Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob Sparern und Anlegern durch verschiedene EG-Richtlinien das Recht verliehen worden ist, daß Maßnahmen der Bankenaufsicht im EG-rechtlich harmonisierten Bereich entgegen der Vorschrift des § 6 Abs. 4 KWG in ihrem Interesse wahrzunehmen sind, um ihnen gegebenenfalls Amtshaftungsansprüche zu eröffnen, soll eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften eingeholt werden.
Normenkette
BGB § 839; KWG § 6 Abs. 4; EG Art. 234
Verfahrensgang
Tenor
I. Die Entscheidung über die Revision der Kläger zu 1, 5 und 11 wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 234 Abs. 3 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Verleihen die Bestimmungen der Art. 3 und 7 der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABlEG 1994 Nr. L 135 S. 5) dem Einleger neben dem Recht, für den Fall der Nichtverfügbarkeit seiner Einlage durch ein Einlagensicherungssystem bis zur Höhe des in Art. 7 Abs. 1 genannten Betrages entschädigt zu werden, das weitergehende Recht, daß die zuständigen Behörden von den in Art. 3 Abs. 2 bis 5 erwähnten Maßnahmen Gebrauch machen, nötigenfalls auch die Zulassung des Kreditinstituts widerrufen?
Soweit dem Einleger ein solches Recht verliehen ist, schließt dies auch die Befugnis ein, Ersatz für einen auf dem Fehlverhalten der zuständigen Behörden beruhenden Schaden verlangen zu können, der über den in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie genannten Betrag hinausgeht?
2. Verleihen die nachfolgend aufgeführten Bestimmungen von Richtlinien zur Harmonisierung des Rechts der Bankenaufsicht – einzeln, im Zusammenhang und gegebenenfalls von welchem Zeitpunkt an – dem Sparer und Anleger Rechte in dem Sinn, daß die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten Aufsichtsmaßnahmen, die ihnen durch diese Richtlinien aufgegeben sind, im Interesse dieses Personenkreises wahrzunehmen und bei einem Fehlverhalten hierfür zu haften haben, oder enthält die Einlagensicherungsrichtlinie 94/19/EG für alle Fälle einer Nichtverfügbarkeit von Einlagen eine abschließende Sonderregelung?
- Erste Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (77/780/EWG; ABlEG 1977 Nr. L 322 S. 30) Art. 6 Abs. 1, Begründungserwägungen 4 und 12;
- Zweite Richtlinie des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (89/646/EWG; ABlEG 1989 Nr. L 386 S. 1) Art. 3, Art. 4-7, Art. 10-17, Begründungserwägung 11;
- Richtlinie des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG; ABlEG 1989 Nr. L 124 S. 16) Art. 7 i.V.m. Art. 2 bis 6;
- Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 (ABlEG 1995 Nr. L 168 S. 7) Begründungserwägung 15.
Bieten die Richtlinien
- 92/30/EWG des Rates vom 6. April 1992 über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis (ABlEG 1992 Nr. L 110 S. 52) Begründungserwägung 11,
- 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABlEG 1993 Nr. L 141 S. 1) Begründungserwägung 8,
- 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABlEG 1993 Nr. L 141 S. 27) Begründungserwägungen 2, 5, 29, 32, 41 und 42 zur Beantwortung der vorstehenden Frage – unabhängig davon, ob sie ansonsten im vorliegenden Fall anwendbares Recht enthalten – eine Auslegungshilfe?
3. Sollte der Gerichtshof erkennen, den Sparern oder Anlegern werde durch die angeführten Richtlinien oder durch einzelne von ihnen das Recht verliehen, daß die zuständigen Behörden Aufsichtsmaßnahmen in ihrem Interesse wahrzunehmen haben, werden noch folgende Fragen gestellt:
Äußert ein Recht des Sparers oder Anlegers auf Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen in seinem Interesse in einem Verfahren, das gegen den Mitgliedstaat gerichtet ist, unmittelbare Wirkung in dem Sinn, daß die nationalen Normen, die dem entgegenstehen, unbeachtet bleiben müssen, oder haftet der Mitgliedstaat, der dieses Recht der Sparer oder Anleger bei der Umsetzung von Richtlinien nicht beachtet hat, nur nach den Grundsätzen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs?
Hat der Mitgliedstaat im letzteren Fall hinreichend qualifiziert gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, wenn er die Verleihung eines Rechts auf Wahrnehmung von Aufsichtsmaßnahmen nicht erkannt hat?
Tatbestand
I.
Die Kläger nehmen die beklagte Bundesrepublik Deutschland wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung der Richtlinie 94/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme (ABlEG 1994 Nr. L 135 S. 5) und wegen unzureichend wahrgenommener Bankenaufsicht durch ihr Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (im folgenden: Bundesaufsichtsamt) auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Kläger waren Kunden der B. Bank AG in D., die keinem Einlagensicherungssystem angehörte. Die Bank hatte im Jahr 1987 vom Bundesaufsichtsamt die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften unter der Auflage erhalten, das Einlagengeschäft nur dann zu betreiben, wenn eine Mitgliedschaft in der Sicherungseinrichtung eines Verbandes der Kreditinstitute bestehe, und, solange dies nicht der Fall sei, die Kunden über das Nichtbestehen einer Sicherungseinrichtung zu informieren. Die Bank bewarb sich in den Jahren 1987 bis 1992 vergeblich um die Aufnahme in den Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken e.V.; seitdem betrieb sie das Aufnahmeverfahren nicht mehr, da sie die Aufnahmevoraussetzungen nicht erfüllte. Die schwierige Vermögenssituation der Bank veranlaßte das Bundesaufsichtsamt in den Jahren 1991, 1995 und 1997 zu Sonderprüfungen nach § 44 des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG). Im Anschluß an die dritte Sonderprüfung ordnete das Bundesaufsichtsamt mit Wirkung vom 19. August 1997 ein Moratorium gemäß § 46 a KWG an. Am 14. November 1997 stellte das Bundesaufsichtsamt Konkursantrag und entzog der Bank die Erlaubnis zum Betrieb von Bankgeschäften. Das Konkursverfahren wurde am 1. Dezember 1997 eröffnet. Die Kläger hatten am 7. Juni 1995, 28. Februar 1994 und 17. Juni 1993 (die Angabe „26. Oktober 1989” in der Klageschrift beruht offenbar auf einer unrichtigen Auswertung des Kontoeröffnungsantrags) Festgeldkonten bei der B. Bank eröffnet. Mit ihren Forderungen aus den Konten, die in Höhe von 131.455,80 DM, 101.662,51 DM und 66.976,20 DM zur Konkurstabelle festgestellt wurden, sind sie bislang ausgefallen. Inwieweit ihnen eine Konkursquote zusteht, ist noch offen.
