Entscheidungsstichwort (Thema)
Miete. Kündigung. Fortsetzung des Gebrauchs. Stillschweigendes Verlängerung des Mietverhältnisses. Widerspruch. Widerspruchserklärung im Kündigungsschreiben. Erfordernis des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Vertragsbeendigung und Widerspruchserklärung
Leitsatz (amtlich)
Ein bereits mit der Kündigung erklärter Widerspruch gegen eine stillschweigende Vertragsfortsetzung ist wirksam; eines zeitlichen Zusammenhangs mit der Vertragsbeendigung bedarf es nicht (im Anschluss an BGH v. 9.4.1986 - VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020).
Normenkette
BGB § 545
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Entscheidung vom 26.06.2009; Aktenzeichen 5 S 79/08) |
AG Heidelberg (Entscheidung vom 11.09.2008; Aktenzeichen 21 C 123/08) |
Tenor
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Beklagte ist Mieterin einer Wohnung in S. . Die Klägerin hat das Grundstück, auf dem sich die an die Beklagte vermietete Wohnung befindet, erworben und wohnt dort auch selbst.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 23.5.2007 erklärte die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs zum Ablauf des Monats Februar 2008. Zur Begründung ist in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen ausgeführt, dass die Klägerin die Wohnung für ihre Eltern benötige. Einer stillschweigenden Vertragsfortführung werde vorsorglich widersprochen.
Rz. 3
Mit der am 19.3.2008 zugestellten Klage hat die Klägerin Räumung der Wohnung begehrt. Das AG hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Urteil des AG abgeändert und die Beklagte zur Räumung verurteilt. Im Revisionsverfahren haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte die Wohnung zwischenzeitlich geräumt hatte.
II.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Rz. 5
Die Klägerin sei gem. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wegen des von ihr nachgewiesenen Eigenbedarfs zur Kündigung des mit der Beklagten bestehenden Mietverhältnisses berechtigt gewesen. Eine Verlängerung des Mietverhältnisses gem. § 545 BGB sei nicht eingetreten. Zwar sei die Frist für die Erklärung des Widerspruchs am 17.3.2008 abgelaufen, weil der Klägerin die Fortsetzung des Gebrauchs der Mietsache durch die Beklagte ab 1.3.2008 sogleich bekannt gewesen sei. Die erst am 19.3.2008 zugestellte Räumungsklage stelle deshalb keinen rechtzeitigen Widerspruch dar. Jedoch sei der schon im Kündigungsschreiben vom 23.5.2007 erklärte Widerspruch ausreichend. Nach allgemeiner Ansicht könne der Widerspruch des Vermieters schon vor Mietende erklärt werden, soweit ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Widerspruchserklärung und der Vertragsbeendigung bestehe. Hiervon sei vorliegend auszugehen, weil nach den Gesamtumständen für die Beklagte eindeutig sei, dass der gleichzeitig mit der Eigenbedarfskündigung ausgesprochene Widerspruch auch nach Ablauf der Kündigungsfrist und Eintritt der Vertragsbeendigung dem Willen der Klägerin entspreche.
III.
Rz. 6
1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 ZPO). Danach sind die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, weil die Klägerin voraussichtlich obsiegt hätte. Der Klägerin stand der von ihr geltend gemachte Räumungsanspruch zu (§ 546 Abs. 1 BGB), weil das Mietverhältnis durch ihre berechtigte Eigenbedarfskündigung beendet worden ist. Die im Revisionsverfahren allein streitige Frage, ob der von der Klägerin bereits im Kündigungsschreiben erklärte Widerspruch einer Fortsetzung des Mietverhältnisses nach § 545 BGB entgegenstand, ist mit dem Berufungsgericht zu bejahen.
Rz. 7
2. Nach § 545 Satz 1 BGB tritt eine Verlängerung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ein, wenn der Mieter den Gebrauch der Mietsache nach Ablauf der Mietzeit fortsetzt und keine der Parteien ihren entgegenstehenden Willen binnen zwei Wochen dem anderen Teil erklärt. Für den Vermieter beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, in dem er von der Fortsetzung Kenntnis erlangt (§ 545 Satz 2 Nr. 2 BGB). Dies war nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hier der 1.3.2008. Der in der Klageerhebung liegende Widerspruch war deshalb nicht fristgemäß, weil die Klage erst am 19.3.2008 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat der Fortsetzung des Mietvertrages jedoch bereits mit Schreiben vom 23.5.2007 widersprochen und damit eine Vertragsfortsetzung wirksam ausgeschlossen.
