Entscheidungsstichwort (Thema)
Unternehmenskauf. Vorvertragliche Pflicht zur Offenbarung von Verbindlichkeiten. Vollstreckungsgegenklage. Anfechtung Kaufvertrag. Anforderungen an Darlegungslast der Zahlungsunfähigkeit. Vereinbarte Freistellungsverplichtung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an eine Substantiierung des Vorbringens eines Unternehmenskäufers, der erworbene Betrieb sei schon im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zahlungsunfähig gewesen.
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
OLG Dresden (Entscheidung vom 08.06.2000) |
LG Dresden |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Juni 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung einer Kaufpreisforderung aus einem notariell beurkundeten Kaufvertrag über GmbH-Geschäftsanteile. Er begehrt außerdem Rückzahlung einer von ihm behaupteten Kaufpreisanzahlung.
Die Beklagte war alleinige Gesellschafterin der V. Verwaltungsgesellschaft mbH (im folgenden: V. GmbH). Geschäftsführer der V. GmbH war G. R., der Ehemann der Beklagten. Die V. GmbH betrieb seit September 1997 in D. ein Fitness-Studio, das bis dahin von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der unter anderem der Sohn des Klägers beteiligt gewesen war, geführt worden war. Mit notariellem Vertrag vom 13. Februar 1998 veräußerte die Beklagte, vertreten durch ihren Ehemann, ihre sämtlichen Geschäftsanteile an den durch seinen Sohn vertretenen Kläger. Der Kaufpreis von 242.000 DM sollte nach zwei ersten Teilzahlungen über 30.000 DM und 50.000 DM in monatlichen Raten von 1.500 DM, später von 3.000 DM, bis zum Jahre 2003 bezahlt werden. Der notarielle Vertrag lautet in Auszügen:
„III. …
Die Gewährleistung ist ausgeschlossen, soweit es die Größe und die Übertragbarkeit des Geschäftsanteiles und des dahinterstehenden Unternehmens anbetrifft. Der Veräußerer gewährleistet jedoch, daß der Geschäftsanteil mit Stimmrecht und Gewinnbeteiligung in gewöhnlicher Art und Weise ausgestattet ist und von einer Überschuldung der GmbH oder sonstigen zur Auflösung der GmbH führenden Gründe (§§ 63 Abs. 1, 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbH-Gesetz) nichts bekannt ist.
…
…
VIII. Der Veräußerer stellt die Gesellschaft von allen Verbindlichkeiten frei, die vor dem 9. September 1997 entstanden sind.
…”
Am 29. März 1998 wurden dem Sohn des Klägers die Geschäftsräume und die Geschäftsunterlagen der V. GmbH übergeben. Er fand dort zahlreiche an die GmbH gerichtete unbezahlte Rechnungen vor. Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 21. April 1998 erklärte der Kläger die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, weil die V. GmbH Verbindlichkeiten von über 90.000 DM habe und deshalb die akute Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft bestehe. Am 24. Oktober 1998 wurde die V. GmbH unter vorläufige Insolvenzverwaltung gestellt.
Mit der Klage hat der Kläger beantragt, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Rückzahlung eines von ihm am 5. März 1998 auf das Geschäftskonto der V. GmbH überwiesenen Betrages von 30.000 DM zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Für die Beklagte ist in der mündlichen Verhandlung über die Revision niemand erschienen. Der Kläger hat den Erlaß eines Versäumnisurteils beantragt.
Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe:
I.
Über die Revision des Klägers ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes (BGH 37, 79, 81).
II.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Der Kläger habe weder eine Überschuldung noch eine Zahlungsunfähigkeit der V. GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages vom 13. Februar 1998 dargelegt. Daher sei die Anfechtung seiner auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung nicht wirksam. Die von ihm vorgelegten bilanzmäßigen Auswertungen der Buchhaltung zum 31. Dezember 1997 und zum 13. Februar 1998 seien erkennbar unvollständig. Für die Darlegung der Überschuldung hätte es außerdem eines Überschuldungsstatus bedurft. Aus der Behauptung des Klägers, die GmbH habe bei Vertragsschluß Verbindlichkeiten von über 59.000 DM gehabt, ergebe sich keine Zahlungsunfähigkeit. Zum einen sei nicht erkennbar, ob nicht nur eine vorübergehende Zahlungsstockung vorgelegen habe. Zum anderen habe der Kläger nicht konkret vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Höhe und aus welchem Rechtsgrund die Forderungen bestanden hätten. Aus denselben Gründen seien auch Ansprüche auf Rückgängigmachung des Kaufes aus § 463 Satz 2 BGB oder aus Verschulden der Beklagten bei Vertragsverhandlungen nicht gegeben.