Die Kläger haben geltend gemacht, die entstandenen bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden Verluste ihrer Einlagen wären verhindert worden, wenn die Beklagte die Richtlinie 94/19/EG vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme bis zum 30. Juni 1995 umgesetzt hätte und das Bundesaufsichtsamt seinen Verpflichtungen zur Bankenaufsicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre. Angesichts der durch die Sonderprüfungen offenbar gewordenen Verhältnisse der Bank hätte das Bundesaufsichtsamt schon vor ihren Einzahlungen ein Moratorium aussprechen oder Maßnahmen nach den §§ 6 Abs. 3, 33, 45 und 46 KWG ergreifen müssen. Insbesondere habe der dem Bundesaufsichtsamt bekannte Umstand, daß die Bank bereits in der Vergangenheit nicht die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Einlagensicherungsfonds erfüllt habe, Anlaß gegeben, aufsichtsrechtliche Prüfungen einzuleiten. Die Beklagte hat sich zu den Vorwürfen mangelhafter Bankenaufsicht nicht im einzelnen erklärt, aber eine Amtshaftung nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG im Hinblick auf § 6 Abs. 4 KWG geleugnet. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB lautet:
Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
In Art. 34 Satz 1 GG heißt es:
Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.
In § 6 Abs. 4 KWG ist bestimmt:
Das Bundesaufsichtsamt nimmt die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr.
Das Landgericht Bonn hat angenommen, daß die Beklagte den Klägern zu haften habe, weil sie die Einlagensicherungsrichtlinie nicht – wie nach deren Art. 14 Abs. 1 geboten – vor dem 1. Juli 1995, sondern erst durch das am 1. August 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16. Juli 1998 (BGBl. 1998, I S. 1842) umgesetzt habe. Denn die Einlagensicherungsrichtlinie verfolge unter anderem das Ziel, die Einlagen der Bankkunden für den Fall ihrer Nichtverfügbarkeit in dem in Art. 7 festgelegten Umfang zu sichern, und verleihe ihnen ein entsprechendes, in der Richtlinie hinreichend konkret bestimmtes Recht, das die Einlagen im Zeitpunkt des Eintritts des Entschädigungsfalles umfasse. Das Landgericht hat unter Bezugnahme auf seine Entscheidung in einer Parallelsache, die in ZIP 1999, 959 = NJW 2000, 815 veröffentlicht ist, einen qualifizierten Verstoß der Beklagten gegen das Gemeinschaftsrecht angenommen, die Kausalität für den eingetretenen Schaden bejaht und die Beklagte dementsprechend verurteilt, an die Kläger jeweils 39.450 DM – das ist der Gegenwert von 20.000 ECU im Zeitpunkt des Entschädigungsfalls – nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung eines entsprechenden Anteils an der zur Konkurstabelle festgestellten Forderung zu zahlen.
Die weitergehende Klage hatte beim Landgericht und beim Oberlandesgericht Köln, dessen Urteil in NJW 2001, 2724 veröffentlicht ist, keinen Erfolg. Beide Gerichte haben hierbei zugrunde gelegt, daß ein Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG die Verletzung einer „einem Dritten gegenüber obliegenden Amtspflicht” voraussetzt, also einer Pflicht, die jedenfalls auch dem Geschädigten gegenüber besteht. Dies haben sie unter Hinweis auf die Bestimmung des § 6 Abs. 4 KWG verneint. Das Oberlandesgericht hat zwar gemeint, der nationale Gesetzgeber würde seine Befugnisse überschreiten, wenn er bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht Regelungen, die die Verleihung hinreichend bestimmter Rechte an die Geschädigten bezwecken, für nicht drittschützend erklären würde. Hier gehe es aber, soweit die staatliche Bankenaufsicht betroffen sei, nicht um den Wirkungsbereich der von den Klägern angeführten EG-Richtlinien. Demgegenüber vertritt die Revision der Kläger die Auffassung, aus verschiedenen Regelungen der Ersten Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (77/780/EWG, ABlEG 1977 Nr. L 322 S. 30; im folgenden: Erste Koordinierungsrichtlinie), der Richtlinie des Rates vom 17. April 1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten (89/299/EWG, ABlEG 1989 Nr. L 124 S. 16; im folgenden: Eigenmittelrichtlinie), der Zweiten Richtlinie des Rates vom 15. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und zur Änderung der Richtlinie 77/780/EWG (89/646/EWG, ABlEG 1989 Nr. L 386 S. 1; im folgenden: Zweite Koordinierungsrichtlinie), der Richtlinie 92/30/EWG des Rates vom 6. April 1992 über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis (ABlEG 1992 Nr. L 110 S. 52), der Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten (ABlEG 1993 Nr. L 141 S. 1; im folgenden: Kapitaladäquanzrichtlinie), der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen (ABlEG 1993 Nr. L 141 S. 27) und der Richtlinie 94/19/EG vom 30. Mai 1994 über Einlagensicherungssysteme ergebe sich die sparer- und anlegerschützende Zielrichtung der Aufsichtsnormen. Auch soweit aufsichtsrechtlich relevante Richtlinien keinen ausdrücklichen Hinweis auf den Anlegerschutz enthielten, seien sie Teil eines bankenaufsichtsrechtlichen Gesamtregelungswerks, das in seiner praktischen Wirksamkeit ausgehöhlt würde, wenn das Bundesaufsichtsamt nach § 6 Abs. 4 KWG seine Tätigkeit nur im öffentlichen Interesse wahrnähme.
Entscheidungsgründe
II.
Für die rechtliche Beurteilung im Revisionsverfahren kommt es entscheidend darauf an, ob § 6 Abs. 4 KWG in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise Amtspflichten nur im öffentlichen Interesse begründet – dann haben die Vorinstanzen zutreffend eine Haftung der Bundesrepublik nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG verneint – oder ob diese Bestimmung wegen des Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlicher Normen unberücksichtigt zu bleiben hat.
