Tenor
Auf die Revision des Klägers zu 2 wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob die Beklagten Kosten aus einem Grundstückserschließungs- und Bauprojekt in E. bei B. zu übernehmen haben, dessen gemeinsame Durchführung die Parteien planten.
G. H. (Kläger zu 1; am weiteren Rechtsmittelverfahren nicht mehr beteiligt) und R. D. M. (Kläger zu 2) kauften am 14. Oktober 1992 mit notariellem Vertrag als Gesellschafter einer am selben Tag gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts mehrere Grundstücke in E., Kreis B., für rund 14,8 Mio. DM, um sie zu bebauen. Sie wurden durch Auflassungsvormerkungen gesichert, haben aber bisher kein Eigentum an den Grundstücken erworben. Am 17. September 1993 trat die Beklagte zu 1 „in die bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit aufschiebender Bedingung der Zustimmung der Geschäftsleitung … mittels einer noch abzuschließenden Vereinbarung” ein. Sie sollte mit 90 % am Vermögen sowie am Gewinn und Verlust beteiligt werden. Die „Neugesellschaft” sollte „alle bisher angefallenen Kosten der Gesellschaft” übernehmen und damit „den von den Altgesellschaftern privat getragenen Aufwand durch Aufnahme von Darlehen” ausgleichen. Die Alt- und Neugesellschafter unterwarfen sich nach dem Neueintritt der Beklagten zu 1 „einem neuen Gesellschaftsvertrag gemäß Anlage 3”; in dieser Anlage ist der Beklagte zu 2 nicht als „Neugesellschafter” aufgeführt.
Am 10. März 1994 schlossen „R. D. M. und G. H. in Gesellschaft bürgerlichen Rechts” (im folgenden: „M. und H.”), die Beklagte zu 1 und der Beklagte zu 2 einen Gesellschaftsvertrag „GbR W.”, der die Planung und „die Bebauung der Grundstücke, die Übernahme der technischen und kaufmännischen Baubetreuung, die Vermietung und die Vermarktung der bebauten oder unbebauten Grundstücke oder von Teilen derselben” vorsah und die Tätigkeitsbereiche der Gesellschafter näher regelte. Die Beklagte zu 1 erhielt einen Anteil von 60 %, der Beklagte zu 2 einen solchen von 30 % und die am Vertragsabschluß beteiligte Gesellschaft bürgerlichen Rechts „M. und H.” den Restanteil von 10 %. Mit Schreiben vom 21. April 1994 wies die Beklagte zu 1 darauf hin, daß eine Genehmigung des Projekts durch ihren Vorstand nicht vorliege, und kündigte die Vereinbarung vorsorglich. Am 17. Mai 1994 berief sich auch der Beklagte zu 2 darauf, ein Vertrag sei nicht wirksam zustande gekommen, und kündigte ebenfalls vorsorglich.
Der Kläger zu 2 ist der Ansicht, die Beklagten seien der Gesellschaft wirksam beigetreten. Er nimmt sie wegen anteiliger Notarkosten sowie auf Freistellung von Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt Eb. wegen der Grunderwerbsteuer in Anspruch.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers zu 2 hat der Senat die Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil vom 2. Oktober 1997 (II ZR 249/96, WM 1997, 2220) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dieses hat die Berufung der Kläger wiederum zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers zu 2.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur nochmaligen Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, es sei eine Genehmigung des Vertrages durch den Gesamtvorstand der Beklagten zu 1 erforderlich gewesen, halten allerdings revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Es war bisher unstreitig, daß das Projekt von dem Vorstand der Beklagten zu 1 genehmigt werden mußte. Die Kläger haben dies durch die Vorlage des Schreibens vom 21. Februar 1994 ausdrücklich vorgetragen und in dem Schriftsatz vom 22. Mai 1995 bestätigt. Der Versuch der Revision, die Vereinbarung vom 17. September 1993 dahin auszulegen, daß nicht die Zustimmung des Gesamtvorstandes, sondern nur die der Geschäftsleitung des Bereiches HOG gemeint gewesen sei, widerspricht deshalb dem eigenen Vortrag der Kläger.