Ein Anspruch des Klägers aus Verschulden bei Vertragsschluß bestehe auch nicht wegen offener Verbindlichkeiten der GmbH. Daß dem Kläger möglicherweise Verbindlichkeiten verschwiegen worden seien, begründe im Hinblick auf Ziff. VIII des Vertrages vom 13. Februar 1998 keine Verletzung von Aufklärungspflichten.
Die Rückzahlung von 30.000 DM könne der Kläger jedenfalls deshalb nicht verlangen, weil der notarielle Vertrag mangels wirksamer Anfechtung oder begründeter Ansprüche auf dessen Rückgängigmachung einen Rechtsgrund für die Zahlung darstelle.
III.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Unter Zugrundelegung des revisionsrechtlich zu unterstellenden Klagevorbringens hat das Berufungsgericht die Wirksamkeit der vom Kläger erklärten Anfechtung seiner auf Abschluß des Kaufvertrages gerichteten Willenserklärung zu Unrecht verneint; dasselbe gilt für den wegen einer etwaigen Täuschung möglichen Schadensersatzanspruch auf Rückgängigmachung des Kaufes aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen.
1. Soweit der Kläger eine Täuschung über die Zahlungsfähigkeit der V. GmbH durch die Beklagte behauptet, wendet sich die Revision mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es sei schon nicht dargelegt, daß die V. GmbH bei Vertragsschluß objektiv zahlungsunfähig gewesen sei.
a) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne der §§ 60, 63 GmbHG (in der bei Vertragsschluß am 13. Februar 1998 geltenden Fassung) voraussetzt, daß der Schuldner dauerhaft nicht mehr in der Lage ist, einen wesentlichen Teil seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, und die Liquidität auch nicht durch die kurzfristige Aufnahme von Krediten wiederhergestellt werden kann (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 5. November 1957 – III ZR 139/55, WM 1957, 67 unter II und BGHZ 118, 171, 174; Baumbach/Hueck/Schulze-Osterloh, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rdn. 5, Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 30 KO Anm. 5).
b) Mit Erfolg rügt die Revision jedoch, daß das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der Zahlungsunfähigkeit überspannt und erheblichen klägerischen Vortrag hierzu unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt gelassen hat. Der Kläger hat bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 27. August 1998 eine Auflistung von 31 Forderungen im Gesamtumfang von 59.889,38 DM vorgelegt, die sämtlich am 13. Februar 1998 gegen die V. GmbH bestanden haben und fällig gewesen sein sollen. Für 29 dieser Forderungen hat der Kläger gleichzeitig Kopien von Rechnungen vorgelegt, die an die V. GmbH unter der Adresse des Fitness-Studios in D. gerichtet sind. Aus den in den Rechnungen beschriebenen Leistungen ergibt sich der Rechtsgrund der Forderungen; für die beiden übrigen Forderungen ist er aus der Forderungsbezeichnung in der Auflistung des Klägers erkennbar. Dieser Vortrag des Klägers, auf den er mit seiner Berufungsbegründung ausdrücklich Bezug genommen hat, genügt den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung offener Verbindlichkeiten, zumal die Beklagte die Entstehung der Forderungen im wesentlichen nicht bestritten hat (vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 – IX ZR 188/98, WM 2001, 1225 = NJW-RR 2001, 1204 unter II. 3. a)-c)).
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts brauchte der Kläger nicht wegen der in Ziff. VIII des notariellen Vertrages vereinbarten Freistellungsverpflichtung der Beklagten gesondert darzulegen, daß die Forderungen nicht vor dem 9. September 1997 entstanden sind. Weder hat die Beklagte geltend gemacht, die vom Kläger behaupteten Forderungen fielen unter die Freistellungsregelung, noch ergeben sich aus dem Klägervortrag Anhaltspunkte dafür, daß eine der behaupteten Forderungen vor dem 9. September 1997 entstanden ist. Unstreitig hat die V. GmbH den Betrieb des Fitness-Clubs in D. erst nach dem 9. September 1997 übernommen und war dort zuvor nicht geschäftlich tätig. Die vorgelegten Rechnungen sind, von vier Rechnungen abgesehen, an die Adresse der V. GmbH am Ort des Fitness-Clubs in D. gerichtet und erhebliche Zeit nach dem 9. September 1997 ausgestellt. Hinsichtlich der genannten vier Forderungen (Mobilfunkrechnung, Werbebeitrag C., Angestelltengehalt L. und Miete Januar 1998) ergibt sich aus dem angegeben Leistungsgegenstand, daß sie erst nach der Übernahme des Fitness-Studios durch die Beklagte entstanden sind.