Rz. 8
a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Widerspruch grundsätzlich auch schon vor dem Beginn der zweiwöchigen Widerspruchsfrist erhoben werden (BGH, Urt. v. 8.1.1969 - VIII ZR 184/66, WM 1969, 298, unter 3b; BGH v. 9.4.1986 - VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020, unter [II] 3; BGH, Urt. v. 16.9.1987 - VIII ZR 156/86, NJW-RR 1988, 76, unter 2c bb, sowie v. 7.1.2004 - VIII ZR 103/03, NJW-RR 2004, 558, unter II 1b cc; jeweils zu § 568 BGB a.F.). Dies entspricht auch der wohl einhelligen Meinung in der Literatur (Staudinger/Emmerich, BGB (2006), § 545 Rz. 14; MünchKomm/BGB/Bieber, 5. Aufl., § 545 Rz. 16; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 545 BGB Rz. 25; Erman/Jendrek, BGB, 12. Aufl., § 545 Rz. 7; Ehlert in Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl., § 545 Rz. 7; Schach in: Kinne/Schach/Bieber, Miet- und Mietprozessrecht, 5. Aufl., § 545 Rz. 2; Lammel, Wohnraummietrecht, 3. Aufl., § 545 Rz. 33).
Rz. 9
b) Unterschiedliche Meinungen werden hingegen zu der Frage vertreten, inwiefern ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Widerspruch und dem Vertragsende erforderlich ist, insb., wenn der Widerspruch zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärt wird, also zwischen dem Widerspruch und der Vertragsbeendigung mehrere Monate liegen oder - wie hier wegen der infolge des langjährigen Mietverhältnisses verlängerten Kündigungsfrist - sogar ein Zeitraum von neun Monaten.
Rz. 10
In seinem Beschluss vom 9.4.1986 (a.a.O.) hat der Senat (allgemein) einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Widerspruch und Vertragsende für erforderlich gehalten. Der zugrunde liegende Sachverhalt betraf allerdings nicht einen zusammen mit einer Kündigung erklärten ausdrücklichen Widerspruch, sondern die Frage, ob die mehr als ein Jahr vor Vertragsende erfolgte Erklärung eines Pächters, an der Ausübung der Verlängerungsoption nicht interessiert zu sein, als wirksamer Widerspruch anzusehen war. Im Anschluss an diese Senatsentscheidung hat sich die Rechtsprechung der Instanzgerichte zur Wirksamkeit eines zusammen mit einer ordentlichen Kündigung erklärten Widerspruchs unterschiedlich entwickelt. Teilweise wird ein solcher Widerspruch mangels des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs allgemein (OLG Hamm OLGReport Hamm 1993, 221; LG Kassel WuM 1989, 518; vgl. auch Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 545 Rz. 21) oder jedenfalls bei längeren Kündigungsfristen (LG Ansbach NJW-RR 1996, 1479, 1480; AG Schöneberg MM 1992, 174; vgl. auch Sternel, Mietrecht Aktuell, 4. Aufl., Rz. X 182) als unbeachtlich angesehen. Von anderen Instanzgerichten wird der gleichzeitig mit der ordentlichen Kündigung erklärte Widerspruch hingegen generell als wirksam angesehen (OLG Düsseldorf, ZMR 2002, 589, 591 f.; OLG Köln, WuM 2003, 465, 466; LG Bonn WuM 1992, 617).
Rz. 11
c) Der Senat entscheidet nunmehr, dass es eines zeitlichen Zusammenhangs jedenfalls dann nicht bedarf, wenn der Widerspruch zusammen mit der Kündigung erklärt wird. Soweit sich aus dem Senatsbeschluss vom 9.4.1986 etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest. Im Rahmen des § 545 BGB kommt es, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, entscheidend darauf an, ob nach den Gesamtumständen für den Mieter aus der früheren Erklärung seines Vermieters dessen eindeutiger Wille erkennbar wird, das Mietverhältnis nach dem Ablauf der Mietzeit nicht fortsetzen zu wollen. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Vermieter - wie hier die Klägerin - bereits im Kündigungsschreiben, das zur Beendigung des Mietverhältnisses führt, einer Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Beendigungszeitpunkt hinaus ausdrücklich widerspricht. Ein solcher Widerspruch, der sich auf eine konkrete Beendigung des Mietverhältnisses bezieht, lässt keinen Zweifel daran, dass der Vermieter die Rechtsfolgen des § 545 BGB ausschließen will.
Fundstellen
Haufe-Index 2347373 |
BB 2010, 1456 |
NJW 2010, 2124 |
NJW 2010, 8 |
EBE/BGH 2010, 204 |
JR 2011, 484 |
JurBüro 2010, 557 |
NZM 2010, 510 |
ZAP 2010, 687 |
ZMR 2010, 671 |
MDR 2010, 856 |
WuM 2010, 418 |
Info M 2010, 218 |
MietRB 2010, 222 |
MietRB 2010, 6 |
NJW-Spezial 2010, 451 |