsordnung mit Blick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Deliktsrecht. Folge einer Übernahme sei das Wiederaufleben der Differenzierung von Mangel- und Mangelfolgeschäden, die der Gesetzgeber habe beseitigen wollen.
Rz. 17
5. Die Rechtsfragen seien entscheidungserheblich. Zwar sehe der VII. Zivilsenat - was sich aus dem Verweis auf die zum alten Schuldrecht ergangene Rechtsprechung des V. Zivilsenats ergebe - es nach wie vor als zulässig an, die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten für die Schätzung des mangelbedingten Minderwerts der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache heranzuziehen. Daher könnte hier eine Schätzung des mit der Feuchtigkeit einhergehenden Minderwerts der Eigentumswohnung anhand der Mängelbeseitigungskosten in Betracht kommen. Dies entspreche jedoch nicht dem Begehren der Kläger, die vollen Ersatz der entstehenden Mängelbeseitigungskosten begehrten, weshalb sie auch die Ersatzpflicht für weitere Schäden feststellen lassen wollten. Bei dem Ersatz des mangelbedingten Minderwerts kämen spätere Nachforderungen indes nicht in Betracht.
III.
Rz. 18
Die erste Frage im Anfragebeschluss des V. Zivilsenats vom 13. März 2020 ist dahin zu beantworten, dass im Werkvertragsrecht der Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB nicht anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht aufgewendeten - fiktiven - Mängelbeseitigungskosten bemessen werden darf. An seiner diesbezüglichen Rechtsauffassung hält der VII. Zivilsenat fest.
Rz. 19
Entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats wird die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht durch §§ 280, 281 BGB für alle Vertragstypen vorgegeben. Der VII. Zivilsenat verankert die Rechtsfrage der Schadensbemessung nicht "vordergründig" im besonderen Schuldrecht. Er trägt mit seiner Rechtsauffassung vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Verknüpfung des Regelungsgefüges der §§ 633 ff. BGB mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht der Berücksichtigung werkvertraglicher Besonderheiten bei der Schadensbemessung nicht nur nicht entgegensteht, sondern diese sogar erfordert (dazu unter III.1.). Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ist - jedenfalls im Werkvertragsrecht - erforderlich geworden, um eine hieraus resultierende Fehlentwicklung zu beenden. Der in diesem Rahmen vom VII. Zivilsenat berücksichtigte Gesichtspunkt der Vermeidung einer Überkompensation ist, anders als der V. Zivilsenat meint, keine "in erster Linie rechtspolitische Erwägung", sondern stellt ein allgemein anerkanntes schadensrechtliches Prinzip dar (dazu unter III.2.). Ein Gleichlauf hinsichtlich der Schadensbemessung im Rahmen der Mängelhaftung des Werkvertrags- und des Kaufrechts ist angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung der Mängelrechte, insbesondere im Hinblick auf den Vorschussanspruch, aber auch im Hinblick auf das Nacherfüllungsrecht, nicht geboten (dazu unter III.3.). Die Unterschiede in der Rechtsauffassung des V. Zivilsenats einerseits und des VII. Zivilsenats andererseits sind für die Entscheidung des Streitfalls zudem unerheblich, da es der VII. Zivilsenat - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des V. Zivilsenats zum alten Schuldrecht - als zulässig ansieht, in geeigneten Fällen den Schaden in Höhe des mangelbedingten Wertunterschieds anhand der Mängelbeseitigungskosten gemäß § 287 ZPO zu schätzen (dazu unter V.).
Rz. 20
1. Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten wird durch die allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 281 BGB nicht für alle Vertragstypen vorgegeben.
Rz. 21
a) §§ 280, 281 BGB regeln die allgemeinen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung. Aus dem Wortlaut der Vorschriften ergibt sich dagegen nicht, in welcher Weise der Schaden bei nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung zu bemessen ist.
Rz. 22
Die Rechtsfolge des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung kann nicht unter - ergänzender - Heranziehung des § 249 BGB, der vor allem den Ausgleich des Integritätsinteresses regelt und hierfür den Grundsatz der Naturalrestitution aufstellt, bestimmt werden. Demgemäß kann eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten auch nicht auf § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gestützt werden, der bei Beschädigung einer Sache einen Anspruch des Geschädigten auf den zu ihrer Wiederherstellung erforderlichen Geldbetrag als eine besondere, auf Restitution gerichtete Form des Schadensersatzes vorsieht. Denn die Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung führt dazu, dass der Anspruch auf Leistung gemäß § 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen ist, so dass eine Naturalrestitution nicht mehr in Betracht kommt. Darüber hinaus dient der an die Stelle der Leistung tretende Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 281 BGB dem Ausgleich des Leistungs- und nicht des Integritätsinteresses (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 23 f., BGHZ 218, 1). Insoweit stimmen der V. und der VII. Zivilsenat überein.
Rz. 23
b) Aus §§ 280, 281 BGB folgt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Mängelrechte des Kauf- und Werkvertragsrechts gemäß § 437 Nr. 1, § 439 BGB und § 634 Nr. 1, § 635 BGB einen - allerdings inhaltlich unterschiedlich ausgestalteten - Nacherfüllungsanspruch vorsehen, nicht die vom V. Zivilsenat favorisierte Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Ferner folgt hieraus nicht, dass eine solche Schadensbemessung einheitlich für alle Vertragstypen ohne Rücksicht auf deren Besonderheiten zu erfolgen hat. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass auch der V. Zivilsenat seine Auffassung, die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ergebe sich daraus, dass im Kaufrecht für die Schadensbemessung nicht an die Pflichtverletzung (Sachmangel), sondern an die unterbliebene Nacherfüllung anzuknüpfen sei, letztlich selbst nicht mit den allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 281 BGB, sondern mit dem kaufrechtlichen Nacherfüllungsanspruch sowie darüber hinaus mit weiteren kaufrechtlich geprägten Wertungen, etwa der Problematik des Vorfinanzierungsrisikos für den Käufer, begründet. Jedenfalls für das Werkvertragsrecht ist die Auffassung des V. Zivilsenats nicht zu teilen.
Rz. 24
aa) Die gesetzliche Regelung des werkvertraglichen Nacherfüllungsanspruchs begründet eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht. Die Nichterfüllung des Nacherfüllungsanspruchs gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB stellt - ebenso wie die Nichterfüllung des (Erst-)Erfüllungsanspruchs gemäß § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 1 BGB - eine Pflichtverletzung im Sinne der §§ 280, 281 BGB dar. Das Ergebnis beider Pflichtverletzungen ist, dass dem Besteller anstelle eines mangelfreien Werks ein mangelhaftes Werk zur Verfügung steht. Deshalb ist dieses Ergebnis - jedenfalls im Werkvertragsrecht - im Ausgangspunkt auch der richtige Anknüpfungspunkt für die Bemessung des auf der Pflichtverletzung (Sachmangel) beruhenden Vermögensschadens.
