Leitsatz (amtlich)
Ist ein Mietvertrag nicht in der für langfristige Mietverträge vorgeschriebenen Schriftform (§ 550 BGB = § 566 a. F. BGB) abgeschlossen worden, so ist eine darauf gestützte vorzeitige Kündigung nicht deshalb treuwidrig, weil der Mietvertrag zuvor jahrelang anstandslos durchgeführt worden ist.
Normenkette
BGB §§ 242, 550
Verfahrensgang
OLG Rostock (Urteil vom 27.05.2002) |
LG Rostock |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des OLG Rostock v. 27.5.2002 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger machen rückständige und künftige Mietzinsansprüche geltend. Sie sind Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie erwarben von der beklagten Stadt ein Wohn- und Geschäftshaus, das sich in einem abrissreifen Zustand befand. Mit einem Aufwand von ca. 900.000 DM bauten sie dieses Haus unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten um.
Mit schriftlichem Mietvertrag v. 19.11.1996 vermieteten sie einen in dem Erdgeschoss des Gebäudes gelegenen Empfangsraum und einen im Obergeschoss gelegenen, von dem Empfangsraum aus durch eine interne Treppe zu erreichenden Büroraum auf zehn Jahre fest an die "Kurverwaltung B.". Dabei handelt es sich um eine Einrichtung der beklagten Stadt ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Im Kopf des Mietvertrages sind die beiden Kläger aufgeführt, verbunden mit einem "&", ohne einen ausdrücklichen Zusatz, dass sie in einer GbR verbunden sind. Die monatliche Miete sollte 967,50 DM (zzgl. Nebenkosten) betragen. Unterschrieben ist der Mietvertrag auf Vermieterseite allein von dem Kläger zu 1 ohne Vertreterzusatz, auf Mieterseite von der damaligen Kurdirektorin H.
Die monatliche Miete wurde ab November 1996 regelmäßig bezahlt, zunächst von der Stadtverwaltung B., ab Januar 1999 von dem Amt B.
Am 3.12.1998 beschloss die Stadtvertretung B. die Auflösung des Eigenbetriebes "Kurverwaltung" zum 31.12.1998. Seit dem 1.1.1999 werden die gemieteten Räume nicht mehr genutzt.
Mit Schreiben v. 9.11.1999 kündigte das Amt B., vertreten durch den Amtsvorsteher, für die Stadt B. den Mietvertrag. In dem Kündigungsschreiben heißt es, der Mietvertrag sei nicht wirksam zu Stande gekommen, weil die Kurdirektorin H. keine Vertretungsmacht für die Stadt B. gehabt habe und weil er auf Vermieterseite nur von dem Kläger zu 1 unterschrieben worden sei. Ab November 1999 zahlte die Beklagte keine Miete mehr.
Die Kläger halten den Vertrag für wirksam und die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Sie haben - zum Teil auf zukünftige Leistung - Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, an sie die vereinbarte Miete (zzgl. Zinsen für die Mietrückstände) für die Zeit von November 1999 bis zum Jahre 2007 zu zahlen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten hin die erstinstanzliche Entscheidung teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen die Klage abgewiesen, soweit die Kläger für die Zeit ab 1.7.2000 Miete geltend machen. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Kläger, mit der sie ihren ursprünglichen Klageantrag, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist, weiterverfolgen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist auf Grund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthaft und auch sonst zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Mietvertrag sei wirksam zu Stande gekommen. Mieterin sei von vornherein die Stadt B. geworden, nicht die Kurverwaltung dieser Stadt, weil die Kurverwaltung lediglich eine Einrichtung der Stadt ohne eigene Rechtspersönlichkeit sei. Zwar sei die Kurdirektorin H. nicht berechtigt gewesen, die Stadt zu vertreten, ihr Handeln als Vertreterin ohne Vertretungsmacht sei aber von den Organen der Stadt später stillschweigend genehmigt worden. Dass die Beklagte den Kurbetrieb zum 31.12.1998 aufgegeben habe, berechtige sie nicht, den Mietvertrag vorzeitig zu beenden, weil sie das Verwendungsrisiko für die angemieteten Räume trage. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung habe das Mietverhältnis aber zum 30.6.2000 beendet. Obwohl der Mietvertrag auf zehn Jahre fest abgeschlossen gewesen sei, sei die Beklagte berechtigt gewesen, ihn vorzeitig ordentlich zu kündigen, weil die Vertragsurkunde nicht dem Schriftformerfordernis des hier anwendbaren § 566 BGB a. F. genüge.