1. Die Schlüssigkeit der Klage kann im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht verneint werden. Zwar ist nicht im einzelnen geklärt, wann die Kläger nach Eröffnung der Konten ihre Einlagen eingezahlt haben, so daß sich noch nicht abschließend feststellen läßt, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung eines möglichen Fehlverhaltens des Bundesaufsichtsamts maßgebend ist. Die Kläger, die keinen näheren Einblick in das Tätigwerden des Bundesaufsichtsamts in bezug auf die B. Bank haben und sich in ihrer Klage nur auf einen Bericht des Konkursverwalters stützen konnten, haben auch nicht näher angegeben, welche genauen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen aus ihrer Sicht zu welchem Zeitpunkt erforderlich gewesen wären, die das Bundesaufsichtsamt unterlassen hätte. Die Beklagte hat jedoch insoweit keine nähere Aufklärung gegeben, nicht einmal den Vorwurf eines Fehlverhaltens ihres Bundesaufsichtsamts ausdrücklich bestritten, sondern eine Haftung allein mit dem Argument geleugnet, das Amt nehme seine Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahr. Unter diesen Umständen ist für die revisionsrechtliche Beurteilung zugrunde zu legen, daß das Bundesaufsichtsamt gebotene Aufsichtsmaßnahmen unterlassen oder zu spät vorgenommen hat und daß den Klägern hierdurch ein Schaden entstanden ist, der über die erstinstanzlich zuerkannten Ersatzbeträge hinausgeht.
2. Eine Eingrenzung möglichen Fehlverhaltens ist jedoch im Hinblick auf die dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegenden Fragen insoweit vorzunehmen, als es um Aufsichtsbereiche gehen muß, für die die Beklagte gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zu beachten hatte. Die Kläger beziehen sich auf Pflichten und Maßnahmen, die in den §§ 6 Abs. 3, 33, 45, 46 und 46 a KWG angesprochen werden.
a) Nach § 6 Abs. 3 KWG kann das Bundesaufsichtsamt im Rahmen der ihm zugewiesenen Aufgaben gegenüber dem Institut und seinen Geschäftsleitern Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, Mißstände in dem Institut zu verhindern oder zu beseitigen, welche die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte gefährden können oder die ordnungsmäßige Durchführung der Bankgeschäfte oder Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Diese Bestimmung ist erst durch das Gesetz zur Umsetzung von EG-Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtsrechtlicher Vorschriften vom 22. Oktober 1997 (BGBl. 1997, I S. 2518; im folgenden: Sechste KWG-Novelle) in das Gesetz über das Kreditwesen eingefügt worden. Da das Bundesaufsichtsamt im vorliegenden Fall mit Wirkung zum 19. August 1997 ein Moratorium angeordnet hatte, konnte es durch § 6 Abs. 3 KWG in der Fassung vom 22. Oktober 1997 nicht zu einem früheren Einschreiten veranlaßt sein, so daß der den Klägern entstandene Schaden nicht auf einer Verletzung der durch § 6 Abs. 3 KWG begründeten Anordnungskompetenz beruhen kann. Zwar wurde durch die Sechste KWG-Novelle unter anderem die prinzipiell auch für die B. Bank einschlägige Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vom 15. März 1993 umgesetzt, die nach ihrem Art. 12 Abs. 1 zeitgleich mit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10. Mai 1993 bis spätestens zum 31. Dezember 1995 (vgl. Art. 31 Abs. 2 RL 93/22/EWG) hätte umgesetzt sein müssen. Dem Senat ist jedoch nicht ersichtlich, daß die Kapitaladäquanzrichtlinie die Einführung der in § 6 Abs. 3 KWG geregelten Eingriffsbefugnis gefordert hätte.
b) Die Bestimmung des § 33 KWG regelt im einzelnen, unter welchen Voraussetzungen die Erlaubnis, Bankgeschäfte zu betreiben und Finanzdienstleistungen zu erbringen, zu versagen ist oder versagt werden kann. Da die Kläger mit ihrer Klage ersichtlich nicht geltend machen wollen, das Bundesaufsichtsamt habe der B. Bank im Jahr 1987 von vornherein nicht die Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften erteilen dürfen, kann es im Zusammenhang mit den in den Jahren 1991, 1995 und 1997 durchgeführten Sonderprüfungen nur um die Frage gehen, ob das Bundesaufsichtsamt die erteilte Erlaubnis wieder aufzuheben hatte. Dies ist Gegenstand der Regelung des § 35 KWG, die in Absatz 2 eine solche Maßnahme unter anderem vorsieht, wenn ihm Tatsachen bekannt werden, welche die Versagung der Erlaubnis nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 oder Abs. 3 Nr. 1 bis 3 KWG rechtfertigen würden (Nr. 3) oder wenn Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen des Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der dem Institut anvertrauten Vermögenswerte, besteht und die Gefahr nicht durch andere Maßnahmen nach diesem Gesetz abgewendet werden kann (Nr. 4).
Die beiden in Beziehung zueinander stehenden Vorschriften wurden in dem hier zur Beurteilung stehenden Zeitraum mehrfach geändert. § 35 Abs. 2 Nr. 3 KWG wurde durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute vom 21. Dezember 1992 (BGBl. 1992, I S. 2211; im folgenden: Vierte KWG-Novelle) neu gefaßt, das der Umsetzung der Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG vom 17. April 1989 und der Zweiten Koordinierungsrichtlinie 89/646/EWG vom 15. Dezember 1989 diente. Weitere Änderungen haben die §§ 33, 35 KWG im Zuge der Umsetzung der Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vom 15. März 1993 und der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10. Mai 1993 durch die Sechste KWG-Novelle vom 22. Oktober 1997 (BGBl. 1997, I S. 2518) erfahren. Das am 1. August 1998 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie vom 16. Juli 1998 (BGBl. 1998, I S. 1842) sieht in § 35 Abs. 1 Satz 2 KWG das Erlöschen der Erlaubnis auch dann vor, wenn das Institut nach § 11 des Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetzes von der Entschädigungseinrichtung ausgeschlossen worden ist. Insoweit wird – bezogen auf die Einlagensicherung – Art. 3 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 94/19/EG umgesetzt. Danach ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht auszuschließen, daß bei ordnungsgemäß wahrgenommener Aufsicht die Erlaubnis der B. Bank aufgrund von Vorschriften zu überprüfen war, die in Umsetzung der genannten Richtlinien in das Kreditwesengesetz Eingang gefunden haben.
