Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung für Versagung der Restschuldbefreiung. Verstoß des Schuldners gegen Auskunftspflichten
Leitsatz (redaktionell)
Die Frage, ob § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO voraussetzt, dass durch einen Verstoß gegen Auskunfts- bzw. Mitwirkungspflichten des Schuldners die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt werden, ist entschieden. Eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ist nicht erforderlich. Die Pflichtverletzung des Schuldners muss nur ihrer Art nach geeignet sein, zu einer Benachteiligung der Gläubiger zu führen
Normenkette
InsO § 290 Abs. 1 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 04.04.2006; Aktenzeichen 7 T 135/05) |
AG Cuxhaven (Entscheidung vom 13.06.2005; Aktenzeichen 12 IN 78/03) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 4. April 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 655,81 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Schuldner beantragte am 25. März 2003 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen mit Restschuldbefreiung und Kostenstundung. Mit Beschluss vom 22. April 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zu 2 zum Insolvenzverwalter bestellt. Im Schlusstermin vom 25. März 2004 beantragte die minderjährige Tochter des Schuldners, die weitere Beteiligte zu 1 (fortan: Gläubigerin), die Versagung der Restschuldbefreiung. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Schuldner habe den wahren Wert des früher ihm gehörenden Kraftfahrzeugs GM-Chevrolet verschwiegen. Mit Beschluss vom 13. Juni 2005 hat das Amtsgericht dem Schuldner unter der Voraussetzung, dass er während der Laufzeit der Abtretungserklärung (Wohlverhaltensperiode) die Obliegenheiten gemäß § 295 InsO erfüllt, die Restschuldbefreiung angekündigt und den Antrag der Gläubigerin auf Versagung der Restschuldbefreiung zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat das Landgericht, ohne den Schuldner vom eingelegten Rechtsmittel zu unterrichten, den amtsgerichtlichten Beschluss abgeändert und dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Hiergegen wendet sich der Schuldner mit der Rechtsbeschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 2
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 286 Abs. 2 Satz 1, §§ 7, 6 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht.
Rz. 3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner habe seine Auskunftspflicht nach § 97 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter verletzt, was als Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO beachtlich sei. Der Schuldner habe auf die Anfrage des Insolvenzverwalters vom 7. Juli 2003 zumindest grob fahrlässig unvollständige Angaben hinsichtlich des Wertes des Kraftfahrzeuges gemacht. Er hätte nicht nur den von ihm für das Jahr 2001 geschätzten Wert des Fahrzeuges mitteilen dürfen, sondern hätte den Insolvenzverwalter auch von dem Umstand unterrichten müssen, dass im Jahre 1997 der Wert des Fahrzeuges aufgrund eines Sachverständigengutachtens auf 37 000 DM geschätzt worden sei. Für die Versagung der Restschuldbefreiung sei es nicht erforderlich, dass die Pflichtverletzung des Schuldners die Befriedigungsaussichten der Gläubiger vermindert habe.
Rz. 4
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Rz. 5
a) Das Beschwerdegericht hat den Schuldner von der sofortigen Beschwerde der Gläubigerin nicht unterrichtet und ihn auch im Übrigen an dem Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Diese Verfahrensgrundrechtsverletzung ist im Hinblick auf den im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend gemachten Vortrag des Schuldners entscheidungserheblich. Sollte die Einwendung des Schuldners zutreffen, er habe den Insolvenzverwalter über das Sachverständigengutachten mündlich unterrichtet, erscheint ein Verstoß gegen die Auskunftspflicht fernliegend. Zumindest dürfte die Annahme eines grob fahrlässigen Fehlverhaltens (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 – IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258, 259 Rn. 10; v. 7. Dezember 2006 – IX ZB 11/06, ZInsO 2007, 96, 97 Rn. 9; v. 19. März 2009 – IX ZB 212/08, WM 2009, 857, 858 Rn. 7) auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen ausscheiden.
Rz. 6
b) Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO voraussetzt, dass durch einen Verstoß gegen Auskunfts- bzw. Mitwirkungspflichten des Schuldners die Befriedigungsaussichten der Gläubiger beeinträchtigt werden, ist entschieden (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009 – IX ZB 73/08, ZInsO 2009, 395, 396 f Rn. 8 ff). Eine Beeinträchtigung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, nicht erforderlich. Die Pflichtverletzung des Schuldners muss nur ihrer Art nach geeignet sein, zu einer Benachteiligung der Gläubiger zu führen (BGH, Beschl. v. 8. Januar 2009, aaO; v. 19. März 2009, aaO Rn. 5).
Fundstellen