Rz. 25
bb) Für die Bemessung des Vermögensschadens hat sich seit Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der Rechtsprechung ein dualistischer Schadensbegriff herausgebildet. Dieser umfasst einerseits die Differenzhypothese und andererseits von Treu und Glauben geprägte normative Wertungen (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 - VI ZR 15/14 Rn. 17, NJW-RR 2015, 275; Beschluss vom 9. Juli 1968 - GSZ 2/67, BGHZ 50, 304, juris Rn. 7; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 14). Danach ist stets eine schadensrechtliche Wertung erforderlich, die neben den allgemeinen Grundsätzen auch die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps in den Blick zu nehmen hat (normativer Schaden). Vor diesem Hintergrund haben sich in der Rechtsprechung zahlreiche Fallgruppen zu den unterschiedlichen Rechtsgebieten herausgebildet. Angesichts der Vielgestaltigkeit der in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse ist es weder angezeigt noch möglich, die Bemessung des Vermögensschadens im Allgemeinen oder im Hinblick auf den Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) einheitlich für alle Rechtsgebiete ohne Rücksicht auf die jeweiligen normativen Wertungen zu handhaben. Dies berücksichtigend hat sich auch der Gesetzgeber bislang zurückhaltend mit Vorgaben zur Schadensbemessung gezeigt. Bereits der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuchs hat bewusst von einer gesetzlichen Definition des Schadensbegriffs abgesehen, weil eine solche "nicht für alle Fälle nach allen möglichen auch sonst zweifelhaften Seiten hin" erfolgen könne. Die Lösung der mit dem Schadensbegriff einhergehenden Probleme sei der Rechtswissenschaft und Praxis zu überlassen. Die Praxis werde sich "uneingeengt durch eine gesetzliche Vorschrift auch fernerhin im Einzelfalle zurechtfinden" (Motive II, 19 = Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, II. Band, S. 10). Diese Zurückhaltung hat der Gesetzgeber in der Folgezeit - so auch in Bezug auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung - beibehalten. Auch die Schuldrechtsreform hat daran nichts geändert (vgl. näher III.1.d)).
Rz. 26
cc) Einigkeit besteht indes zwischen dem V. Zivilsenat und dem VII. Zivilsenat insoweit, als sich die Bemessung des Vermögensschadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) bei mangelhafter Leistung am Leistungsinteresse des Gläubigers zu orientieren hat (so zum Werkvertragsrecht BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 24, BGHZ 218, 1).
Rz. 27
(1) Das Leistungsinteresse des Bestellers ist darauf gerichtet, ein mangelfreies Werk zu erhalten. Es verändert sich - jedenfalls im Werkvertragsrecht - aufgrund des Umstands, dass dem Besteller ein Nacherfüllungsanspruch zusteht, nicht. Bei dem Nacherfüllungsanspruch gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB handelt es sich inhaltlich lediglich um die Fortsetzung des (nicht vollständig erfüllten) vertraglichen Erfüllungsanspruchs. Das bedeutet, dass der Nacherfüllungsanspruch wie zuvor der Anspruch aus § 631 Abs. 1, § 633 Abs. 1 BGB auf Herstellung des mangelfreien Werks gerichtet ist, modifiziert nur insoweit, als es um die Beseitigung einzelner Mängel geht und besondere Regelungen für die Unverhältnismäßigkeit und die Verjährungsfrist gelten. Dabei sind Erfüllungs- und Nacherfüllungsanspruch auch insoweit inhaltsgleich, als der Unternehmer im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs - anders als der Verkäufer (§ 439 Abs. 1 BGB) - weiterhin frei wählen kann, wie er den Anspruch des Bestellers auf Herstellung des mangelfreien Werks erfüllt.
Rz. 28
(2) Das Ausbleiben der Nacherfüllung hat allerdings zur Folge, dass der Besteller sein Leistungsinteresse in der Weise wahren darf, dass er im Wege der Selbstvornahme den geschuldeten Erfolg auf Kosten des Unternehmers herbeiführt. Demgemäß kann er die hierfür aufgewendeten erforderlichen Kosten als Vermögensschaden (auch) im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung ersetzt verlangen. Soweit der V. Zivilsenat dieses Ergebnis für das Kaufrecht aus § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB herleitet, besteht keine Diskrepanz zur Rechtsprechung des VII. Zivilsenats. Im Werkvertragsrecht fügt sich eine solche Herleitung aus § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB in das Gesamtkonzept der werkvertraglichen Mängelrechte ein. So sind in § 634 Nr. 2, § 637 BGB das Selbstvornahmerecht des Bestellers bei Nichterfüllung des Nacherfüllungsanspruchs sowie für diesen Fall ein Kostenvorschussanspruch und - nach Selbstvornahme - ein Kostenerstattungsanspruch ausdrücklich geregelt. Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, kann er die aufgewendeten Kosten daher (auch) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 Abs. 1 BGB als Vermögensschaden geltend machen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 46, BGHZ 218, 1). Die Bemessung des Schadensersatzbetrags nach den aufgewendeten Mängelbeseitigungskosten, die den mangelbedingten Wertunterschied gegebenenfalls erheblich übersteigen können, entspricht der gesetzlichen Wertung.
Rz. 29
(3) Es ist indes nicht erkennbar, aus welchen Gründen §§ 280, 281 BGB allgemein - für alle Vertragstypen - eine Bemessung des Vermögensschadens nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten erfordern sollten, wenn der Gläubiger sein Leistungsinteresse nicht in der Weise wahrt, dass er den Erfolg selbst herbeiführt. In diesem Fall bleibt es dabei, dass dem Besteller anstelle eines mangelfreien Werks ein mangelhaftes Werk zur Verfügung steht. Daher ist dieses Ergebnis - jedenfalls im Werkvertragsrecht - auch der richtige Bezugspunkt für die Bemessung des Vermögensschadens. Der Gläubiger kann dann nach allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (BGH, Urteil vom 11. Februar 2009 - VIII ZR 328/07 Rn. 20, JZ 2010, 20). Danach ist die aufgrund der nicht ordnungsgemäßen (Nach-)Erfüllung gegebene tatsächliche Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage bei ordnungsgemäßer (Nach-)Erfüllung zu vergleichen. Dabei belasten mangels Selbstvornahme nicht anfallende, fiktive Mängelbeseitigungskosten die im Rahmen des Vermögensvergleichs aufzustellende Vermögensbilanz des Bestellers aus Sicht des VII. Zivilsenats nicht. Übersteigen die fiktiven Mängelbeseitigungskosten den im Wege des Vermögensvergleichs zu ermittelnden Differenzbetrag, führt die Zuerkennung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe dieser Kosten vielmehr dazu, dass ein über den aufgrund des mangelhaften Werks gegebenen Vermögensschaden hinausgehender Betrag "ersetzt" wird. Dies berührt indes den schadensrechtlichen Grundsatz des Überkompensations- beziehungsweise Bereicherungsverbots. Eine generelle Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ließe sich deshalb nur dann rechtfertigen, wenn hierdurch das Leistungsinteresse des Gläubigers - zumindest im Regelfall - zutreffend abgebildet würde, oder wenn nur auf diese Weise zum Nachteil des Gläubigers bestehende Schutzlücken geschlossen werden könnten. Beide Begründungsansätze sind jedoch für das Werkvertragsrecht nach der Schuldrechtsmodernisierung eindeutig zu verneinen (vgl. dazu die Ausführungen unter III.2. und 3.).
Rz. 30
Der VII. Zivilsenat hat deshalb für den Fall, dass der Besteller eine Mängelbeseitigung nicht durchführen lässt, die schadensrechtliche Rechtsprechung des V. Zivilsenats zum alten Schuldrecht (BGH, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07 Rn. 12, NJW 2008, 436) herangezogen und hierauf ausdrücklich Bezug genommen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 30, BGHZ 218, 1). Danach kann in geeigneten Fällen der mangelbedingte Wertunterschied aus Gründen der Vereinfachung anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten geschätzt werden, § 287 ZPO. Jedoch handelt es sich dabei um eine Schätzung, die dann nicht gerechtfertigt ist, wenn diese - nicht angefallenen - Kosten den Wertunterschied nicht mehr annähernd widerspiegeln.
Rz. 31
Der ergänzende Hinweis des V. Zivilsenats, dass auch ein Vermögensvergleich das Leistungsinteresse des Gläubigers dann nicht zutreffend abbilde, wenn infolge des Mangels kein Wertunterschied besteht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Damit kann nicht umgekehrt eine zur Überkompensation führende Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten gerechtfertigt werden. Diese - im durch individuelle Leistungsbeschreibungen geprägten Werkvertragsrecht typischerweise häufiger als im Kaufrecht auftretende - Konstellation kann vielmehr ohne Nachteil für den Besteller entweder durch eine Selbstvornahme oder - bei unterbleibender Selbstvornahme - durch eine Schadensbemessung in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB abgewickelt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 38 ff., BGHZ 218, 1).
