Verfahrensgang
LG Stralsund (Beschluss vom 15.02.2008; Aktenzeichen 2 T 252/07) |
AG Stralsund (Entscheidung vom 18.06.2007; Aktenzeichen 12 IK 158/07) |
Tenor
Der Antrag der Schuldnerin auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 15. Februar 2008 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 300 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Die Schuldnerin beantragte am 2. Mai 2007 die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens über ihr Vermögen mit Restschuldbefreiung und Kostenstundung. Dabei bediente sie sich der amtlichen Vordrucke. Mit Verfügung vom 4. Mai 2007 forderte das Insolvenzgericht – soweit im Verfahren der Rechtsbeschwerde noch von Interesse – die Schuldnerin auf, innerhalb eines Monats bezüglich der angegebenen Verbindlichkeiten jeweils mitzuteilen, wann sie entstanden sind und die Kontoauszüge ab dem 1. September 2006 zur Einsichtnahme zu überreichen. Geschehe dies nicht, gelte der Eröffnungsantrag kraft Gesetzes als zurückgenommen. Die Schuldnerin teilte hierauf dem Insolvenzgericht mit, dass sie die Daten nicht angeben und die Kontoauszüge nicht vorlegen werde.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 18. Juni 2007 teilte das Insolvenzgericht der Schuldnerin mit, dass der Eröffnungsantrag als zurückgenommen gelte, weil sie die entsprechenden Daten hinsichtlich der Entstehung der Forderungen nicht angegeben habe und die Kontoauszüge nicht eingereicht worden wären. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Landgericht als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Schuldnerin mit der Rechtsbeschwerde, für die sie Prozesskostenhilfe beantragt.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist nach § 7 InsO nicht statthaft und deshalb nach § 577 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 4 InsO als unzulässig zu verwerfen, weil bereits die sofortige (erste) Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO nicht eröffnet ist (vgl. BGHZ 144, 78, 82; 158, 212, 214; BGH, Beschl. v. 25. Juni 2009 – IX ZB 161/08, WM 2009, 1582, 1583 Rn. 5 m.w.N.).
Rz. 4
1. Nach § 6 Abs. 1 InsO unterliegen Entscheidungen des Insolvenzgerichts nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Wird die Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelehnt, so steht dem Antragsteller nach § 34 Abs. 1 Fall 1 InsO die sofortige Beschwerde zu. Diese Bestimmung gilt aufgrund der Verweisung in § 304 Abs. 1 Satz 1 InsO auch im Verbraucherinsolvenzverfahren. Demgegenüber sieht die Insolvenzordnung weder gegen die Aufforderung des Insolvenzgerichts nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO noch hinsichtlich der kraft Gesetzes gemäß § 305 Abs. 3 Satz 2 InsO eingetretenen Rücknahmewirkung oder gegen den Eintritt dieser Wirkung feststellende Mitteilungen oder Beschlüsse des Insolvenzgerichts ein Rechtsmittel vor. Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist deshalb hiergegen eine sofortige Beschwerde grundsätzlich nicht gegeben, was zwingend die Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde nach sich zieht (vgl. BGH, Beschl. v. 16. Oktober 2003 – IX ZB 599/02, ZInsO 2003, 1040 f; v. 7. April 2005 – IX ZB 129/03, ZInsO 2005, 537 f; v. 7. April 2005 – IX ZB 195/03, WM 2005, 1131 f).
Rz. 5
In den genannten Entscheidungen hat der Senat allerdings offen gelassen, ob § 34 Abs. 1 InsO entsprechend anzuwenden ist, wenn die gerichtliche Aufforderung nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO, Erklärungen oder Unterlagen zu ergänzen, nicht erfüllbar ist, oder vom Insolvenzgericht Anforderungen gestellt werden, die mit der Regelung des § 305 Abs. 1 InsO nicht in Einklang stehen. Werden mit der gerichtlichen Aufforderung mehrere Punkte beanstandet, ist die Beschwerde nicht eröffnet, wenn die Schuldnerin erfüllbare Anforderungen innerhalb der Frist teilweise nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschl. v. 7. April 2005 – IX ZB 63/03, WM 2005, 1246, 1247; HK-InsO/Kirchhof, 5. Aufl. § 34 Rn. 7). Dies gilt jedenfalls dann, wenn das, was von der Schuldnerin vergeblich verlangt wird, nicht dem Willkürverbot unterfällt.
Rz. 6
2. So liegt der Fall hier. Mit der Aufforderung des Insolvenzgerichts, bezüglich der angegebenen Verbindlichkeiten jeweils mitzuteilen, wann sie entstanden sind, wird der Schuldnerin, ohne gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) zu verstoßen, eine erfüllbare Verpflichtung auferlegt, welcher sie nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen ist.