c) Die Bestimmung des § 45 KWG sieht vor, daß das Bundesaufsichtsamt unter näher bestimmten Voraussetzungen Entnahmen durch die Inhaber oder Gesellschafter, die Ausschüttung von Gewinnen und die Gewährung von Krediten im Sinn des § 19 Abs. 1 KWG untersagen oder beschränken kann, wenn bei einem Institut die Eigenmittel nicht den Anforderungen des § 10 Abs. 1 KWG oder die Anlage seiner Mittel nicht den Anforderungen des § 11 Satz 1 KWG entsprechen. Mit diesem Inhalt bestand die Vorschrift bereits im wesentlichen in der Ursprungsfassung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 10. Juli 1961 (BGBl. 1961, I S. 881). Der enge Zusammenhang dieser Norm mit der grundlegenden Vorschrift über die Eigenmittelausstattung (§ 10 KWG) hat es in der Folgezeit jedoch mit sich gebracht, daß sie im Rahmen der Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts mehrfach geändert und ergänzt worden ist. Soweit dies durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen vom 20. Dezember 1984 (BGBl. 1984, I S. 1693; im folgenden: Dritte KWG-Novelle) zur Umsetzung der ersten Konsolidierungsrichtlinie 83/350/EWG vom 13. Juni 1983 geschehen ist, ergeben sich hieraus für das vorliegende Verfahren allerdings keine Folgerungen. Denn die genannte Richtlinie trifft nach ihrer 6. Begründungserwägung allein den hier nicht vorliegenden Fall, daß ein Kreditinstitut das Kapital eines anderen Kreditinstituts oder eines Finanzinstituts ganz oder teilweise hält. Die Vierte KWG-Novelle vom 21. Dezember 1992 (BGBl. 1992, I S. 2211) hat indes den in § 45 KWG in Bezug genommenen, für die Bankenaufsicht zentralen Begriff der Eigenmittel in § 10 KWG an die Vorgaben der Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG angepaßt und insoweit in nationales Recht umgesetzt. Der Senat kann daher im gegenwärtigen Verfahrensstadium nicht ausschließen, daß das Bundesaufsichtsamt – auf der Grundlage des EG-rechtlich harmonisierten Begriffs der Eigenmittel – von den Befugnissen des § 45 KWG hätte Gebrauch machen müssen.
d) § 46 KWG sieht bei einer Gefahr für die Erfüllung der Verpflichtungen eines Instituts gegenüber seinen Gläubigern, insbesondere für die Sicherheit der ihm anvertrauten Vermögenswerte, oder bei dem begründeten Verdacht, daß eine wirksame Aufsicht über das Institut im Sinne des § 33 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 KWG nicht möglich ist, vor, daß das Bundesaufsichtsamt zur Abwendung dieser Gefahr einstweilige Maßnahmen treffen kann. Unter denselben Voraussetzungen kann das Bundesaufsichtsamt nach § 46 a KWG zur Vermeidung des Insolvenzverfahrens ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot an das Institut erlassen, die Schließung des Instituts für den Verkehr mit der Kundschaft anordnen und die Entgegennahme von Zahlungen unter näher bezeichneten Einschränkungen verbieten. Die gegenwärtige Fassung des § 46 KWG berücksichtigt im wesentlichen die Änderungen durch die Sechste KWG-Novelle vom 22. Oktober 1997 (BGBl. 1997, I S. 2518) im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 (BCCI-Folgerichtlinie; ABlEG 1995 Nr. L 168 S. 7), mit der die Zulassungskriterien für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute verschärft sowie die Befugnisse der Aufsichtsbehörden zum Austausch von Informationen und zum Entzug der Erlaubnis erweitert wurden. Da die Bestimmung des § 46 a KWG tatbestandlich an die Voraussetzungen des § 46 KWG anknüpft, müßten bei ihrer Anwendung EG-rechtliche Vorgaben in demselben Maße wie zu § 46 KWG beachtet werden.
3. Die Vorschrift des § 6 Abs. 4 KWG ist durch die Dritte KWG-Novelle vom 20. Dezember 1984 (seinerzeit als § 6 Abs. 3) in das Kreditwesengesetz eingefügt worden. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es hierzu:
„Die Änderung stellt für sämtliche dem Bundesaufsichtsamt zugewiesenen Aufgaben klar, daß sie zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. Amtspflichten gegenüber den durch das Wirken des Bundesaufsichtsamtes nur mittelbar geschützten Personen oder Personenkreisen werden bei der Tätigkeit des Bundesaufsichtsamtes deshalb nicht begründet.
Die Verdeutlichung des Schutzzwecks des Gesetzes entspricht dem hergebrachten Verständnis von der Zielrichtung der staatlichen Bankaufsicht, wie sie schon in der Begründung des Regierungsentwurfs eines Kreditwesengesetzes im Jahre 1959 zum Ausdruck gebracht worden war. Der Bundesgerichtshof hat diese jahrelang fast unbestrittene Auffassung allerdings ‚mangels einer einschränkenden Zielsetzung des Gesetzes’ in zwei Urteilen verworfen (BGHZ 74, 144; 75, 120), während das Bundesverwaltungsgericht in einem Fall aus der Versicherungsaufsicht entschieden hat, daß das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen als Sachwalter der durch das Gesetz bestimmten öffentlichen Interessen handelt (BVerwGE 61, 59). Eine ausdrückliche Regelung der Frage im Kreditwesengesetz selbst ist deshalb unabweisbar geworden.
In erster Linie soll durch die gesetzesübergreifende Neuregelung ausgeschlossen werden, daß einzelne Personen, die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen und Privatpersonen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann, wegen eines bestimmten Handelns oder Unterlassens der Behörde Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben können. Die Anerkennung einer Staatshaftung im Bereich der Bankaufsicht gegenüber dritten Personen, die nicht der Aufsicht unterliegen, begründet die Gefahr von zu weit gehenden Maßnahmen der die Aufsicht ausübenden Personen. Dadurch würde unter anderem die bisherige marktwirtschaftskonforme Aufsichtskonzeption gefährdet, die den Kreditinstituten einen sehr großen Spielraum für eine eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung beläßt.
Der Einlegerschutz, dem unter sozialen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung zuzuerkennen ist, wird durch die Gesetzesänderung nicht beeinträchtigt, denn er beruht vor allem auf den Einlagensicherungseinrichtungen des Kreditgewerbes.
Die Haftung des Bundesaufsichtsamtes gegenüber den beaufsichtigten Kreditinstituten und den sonstigen Unternehmen und Privatpersonen, denen gegenüber Eingriffsbefugnisse bestehen, aus fehlerhaften Entscheidungen bleibt durch die Änderung der Vorschrift unberührt (BT-Drucks. 10/1441 S. 20).”
Entsprechende Regelungen sind für die Versicherungsaufsicht (§ 81 Abs. 1 Satz 3 VAG), die Börsenaufsicht (§ 1 Abs. 4 BörsG) und die Aufsicht über den Wertpapierhandel (§ 4 Abs. 2 WpHG) getroffen worden. Auch in neuester Zeit hat der Bundesgesetzgeber an dieser Konzeption festgehalten. Durch das Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz – FinDAG), verabschiedet als Art. 1 des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. April 2002 (BGBl. 2002, I S. 1310), ist durch Zusammenlegung des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen und des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts zum 1. Mai 2002 errichtet, die die Bezeichnung „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht” trägt (§ 1 Abs. 1 FinDAG) und nach § 4 Abs. 4 FinDAG ihre Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.