Rz. 32
dd) Im Kaufrecht kann sich - wie der dem Anfragebeschluss zugrunde liegende Sachverhalt zeigt - allerdings weiter das Problem stellen, dass der Käufer zwar beabsichtigt, den vom Verkäufer geschuldeten Erfolg durch Mängelbeseitigung selbst herbeizuführen, dies aber noch nicht getan und mithin noch keine die Vermögensbilanz belastende Kosten aufgewendet hat. Diese Problematik mag erklären, warum der V. Zivilsenat für das Kaufrecht eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten als Lösung favorisiert, rechtfertigt aber gerade nicht eine Übertragung auf das Werkvertragsrecht ohne Rücksicht auf die in diesem Rechtsgebiet im Rahmen der Schadensbemessung vorzunehmenden Wertungen. Vielmehr zeigt sich gerade in Bezug auf diese Konstellation ein wesentlicher Unterschied von Kauf- und Werkvertragsrecht. Denn im Werkvertragsrecht bedarf es im Hinblick auf den Vorschussanspruch gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB einer Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten zum Schutz des Bestellers, der eine Mängelbeseitigung durchführen lassen will, nicht, so dass sich eine mit dieser Schadensbemessung verbundene Überkompensation des Bestellers nicht rechtfertigen lässt.
Rz. 33
c) Der zu der - hier nicht einschlägigen - Vorschrift des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB entwickelte schadensersatzrechtliche Grundsatz der Dispositionsfreiheit gebietet ebenfalls keine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Dieser Grundsatz besagt, dass - bei Beschädigung einer Sache - der Geschädigte in der Verwendung der Mittel frei ist, die er vom Schädiger zum Schadensausgleich beanspruchen kann (vgl. nur BGH, Urteil vom 17. September 2019 - VI ZR 396/18 Rn. 9, NJW 2020, 236). Er setzt damit voraus, dass ein Anspruch auf Ersatz eines gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu bemessenden Schadens in einer bestimmten Höhe besteht. Die geänderte Rechtsprechung des VII. Zivilsenats steht mit diesem Grundsatz im Einklang. Soweit ein Schadensersatzanspruch besteht, ist der Besteller in der Verwendung des vom Unternehmer geschuldeten Betrags frei.
Rz. 34
d) Der im Anfragebeschluss des V. Zivilsenats vom 13. März 2020 herangezogenen Gesetzesbegründung zur Schuldrechtsmodernisierung (BT-Drucks. 14/6040 vom 14. Mai 2001, S. 139 f., 226) ist nicht zu entnehmen, dass im Rahmen der §§ 280, 281 BGB generell eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten vorgegeben werden sollte. Die Gesetzesmaterialien enthalten nur beiläufig Ausführungen zur Schadensbemessung, da das Hauptaugenmerk des Gesetzgebers auf der Schaffung eines einheitlichen Haftungsgrundtatbestands lag. Soweit hierzu überhaupt Ausführungen erfolgen, sind diese kein Beleg für einen dahingehenden gesetzgeberischen Willen. Die Angabe, es könnten "Ersatzbeschaffungskosten" beansprucht werden (BT-Drucks. 14/6040 vom 14. Mai 2001, S. 139 f.), besagt nicht, dass diese stets auch fiktiv beansprucht werden können. Soweit ausgeführt wird, es sei für den kleinen Schadensersatz anerkannt, dass der Käufer den Betrag fordern könne, den er für die Beseitigung des Mangels benötige (BT-Drucks. 14/6040 vom 14. Mai 2001, S. 226), kann sich dies nach dem Verständnis des VII. Zivilsenats nur auf die damalige Rechtsprechung des V. Zivilsenats zum alten Schuldrecht beziehen, die unter bestimmten Voraussetzungen eine Schätzung in dieser Höhe erlaubt.
Rz. 35
Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber an anderer Stelle den durch die Verletzung der Pflicht, dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen, dem Käufer entstehenden Schaden darin sieht, dass die Sache wegen des Mangels nicht den Wert hat, den sie ohne den Mangel hätte (BT-Drucks. 14/6040 vom 14. Mai 2001, S. 224). Die seinerzeitige Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zur Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten wird in den Gesetzesmaterialien nicht erwähnt. Selbst wenn der Gesetzgeber stillschweigend von dieser Rechtsprechung ausgegangen sein sollte und sie gebilligt haben mag, würde dieser Umstand nicht dazu führen, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten nunmehr gesetzlich vorgegeben wäre, zumal dies in dem Wortlaut der §§ 280, 281 BGB keinen Ausdruck gefunden hat.
Rz. 36
Der Umstand, dass der Gesetzgeber keine gesetzlichen Vorgaben zur Bemessung des Schadensersatzes statt der Leistung gemacht hat, korrespondiert dabei mit der auch ansonsten hinsichtlich der Schadensbemessung geübten - angesichts der Vielgestaltigkeit der Rechtsverhältnisse nachvollziehbaren - gesetzgeberischen Zurückhaltung (vgl. zum Beispiel zur Sachschadensabrechnung BT-Drucks. 14/7752 vom 7. Dezember 2001, S. 13 f., wonach der Gesetzgeber die Gefahr der Überkompensation bei Abrechnung auf Basis fiktiver Kosten ausdrücklich erwogen hat, es jedoch der Rechtsprechung überlassen wollte, das Schadensrecht zu konkretisieren und weiterzuentwickeln).
Rz. 37
e) Schließlich ist für das Werkvertragsrecht auch nicht ersichtlich, dass durch die Änderung der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats für den Unternehmer Anreize geschaffen worden sind, die Nacherfüllung nicht vorzunehmen. Vielmehr steht umgekehrt zu erwarten, dass die Durchführung der Mängelbeseitigung hierdurch wieder in den Vordergrund rückt und dadurch dem Anliegen des Gesetzgebers, die Nacherfüllung zu stärken, gerade Rechnung getragen wird. Da der Besteller berechtigt ist, den geschuldeten Erfolg bei ausgebliebener Nacherfüllung selbst herbeizuführen und in diesem Fall auch den Minderwert erheblich übersteigende Mängelbeseitigungskosten ersetzt verlangen kann, besteht für den vertragsuntreuen Unternehmer - entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats - kein Anreiz zur Nichterfüllung des Nacherfüllungsanspruchs. Dieser Anreiz besteht insbesondere deshalb nicht, weil aufgrund der werkvertraglichen Risikoverteilung eine Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB und damit auch im Rahmen des Schadensersatzes eine Unverhältnismäßigkeit in Bezug auf die Mängelbeseitigungskosten nur in seltenen Fällen in Betracht kommt (vgl. hierzu zum Beispiel BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11 Rn. 11 f. m.w.N., BauR 2013, 81 = NZBau 2013, 99; Urteil vom 10. November 2005 - VII ZR 137/04, BauR 2006, 382, juris Rn. 20 = NZBau 2006, 177). Dies führt indes auf der anderen Seite dazu, dass eine Abrechnung auf der Basis fiktiver Mängelbeseitigungskosten, ohne dass eine Selbstvornahme erfolgt, zu einer erheblichen Überkompensation des Bestellers und damit zu nicht mehr tragbaren Ergebnissen führen kann. Hingegen lässt sich nicht etwa einwenden, der Unternehmer sei insoweit nicht schutzwürdig, da er eine doppelte Pflichtverletzung - in Form der Nichterfüllung des Erfüllungs- und des Nacherfüllungsanspruchs - begangen habe. Denn dieser Umstand ist lediglich Voraussetzung für die Schadensersatzpflicht, bestimmt aber nicht die Höhe des auszugleichenden Schadens. Die Schadensersatzpflicht hat im deutschen Recht keinen Strafcharakter, sondern soll nur einen tatsächlich bestehenden Schaden ausgleichen.