Aus der Auflistung des Klägers in Verbindung mit den Rechnungen ergeben sich nach Abzug der nicht näher erläuterten Beträge für die Lohnsteuervoranmeldung und kleinerer Forderungen, die erst nach dem 13. Februar 1998 fällig wurden, Verbindlichkeiten der V. GmbH zum 13. Februar 1998 in Höhe von 51.472,56 DM. Diesen Verbindlichkeiten standen nach dem von der Revision in Bezug genommenen Klägervortrag als liquide Mittel der V. GmbH lediglich 2.235,90 DM Kassenbestand gegenüber, so daß die Verbindlichkeiten bei Vertragsschluß aus liquiden Mitteln der Gesellschaft nicht beglichen werden konnten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergab sich aus dem Vortrag des Klägers mit hinreichender Klarheit, daß es sich dabei nicht um eine bloß vorübergehende Zahlungsstockung handelte, die durch zu erwartende Einnahmen oder kurzfristige Kredite hätte beseitigt werden können. Nach den vom Kläger mit den bilanziellen Auswertungen der Buchhaltung zum 31. Dezember 1997 und zum 13. Februar 1998 vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen lagen die von der V. GmbH zwischen September 1997 und dem 13. Februar 1998 aus dem Betrieb des Fitness-Clubs erzielten Umsätze unterhalb der regelmäßigen Kosten, so daß die V. GmbH seit der Übernahme des Clubs mit diesem nur Verluste erzielt hatte. Es konnte danach auf absehbare Zeit nicht damit gerechnet werden, die Verbindlichkeiten mit erhöhten Einnahmen bezahlen zu können. Hinzu kommt, daß von den offenen Verbindlichkeiten ein Betrag von 16.646,88 DM auf seit November 1997 nicht mehr gezahlte Krankenkassenbeiträge entfiel. Rückstände bei Sozialversicherungsbeiträgen sind ein Indiz für eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende Zahlungsunfähigkeit (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, WM 2001, 1118 unter II 3 c aa). Umstände dafür, daß die Zahlungsunfähigkeit durch eine kurzfristige Kreditaufnahme hätte behoben werden können, sind nicht vorgetragen. Die V. GmbH hätte die dafür erforderliche Sicherheit einem Kreditgeber nicht stellen können. Nach der vom Kläger vorgelegten und insoweit von der Beklagten auch nicht bestrittenen bilanziellen Auswertung verfügte die GmbH über ein Anlagevermögen von lediglich 18.000 DM.
2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine Täuschung des Klägers durch Verschweigen von Verbindlichkeiten der V. GmbH sei schon deshalb nicht gegeben, weil eine Pflicht der Beklagten zur Offenbarung solcher Verbindlichkeiten nicht bestanden habe.
a) Allerdings greift die Rüge der Revision nicht durch, die Beklagte hätte den Kläger über die Größenordnung einer drohenden Umsatzsteuernachforderung des Finanzamts S. für die Jahre 1994/1995 ungefragt in Kenntnis setzen müssen. Diese Forderung, welche erst nach Vertragsschluß durch Steuerbescheid vom 3. Juni 1998 in Höhe von 85.629,87 DM festgesetzt worden ist, unterfällt nämlich der von den Parteien in Ziff. VIII des notariellen Vertrages getroffenen Freistellungsvereinbarung. Zwar ändert die Freistellungsvereinbarung nichts daran, daß die V. GmbH gegenüber dem Finanzamt Schuldner der Steuerforderung ist und sie deshalb die Schuld letztlich zu tragen hat, wenn der Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten etwa wegen Vermögenslosigkeit nicht durchgesetzt werden kann. Der Ehemann der Beklagten hat jedoch dem Sohn des Klägers bei den Vertragsverhandlungen mitgeteilt, daß eine Betriebsprüfung des Finanzamts wegen von der V. GmbH früher getätigter Umsätze stattfand. Gerade im Hinblick darauf haben die Parteien die Freistellungsvereinbarung in Ziff. VIII des notariellen Vertrages für Altverbindlichkeiten der GmbH getroffen. Zu weitergehenden Informationen über die mögliche Höhe einer drohenden Steuernachforderung, die zu tragen sie im Innenverhältnis übernommen hatte, war die Beklagte nicht verpflichtet. Vielmehr durfte sie erwarten, daß der Kläger, wenn er Zweifel an ihrer Solvenz gehabt hätte und deshalb die Höhe einer möglichen Steuernachforderung für ihn von Interesse war, von sich aus weiter nachfragte.
