Leitsatz (amtlich)
a) Hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die allein für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Verfahrensstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diesen Teil des Verfahrensstoffs beschränkt ist (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 27.2.2019 - XII ZB 183/16 FamRZ 2019, 785).
b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen eine Beschwerdeentscheidung zum Versorgungsausgleich kann wirksam auf die Teilung eines oder mehrerer Versorgungsanrechte beschränkt werden, wenn nicht besondere Gründe die Einbeziehung sonstiger Anrechte zwingend erfordern (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - XII ZB 629/13 FamRZ 2016, 794).
Normenkette
FamFG § 70 Abs. 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um den Versorgungsausgleich.
Rz. 2
Die am 18.9.2004 geschlossene Ehe der 1974 geborenen Antragstellerin und des 1970 geborenen Antragsgegners ist auf den am 31.12.2015 zugestellten Antrag durch Beschluss des AG vom 10.5.2017 geschieden worden. In der gesetzlichen Ehezeit vom 1.9.2004 bis zum 30.11.2015 haben beide Eheleute Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, aus denen sie am Ende der Ehezeit Renten wegen voller Erwerbsminderung bezogen. Die Antragstellerin stand am Ende der Ehezeit darüber hinaus in Bezug von zwei privaten Berufsunfähigkeitsrenten, die ihr nach einem während der Ehe eingetretenen Versicherungsfall von der A. Lebensversicherung (Beteiligte zu 1) gezahlt werden. Der Antragsgegner hat in der Ehezeit zudem ein betriebliches Anrecht in Form einer Direktversicherung beim D. Lebensversicherungsverein (Beteiligter zu 4) erlangt.
Rz. 3
Das AG hat den Versorgungsausgleich im Scheidungsverbund geregelt und die gesetzlichen Rentenanrechte der Eheleute intern geteilt. Darüber hinaus hat es die Antragstellerin dazu verpflichtet, zum Ausgleich ihrer privaten Invaliditätsversorgung bei der A. Lebensversicherung monatliche Ausgleichsrenten i.H.v. 429,90 EUR und 446,43 EUR an den Antragsgegner zu zahlen. Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, dass ein Ausgleich ihrer privaten Invaliditätsversorgungen gem. § 27 VersAusglG wegen grober Unbilligkeit unterbleibt.
Rz. 4
Das OLG hat die angefochtene Entscheidung teilweise abgeändert. Es hat den Ausgleichswert für das gesetzliche Rentenanrecht des Antragsgegners geringfügig erhöht und das von dem AG übersehene betriebliche Anrecht des Antragsgegners im Wege interner Teilung mit einem Ausgleichswert von 11.484,48 EUR und verschiedenen Modifikationen zur Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins in den Wertausgleich einbezogen. Demgegenüber hat es das OLG abgelehnt, aus Härtegründen vom Ausgleich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen der Antragstellerin abzusehen und ihre Beschwerde insoweit zurückgewiesen. Die Antragstellerin bittet um Gewährung von Verfahrenskostenhilfe für die zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Rz. 5
Der Antragstellerin ist die beantragte Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu versagen.
Rz. 6
1. Soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass das Beschwerdegericht nicht durch Anwendung der Härteklausel des § 27 VersAusglG vom Ausgleich der beiden privaten Berufsunfähigkeitsversicherungen bei der A. Lebensversicherung abgesehen hat, bietet die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung schon mangels Zulässigkeit ihres Rechtsmittels keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 76 FamFG i.V.m. § 114 ZPO).
Rz. 7
Insoweit ist ihre Rechtsbeschwerde unstatthaft, weil es an der nach § 70 Abs. 1 FamFG erforderlichen Zulassung durch das Beschwerdegericht fehlt. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist durch das Beschwerdegericht wirksam auf den Ausspruch zum Ausgleich des von dem Antragsgegner erworbenen betrieblichen Anrechts bei dem D. Lebensversicherungsverein beschränkt worden.