III.
Der Senat möchte vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wissen, ob durch die nachfolgend erörterten Richtlinien Rechte der Sparer und Anleger begründet worden sind, die Bankenaufsicht auch in ihrem Interesse durchzuführen.
1. Aus der Sicht des Senats steht die Auslegung und Anwendung der Einlagensicherungsrichtlinie 94/19/EG vom 30. Mai 1994 im Vordergrund, da sie – anders als die anderen bankenrechtlichen Richtlinien – speziell auf den hier vorliegenden Fall der Nichtverfügbarkeit von Einlagen zugeschnitten ist. Insoweit teilt der Senat die Auffassung des Landgerichts, daß die Einrichtung eines Systems, das die Deckung von nicht verfügbaren Einlagen sicherstellen soll, dem Schutz der Einlagegläubiger dient und ihnen ein entsprechendes Recht auf eine solche Sicherung verleihen will. Das ergibt sich aus der der Richtlinie vorangestellten 1., 3., 8. und 21. Begründungserwägung sowie aus der Regelung in Art. 7 Abs. 6, die den Mitgliedstaaten zur Pflicht macht, dem Einleger die Möglichkeit zu geben, hinsichtlich seines Entschädigungsanspruchs mit einem Abhilfeersuchen gegen das Einlagensicherungssystem vorzugehen, und aus Art. 10 Abs. 3, der von einem „Recht auf Sicherung” spricht.
Die Beklagte wendet sich nicht mehr dagegen, daß das Landgericht die Kläger im Hinblick auf die verspätete Umsetzung dieser Richtlinie im Wege des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs so gestellt hat, als hätten sie gegen die Sicherungseinrichtung einen Entschädigungsanspruch in Höhe des Gegenwertes von 20.000 ECU erworben.
2. Dem Senat ist jedoch nicht gewiß, ob die in der Einlagensicherungsrichtlinie dem Einleger verliehenen Rechte sich darin erschöpfen, im Fall der Nichtverfügbarkeit einen Entschädigungsanspruch gegen die Sicherungseinrichtung zu erhalten, oder sich auch auf Maßnahmen erstrecken, die im Zusammenhang damit stehen, daß nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie ein in dem Mitgliedstaat nach Art. 3 der Richtlinie 77/780/EWG zugelassenes Kreditinstitut Einlagen nur annehmen darf, wenn es einem Einlagensicherungssystem angeschlossen ist. Die Richtlinie 94/19/EG enthält in Art. 3 Abs. 2 bis 5 abgestufte Regelungen für den Fall, daß ein Kreditinstitut seinen Verpflichtungen als Mitglied eines Einlagensicherungssystems nicht nachkommt, die von behördlichen Maßnahmen, das Kreditinstitut zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten, über die Kündigung und den Ausschluß aus dem Sicherungssystem bis zum Widerruf der Bankzulassung reichen können. Hätte die Beklagte im vorliegenden Fall die Richtlinie rechtzeitig vor dem 1. Juli 1995 umgesetzt, wäre die B. Bank zwar einer Sicherungseinrichtung zugeordnet worden. Da die Bank jedoch bereits in der Vergangenheit die Voraussetzungen zur Aufnahme in den Einlagensicherungsfonds nicht erfüllt hatte, ist revisionsrechtlich nicht auszuschließen, daß das Bundesaufsichtsamt im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie Maßnahmen hätte treffen müssen, die das Einlagengeschäft der Bank und ihre Zulassung berührt hätten. Dem Senat erscheint es möglich, daß die Verleihung von Rechten an die Einlagegläubiger sich auch auf behördliche Maßnahmen erstreckt, die erforderlich sind, um das System der Einlagensicherung einzurichten und intakt zu halten. Insofern könnte sich der Senat vorstellen, daß die Richtlinie dem Einleger – ohne dies ausdrücklich zu regeln – auch das Recht verleihen will, daß Aufsichtsmaßnahmen durchgeführt werden, die der Funktionsfähigkeit des Einlagensicherungssystems dienen. Der Senat bezweifelt jedoch, ob die Vorgaben der Richtlinie den Klägern – vermittelt über einen Ersatzanspruch wegen ungenügender Beaufsichtigung – das Recht verleihen, für den Verlust ihrer Einlage in der vollen Höhe Ersatz zu erhalten. Dagegen sprechen aus der Sicht des Senats folgende Gründe: Wesentlicher Gegenstand der Richtlinie 94/19/EG ist die Gewährleistung eines „Mindestmaß(es) an Harmonisierung der Einlagensicherung … ohne Rücksicht darauf, wo in der Gemeinschaft die Einlagen lokalisiert sind” (vgl. 2. Begründungserwägung). Danach wird die Einlagensicherung für die Vollendung des einheitlichen Binnenmarktes als ebenso wichtig angesehen wie die aufsichtsrechtlichen Vorschriften, oder – wie es in der 25. Begründungserwägung heißt – als eine unentbehrliche Ergänzung des Systems der Bankenaufsicht. Vor diesem Hintergrund stehen behördliche Maßnahmen, die in Art. 3 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie angesprochen werden, (nur) im Dienst der Herstellung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Einlagensicherungssystems. Führen diese Maßnahmen – ausnahmsweise – dazu, daß die Behörden das Kreditinstitut an seiner weiteren Tätigkeit hindern oder an den Widerruf seiner Zulassung denken müssen, wird dies auf Gründen beruhen, die außerhalb des eigentlichen Regelungsbereichs der Richtlinie 94/19/EG liegen. Wenn daher von seiten des Einlagegläubigers ein Fehlverhalten der Bankenaufsicht gerügt wird, das im Zusammenhang mit der Überprüfung nach Art. 3 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie steht, trifft die Richtlinie hierfür keine Regelung, die dem Einlagegläubiger ein Recht auf vollständige Schadloshaltung gewähren würde. Auch der Gedanke, zur wirksamen Durchsetzung der Richtlinie gehöre es, (Ersatz-)Ansprüche zu gewähren, um ihr auch dann Geltung zu verschaffen, wenn den zuständigen Behörden Fehler unterlaufen, würde es aus der Sicht des Senats nahelegen, jedenfalls nicht über den Gegenwert von 20.000 ECU hinauszugehen. Denn gemessen an den Zielen der Einlagensicherungsrichtlinie bestünde kein Anlaß, den Einleger nur deshalb besserzustellen, weil zu der Nichtverfügbarkeit der Einlage ein Fehlverhalten der Bankenaufsicht hinzutritt.