Gegen diese Ausführungen des Berufungsgerichts wendet sich die Revision jedenfalls im Ergebnis ohne Erfolg.
2. In der Revisionsinstanz geht der Streit der Parteien nur noch darum, ob die Kläger für die Zeit ab 1.7.2000 Miete verlangen können. Um diese Frage zu beantworten, kann offen bleiben, ob ein Mietvertrag wirksam zu Stande gekommen ist oder ob sein Zustandekommen daran gescheitert ist, dass eine Seite beim Abschluss des Mietvertrages nicht wirksam vertreten war. Ist kein Mietvertrag zu Stande gekommen, so steht den Klägern kein Anspruch auf die Zahlung von Miete zu und für die Zeit ab 1.7.2000 auch kein Anspruch auf Nutzungsentschädigung, weil die Beklagte die Räume zu diesem Zeitpunkt unstreitig nicht mehr genutzt hat. Ist ein Mietvertrag wirksam zu Stande gekommen, so ändert sich im Ergebnis nichts, weil die Beklagte diesen Mietvertrag dann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, zum 30.6.2000 wirksam gekündigt hat.
3. Zwar enthält der schriftliche Mietvertrag die Vereinbarung, das Mietverhältnis werde auf die Dauer von zehn Jahren fest abgeschlossen. Wäre diese Vereinbarung wirksam, so wäre eine ordentliche Kündigung vor Ablauf von zehn Jahren ausgeschlossen. Die Vereinbarung einer langfristigen Laufzeit des Mietvertrages ist aber unwirksam, weil bei Abschluss des Mietvertrages die Schriftform nicht eingehalten worden ist (§ 566 BGB a. F. = § 550 BGB n. F.). Es kann offen bleiben, ob die Einhaltung der Schriftform schon daran scheitert, dass in der Vertragsurkunde als Mieterin statt der Stadt B. eine nicht rechtsfähige Einrichtung dieser Stadt aufgeführt ist und dass für die Stadt die Kurdirektorin dieser Einrichtung unterschrieben hat, ohne einen Zusatz, dass sie als Vertreterin für die Stadt auftritt. Die Schriftform ist jedenfalls deshalb nicht eingehalten, weil auf Vermieterseite nur der Kläger zu 1 ohne einen Vertreterzusatz unterschrieben hat.
Für die Einhaltung der Schriftform ist es erforderlich, dass alle Vertragsparteien die Vertragsurkunde unterzeichnen. Unterzeichnet für eine Vertragspartei ein Vertreter den Mietvertrag, muss dies in der Urkunde durch einen das Vertretungsverhältnis anzeigenden Zusatz hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen (BGH v. 22.2.1994 - LwZR 4/93, BGHZ 125, 175 [178 f.] = MDR 1994, 579; Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00, MDR 2003, 81 = BGHReport 2002, 1023 = NJW 2002, 3389 [3990 f.] m. w. N. und Anm. Eckert, EWiR 2002, 951; v. 16.7.2003 - XII ZR 65/02, BGHReport 2003, 1124 = MDR 2003, 1283 = NJW 2003, 3053 [3054]). Da in der Vertragsurkunde als Vermieter beide Kläger aufgeführt sind, genügt die Unterschrift des Klägers zu 1 nicht. Das gilt unabhängig davon, ob die Kläger den Mietvertrag als GbR abgeschlossen haben oder als zwei Vermieter ohne gesellschaftsrechtliche Verbindung. Die Kläger hätten entweder beide unterschreiben müssen oder der Kläger zu 1 hätte seiner Unterschrift einen Zusatz beifügen müssen, der ihn zugleich als Vertreter für den Kläger zu 2 gekennzeichnet hätte (BGH v. 16.7.2003 - XII ZR 65/02, BGHReport 2003, 1124 = MDR 2003, 1283 = NJW 2003, 3053 [3054]).