Rz. 8
a) Eine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde muss nicht in der Beschlussformel angeordnet sein, sondern kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, wenn sie sich diesen mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen lässt. Hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde wegen einer Rechtsfrage zugelassen, die allein für einen eindeutig abgrenzbaren Teil des Verfahrensstoffs von Bedeutung ist, kann die gebotene Auslegung der Entscheidungsgründe ergeben, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diesen Teil des Verfahrensstoffs beschränkt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 27.2.2019 - XII ZB 183/16 FamRZ 2019, 785 Rz. 12 m.w.N.). So liegt der Fall auch hier. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde in den Entscheidungsgründen "im Hinblick auf die weiterhin ausstehende höchstrichterliche Klärung der Frage zugelassen, welche Rechnungsgrundlagen dem im Wege einer internen Teilung zu begründenden Anrecht des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu Grunde zu legen" seien. Damit hat das Beschwerdegericht zum Ausdruck gebracht, dass es eine die Zulassung der Rechtsbeschwerde gebietende Grundsatzbedeutung (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) der Sache nur wegen solcher Rechtsfragen erblickte, die sich im Zusammenhang mit der Überprüfung der Teilungsordnung des D. Lebensversicherungsvereins am Maßstab gleichwertiger Teilhabe nach § 11 Abs. 1 VersAusglG gestellt haben.
Rz. 9
b) Die Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auf das betriebliche Anrecht des Antragsgegners bei dem D. Lebensversicherungsverein ist auch wirksam.
Rz. 10
aa) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des gesamten Verfahrensstoffs beschränkt werden, der Gegenstand einer Teil- oder Zwischenentscheidung sein oder auf den der Rechtsbeschwerdeführer selbst sein Rechtsmittel beschränken könnte. Weil nach neuem Versorgungsausgleichsrecht alle Versorgungsanrechte grundsätzlich unabhängig voneinander auszugleichen sind, wird in den meisten Fällen eine auf einzelne Anrechte beschränkte Teilanfechtung der Versorgungsausgleichsentscheidung und dementsprechend auch eine auf einzelne Anrechte beschränkte Teilzulassung einer Rechtsbeschwerde möglich sein.
Rz. 11
bb) Für eine auf einzelne Anrechte beschränkte Teilanfechtung der Versorgungsausgleichsentscheidung und dementsprechend auch für eine Teilzulassung der Rechtsbeschwerde ist allerdings dann kein Raum, wenn und soweit besondere Gründe die Einbeziehung sonstiger Anrechte in die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts zwingend gebieten (vgl. BGH v. 13.4.2016 - XII ZB 44/14 FamRZ 2016, 1062 Rz. 15; v. 3.2.2016 - XII ZB 629/13 FamRZ 2016, 794 Rz. 7). Von einer solchen - die Teilanfechtung und Teilzulassung ausschließenden - notwendigen wechselseitigen Abhängigkeit der im Versorgungsausgleich einzubeziehenden Versorgungsanrechte kann insb. dann ausgegangen werden, wenn bei einer Härtefallprüfung nach § 27 VersAusglG eine Gesamtwürdigung vorzunehmen ist (vgl. BGH, Beschl. v. 3.2.2016 - XII ZB 629/13 FamRZ 2016, 794 Rz. 7).
Rz. 12
(1) Gemessen daran hat das Beschwerdegericht zwar zutreffend angenommen, dass die Erstbeschwerde der Antragstellerin nicht wirksam auf deren Anrechte der privaten Invaliditätsversorgung bei der A. Lebensversicherung beschränkt werden konnte, obwohl ihr Begehren in der Beschwerdeinstanz ausdrücklich nur darauf gerichtet war, einen Ausgleich dieser beiden Anrechte zugunsten des Antragsgegners wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG auszuschließen. Denn zur Beurteilung der Frage, ob ein Ausgleich der von der Antragstellerin erworbenen Anrechte der privaten Invaliditätsversorgung gem. § 27 VersAusglG zu unterbleiben hatte, war eine Gesamtwürdigung anzustellen, in die auch die Versorgungssituation der Antragstellerin einzubeziehen war. Im Rahmen der Billigkeitserwägung nach § 27 VersAusglG konnte es deshalb auch darauf ankommen, ob und ggf. in welchem Umfang die Antragstellerin im Versorgungsausgleich an den von dem Antragsgegner erworbenen Gegenanrechten teilhaben konnte. Mit Recht hat das Beschwerdegericht daher angenommen, dass ihm im Beschwerdeverfahren auch der Wertausgleich hinsichtlich der von dem Antragsgegner erworbenen Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung und der - vom AG übersehenen - betrieblichen Direktversicherung angefallen war und die Entscheidung des AG insoweit zugunsten der Antragstellerin abgeändert werden konnte.