Rz. 38
2. Die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ist - jedenfalls im Werkvertragsrecht - erforderlich geworden, um eine hieraus resultierende Fehlentwicklung zu beenden.
Rz. 39
a) Das Leistungsinteresse des Bestellers, der den Erfolg nicht im Wege der Selbstvornahme herbeiführt, wird durch die Mängelbeseitigungskosten nicht - auch nicht für den Regelfall - zutreffend abgebildet, so dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht nicht gerechtfertigt ist. Diese Form der Schadensbemessung hat vielmehr nach den langjährigen Erfahrungen des VII. Zivilsenats in zahlreichen Fällen zu einer erheblichen Überkompensation des Bestellers geführt. Die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bei Mängeln, mit denen der Besteller "leben kann", deren Beseitigung aber hohe Kosten verursachen würde, ist zunehmend als lukrative Geldquelle genutzt worden (vgl. dazu auch Voit, NJW 2018, 2166, der von der "dritten Säule" zur Finanzierung eines Bauvorhabens spricht). Insbesondere im Baurecht hat es im Laufe der Zeit eine dahingehende Fehlentwicklung gegeben, die eine Änderung dieser Rechtsprechung geboten erschienen ließ.
Rz. 40
b) Bei den Gründen für die Änderung der Rechtsprechung handelt es sich entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats keineswegs um eine "in erster Linie rechtspolitische Erwägung". Das Bereicherungsverbot ist vielmehr ein gefestigter schadensrechtlicher Grundsatz (vgl. zum Beispiel BGH, Urteil vom 18. Juni 2020 - I ZR 93/19 Rn. 26, GRUR 2020, 990; Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 Rn. 65, NJW 2020, 1962; Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12 Rn. 20, BauR 2014, 1938), der in der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielfach von Bedeutung gewesen ist. Auch im Zusammenhang mit der Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ist der Grundsatz des Bereicherungsverbots bereits herangezogen worden. So hat der VII. Zivilsenat die Verneinung eines Anspruchs auf Ersatz der bei einer Mängelbeseitigung voraussichtlich anfallenden Umsatzsteuer hierauf gestützt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2015 - VII ZR 270/14 Rn. 5, BauR 2015, 1321 = NZBau 2015, 419; Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09 Rn. 14, BGHZ 186, 330). Auch im Rahmen der werkvertraglichen Leistungskette (vgl. dazu unter III.2.c) bb)) hat der Grundsatz des Bereicherungsverbots dazu geführt, dass in Einzelfällen die Ersatzfähigkeit voraussichtlicher Mängelbeseitigungskosten verneint wurde (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 1. August 2013 - VII ZR 75/11 Rn. 22 ff., BGHZ 198, 150; Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06 Rn. 18 ff., BGHZ 173, 83; Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06 Rn. 15 ff., BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580), was indes die Fälle der Überkompensation nur unzureichend erfasste.
Rz. 41
c) Die der Änderung der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats zur Schadensbemessung zugrunde liegende Wertung soll im Folgenden exemplarisch erläutert werden.
Rz. 42
aa) Hierzu soll im Ausgangspunkt der folgende, der Gerichtspraxis entlehnte Beispielsfall dienen:
Der Besteller hat den Unternehmer beauftragt, den Boden im Erdgeschoss seines Einfamilienhauses mit weißen Natursteinplatten zu fliesen. Der vereinbarte Preis beträgt 40.000 €. Tatsächlich werden hellgraue Natursteinplatten verlegt. Der Austausch würde etwa 60.000 € netto kosten, da die Einbauküche wieder abgebaut, die Möbel ausgelagert, die verlegten Platten entfernt, die neuen Platten verlegt und die Familie vorübergehend in einem Hotel untergebracht werden muss. Der Unternehmer hat die Nacherfüllung nicht innerhalb der gesetzten Frist durchgeführt.
Rz. 43
Im Beispielsfall kann der Besteller gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB Nacherfüllung und bei Ausbleiben der Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB Vorschuss oder Kostenerstattung verlangen. Die Geltendmachung dieser Rechte ist auch bei Mängelbeseitigungskosten, die die Vergütung erheblich übersteigen, nicht unverhältnismäßig. Denn der Unternehmer unterliegt der werkvertraglichen Erfolgshaftung. Er hat einen bestimmten Farbton versprochen und der Farbton der verlegten Natursteinplatten weicht hiervon ab, so dass der Besteller nicht darauf verwiesen werden kann, dies hinzunehmen.
Rz. 44
Entscheidet sich der Besteller indes, die hellgrauen Natursteinplatten zu behalten, kann er nach der bisherigen Rechtsprechung die gesamten - tatsächlich nicht anfallenden - Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 60.000 € netto geltend machen. Er muss daher im wirtschaftlichen Ergebnis für die Verlegung der Natursteinplatten die vereinbarte Vergütung in Höhe von 40.000 € nicht bezahlen, erhält neue Natursteinplatten, wenn auch nicht in der gewünschten Farbe, und bekommt zusätzlich noch einen Betrag in Höhe von 20.000 €.
Rz. 45
Das ist nach der Wertung des VII. Zivilsenats kein angemessener Schadensausgleich für das mangelhafte Werk, sondern eine gegen das Bereicherungsverbot verstoßende Überkompensation.
Rz. 46
Im Werkvertragsrecht stellt sich - anders als möglicherweise im Kaufrecht - diese Problematik nicht etwa nur in Einzelfällen, sondern regelmäßig, da die Vereinbarung einer individuellen Beschaffenheit des herzustellenden Werks werkvertragstypisch ist. Das Werk ist bei Abschluss des Vertrags noch nicht vorhanden, sondern besteht nur in einer Vorstellung, die sich auf funktionale, technische und gestalterische Anforderungen beziehen kann, und die im Vertrag entsprechend beschrieben werden müssen. Damit ist das gesamte Spektrum der Abweichungen von vereinbarten individuellen Beschaffenheitsmerkmalen betroffen, mit denen der Besteller "leben kann" und die er deshalb nicht im Wege einer aufwendigen Selbstvornahme beseitigt. Hierfür gibt es zahlreiche Beispiele aus der Praxis, etwa die Verlegung einer Fußbodenheizung, die die vereinbarte Heizleistung knapp verfehlte, der Einbau von Türen in ein Hotel, die die vereinbarte Länge unterschritten, so dass ein geringer Spalt zwischen Tür und Boden verblieb, die Herstellung einer Zufahrt zur Tiefgarage mit einem geringeren Kurvenradius als vereinbart, die Einbringung von Mutterboden, die nicht in der vereinbarten Schichtdicke erfolgte, die Verlegung von Straßenbahnschienen, die nicht in der zur Geräuschminimierung vereinbarten Tiefe eingebracht wurden, die Errichtung eines Einfamilienhauses, das nicht in der Weise in den Hang gebaut wurde, dass der gewünschte Blick erzielt wurde (vgl. zu einem weiteren Beispiel aus der Praxis, bei dem das Wärmedämmverbundsystem nicht die vereinbarte Dämmwirkung erzielte, Rodemann, ZfBR 2018, 320). Auch Verstöße gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik, die bei einem Werkvertrag üblicherweise Vertragsinhalt sind, führen nicht stets zu Beeinträchtigungen, die den Besteller zur Mängelbeseitigung im Wege der Selbstvornahme veranlassen.
