Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtmäßigkeit der Anordung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Fall eines einem Rechtsanwalt drohenden Widerrufs seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Zwangsvollstreckung. Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltsschaft. Vernichtung der beruflichen Existenz. Schuldnerverzeichnis. Ratenzahlung. Restforderung. Anspruch auf rechtliches Gehör
Leitsatz (redaktionell)
Die Anordnung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Fall eines einen Rechtsanwalt drohenden Widerrufs seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist rechtmäßig.
Normenkette
ZPO § 900 Abs. 4, §§ 765a, 775 Nr. 4; BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Gießen (Beschluss vom 23.07.2009; Aktenzeichen 7 T 263/09) |
AG Gießen (Entscheidung vom 02.07.2009; Aktenzeichen 41 M 10167/09) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Gießen – 7. Zivilkammer – vom 23. Juli 2009 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.500 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Rz. 1
I.
Die Gläubiger betreiben gegen den als Rechtsanwalt tätigen Schuldner aus einer notariellen Urkunde vom 12. März 2001 die Zwangsvollstreckung. Nach entsprechender Vereinbarung mit den Gläubigern zahlte der Schuldner ab August 2008 Teile der Forderung in Raten, wobei er bereits mit den Raten für die Monate September und Oktober 2008 in Rückstand geriet. Ab Oktober 2008 leistete er keine Ratenzahlungen mehr.
Rz. 2
Am 31. Oktober 2008 erteilten die Gläubiger dem Gerichtsvollzieher bei einem Forderungsstand von 12.837,56 EUR Zwangsvollstreckungsauftrag verbunden mit dem Antrag auf Abnahme der eidesstattlichen Versicherung. Nachdem der Gerichtsvollzieher den Schuldner weder am 12. noch am 20. November 2008 in seiner Wohnung angetroffen hatte, blieb auch der gemäß § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO fristgemäß angekündigte weitere Vollstreckungsversuch am 9. Dezember 2008 erfolglos.
Rz. 3
Der Gerichtsvollzieher hat daraufhin Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung auf den 23. Januar 2009 bestimmt. In diesem Termin hat der Schuldner gemäß § 900 Abs. 4 i.V. mit § 765a ZPO Widerspruch gegen die Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erhoben und zugleich Terminsaufhebung beantragt. Zur Begründung hat er geltend gemacht, es fehle das Rechtsschutzbedürfnis, nachdem er knapp die Hälfte der Forderung beglichen habe und gesamtschuldnerische Haftung mit einem weiteren Schuldner bestehe. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle für ihn eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar. Er müsse im Falle der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung mit einem Widerruf seiner Zulassung als Rechtsanwalt rechnen.
Rz. 4
Das Vollstreckungsgericht hat den Widerspruch des Schuldners zurückgewiesen. Seine dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Rz. 5
Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Schuldner seinen Widerspruch und seinen Antrag auf Terminsaufhebung weiter. Die Gläubiger beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Rz. 6
II.
Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
Rz. 7
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stelle für den Schuldner keine mit den guten Sitten unvereinbare Härte i.S. von § 765a Abs. 1 Satz 1 ZPO dar. Bei § 765a Abs. 1 ZPO handele es sich um eine eng auszulegende Ausnahmeregelung, die nur in ganz besonders gelagerten Fällen zur Anwendung komme. Die für die Beurteilung des Falls maßgeblichen Umstände müssten eindeutig sein und derart stark zugunsten des Schuldners sprechen, dass für Zweifel kein Raum bleibe. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.
Rz. 8
Der Schuldner könne seinen Widerspruch nicht mit Erfolg auf den drohenden Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft stützen. Ein Widerruf träfe den Schuldner zwar besonders hart, weil er dessen gegenwärtige berufliche Existenz vernichtete. Hierin liege aber kein Einzelfall, in dem die Gesetzesanwendung zu einem untragbaren Ergebnis i.S. von § 765a Abs. 1 ZPO führte. Das Gesetz sehe diese Rechtsfolge in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ganz allgemein für den Fall vor, dass es gemäß § 915 ZPO zur Eintragung eines Rechtsanwalts in das Schuldnerverzeichnis komme. Die Erklärung des Schuldners, zu weiteren Ratenzahlungen bereit zu sein, rechtfertige ebenfalls nicht die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 765a Abs. 1 ZPO, da er seine Zahlungen seit Oktober 2008 ohne Angabe von Gründen eingestellt habe, obwohl die Restforderung noch mehr als 12.847,20 EUR betrage. Ebenso wenig könne der Widerspruch erfolgreich darauf gestützt werden, dass die Zwangsvollstreckung wegen der von der Gläubigerin bewilligten Ratenzahlung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO eingestellt worden sei, da ein Einstellungsbeschluss im Sinne dieser Vorschrift bislang nicht ergangen sei. Die Gläubigerin müsse schließlich auch keine – wie vom Schuldner angeboten – außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens abgegebene Vermögensaufstellung akzeptieren.
Rz. 9
2. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg.
Rz. 10
a) Der Schuldner, der auch im Rechtsbeschwerdeverfahren I ZB 36/09 Beschwerdeführer war, hat im vorliegenden Verfahren weithin dieselben Rügen erhoben wie die, mit denen er im Verfahren I ZB 36/09 keinen Erfolg gehabt hat. Insoweit kann daher auf die Textziffern 11 bis 19 des vom Senat dort am 10. Dezember 2009 erlassenen Beschlusses Bezug genommen werden (NJW 2010, 1002).
Rz. 11
b) Die Rechtsbeschwerde rügt des Weiteren vergeblich, das Beschwerdegericht sei bei seiner Entscheidung unter Verletzung des Anspruchs des Schuldners auf rechtliches Gehör zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Gläubiger die Zwangsvollstreckung auch aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mühlhausen vom 16. Mai 2002 über 1.644,65 EUR betrieben hätten. Tatsächlich hatten die Gläubiger in die Forderungsaufstellung, die sie ihrem Antrag auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 31. Oktober 2008 beifügten, die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten mit aufgenommen. Der Umstand, dass sie den Kostenfestsetzungsbeschluss selbst dem Vollstreckungsgericht auf dessen Anforderung hin erst am 11. März 2009 vorgelegt haben, war insoweit unerheblich. Außerdem war der in dem Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Betrag durch die vom Schuldner geleisteten Ratenzahlungen bereits seit längerem getilgt (vgl. § 367 Abs. 1 Fall 1 BGB). Das Beschwerdegericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass die Forderungssumme im Zeitpunkt der Antragstellung am 31. Oktober 2008 noch 12.837,56 EUR betragen hatte.
Rz. 12
III.
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners ist danach unbegründet und deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Fundstellen