Der Senat ist sich jedoch nicht sicher, und insoweit bleiben für ihn Zweifel, ob der Gerichtshof die Rechte der Einleger nicht weiter zieht und die hier angestellten, einen möglichen Ersatzanspruch beschränkenden Schutzzweckerwägungen ablehnt. Es kommt hinzu, daß im Hinblick auf die verspätete Umsetzung der Richtlinie in Deutschland zu überlegen ist, ob die 24. Begründungserwägung für eine umfassendere Haftung als Grundlage in Betracht kommen könnte. Denn hiernach können die Mitgliedstaaten oder ihre zuständigen Behörden aufgrund dieser Richtlinie den Einlegern gegenüber nicht haftbar gemacht werden, wenn sie für die Einrichtung bzw. die amtliche Anerkennung eines oder mehrerer Systeme Sorge getragen haben, die die Einlagen oder die Kreditinstitute selbst absichern und die Zahlung von Entschädigungen oder den Schutz der Einleger nach Maßgabe dieser Richtlinie gewährleisten.
Der Klärung dieser angesprochenen Gesichtspunkte dienen die vorgelegten Fragen zu Ziffer II 1.
3. In die rechtliche Prüfung ist, wie oben zu II 2 ausgeführt, auch ein mögliches Fehlverhalten des Bundesaufsichtsamts einzubeziehen, das andere als durch die Richtlinie 94/19/EG begründete Pflichten betrifft. Dabei sind insbesondere Aufsichtspflichten in Betracht zu ziehen, die den Mitgliedstaaten dadurch zur Umsetzung aufgegeben worden sind, daß das Bankenaufsichtsrecht durch verschiedene EG-Richtlinien harmonisiert worden ist.
a) Im einzelnen geht es dabei um folgende Richtlinien:
aa) Erste Koordinierungsrichtlinie 77/780/EWG vom 12. Dezember 1977.
Die Richtlinie koordiniert die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute und gibt in ihren Begründungserwägungen die wesentlichen Ziele und Aufgaben vor: Die störendsten Unterschiede unter den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten müßten beseitigt werden, welche die aufsichtsrechtliche Stellung der Kreditinstitute bestimmen (2. Begründungserwägung), was nicht durch eine einzige Richtlinie, sondern nur stufenweise zu verwirklichen sei. Die Koordinierungsarbeiten müßten zum Schutz der Sparer und zur Schaffung gleicher Bedingungen für den Wettbewerb für den gesamten Kreditsektor gelten (4. Begründungserwägung). Das genannte Ziel könne nur erreicht werden, wenn der besonders breite Ermessensspielraum, über den bestimmte Aufsichtsbehörden bei der Zulassung von Kreditinstituten verfügten, schrittweise abgebaut werde (9. Begründungserwägung). Um dem Sparer ähnliche Sicherheiten zu bieten und gerechte Bedingungen für den Wettbewerb zwischen vergleichbaren Gruppen von Kreditinstituten zu gewährleisten, müßten an sie gleichwertige finanzielle Anforderungen gestellt werden (12. Begründungserwägung). In Art. 6 Abs. 1 wird die Verpflichtung der Mitgliedstaaten ausgesprochen, bis zu einer späteren Koordinierung zu Beobachtungszwecken, gegebenenfalls zusätzlich zu den etwaigen von ihnen verwendeten Koeffizienten, Relationen zwischen verschiedenen Aktiva und/oder Passiva der Kreditinstitute zu ermitteln, um die Zahlungsfähigkeit und die Liquidität der Kreditinstitute und die sonstigen geeigneten Voraussetzungen für den Sparerschutz laufend feststellen zu können.
bb) Zweite Koordinierungsrichtlinie 89/646/EWG vom 15. Dezember 1989.
Die Richtlinie koordiniert – wie die Erste Koordinierungsrichtlinie 77/780/EWG, die durch sie geändert wird – die Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute. In der 4. Begründungserwägung heißt es, der gewählte Lösungsweg bestehe in der Verwirklichung der wesentlichen Harmonisierung, die notwendig und ausreichend sei, um zur gegenseitigen Anerkennung der Zulassung und der Bankenaufsichtssysteme zu gelangen, die die Gewährung einer einzigen Zulassung für die gesamte Gemeinschaft und die Anwendung des Grundsatzes der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat erlauben. Die 11. Begründungserwägung befaßt sich mit der Gewährleistung des Schutzes der Verbraucher und Kapitalanleger, der – soweit es um die Harmonisierung bestimmter finanzieller Dienstleistungen und solcher auf dem Gebiet der Kapitalanlagen geht – durch besondere Gemeinschaftsrechtsakte weiterverfolgt werde.
cc) Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG vom 17. April 1989.
Nach ihrer 1. Begründungserwägung sind gemeinsame Grundregeln für die Eigenmittel der Kreditinstitute für die Errichtung des Binnenmarktes im Bankensektor von großer Bedeutung, da die Eigenmittel die Sicherung der kontinuierlichen Tätigkeit der Kreditinstitute und den Sparerschutz ermöglichen. Mit der Harmonisierung wird die Bankaufsicht verstärkt und die derzeitige Koordinierung in anderen Bereichen des Bankensektors, insbesondere hinsichtlich der Kontrolle der Großkredite und des Solvabilitätskoeffizienten, gefördert. Die Eigenmittel sind, wie es in der 3. Begründungserwägung heißt, für die zuständigen Behörden ein wichtiger Maßstab für die Beurteilung der Solvabilität eines Kreditinstituts und für andere Aufsichtszwecke. Art. 1 gibt den Mitgliedstaaten auf, den in ihren Rechtsvorschriften verwendeten Eigenmittelbegriff mit demjenigen der Richtlinie, wie er in den Art. 2 bis 6 definiert ist, in Übereinstimmung zu bringen, und Art. 7 sieht vor, daß die Einhaltung der in den Art. 2 bis 6 vorgesehenen Bedingungen den zuständigen Behörden nachzuweisen ist.
dd) BCCI-Folgerichtlinie 95/26/EG vom 29. Juni 1995.