Rz. 47
In diesen Konstellationen liegen jeweils Mängel vor, die den Besteller nach erfolgloser Fristsetzung grundsätzlich zur Selbstvornahme berechtigen mit der Folge eines Anspruchs auf Ersatz der hierfür aufgewendeten erforderlichen Kosten. Bei unterbleibender Selbstvornahme rechtfertigen sie jedoch - aus Gründen der damit verbundenen, im Eingangsbeispiel näher erläuterten Überkompensation - aus Sicht des VII. Zivilsenats keinen Schadensersatz in Höhe fiktiver Mängelbeseitigungskosten. Dies gilt umso mehr, als die Sanierung von Mängeln im Werkvertragsrecht häufig Eingriffe in andere Gewerke erfordert, was regelmäßig besonders hohe Mängelbeseitigungskosten verursacht. So beschränkt sich die Mängelbeseitigung in dem oben genannten Beispiel der mangelhaften Fußbodenheizung nicht auf ihren Austausch, vielmehr ist es darüber hinaus erforderlich, den Fußboden zu zerstören, um an die Fußbodenheizung zu gelangen, und ihn nach Abschluss der Arbeiten wiederherzustellen. Gerade in derartigen Fällen kann die Annahme eines Schadensersatzanspruchs in Höhe nicht aufgewendeter, fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu einer Überkompensation in erheblichem Umfang führen.
Rz. 48
bb) Ein weiterer zentraler Bereich, in dem es vor der Änderung der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats in erheblichem Umfang zu einer Überkompensation des Bestellers gekommen ist, betrifft die Mängelhaftung im Rahmen der im Bauvertragsrecht in nahezu jedem mittleren und größeren Bauvorhaben üblichen Leistungskette.
Rz. 49
Zur Erläuterung soll folgender Beispielsfall (in Anlehnung an Rodemann, ZfBR 2018, 320) dienen:
Der Besteller hat einen (General-)Unternehmer mit der Sanierung eines Hotels und dieser einen Nachunternehmer mit den Dämm-arbeiten beauftragt. Das ausgeführte Wärmedämmverbundsystem erreicht nicht die in den jeweiligen Verträgen vereinbarte Dämm-wirkung. Die vom Besteller dem Unternehmer gesetzte Frist zur Nacherfüllung und die vom Unternehmer dem Nachunternehmer gesetzte Frist zur Nacherfüllung sind jeweils erfolglos verstrichen. Der Unternehmer rechnet gegenüber dem Nachunternehmer den Schadensersatz fiktiv in Höhe der voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten ab.
Rz. 50
Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats kann der Anspruch des Unternehmers gegen den Nachunternehmer auf Ersatz des in dieser Weise bemessenen Schadens im Ausgangspunkt nicht verneint werden. Allerdings hat der VII. Zivilsenat seinerzeit diesen Anspruch - ausnahmsweise - für den Fall verneint, dass die Mängelansprüche des Bestellers gegen den Unternehmer im Laufe des Prozesses des Unternehmers gegen den Nachunternehmer verjährt waren. Ausschlaggebend hierfür war, dass sich wirtschaftlich gesehen bei dem Unternehmer im Ergebnis keine finanzielle Einbuße infolge des Mangels verwirklicht, wenn er nicht mehr wegen des Mangels in Anspruch genommen werden kann, und damit letztlich der Gesichtspunkt der Überkompensation (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06 Rn. 20 f., BGHZ 173, 83; Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06 Rn. 18 f., BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580; vgl. auch BGH, Versäumnisurteil vom 1. August 2013 - VII ZR 75/11 Rn. 22 f., BGHZ 198, 150).
Rz. 51
Sind die Ansprüche des Bestellers gegen den Unternehmer im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des vom Unternehmer gegen den Nachunternehmer geführten Rechtsstreits noch nicht verjährt, bot die bisherige Rechtsprechung dagegen keine Grundlage für eine Versagung des in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessenen Anspruchs. Ein unterschiedliches Ergebnis der Schadensersatzklage, je nachdem, ob im Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesses gegen den Nachunternehmer die Mängelansprüche des Bestellers bereits verjährt sind oder nicht, lässt sich indes nicht rechtfertigen.
Rz. 52
Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten in der werkvertraglichen Leistungskette ist danach für den VII. Zivilsenat mit einer von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertung (normativer Schaden) nicht mehr zu vereinbaren. Der Vermögensschaden des Unternehmers in der Leistungskette liegt bei wirtschaftlicher Betrachtung vielmehr darin, dass er seinerseits den Ansprüchen seines Bestellers ausgesetzt ist (so BGH, Urteil vom 28. Januar 2016 - VII ZR 266/14 Rn. 26, BGHZ 208, 372 zur Leistungskette bei Architekten- und Ingenieurverträgen). Der Weg einer Schadensbemessung, die dem Rechnung trägt und damit eine Überkompensation vermeidet, wird jedoch durch die Annahme einer generellen Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung verstellt.
Rz. 53
cc) Entsprechendes gilt für den nach Anzahl und wirtschaftlicher Bedeutung wesentlichen Komplex der Gerichtsprozesse betreffend Bauträgerverträge, die die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand haben und zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthalten, dem Besteller das Eigentum an dem Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen oder zu übertragen (vgl. nunmehr § 650u BGB). Bei der Abwicklung dieser Verträge ist es auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des VII. Zivilsenats vielfach dazu gekommen, dass der Bauträger gegen seine Nachunternehmer den Schadensersatz wegen mangelhafter Leistung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen hat, obwohl er seinerseits die Mängel weder beseitigt hat noch von den Erwerbern in gleicher Weise auf Zahlung fiktiver Mängelbeseitigungskosten in Anspruch genommen worden ist. Der vom Nachunternehmer an den Bauträger gezahlte Schadensersatz ist mithin häufig nicht den Erwerbern, die letztlich verbleibende Nachteile aufgrund der mangelhaften Leistung tragen, zugute gekommen.
Rz. 54
d) Die Änderung der Rechtsprechung zur Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht, die in den vorstehend beispielhaft ausgeführten - die Praxis des Werkvertragsrechts prägenden - Fallkonstellationen zu einer Überkompensation des Bestellers und insgesamt zu einer Fehlentwicklung in diesem Rechtsgebiet geführt hat, ist mit der Schuldrechtsmodernisierung möglich geworden. Denn der Besteller ist - anders als im alten Schuldrecht - durch die Ausgestaltung der Mängelrechte in § 634 BGB, insbesondere durch die Ausgestaltung des Vorschussanspruchs in § 634 Nr. 2, § 637 BGB, hinreichend vor einer ansonsten möglich erscheinenden Unterkompensation geschützt.
Rz. 55
Vor der Schuldrechtsmodernisierung waren der Erstattungsanspruch des Bestellers bei Selbstvornahme gemäß § 633 Abs. 3 BGB a.F. und damit auch der hieraus von der Rechtsprechung entwickelte Vorschussanspruch an den Verzug des Unternehmers mit der Mängelbeseitigung geknüpft. Der Anspruch des Bestellers auf Mängelbeseitigung - und damit auch ein Verzug des Unternehmers mit der Mängelbeseitigung - endete indes nach Ablauf einer hierfür mit Ablehnungsandrohung gesetzten Frist, § 634 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BGB a.F. (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1975 - VII ZR 222/73, NJW 1976, 143, juris Rn. 8). Damit konnte ab diesem Zeitpunkt nur noch Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB a.F. und nicht mehr Vorschuss geltend gemacht werden, so dass mangels Vorschussanspruchs eine Schutzlücke für den Besteller bestand, die durch die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten ausgeglichen wurde.
Rz. 56
Nach der Neugestaltung der Mängelrechte in § 634 BGB, insbesondere des Vorschuss- und Erstattungsanspruchs gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB, ist indes eine solche Verknüpfung des Vorschussanspruchs mit einem bestehenden Erfüllungs- oder Nacherfüllungsanspruch nicht mehr gegeben. Diese Ansprüche entstehen vielmehr mit Ablauf einer zur Nacherfüllung gesetzten Frist und bleiben - wie der VII. Zivilsenat in Auslegung der § 637 BGB und § 281 Abs. 4 BGB entschieden hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 48 ff., BGHZ 218, 1) - auch nach einem Schadensersatzverlangen des Bestellers bestehen. Eine Schutzlücke für den Besteller besteht damit nicht mehr.