Rz. 13
(2) Diese Erwägungen zur wechselseitigen Abhängigkeit lassen sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde aber nicht spiegelbildlich auf die verfahrensrechtliche Situation übertragen, die nunmehr im Rechtsbeschwerdeverfahren zu beurteilen ist. Eine Billigkeitskorrektur auf der Grundlage der Härteklausel des § 27 VersAusglG kann in Bezug auf das einzelne Versorgungsanrecht niemals dazu führen, dem Ausgleichsberechtigten eine über die Halbteilung hinausgehende, erhöhte Teilhabe am ehezeitlich erworbenen Anrecht des Ausgleichspflichtigen zu gewähren (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.2013 - XII ZB 633/11 FamRZ 2013, 1362 Rz. 10). Eine Abänderung der Beschwerdeentscheidung zu Lasten der Antragstellerin kommt im Hinblick auf das für die beteiligten Ehegatten geltende Verschlechterungsverbot für Rechtsmittelführer im Versorgungsausgleichsverfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 11.9.2019 - XII ZB 627/15 FamRZ 2019, 1993 Rz. 34 m.w.N.) von vornherein nicht in Betracht. Für die Entscheidung über die Teilhabe der Antragstellerin an dem betrieblichen Gegenanrecht des Antragsgegners bedarf es deshalb unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse, die nach Vorstellung der Antragstellerin eine Anwendung der Härteklausel des § 27 VersAusglG zu ihren Gunsten rechtfertigen sollen. Unter den hier obwaltenden Umständen kann dieses Anrecht somit Gegenstand einer wirksamen Teilanfechtung oder einer wirksamen Teilzulassung sein.
Rz. 14
2. Auch soweit die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin die Entscheidung des Beschwerdegerichts zur internen Teilung des von dem Antragsgegner erworbenen betrieblichen Anrechts bei dem D. Lebensversicherungsverein beanstandet und der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels insoweit keine Bedenken entgegenstehen, kommt eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht in Betracht, weil die Antragstellerin nicht die wirtschaftlichen Voraussetzungen dafür erfüllt (§ 76 FamFG i.V.m. § 115 ZPO).
Rz. 15
Weil nur ein einzelnes Anrecht - das betriebliche Anrecht des Antragsgegners - Gegenstand einer zulässigen Rechtsbeschwerde sein kann, könnte der Antragstellerin insoweit auch beim Vorliegen hinreichender Erfolgsaussichten in der Sache Verfahrenskostenhilfe nur zu einem eingeschränkten Gegenstandswert von 1.026 EUR (entspricht 10 % des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten, § 50 Abs. 1 Satz 1 FamGKG) bewilligt werden. Bei diesem Gegenstandswert ist voraussichtlich mit gerichtlichen Kosten von 284 EUR (4,0 Gerichtsgebühren FamGKG-KV Nr. 1130) und mit außergerichtlichen Kosten von 338,56 EUR (2,3 Anwaltsgebühren VV-RVG Nr. 3206, 3208, Auslagenpauschale VV-RVG Nr. 7002 und Mehrwertsteuer) zu rechnen. Nach den vorliegenden Angaben in ihrer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin mit angenommenen Monatsraten von mindestens 298 EUR zu den Verfahrenskosten beitragen müsste. Die zu erwartenden Verfahrenskosten für den möglicherweise erfolgversprechenden Teil der Rechtsverfolgung von insgesamt 622,56 EUR wären deshalb i.S.v. § 115 Abs. 4 ZPO mit vier Monatsraten abgedeckt, so dass Verfahrenskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 14241324 |
NJW 2021, 166 |
BetrAV 2020, 765 |
JZ 2021, 15 |
MDR 2021, 187 |
FF 2021, 40 |
FamRB 2021, 9 |
FamRB 2021, 96 |