II. Das Berufungsurteil leidet jedoch an einem schweren Verfahrensmangel, soweit es feststellt, die Zustimmung des Gesamtvorstands sei nicht erteilt worden.
1. Bei der Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht ausdrücklich auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen abgestellt. Die Zeugen Z.-K., L., We., Ra., Dr. S. und Bu. seien glaubwürdig, die Zeugin Hr. und der Zeuge La. seien unglaubwürdig. Die Beweisaufnahme hat vor dem Richter am Oberlandesgericht Dr. Ri. als Einzelrichter stattgefunden. Dieser Richter hat an der Endentscheidung nicht mehr mitgewirkt. In den Vernehmungsprotokollen finden sich zur Glaubwürdigkeit der Zeugen keine Vermerke oder Hinweise.
2. Damit liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 355 ZPO) vor. Bei einem Kollegialgericht kann dieser Grundsatz nicht einmal dadurch gewahrt werden, daß ein Mitglied des Gerichts an einer Zeugenvernehmung teilnimmt und die übrigen zur Entscheidung berufenen Richter formlos über seine persönlichen Eindrücke unterrichtet. Soweit es um die Glaubwürdigkeit der Zeugen geht, muß das erkennende Gericht in seiner Spruchbesetzung einen persönlichen Eindruck von den Zeugen gewonnen haben oder auf eine aktenkundige und der Stellungnahme durch die Parteien zugängliche Beurteilung zurückgreifen können (BGH, Urt. v. 4. Februar 1997 – XI ZR 160/96, NJW 1997, 1586, 1587 m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist keines dieser beiden Erfordernisse erfüllt.
3. Dieser Fehler kann entgegen der Meinung der Revisionserwiderung des Beklagten zu 2 auch nicht mit dem Argument aus der Welt geschafft werden, das Berufungsgericht habe seine Entscheidung zusätzlich zu den Erwägungen zur persönlichen Glaubwürdigkeit auch auf den sachlichen Inhalt der Aussagen gestützt und diese Erwägungen seien für sich allein geeignet, die Entscheidung zu tragen. Da das Berufungsgericht zur Glaubwürdigkeit der Zeugen Stellung nimmt, ihr also erhebliche Bedeutung beimißt, stehen und fallen die Bekundungen der Zeugen mit ihrer Glaubwürdigkeit.
Der Verfahrensfehler kann auch nicht – wie die Revisionserwiderung der Beklagten zu 1 meint – mit der Erwägung ausgeräumt werden, das Berufungsgericht habe in Wahrheit nur zur Glaubhaftigkeit der Zeugenaussagen Ausführungen gemacht. Das Berufungsgericht hat eindeutig zur Glaubwürdigkeit der Zeugen Stellung genommen; es ging ihm nicht nur um die Glaubhaftigkeit der Aussagen, sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Zeugen. Jedenfalls läßt sich dies – da das Berufungsgericht wiederholt von „Glaubwürdigkeit” spricht und diese an einer Stelle ausdrücklich von der Glaubhaftigkeit unterscheidet – nicht ausschließen.
III. Aus dem Hinweis des Berufungsgerichts, eine Schlußentscheidung sei beabsichtigt, und dem Unterbleiben neuer Beweisanträge oder eines Widerspruchs gegen die Verwertung der durch den Einzelrichter durchgeführten Beweisaufnahme kann ein Rügeverzicht nicht abgeleitet werden.
IV. Damit das Berufungsgericht den Verfahrensfehler beseitigen und erforderlichenfalls weitere Feststellungen treffen kann, ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Fundstellen
Haufe-Index 664969 |
BGHR 2002, 391 |