Rz. 57
e) Entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats lässt sich eine generelle Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten jedenfalls im Werkvertragsrecht auch nicht mit einer einfacheren und damit praktikableren Ermittlung dieser Kosten rechtfertigen. Zum einen sind die fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht keineswegs immer einfach zu ermitteln, vielmehr steht - wie die Erfahrungen des VII. Zivilsenats zeigen - häufig bereits die Methode der (nicht durchgeführten) Sanierung im Streit. Zum anderen trägt die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats, wie bereits ausgeführt, diesem Umstand dadurch Rechnung, dass sie - unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des V. Zivilsenats zum alten Schuldrecht - in geeigneten Fällen eine dahingehende Schätzung des mangelbedingten Wertunterschieds gemäß § 287 ZPO zulässt. Darüber hinaus vermag der Gesichtspunkt der Praktikabilität eine Überkompensation nicht zu rechtfertigen.
Rz. 58
3. Ein Gleichlauf hinsichtlich der Schadensbemessung im Rahmen der Mängelhaftung des Werkvertrags- und des Kaufrechts ist angesichts der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung der Mängelrechte, insbesondere im Hinblick auf den Vorschussanspruch, aber auch im Hinblick auf das Nacherfüllungsrecht, nicht geboten.
Rz. 59
Bereits aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Bemessung des Schadens, die stets eine von Treu und Glauben geprägte schadensrechtliche Wertung erfordert (normativer Schaden), nicht losgelöst von dem jeweiligen Vertragstyp und dessen Besonderheiten erfolgen kann. Dies zeigt sich auch in der sonstigen schadensrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die die Vielgestaltigkeit der jeweils zu beurteilenden Rechtsverhältnisse widerspiegelt. Für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung gilt nichts anderes. Das Gesetz gibt - entgegen der Auffassung des V. Zivilsenats - einen solchen Gleichlauf ebenfalls nicht vor.
Rz. 60
a) Das Erfordernis einer einheitlichen Schadensbemessung kann insbesondere nicht damit begründet werden, dass Grundlage für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) bei mangelhafter Leistung des Verkäufers oder Unternehmers die allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 281 BGB seien.
Rz. 61
§§ 280, 281 BGB regeln nur den Haftungsgrundtatbestand eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung. Diesen Vorschriften lassen sich - wie bereits unter III.1. näher ausgeführt - nur bestimmte Voraussetzungen für diesen Anspruch, nicht jedoch Vorgaben dazu entnehmen, wie der Schadensersatz statt der Leistung zu bemessen ist. Bei mangelhafter Leistung sind §§ 280, 281 BGB nicht unmittelbar, sondern nur jeweils in Verbindung mit § 437 Nr. 3 BGB oder § 634 Nr. 4 BGB anwendbar. § 634 BGB ist dabei keine bloße Verweisungsnorm auf andere Vorschriften, sondern enthält ein Gesamtkonzept der dem Besteller zur Verfügung stehenden Mängelrechte. Demgemäß kann der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß §, §§ 280, 281 BGB auch nicht losgelöst von der Regelung der werkvertraglichen Mängelrechte beurteilt werden, sondern ist darin eingebunden. Damit ist dieser Anspruch im Ausgangspunkt im besonderen Schuldrecht angesiedelt, das den Haftungsgrundtatbestand ausfüllt und ergänzt. Entsprechend können auch die in §§ 280, 281 BGB nicht geregelten Rechtsfolgen betreffend die Schadensbemessung unter Berücksichtigung des besonderen Schuldrechts ausgefüllt werden.
Rz. 62
b) Das Regelungskonzept der werkvertraglichen Mängelrechte im besonderen Schuldrecht weicht in zentralen Punkten von demjenigen des Kaufrechts ab. Ein Gleichlauf ist daher nicht geboten.
Rz. 63
aa) Ein wesentlicher Unterschied liegt bereits in der Regelung der Nacherfüllung, deren Nichterfüllung Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch statt der Leistung ist und auf die der V. Zivilsenat die von ihm favorisierte Schadensbemessung stützen will (dazu bereits unter III.1.).
Rz. 64
Bei dem in § 634 Nr. 1, § 635 BGB geregelten Nacherfüllungsanspruch handelt es sich - wie oben bereits ausgeführt (vgl. III.1.b) cc)) - inhaltlich lediglich um die Fortsetzung des (nicht vollständig erfüllten) vertraglichen Erfüllungsanspruchs. Für ihn gilt daher im Grundsatz - wie für den Erfüllungsanspruch - die werkvertragstypische Erfolgshaftung, nach der der Unternehmer das Erfüllungsrisiko für die versprochene Leistung unabhängig von dem dafür erforderlichen Aufwand trägt. Die Regelung zur Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung in § 635 Abs. 3 BGB ist vor dem Hintergrund dieser Risikoverteilung restriktiv auszulegen. Eine Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs wegen Unverhältnismäßigkeit kommt danach nur in Betracht, wenn ein objektiv geringes Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Leistung gegeben ist, während die Nacherfüllung einen ganz erheblichen Kostenaufwand verursachen würde. Ein objektiv geringes Interesse des Bestellers ist angesichts des Erfolgsversprechens des Unternehmers indes nur in Ausnahmefällen - etwa bei kleineren, insbesondere optischen Mängeln - anzunehmen (st. Rspr.; vgl. zum Beispiel BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11 Rn. 11 f. m.w.N., BauR 2013, 81 = NZBau 2013, 99; Urteil vom 10. November 2005 - VII ZR 137/04, BauR 2006, 382, juris Rn. 20 = NZBau 2006, 177).
Rz. 65
Demgegenüber gelten im Kaufrecht andere Maßstäbe für die Prüfung der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung. Der Gesetzgeber hat in § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die Bedeutung des Mangels als Prüfungsmaßstab hervorgehoben. Nach der Rechtsprechung des V. Zivilsenats kann deshalb als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen werden, dass die Kosten der Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, wenn sie entweder den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen (BGH, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12 Rn. 42 ff., BGHZ 200, 350). Ferner hat der Gesetzgeber in § 439 Abs. 4 Satz 2 und 3 BGB aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Beschränkung der dem Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB zustehenden Wahlmöglichkeiten zur Art der Nacherfüllung geregelt. Beide Regelungen führen dazu, dass auch hinsichtlich des darauf aufbauenden Schadensersatzanspruchs statt der Leistung Überkompensationen eingeschränkt werden können.
Rz. 66
§ 635 Abs. 3 BGB benennt dagegen für das Werkvertragsrecht - zu Recht - keine vergleichbaren, für eine Begrenzung der Nacherfüllung heranzuziehenden Umstände. Dies ist auch nicht möglich. So besteht im Werkvertragsrecht regelmäßig keine Möglichkeit, kostengünstiger ein neues Werk herzustellen, als den Mangel zu beseitigen. Auch eignen sich der Wert des mangelfreien Werks oder der mangelbedingte Minderwert des Werks angesichts der Vielgestaltigkeit der Gewerke und des Umstands, dass diese regelmäßig an Sachen des Bestellers erbracht werden und sich dort auswirken, schon im Ansatz nicht, um eine dem Kaufrecht vergleichbare Faustregel aufzustellen (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 71, BGHZ 218, 1). Dies führt dazu, dass der Besteller - der werkvertraglichen Risikoverteilung entsprechend - auch bei Mängelbeseitigungskosten, die den Werklohn erheblich übersteigen, Nacherfüllung verlangen kann und damit auch im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung gemäß §, §§ 280, 281 BGB auf der Grundlage einer Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten diese unabhängig davon, ob er die Mängelbeseitigung durchführen lässt oder nicht, abrechnen könnte. Aus diesem Grund ist es im Werkvertragsrecht auch nicht in einer dem Kaufrecht vergleichbaren Weise möglich, die Auswüchse einer Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu begrenzen, ohne gleichzeitig das im Werkvertragsrecht zentrale Nacherfüllungsrecht des Bestellers und damit die Erfolgshaftung des Unternehmers deutlich zu entwerten.