Die Richtlinie ändert unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der Bank of Credit and Commerce International (BCCI) eine Reihe von Richtlinien, darunter auch die Richtlinien 77/780/EWG und 89/646/EWG, verschärft die Kriterien für die Zulassung zum Geschäftsbetrieb und ergänzt die Möglichkeiten der Informationsweitergabe an andere, für die Aufsicht wichtige Stellen. In der 15. Begründungserwägung ist die Auferlegung einer Unterrichtungspflicht für Rechnungsprüfer „zur verstärkten Beaufsichtigung von Finanzunternehmen und zum besseren Schutz der Kunden” angesprochen.
ee) Die Revision meint, im Rahmen einer Gesamtschau, die für die Beurteilung des Richtlinienwerks vorzunehmen sei, seien auch folgende Richtlinien einzubeziehen:
- die Richtlinie 92/30/EWG vom 6. April 1992 über die Beaufsichtigung von Kreditinstituten auf konsolidierter Basis, die in ihrer 11. Begründungserwägung hervorhebe, daß die Beaufsichtigung dieser Kreditinstitute insbesondere dem Schutz der Kunden dieser Institute und der Sicherung der Stabilität des Finanzsystems dienen müsse;
- die Kapitaladäquanzrichtlinie 93/6/EWG vom 15. März 1993, in deren 8. Begründungserwägung es heiße, daß gemeinsame grundlegende Normen für die Eigenmittel von Instituten ein Schlüsselelement des gemeinsamen Binnenmarktes für Wertpapierleistungen seien, da die Eigenmittel dazu dienten, den Fortbestand der Institute zu sichern und die Anleger zu schützen;
- die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10. Mai 1993, die in ihrer 2., 5., 29., 32., 41. und 42. Begründungserwägung den Anlegerschutz als Ziel und Motiv anspreche.
b) Der Senat entnimmt den genannten Richtlinien das auch im Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat zur Vollendung des Binnenmarktes wiedergegebene Ziel (vgl. Textziffer 102 bis 104), die nationalen Bankenaufsichtssysteme nur in ihren Grundzügen zu vereinheitlichen, indem Mindestanforderungen gestellt werden, auf deren Grundlage die laufende Geschäftstätigkeit der Kreditinstitute nach dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von der jeweiligen Heimatlandbehörde überwacht wird. Unter den Aspekten der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs steht die Verwirklichung des Binnenmarktes im Vordergrund, wobei auch der Schutz des Verbrauchers, des Sparers oder des Anlegers – wie vorstehend zu a) wiedergegeben – als mit zu verwirklichendes Ziel genannt wird. Den Richtlinienbestimmungen könnte daher auch der Zweck entnommen werden, mit der Wahrnehmung der (harmonisierten) Aufsichtspflichten solle der Schutz der Sparer und Anleger verfolgt werden.
Eine andere, weitergehende Frage ist, ob bei einer solchen Betrachtungsweise den Sparern und Anlegern das Recht verliehen sein soll, Aufsichtsmaßnahmen einzufordern und die zuständigen Behörden bei einem Fehlverhalten auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Senat neigt dazu, jedenfalls diese Frage zu verneinen. Hierfür sind für ihn folgende Erwägungen maßgebend.
Die Richtlinien, die auf Art. 57 EGV (= Art. 47 EG) gestützt sind, regeln ihrem Hauptgegenstand nach Bedingungen, die erforderlich sind, um in einem einheitlichen Binnenmarkt Kreditinstitute nach den Prinzipien der gegenseitigen Anerkennung und der Herkunftslandkontrolle zu überwachen. Eigenständige Anlegerrechte werden in ihnen – anders als in der Einlagensicherungsrichtlinie – nicht erwähnt. Daß aufsichtsrechtliche Bestimmungen in der Lage sind, sich positiv darauf auszuwirken, daß den Kreditinstituten anvertraute Vermögenswerte gesichert werden, kann als ein den Anleger begünstigender Reflex angesehen werden, der nicht dazu zwingt, insoweit von einer subjektiven Rechtsposition des Anlegers in bezug auf die Wahrnehmung der Aufsicht auszugehen. Es kommt hinzu, daß die Richtlinien die nationalen Bankenaufsichtssysteme nur in ihren Grundzügen vereinheitlichen, ohne daß erkennbar wird, daß die Rechtsposition der Anleger, die zuvor schon von der Bankenaufsicht ihres Mitgliedstaates profitieren konnten, in einer bestimmten Beziehung aufgewertet oder verbessert worden wäre. Geht man davon aus, daß in einigen Mitgliedstaaten die Bankenaufsicht allein im öffentlichen Interesse vorgenommen wird, während in anderen eine Haftung des Staates für Fehler anerkannt sein soll, gibt die in den Richtlinien vorgenommene Harmonisierung von Mindestbedingungen keinen Anhalt dafür, daß die Rechtsstellung der Anleger allgemein auf ein Schutzniveau angehoben werden sollte, das im Falle behördlichen Fehlverhaltens Haftungsansprüche gegen den Staat auslöst. Der Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung häufig darauf hingewiesen, der Mitgliedstaat müsse bei der Umsetzung einer Richtlinie die von ihr Begünstigten in die Lage versetzen, von ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (EuGH, Urteil vom 11. August 1995 – Rs C-433/93 – Slg. 1995, I-2311, 2317 – Vergaberichtlinie – Tz. 18 f; Urteil vom 12. Dezember 1996 – Rs C-298/95 – Slg. 1996, I-6755, 6760 – Aquakultur- zu Tz. 16); nach Auffassung des Senats lassen die angeführten Richtlinien, die den Anlegerschutz vorwiegend nur in ihren Begründungserwägungen ansprechen, die Begründung einer solchen Rechtsstellung nicht hinreichend erkennen. Das ist auch nach der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABlEG 2000 Nr. L 126 S. 1) nicht anders, die unter anderem die Erste und Zweite Koordinierungsrichtlinie (77/780/EWG und 89/646/EWG), die Eigenmittelrichtlinie 89/299/EWG und die Konsolidierungsrichtlinie 92/30/EWG neu kodifiziert und aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit zu einem einzigen Text zusammengefaßt hat. Das umfangreiche Richtlinienwerk läßt zwar den Gedanken aufkommen, der Sparer- und Anlegerschutz, der in den Begründungserwägungen 5, 8, 30, 31 und 65 genannt wird, sei durch diese Richtlinie verstärkt worden. Nach Auffassung des Senats handelt es sich insoweit aber im wesentlichen um Übernahmen aus den kodifizierten früheren Richtlinien, ohne daß es im eigentlichen Regelungsbereich der neuen Richtlinie (Titel V zu den Grundsätzen und technischen Instrumenten der Bankenaufsicht) hinreichende Hinweise darauf gibt, daß die Stellung des Anlegers in Mitgliedstaaten, in denen die Aufsicht im öffentlichen Interesse vorgenommen wird, verstärkt werden soll.