b) Von dem vom Berufungsgericht übergangenen Vortrag des Klägers ausgehend (oben III 1. b)), bei Vertragsschluß hätten offene Verbindlichkeiten der V. GmbH in Höhe von 51.472,56 DM bestanden, hätte der Kläger jedoch hiervon unterrichtet werden müssen.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Ehemann der Beklagten, dessen Wissen und Verhalten als Verhandlungs- und Abschlußvertreter sich die Beklagte zurechnen lassen muß (§§ 166 Abs. 1, 278 BGB), solche Verbindlichkeiten weder dem Kläger selbst noch seinem Sohn mitgeteilt. Das Berufungsgericht hat sich insoweit ausdrücklich den Feststellungen des Landgerichts angeschlossen, das aufgrund der übereinstimmenden Zeugenaussagen des Sohnes des Klägers und des Ehemanns der Beklagten zu der Überzeugung gelangt ist, daß konkrete Angaben über die Verbindlichkeiten der GmbH erst nach dem Abschluß des notariellen Vertrages gemacht worden sind.
Der Auffassung des Berufungsgerichts, es habe keine vorvertragliche Pflicht der Beklagten zur Offenbarung dieser Verbindlichkeiten bestanden, kann nicht zugestimmt werden. Ein Verkäufer braucht den Käufer zwar grundsätzlich nicht über alle für den Kauf erheblichen Umstände aufzuklären. Eine Mitteilung kann vom Verkäufer nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung jedoch für solche Umstände erwartet werden, die nur dem Verkäufer bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muß, daß sie für den Käufer von wesentlicher Bedeutung für den Vertragsschluß sind, etwa deshalb, weil sie den Vertragszweck vereiteln können (BGH, Urteile vom 4. März 1998 – VIII ZR 378/96, NJW-RR 1998, 1406 unter II 1 und vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, WM 2001, 1117 unter II 3 b). Bei einem Unternehmenskauf, wie er hier bei der Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile anzunehmen ist, hat darum der Verkäufer dem Käufer ungefragt sämtliche Verbindlichkeiten des Unternehmens zu offenbaren, wenn diese dazu führen können, daß die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft ernsthaft gefährdet ist, weil ihr Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung droht (vgl. BGH, Urteile vom 4. April 2001 aaO und vom 4. März 1998 aaO; vgl. auch Stengel/Scholderer NJW 1994, 158, 161 unter 2 d).
Aus dem klägerischen Vortrag im Zusammenhang mit den von ihm vorgelegten Auswertungen der Buchführung der V. GmbH ergibt sich, daß die Überlebensfähigkeit der V. GmbH bei Vertragsschluß ernstlich gefährdet war, sofern die verschwiegenen Verbindlichkeiten bei Vertragsschluß bestanden. Denn danach wies das Vermögen der V. GmbH zum 13. Februar 1998 bei einer Gesamtbilanzsumme von 145.555,57 DM einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 66.191,59 DM auf. Aus den Gewinn- und Verlustrechnungen ergibt sich, daß dieser Fehlbetrag durch laufende Verluste seit Übernahme des Fitness-Studios durch die V. GmbH entstanden ist. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, diese bilanziellen Auswertungen seien „erkennbar unvollständig”. Soweit das Berufungsgericht der Ansicht ist, die bilanziellen Auswertungen hätten zwei von der Beklagten behauptete Forderungen der V. GmbH in Höhe von 780.000 DM gegen die W. Versicherungs AG und in Höhe von 240.000 DM gegen M. P. ausweisen müssen, kann hieraus zugunsten der Beklagten nichts hergeleitet werden. In Ziffer II auf S. 4 des notariellen Kaufvertrages vom 13. Februar 1998 hat sich der Kläger als künftiger GmbH-Geschäftsführer nämlich verpflichtet, diese beiden Forderungen, wenn sie realisiert werden, bis zur Höhe von 700.000 DM an die Beklagte auszuzahlen. Lediglich in Höhe dieses Betrages haben die Parteien die beiden Forderungen insgesamt als werthaltig angesehen, und sie haben vereinbart, daß diese im wirtschaftlichen Ergebnis nicht der V. GmbH zustehen sollen. Die Forderungen hätten deshalb mit dieser Bewertung auch in den Passiva ausgewiesen werden müssen, so daß ihr Fehlen in den Aktiva nichts am Bilanzergebnis ändert. Auch die Angaben zum Eigenkapital waren entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht unvollständig. Über den Kassenbestand und das Anlagevermögen in Höhe von 18.577 DM hinaus, das in dem beigefügten Abschreibungsverzeichnis näher aufgeschlüsselt ist, waren weitere Angaben nicht erforderlich. Ursprünglich eingezahltes Stammkapital, welches nicht mehr vorhanden ist, braucht eine Bilanz auf der Aktivseite nicht zu enthalten (vgl. § 266 HGB Abs. 2 einerseits und Abs. 3 andererseits). Daß in der Bilanz kein Betrag für stille Reserven ausgewiesen ist, ist gleichfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Stille Reserven der V. GmbH können nach dem vorgelegten Abschreibungsverzeichnis über das Anlagevermögen nämlich nicht in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen sein. Denn das nach Buchwerten ermittelte Anlagevermögen liegt, abgesehen von geringwertigen Wirtschaftsgütern, mit 18.577 DM nur unwesentlich unter dem im Abschreibungsverzeichnis angegebenen Anschaffungspreis von 19.282,50 DM.
3. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß das Berufungsgericht die gegen den titulierten Kaufpreisanspruch gerichtete Vollstreckungsgegenklage aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht hätte abweisen dürfen. Das Berufungsurteil kann auch keinen Bestand haben, soweit das Oberlandesgericht dem Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung von 30.000 DM versagt hat. Das Berufungsgericht hat dahinstehen lassen, ob der Kläger diesen Betrag am 5. März 1998 auf das Geschäftskonto der V. GmbH überwiesen hat und ob diese Zahlung vereinbarungsgemäß als Leistung auf die der Beklagten zustehende Kaufpreisforderung gelten sollte. Da von diesen Behauptungen des Klägers demnach revisionsrechtlich auszugehen ist, ist sein Erstattungsanspruch begründet, wenn die von ihm erklärte Anfechtung durchgreift bzw. wenn er im Wege des Schadensersatzes aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen Rückgängigmachung des Kaufvertrages verlangen kann.
IV.
Das Berufungsurteil ist dementsprechend aufzuheben, und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO, gemäß § 26 Nr. 7 EGZPO in der am 31. Dezember 2001 geltenden Fassung). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat mangels Entscheidungsreife nicht möglich, weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen bedarf.
1. Hinsichtlich des Umfangs der offenen Verbindlichkeiten der V. GmbH und einer sich daraus möglicherweise ergebenden Zahlungsunfähigkeit hat sich das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, bislang nicht mit dem Vorbringen der Beklagten auseinandergesetzt. Diese hat behauptet und Beweis dafür angetreten, daß die Miete für die Geschäftsräume für Januar 1998 bereits am 2. Februar 1998 bezahlt worden sei, bei Vertragsschluß am 13. Februar 1998 ein höherer Kassenbestand der GmbH bestanden habe, die GmbH über ein Guthaben von 24.670 DM bei der Volksbank S. verfügt und ihr eine Forderung von 16.000 DM gegenüber dem Arbeitsamt zugestanden habe. Für die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit der V. GmbH wird weiterhin von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Beklagte, wie sie behauptet, für einen Teil der Verbindlichkeiten mündlich Ratenzahlung vereinbart hat.
2. Da es an entsprechenden Feststellungen fehlt, ist dem Senat auch eine eigene Sachentscheidung dazu verwehrt, ob der am 5. März 1998 auf das Geschäftskonto der GmbH überwiesene Betrag von 30.000 DM der Tilgung der ersten Kaufpreisrate dienen sollte. Hierfür bedarf es gegebenenfalls einer Überprüfung der landgerichtlichen Beweiswürdigung, möglicherweise auch aufgrund einer wiederholten Beweisaufnahme vor dem Berufungsgericht. Sollte es aufgrund erneuter Verhandlung bei der Durchführung des Kaufvertrages verbleiben, wird ferner der Erwägung der Revision nachzugehen sein, der Kläger könne sich gegenüber der Vollstreckung aus dem Titel jedenfalls in Höhe geleisteter 30.000 DM auf den Einwand der (teilweisen) Erfüllung berufen (BGH, Urteil vom 19. Februar 1991 – XI ZR 202/89, NJW-RR 1991, 759 unter II. 3.).
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst, Dr. Fellesen
Fundstellen
Haufe-Index 726013 |
BB 2002, 903 |
DB 2002, 942 |
DStR 2002, 1098 |
DStZ 2002, 543 |
NWB 2002, 1430 |
BGHR 2002, 573 |
EWiR 2002, 603 |
KTS 2002, 529 |
KTS 2003, 90 |
NZG 2002, 644 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 1839 |
ZIP 2002, 853 |
KÖSDI 2002, 13370 |
MDR 2002, 832 |
NJ 2002, 475 |
NZI 2002, 341 |
NZI 2002, 44 |
ZInsO 2002, 628 |