Rz. 67
bb) Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt darin, dass das sich aus § 634 BGB ergebende Konzept der werkvertraglichen Mängelrechte - anders als das Konzept der kaufvertraglichen Mängelrechte - zugunsten des Bestellers ein Selbstvornahmerecht und hierfür einen Vorschussanspruch vorsieht, § 634 Nr. 2, § 637 BGB. Dieser Anspruch schützt den Besteller, der die Mängelbeseitigung durchführen lassen will, umfassend vor der Notwendigkeit einer Vorfinanzierung. Das Regelungskonzept des § 634 BGB unterscheidet insoweit danach, ob der Besteller - nach unterbliebener Nacherfüllung innerhalb der gesetzten Frist - den Mangel beseitigen lassen will oder nicht. Im erstgenannten Fall kann er den Mangel selbst beseitigen lassen und hierfür Vorschuss und Kostenerstattung verlangen. Im letztgenannten Fall kann er die Minderung oder den Rücktritt erklären. Darüber hinaus steht ihm ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu.
Rz. 68
Soweit sich die am Leistungsinteresse orientierte Bemessung des Vermögensschadens danach unterscheidet, ob der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen lässt oder nicht (dazu näher unter III.1.), ist dies in § 634 BGB angelegt. Denn es ist nicht erkennbar, weshalb der Gesetzgeber das Selbstvornahmerecht nebst Vorschuss- und Kostenerstattungsanspruch im Werkvertragsrecht geregelt hat, wenn die voraussichtlichen Kosten der Mängelbeseitigung auch stets ohne Mängelbeseitigung - fiktiv - im Wege des Schadensersatzes verlangt werden könnten. Soweit argumentiert wird, Vorschuss und Kostenerstattung könnten - anders als Schadensersatz - auch ohne Verschulden des Unternehmers verlangt werden, überzeugt dies schon deshalb nicht, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Unterbleiben der verschuldensunabhängig geschuldeten Nacherfüllung stets zu einem den Schadensersatzanspruch rechtfertigenden Verschulden führt (vgl. zum Kaufrecht BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14 Rn. 12 m.w.N., NJW 2015, 2244; dem folgend BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 - VII ZR 301/13 Rn. 41, BGHZ 213, 349).
Rz. 69
c) Auch der V. Zivilsenat begründet - wie bereits ausgeführt (vgl. III.1.b)) - die von ihm favorisierte Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten letztlich selbst nicht mit den allgemeinen Vorschriften der §§ 280, 281 BGB, sondern mit den sich aus den Regelungen der kaufvertraglichen Mängelrechte gemäß § 437 BGB ergebenden Erfordernissen. So wird als ein zentrales Argument für ein Festhalten an einer solchen Schadensbemessung angeführt, dem Käufer sei die Vorfinanzierung einer Mängelbeseitigung nicht zuzumuten. Dieses Argument mag - die Beurteilung steht dem VII. Zivilsenat nicht zu - im Kaufrecht seine Berechtigung haben. Im Werkvertragsrecht verfängt es indes im Hinblick auf den gesetzlichen Vorschussanspruch von vornherein nicht und vermag deshalb eine übereinstimmende Schadensbemessung in der vom V. Zivilsenat bevorzugten Weise mit Rücksicht auf die damit verbundene - sich im Werkvertragsrecht in besonderer Weise stellende - Problematik der Überkompensation nicht zu rechtfertigen.
Rz. 70
d) Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich weiter, dass der Gesetzgeber das Kauf- und Werkvertragsrecht nur in Teilbereichen angeglichen, jedoch gerade die Mängelrechte unterschiedlich ausgestaltet hat, insbesondere in Bezug auf den Vorschussanspruch, auf den - worauf der V. Zivilsenat an anderer Stelle hinweist - im Kaufrecht verzichtet worden ist (abgesehen von der seit dem 1. Januar 2018 für den Verbrauchsgüterkauf geltenden Spezialregelung in § 475 Abs. 6 BGB).
Rz. 71
Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen diese Unterschiede bei einer auf normativen Wertungen beruhenden Schadensbemessung keine Rolle spielen und eine Handhabung nach den Bedürfnissen des jeweiligen Vertragstyps nicht ermöglichen sollten.
Rz. 72
e) Ein solcher Grund folgt erst recht nicht aus einer als wünschenswert angesehenen "Kohärenz" mit dem Deliktsrecht, das - wie der V. Zivilsenat an anderer Stelle zu Recht ausführt - anderen Vorschriften folgt und ein anderes Interesse abdeckt.
Rz. 73
Auch die erstrebte Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden kann einen Gleichlauf in der Schadensbemessung nicht rechtfertigen. Zum einen ist die Abgrenzung von Mangel- und Mangelfolgeschäden nach wie vor im Gesetz selbst angelegt, da der Schadensersatz insoweit bereits unterschiedlichen Voraussetzungen folgt (vgl. hierzu zum Beispiel BGH, Urteil vom 7. Februar 2019 - VII ZR 63/18 Rn. 18, zur Veröffentlichung in BGHZ 224, 271 bestimmt). Zum anderen ist nicht erkennbar, dass sämtliche Folgeschäden oder sonstige nach § 280 BGB zu ersetzende Schäden, etwa aufgrund von Nebenpflichtverletzungen, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stets fiktiv bemessen werden könnten. So hat beispielsweise der VIII. Zivilsenat für das Mietrecht entschieden, dass eine Schadensbemessung nach fiktiven Kosten für den nicht durchgeführten Austausch einer Schließanlage bei Verlust des Schlüssels nach § 280 Abs. 1, § 535 Abs. 1, § 546 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB nicht in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 5. März 2014 - VIII ZR 205/13 Rn. 11 ff., NJW 2014, 1653).
IV.
Rz. 74
Die zweite Frage im Anfragebeschluss des V. Zivilsenats ist dahin zu beantworten, dass der VII. Zivilsenat an seiner Auffassung festhält, wonach sich der Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB bei Planungs- und Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk realisiert haben, auf Vorfinanzierung "in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags" richten kann.
Rz. 75
Mit Urteil vom 22. Februar 2018 (VII ZR 46/17 Rn. 67, BGHZ 218, 1) hat der VII. Zivilsenat - anders als die Fragestellung im Anfragebeschluss des V. Zivilsenats impliziert - weder allgemein für das Schadensrecht noch für das allgemeine Leistungsstörungsrecht entschieden, dass der im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs geltend gemachte Schaden als abrechenbarer Vorschuss verlangt werden kann. Der VII. Zivilsenat hat vielmehr ausschließlich für den Architekten- und Ingenieurvertrag aus den für diesen Vertrag geltenden Mängelrechten gemäß § 634 BGB bzw. nunmehr §§ 650p, 650q Abs. 1, § 634 BGB und nur für Planungs- und Überwachungsfehler der Architekten und Ingenieure, die sich im Bauwerk realisiert haben, einen Schadensersatzanspruch auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags hergeleitet.