Für den Senat verbleiben jedoch Zweifel, ob ihm der Gerichtshof darin folgen kann, den in den genannten Richtlinien als Ziel angesprochenen Sparer- und Anlegerschutz lediglich als begünstigenden Reflex einer nach den gesetzlichen Vorschriften im öffentlichen Interesse wahrgenommenen Aufsicht zu verstehen. Hiergegen könnte sprechen, daß der Gerichtshof aus Normen, die den einzelnen begünstigen, im allgemeinen entsprechende Rechte gefolgert hat, mag dazu auch die Überlegung beigetragen haben, auf diese Weise die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Der Senat meint jedoch, einer entsprechend ausgestalteten Rechtsstellung des Anlegers bedürfe es auch aus einem solchen Blickwinkel nicht. Denn angesichts der komplizierten Materie der Bankenaufsicht dürfte ein Recht des Anlegers, ein bestimmtes aufsichtliches Vorgehen zu verlangen, das in den Bereich des harmonisierten Rechts fällt, nur wenig förderlich sein. Bedeutung hätte ein solches Recht damit im wesentlichen für den hier vorliegenden Fall einer Haftung für fehlerhafte Aufsicht. Diese Frage wird in den angeführten Richtlinien jedoch nicht angesprochen.
Hiervon abgesehen ist auch zu prüfen, ob die Einlagensicherungsrichtlinie 94/19/EG nicht eine abschließende Sonderregelung für die Fälle enthält, in denen Einlagen nicht mehr verfügbar sind.
Der Klärung dieser angesprochenen Gesichtspunkte dienen die vorgelegten Fragen zu Ziffer II 2.
4. Sollten die Vorlagefragen zu Ziffer II 1 und 2 ganz oder teilweise in dem Sinn zu beantworten sein, daß die zuständigen Behörden die in den Richtlinien behandelten Aufsichtsmaßnahmen infolge eines dem Sparer oder Anleger verliehenen Rechts – gerade im Hinblick auf eine mögliche Haftung – in dessen Interesse wahrzunehmen hätten, würde sich ein Widerspruch zu der Regelung des § 6 Abs. 4 KWG ergeben, nach der das Bundesaufsichtsamt die ihm zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Dieser Widerspruch dürfte durch eine richtlinienkonforme Auslegung nicht zu überwinden sein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht die Pflicht zur richtlinienkonformen Auslegung nur dann, wenn das anzuwendende nationale Recht Auslegungsspielräume bereithält (EuGH, Urteile vom 10. April 1984 – Rs 14/83 – Slg. 1984, 1891, 1909 – von Colson und Kamann – Tz. 26, 28; vom 8. Oktober 1987 – Rs 80/86 – Slg. 1987, 3982, 3986 f – Kolpinghuis – zu Tz. 13 f). An diesen dürfte es im vorliegenden Fall fehlen, weil der Wortlaut des § 6 Abs. 4 KWG eindeutig ist und der Zweck dieser Bestimmung, wie er sich aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt, gerade darauf abzielt, eine Auslegung der Aufsichtspflichten auch im Sinne eines haftungsbegründenden Schutzes von Dritten auszuschließen. Hieran hat der nationale Gesetzgeber, wie § 4 Abs. 4 des am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes zeigt, festgehalten.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage zu stellen, ob dann, wenn den Sparern oder Anlegern durch die Richtlinien in bezug auf die Aufsichtsmaßnahmen Rechte verliehen sind, im hier anhängigen Verfahren gegen die Bundesrepublik von einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinienbestimmungen auszugehen ist, die zum Anwendungsvorrang gegenüber § 6 Abs. 4 KWG führt, oder ob die Kläger ihre Ansprüche nur unter den Voraussetzungen des vom Gerichtshof entwickelten Staatshaftungsanspruchs geltend machen können, weil man in der Bestimmung des § 6 Abs. 4 KWG einen Fehler bei der Umsetzung von Richtlinien sehen müßte. Im letzteren Fall hätte die Bundesrepublik – die weiteren Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs unterstellt – für einen Umsetzungsmangel nur dann einzustehen, wenn der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dann der Fall, wenn ein Mitgliedstaat bei der Rechtssetzung die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts dann genügen kann, wenn der betreffende Mitgliedstaat zum Zeitpunkt dieser Rechtsverletzung nicht zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu wählen hatte und über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Ermessensspielraum verfügte (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Oktober 1996 – Rs C-178/94 u.a. – Slg. 1996, I-4867, 4879 f = NJW 1996, 3141, 3142 – Dillenkofer – zu Tz. 25 m.w.N.). Gemessen an diesen Kriterien neigt der Senat der Auffassung zu, der nationale Gesetzgeber habe bei der von ihm prinzipiell vorgenommenen Umsetzung der Richtlinien nicht mit hinreichender Deutlichkeit die Verpflichtung vor Augen haben müssen, die Aufsichtspflichten im Sinne eines Drittschutzes der Sparer und Anleger auszugestalten. Gleichwohl möchte der Senat diese Frage dem Gerichtshof vorlegen, weil die Einlagensicherungsrichtlinie verspätet umgesetzt worden ist und daher die Frage im Raum steht, ob ein hinreichend qualifizierter Verstoß in bezug auf die Wahrnehmung solcher Pflichten zu verneinen sein könnte, die das Bundesaufsichtsamt bei rechtzeitiger Umsetzung der Richtlinie aus Anlaß und bei Gelegenheit der Einrichtung des Sicherungssystems wahrzunehmen gehabt hätte. Darüber hinaus schließt es der Senat nicht aus, daß der Gerichtshof wegen des Prozesses einer schrittweisen Harmonisierung erst von einem bestimmten Zeitpunkt an zu dem Ergebnis kommt, den Sparern und Anlegern sei in bezug auf die Durchführung von Aufsichtsmaßnahmen ein Recht verliehen worden. Unter solchen – besonderen – Umständen hält der Senat eine Klärung für angebracht, ob sich hieraus auch Folgerungen für die Annahme eines qualifizierten Verstoßes ergeben.
Der Klärung dieser angesprochenen Gesichtspunkte dienen die vorgelegten Fragen zu Ziffer II 3.
Unterschriften
Wurm, Schlick, Kapsa, Dörr, Richter am Bundesgerichtshof Galke ist wegen Urlaubs verhindert, seine Unterschrift beizufügen, Wurm
Fundstellen
Haufe-Index 746111 |
BB 2002, 1287 |
NJW 2002, 2464 |
BGHR 2002, 887 |
BGHR |
EWiR 2002, 961 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1266 |
WuB 2003, 55 |
WuB 2003, 57 |
VersR 2002, 1005 |
BKR 2002, 478 |
BKR 2002, 581 |
DVBl. 2002, 1292 |
ZBB 2002, 334 |
ZGS 2002, 169 |