Rz. 7
a) Dass der Schuldnerin die Mitteilung der aufgegebenen Daten aus besonderen, in ihrer Sphäre liegenden Gründen nicht möglich war, macht sie nicht geltend. Sie hat die Nichtvorlage allein damit gerechtfertigt, dass sie hierzu rechtlich nicht verpflichtet sei. Dies führt nicht zur Rechtsmittelfähigkeit der durch die Nichtvorlage ausgelösten Rücknahmefiktion.
Rz. 8
aa) Nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO hat das Insolvenzgericht bereits im Verfahrensabschnitt der gerichtlichen Schuldenbereinigung (§§ 305 ff InsO) von Amts wegen zu prüfen, ob die Schuldnerin die in § 305 Abs. 1 InsO genannten Erklärungen und Unterlagen vollständig abgegeben und eingereicht hat. Diese Prüfungspunkte dienen neben der Verfahrensökonomie auch dem Schutz der Schuldnerin. Ihre Aussichten, zu einer gerichtlich vermittelten einvernehmlichen Schuldenbereinigung oder notfalls zu einer Restschuldbefreiung zu gelangen, sollen nicht durch das Fehlen oder die Unvollständigkeit notwendiger Angaben oder Unterlagen von vornherein zunichte gemacht werden. Die Bestimmung der Grenzen der Prüfungskompetenz obliegt dem Insolvenzgericht grundsätzlich abschließend. Allgemein gültige Regeln lassen sich insoweit auch nur aufstellen, als dass sich das Gericht in dieser Phase des Verfahrens auf eine Prüfung der Vollständigkeit der Erklärungen und eingereichten Unterlagen zu beschränken hat. Eine inhaltliche Prüfung hat das Gericht dagegen grundsätzlich nicht vorzunehmen (vgl. HK-InsO/Landfermann, aaO § 305 Rn. 53; Ott/Vuia in MünchKomm-InsO, aaO § 305 Rn. 80; HambKomm-InsO/Streck, 3. Aufl. § 305 Rn. 28; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl. § 305 Rn. 141; zu Fällen missbräuchlicher Überdehnung von Ermittlungsmaßnahmen vgl. Pape ZInsO 2003, 61 ff).
Rz. 9
bb) Nicht jede Überschreitung der Prüfungskompetenz nach § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO hat zur Folge, dass die an die Nichterfüllung der Auflage anknüpfende Rücknahmefiktion im Instanzenzug nachgeprüft werden kann.
Rz. 10
Die in der Entscheidung vom 16. Oktober 2003 (IX ZB 599/02, aaO) noch offen gelassene Frage, ob die Rücknahmefiktion rechtsmittelfähig ist, wenn die Verfügung des Insolvenzgerichts mit der Regelung des § 305 Abs. 3 InsO nicht in Einklang steht, ohne unerfüllbare Anforderungen zu stellen oder gegen das Willkürverbot zu verstoßen, ist zu verneinen. Wäre jede Überdehnung der Vorschrift wie eine abgelehnte Verfahrenseröffnung entsprechend § 34 Abs. 1 InsO der Anfechtung unterworfen, liefe dies auf eine Korrektur des Gesetzes hinaus, das in diesem Bereich im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung den Rechtsmittelzug nicht eröffnen will (vgl. BT-Drucks. 12/7302 S. 191 zu Nr. 196; a.A. FK-InsO/Grote, 5. Aufl. § 305 Rn. 50b; ähnlich Pape in Kübler/Prütting/Bork, InsO § 34 Rn. 55 f). Die Grenze zwischen der durch § 305 Abs. 3 Satz 1 InsO gedeckten Vervollständigung zu einer geforderten oder jedenfalls anheim gegebenen Berichtigung ist zudem fließend. In der Literatur wird folgerichtig gefordert, die offensichtliche Unzulänglichkeit einer Unterlage der Unvollständigkeit gleichzustellen (vgl. Uhlenbruck/Vallender, aaO § 305 Rn. 141).
Rz. 11
b) Die Aufforderung bezüglich der angegebenen Verbindlichkeiten jeweils mitzuteilen, wann sie entstanden sind, kann ein geeignetes Mittel sein die Vollständigkeit der nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorzulegenden Verzeichnisse und Übersichten zu überprüfen. Hierzu kann das Insolvenzgericht insbesondere Veranlassung haben, wenn die Angaben der Schuldnerin unvollständig erscheinen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann nicht gesagt werden, dass die Anforderung der in Rede stehenden Daten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BGHZ 154, 288, 299 f; 171, 326, 332 f Rn. 17). Aus der Pflicht des Insolvenzgerichts, auf die Vervollständigung lückenhafter Verzeichnisse und Zusammenfassungen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO hinzuwirken, folgt zugleich, dass im Rahmen der Amtsprüfung im Einzelfall auch ergänzende Angaben gefordert werden dürfen, die in der Vorschrift nicht ausdrücklich genannt sind. Dass die Vorschrift die Entstehungsdaten der Verbindlichkeiten unerwähnt lässt, begründet daher ebenfalls keinen Willkürverstoß.
Fundstellen