Die Revision vertritt die Ansicht, auch ohne einen solchen Vertreterzusatz sei der Urkunde mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger zu 1 als allein Vertretungsberechtigter für die GbR unterschrieben habe. Dem kann nicht gefolgt werden. Unterschreibt für eine GbR oder sonst für eine Personenmehrheit nur ein Mitglied ohne einen Vertreterzusatz, so ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass vorgesehen war, auch das andere Mitglied oder die anderen Mitglieder sollten die Urkunde unterschreiben und dass deren Unterschrift noch fehlt (st. Rspr. d. BGH, BGH v. 16.7.2003 - XII ZR 65/02, BGHReport 2003, 1124 = MDR 2003, 1283 = NJW 2003, 3053 [3054] m. w. N.).
Da die Schriftform nicht eingehalten worden ist, konnte die Beklagte das Mietverhältnis, sollte es wirksam zu Stande gekommen sein, nach Ablauf eines Jahres unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (hier: § 565 Abs. 1a BGB a. F.) ordentlich kündigen. Die von der Beklagten im November 1999 erklärte Kündigung hat es dann zum 30.6.2000 beendet.
4. Entgegen der Annahme der Revision verstößt die Beklagte nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, wenn sie sich darauf beruft, der Mietvertrag sei (jedenfalls) mangels Einhaltung der Schriftform ordentlich kündbar gewesen. Jede Partei darf sich grundsätzlich darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Es ist der Revision zwar einzuräumen, dass der BGH eine Ausnahme von diesem Grundsatz zulässt und es für treuwidrig hält, wenn eine Vertragspartei sich auf die Formnichtigkeit eines Vertrages beruft, nachdem sie zuvor über einen längeren Zeitraum besondere Vorteile aus dem nichtigen Vertrag gezogen hat (BGH v. 28.1.1993 - IX ZR 259/91, BGHZ 121, 224 [233 f.] = MDR 1993, 532 = CR 1994, 29; Urt. v. 20.5.2003 - KZR 19/02, BGHReport 2003, 1345 = MDR 2003, 1344 = BB 2003, 2254 [2255] m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil der Mangel der Form im vorliegenden Fall nicht zur Nichtigkeit des Vertrages geführt, sondern nur die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung eröffnet hat. Bis zu einer Kündigung waren beide Parteien verpflichtet, den Vertrag zu erfüllen. Aus dem Umstand, dass sie dieser Verpflichtung über einen längeren Zeitraum nachgekommen sind, lässt sich nicht herleiten, sie hätten darauf vertrauen können, der Vertragspartner werde nicht von der besonderen Kündigungsmöglichkeit Gebrauch machen, die das Gesetz vorsieht, wenn die Schriftform nicht eingehalten ist. Dass im vorliegenden Fall die Kläger das vermietete Grundstück zuvor von der Beklagten - der Mieterin - erworben und aufwändig saniert hatten, ist kein hinreichender Grund, von diesem Grundsatz abzuweichen.
Fundstellen
Haufe-Index 1087068 |
DB 2004, 1149 |
NJW 2004, 1103 |
BGHR 2004, 218 |
DWW 2004, 67 |
EBE/BGH 2004, 2 |
JurBüro 2004, 396 |
NZM 2004, 97 |
WM 2004, 536 |
ZAP 2004, 224 |
ZMR 2004, 106 |
MDR 2004, 325 |
NJ 2004, 266 |
GuT 2004, 61 |
Info M 2004, 15 |
MietRB 2004, 103 |
RdW 2004, 415 |
JWO-MietR 2004, 10 |
MK 2004, 21 |