Rz. 76
Der Architektenvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Architekt eine Planungs- oder Überwachungsleistung verspricht, die als Grundlage für die Errichtung eines mangelfreien Bauwerks geeignet ist. Er verspricht dagegen nicht, dass das Bauwerk tatsächlich mangelfrei errichtet wird (näher hierzu zum Beispiel Berger in FBS, HOAI, 2. Aufl., vor §§ 650p B. I. Rn. 18; Fuchs in BeckOK Bauvertragsrecht, Stand: 31. Juli 2020, § 650p BGB Rn. 87 ff.). Ungeachtet dessen ist die Leistung des Architekten in besonders engem Maße mit dem zu errichtenden Bauwerk und der Bauleistung des Unternehmers verknüpft. Dies zeigt sich auch darin, dass eine mangelhafte Leistung des Architekten typischerweise zu einem mangelhaften Bauwerk führt. Da das Bauwerk von Anfang an mangelhaft ist, ist nicht das Integritätsinteresse des Bestellers betroffen, sondern es handelt sich um eine Konstellation, die das Leistungsinteresse des Bestellers berührt. Diese Besonderheiten des Architektenvertrags haben dazu geführt, dass der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 1. Februar 1965 (GSZ 1/64, BGHZ 43, 227) entschieden hat, dass Unternehmer und Architekt zwar nicht bei der Erfüllung, aber bei Leistungsstörungen - also insbesondere bei der Mängelhaftung - Gesamtschuldner sind. Die aus der Mangelhaftigkeit der Leistungen herrührenden Verpflichtungen des Architekten und des Unternehmers stehen sich nicht nur deshalb besonders nahe, weil sie durch eine enge Zweckgemeinschaft verbunden sind, die auf die plangerechte und mangelfreie Errichtung des Bauwerks gerichtet ist, es wohnt ihnen vielmehr darüber hinaus eine besonders enge Verwandtschaft auch deshalb inne, weil ihre inhaltliche Verschiedenheit hart an der Grenze zur inhaltlichen Gleichheit (Identität) liegt (BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 - GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, juris Rn. 17).
Rz. 77
Angesichts dieser engen Verwandtschaft bezüglich der aus der Mangelhaftigkeit der Leistungen herrührenden Verpflichtungen von Unternehmer und Architekt sowie des Umstands, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Mängelhaftung des Werkvertragsrechts einen Anspruch des Bestellers auf Vorfinanzierung für geboten erachtet, hat der VII. Zivilsenat den Rechtsgedanken des nicht direkt anwendbaren § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB für den Anspruch des Bestellers gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB bei im Bauwerk realisierten Planungs- und Überwachungsmängeln herangezogen und ihm einen Anspruch auf Vorfinanzierung zuerkannt. Damit wird auch der gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und Unternehmer Rechnung getragen.
Rz. 78
Es ist nicht erkennbar, inwieweit hierdurch die vom V. Zivilsenat für das Kaufrecht für richtig gehaltene Rechtsprechung, nach der ein Schadensersatzanspruch auf Vorfinanzierung im Rahmen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts abzulehnen ist, beeinträchtigt werden könnte. Denn weder gibt es eine dem Architektenvertrag vergleichbare Konstellation im Kaufrecht noch ist dort ein der Regelung in § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB vergleichbarer gesetzlicher Vorschussanspruch geregelt, dessen Rechtsgedanke fruchtbar gemacht werden könnte.
V.
Rz. 79
Der VII. Zivilsenat vermag eine Entscheidungserheblichkeit der gestellten Fragen für den beim V. Zivilsenat anhängigen Rechtsstreit nicht zu erkennen.
Rz. 80
1. Zu Frage 1:
Rz. 81
Der VII. Zivilsenat - so das zutreffende Verständnis des V. Zivilsenats - sieht es als zulässig an, in geeigneten Fällen den Schaden in Höhe des mangelbedingten Wertunterschieds anhand der Mängelbeseitigungskosten zu schätzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 30, BGHZ 218, 1 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07 Rn. 12, NJW 2008, 436). Ein solcher Fall liegt hier vor.
Rz. 82
Die Kläger machen Schadensersatz für einen nicht behobenen Feuchtigkeitsschaden im Schlafzimmer ihrer Eigentumswohnung geltend. Nach der zum alten Schuldrecht ergangenen Rechtsprechung des V. Zivilsenats konnte der Schaden in Höhe des mangelbedingten Wertunterschieds aus Gründen der Vereinfachung anhand fiktiver Mängelbeseitigungskosten geschätzt werden, es sei denn diese Kosten überstiegen den Minderwert deutlich und spiegelten den Wertunterschied daher nicht mehr annähernd wider (BGH, Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07 Rn. 11 f., NJW 2008, 436). Der VII. Zivilsenat hat mit der Änderung seiner Rechtsprechung zur Ersatzfähigkeit fiktiver Mängelbeseitigungskosten diese Rechtsprechung für den Fall herangezogen, dass eine Selbstvornahme unterblieben und demgemäß Mängelbeseitigungskosten (noch) nicht aufgewendet worden sind (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 30, BGHZ 218, 1). Nach den Maßstäben dieser Rechtsprechung können die für die Beseitigung des Feuchtigkeitsschadens voraussichtlich anfallenden Mängelbeseitigungskosten, die die Instanzgerichte mit 7.972,68 € angesetzt haben, als Schadensersatz zugesprochen werden, da sie den Minderwert der Eigentumswohnung zutreffend abbilden. Dem Anfragebeschluss vom 13. März 2020 kann nicht entnommen werden, dass der V. Zivilsenat dies anders beurteilt. Vielmehr wird in dem Beschluss ausgeführt, dass es grundsätzlich in Betracht käme, den mit der Feuchtigkeit einhergehenden Minderwert der Eigentumswohnung anhand der Mängelbeseitigungskosten zu bemessen und ihn auf diese Weise ohne Widerspruch zu der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats als ersatzfähig anzusehen.
Rz. 83
Hinsichtlich des auf Schadensersatz gerichteten Zahlungsantrags in Höhe von 7.972,68 € aufgrund des Feuchtigkeitsschadens würden daher beide Senate zum selben Ergebnis kommen. Der V. Zivilsenat möchte sein Ergebnis lediglich anders begründen, nämlich mit einer generellen Zulässigkeit einer Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten. Dies rechtfertigt indes die Vorlage gemäß § 132 Abs. 2 GVG nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003 - XII ZB 2/03, BGHZ 154, 205, juris Rn. 60; Beschluss vom 15. Februar 2000 - XI ZR 10/98, NJW 2000, 1185, juris Rn. 3).
Rz. 84
Soweit der V. Zivilsenat dem Feststellungsantrag der Kläger, mit dem diese die Ersatzpflicht für weitere Schäden feststellen lassen wollen, stattgeben möchte, liegt ebenfalls kein Widerspruch zur Rechtsprechung des VII. Zivilsenats vor. Auch nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats kann eine Leistungsklage auf Schadensersatz mit einem Feststellungsantrag verbunden werden. Dies gilt auch für den Fall der Zuerkennung von Schadensersatz in Höhe des mangelbedingten Wertunterschieds, die nicht zur Folge hat, dass die Kläger mit einer späteren Nachforderung grundsätzlich ausgeschlossen wären (vgl. auch zur Möglichkeit einer späteren Reparatur im Sachschadensrecht BGH, Urteil vom 17. Oktober 2006 - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263, juris Rn. 16 ff.).
Rz. 85
2. Zu Frage 2:
Rz. 86
Zur Entscheidungserheblichkeit dieser Frage hat der V. Zivilsenat nichts ausgeführt; eine Entscheidungserheblichkeit ist auch nicht erkennbar. Denn die Kläger machen gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch auf Vorfinanzierung in Form eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags geltend, den der V. Zivilsenat abweisen möchte.
Rz. 87
Im Übrigen hat der VII. Zivilsenat - wie unter IV. ausgeführt - einen solchen Anspruch keineswegs allgemein im Schadensrecht oder im allgemeinen Leistungsstörungsrecht für zulässig gehalten und eingeführt. Er hat diesen Anspruch vielmehr auf eine ganz bestimmte Konstellation beschränkt, nämlich auf Planungs- und Überwachungsfehler der Architekten und Ingenieure, die sich im Bauwerk bereits realisiert haben, und dies im Einzelnen begründet.
Pamp |
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Kartzke |
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Jurgeleit |
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Fundstellen