Verfahrensgang
Gründe
I. Das Landgericht hat mit Urteil vom 30. September 2005, laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 18. Oktober 2005, die Klage des Klägers gegen die beklagte Bank auf Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Geldtransfer abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 15. November 2005 Berufung eingelegt. Mit einem erst am 20. Dezember 2005 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er diese begründet und zugleich beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger vorgetragen, die zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten habe die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert, obwohl dieser sie am 19. Oktober 2005 unter Hinweis auf die Bedeutung der Fristen angewiesen habe, eine Vorfrist und eine Endfrist für die Berufung und die Berufungsbegründung im Fristenkalender einzutragen. Sein Prozessbevollmächtigter habe sich jeden Morgen eine Kopie bzw. einen Ausdruck des Tageskalenders vorlegen lassen und die Eintragungen überprüft.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe weder den Anforderungen an die anwaltliche Fristenbehandlung und -kontrolle genügt noch seinen Bürobetrieb so organisiert, dass Fristversäumnisse ausgeschlossen seien. Er habe das Empfangsbekenntnis über die Zustellung des landgerichtlichen Urteils bereits zurückgegeben, bevor er selbst oder auf seine Veranlassung seine Angestellte die Rechtsmittelfristen im Fristenkalender notiert habe. Vielmehr sei dies erst einen Tag später erfolgt. Zudem habe er nicht ausreichend dargetan, wie er die Überwachung seiner Angestellten bezüglich der selbständigen Fristennotierung sichergestellt und welche organisatorischen Maßnahmen er zur Vermeidung und Aufdeckung von Fehlern beim Vergessen der Eintragung einer Rechtsmittelfrist getroffen habe.
II. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG NJW 2003, 281).
1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die anwaltliche Fristenbehandlung und -kontrolle nicht überspannt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um die rechtzeitige Fertigung fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich (BGH, Urteil vom 5. Mai 1993 - XII ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214 m.w.Nachw.). So kann der Anwalt etwa anordnen, dass zuerst die Fristen im Fristenkalender notiert werden, bevor er das Empfangsbekenntnis unterschreibt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 1985 - IVb ZB 23/85, VersR 1985, 962, 963). Unterlässt er eine solche Anordnung, so ist er allerdings verpflichtet, auf andere Weise dafür zu sorgen, dass die Wiedervorlage der Handakten und die Eintragung im Fristenkalender erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 25. März 1992 - XII ZR 268/91, FamRZ 1992, 1058). Dabei enthebt auch eine konkrete Einzelanweisung den Rechtsanwalt nicht von jedweder Organisations- und Kontrollpflicht. Zwar braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder konkreten Einzelanweisung zu überwachen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91, NJW 1992, 574). Im Allgemeinen kann er darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen richtig befolgt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1987 - VI ZR 43/87, NJW 1988, 1853). In der Anwaltskanzlei müssen jedoch ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche Einzelanweisung an eine Fachangestellte über die Eintragung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. September 2002 - VI ZR 419/01, NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - VI ZR 399/01, NJW 2003, 435, 436). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Oktober 1991 - VII ZB 4/91 aaO. und vom 4. November 2003 - VI ZB 50/03, NJW 2004, 688, 689).
b) Diesen Anforderungen ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gerecht geworden.
aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein dem Kläger zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist allerdings nicht darin, dass er die konkrete Einzelanweisung zur Eintragung der Frist erst einen Tag nach Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses erteilt hat. Denn die bei einer solchen Verfahrensweise bestehende Gefahr eines Vergessens der Anweisung hat sich hier nicht verwirklicht.
bb) Das Berufungsgericht hat aber zu Recht ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des Klägers an der Fristversäumung darin gesehen, dass er keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen zur Aufdeckung von Fehlern beim Vergessen der Eintragung einer Rechtsmittelfrist getroffen hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde genügt es nicht, dass sich ein Rechtsanwalt täglich einen Auszug aus dem Fristenkalender vorlegen lässt und fast täglich einen Fristenabgleich zwischen dem elektronischen und dem Papierkalender vornimmt. Durch diese Maßnahmen kann die unterbliebene Eintragung einer Frist nicht bemerkt werden. Vielmehr muss der Rechtsanwalt durch geeignete Stichproben überprüfen, ob sein Personal die Fristennotierung und die Fristenüberwachung ordnungsgemäß durchführt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Juli 1981 - IVb ZB 750/80, VersR 1981, 857, 858 und vom 16. September 1981 - VIII ZB 48/81, VersR 1982, 67, 68). Der Durchführung von Stichproben bedarf es lediglich bei solchen Angestellten nicht, denen während ihrer langjährigen Tätigkeit weder ein Fristversäumnis noch eine Ungenauigkeit im Zusammenhang mit Terminen oder Fristen unterlaufen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 1988 - VIII ZR 72/88, VersR 1988, 1141).
Demgegenüber durfte der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei seiner den Fristenkalender führenden Angestellten von solchen Stichproben aus mehreren Gründen nicht absehen. Diese war erst seit gut zwei Wochen bei ihm tätig, so dass er aus eigener Anschauung noch nicht von deren Zuverlässigkeit ausgehen durfte. Vor allem aber war nach seinem eigenen Vorbringen Anlass für die konkrete Einzelanweisung vom 19. Oktober 2005 die Ungenauigkeit einer Fristeintragung in einer anderen Sache. Aufgrund dessen bestand für ihn die Pflicht zur stichprobenartigen Überprüfung, ob seiner mündlichen Weisung nunmehr Folge geleistet wurde. Darüber hinaus hätte er hier auch ausnahmsweise prüfen müssen, ob seine Anweisung zur Eintragung einer Vor- und Endfrist gerade in dieser Sache umgesetzt worden ist. Dass sein Prozessbevollmächtigter eine solche stichprobenartige wie auch konkrete Überprüfung vorgenommen hat, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die tägliche Vorlage des Fristenkalenders genügt insoweit nicht. Dies zeigt sich bereits daran, dass dem Prozessbevollmächtigten des Klägers - worin darüber hinaus ein weiteres eigenes Verschulden bei der Fristenbehandlung zu sehen ist - die unterbliebene Eintragung der Berufungsbegründungsfrist in der vorliegenden Sache nicht aufgefallen ist, obwohl sich aufgrund der ausdrücklichen Einzelanweisung vom 19. Oktober 2005 sein besonderes Augenmerk hierauf richten musste.
cc) Abgesehen davon ist ein dem Kläger zurechenbares weiteres eigenes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auch darin begründet, dass dieser bei der Fertigung der Berufungsschrift vom 15. November 2005 den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist offensichtlich nicht nachgeprüft und eine nachträgliche Eintragung der fehlerhaft nicht notierten Frist unterlassen hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Rechtsanwalt nur von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten. Hiervon ist die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu unterscheiden. Diesen hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzuprüfen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. November 1975 - III ZB 18/75, NJW 1976, 627, 628 und vom 13. April 2005 - VIII ZB 77/04, NJW-RR 2005, 1085). Die Überwachungspflicht des Rechtsanwalts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsgemäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist, die nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu laufen beginnt und deren Ablauf daher im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits feststeht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 21. April 2004 - XII ZB 243/03, FamRZ 2004, 1183, 1184 und vom 1. Dezember 2004 - XII ZB 164/03, NJW-RR 2005, 498, 499).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen