Leitsatz (amtlich)
Steht dem Besteller aufgrund von Voraus- oder Abschlagszahlungen aus einem Werkvertrag eine Insolvenzforderung zu, kann er die den Unternehmer treffende nebenvertragliche Pflicht, seine Leistungen in einer Schlussrechnung abzurechnen, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers im Insolvenzverfahren nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. In diesem Fall hat der Gläubiger seine Forderung auf Rückzahlung eines etwaigen Überschusses im Wege der Schätzung zur Tabelle anzumelden.
Normenkette
InsO § 45 S. 1, §§ 87, 174, § 174 ff.; BGB § 648a Abs. 5
Verfahrensgang
OLG Celle (Entscheidung vom 01.09.2023; Aktenzeichen 5 U 61/23) |
LG Stade (Entscheidung vom 09.03.2023; Aktenzeichen 5 O 167/22) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. September 2023 und das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 9. März 2023 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin nimmt den Beklagten als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des F. (im Folgenden: Schuldner) auf Erteilung einer prüffähigen Schlussrechnung in Anspruch.
Rz. 2
Die Klägerin beauftragte den Schuldner, der als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen betrieb, mit dem Ausbau des Dachspitzes ihres Hauses. Der Ausbau sollte auf der Grundlage des Ausführungskonzepts des Schuldners, das weder Einheitspreise noch voraussichtliche Massen enthielt, zu einem Pauschalpreis von 120.999,77 € erfolgen. Eine Einbeziehung der VOB/B erfolgte nicht. Entsprechend der Vergütungsvereinbarung bezahlte die Klägerin im Juli 2021 einen ersten Teilbetrag von 40.333,25 € bei Auftragserteilung sowie im Oktober 2021 einen zweiten Teilbetrag von ebenfalls 40.333,25 €. Der Schuldner stellte seine im September 2021 begonnenen Arbeiten ab Mitte Dezember 2021 noch vor Fertigstellung des Ausbaus ein.
Rz. 3
Auf einen Insolvenzantrag bestellte das Insolvenzgericht mit Beschluss vom 23. Februar 2022 den Beklagten zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Der Beklagte teilte der Klägerin am 15. März 2022 mit, dass das Unternehmen des Schuldners zum 28. Februar 2022 eingestellt worden sei und lehnte die Erfüllung des mit der Klägerin geschlossenen Vertrags ab. Am 31. März 2022 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Erteilung einer Schlussrechnung für das Bauvorhaben lehnte der Beklagte im Mai 2022 ab und verwies die Klägerin an den Schuldner, der auf eine Anfrage der Klägerin nicht reagierte.
Rz. 4
Die Klägerin behauptet, der Leistungsstand entspreche in keinem Fall dem Umfang der geleisteten Teilzahlungen. Das Landgericht hat den Beklagten als Insolvenzverwalter entsprechend dem Klageantrag verurteilt, eine prüffähige Schlussrechnung über die zur Erfüllung des Bauvertrags vom 28. Mai 2021 erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der geleisteten Teilzahlungen zu erstellen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Urteils und zur Abweisung der Klage.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung aus dem mit dem Schuldner geschlossenen Werkvertrag. Im Fall einer Kündigung des Werkvertrags aus wichtigem Grund nach § 648a BGB sei der Unternehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfalle; hieraus folge aus Treu und Glauben die Nebenpflicht des Werkunternehmers, die von ihm erbrachten Werkleistungen abzurechnen. Entsprechend habe der Besteller einen einklagbaren Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung.
Rz. 7
Zwar habe der Beklagte den Werkvertrag mit der Klägerin nicht gekündigt; er habe aber nach § 103 Abs. 2 InsO die Erfüllung des Vertrags abgelehnt. Dies sei in seiner unmittelbaren Wirkung mit einer den Besteller zur außerordentlichen Kündigung nach § 648a Abs. 1 BGB berechtigenden Einstellung der Arbeiten durch den Werkunternehmer vergleichbar. Mit ihrer schriftlichen Forderung nach Erstellung einer Schlussrechnung habe die Klägerin zum Ausdruck gebracht, an der Fortführung des Vertragsverhältnisses kein Interesse mehr zu haben; spätestens mit der Klageerhebung habe die Klägerin den Werkvertrag gekündigt.
Rz. 8
Passivlegitimiert sei der Beklagte als Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und nicht der Schuldner selbst. Der Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts nach § 80 Abs. 1 InsO beinhalte auch die Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Erteilung von Auskünften über solche Handlungen des Schuldners vor Insolvenzeröffnung, die den Bestand der Insolvenzmasse berührten. Um einen solchen Anspruch handele es sich im Streitfall. Die Klägerin beabsichtige - je nach Ergebnis der Auskunftserteilung - eine teilweise Rückforderung der von ihr auf die Abschlagsrechnungen des Schuldners geleisteten Zahlungen; derartige Rückforderungsansprüche wären als Insolvenzforderungen zur Tabelle anzumelden. Der Auskunftsanspruch der Klägerin folge damit aus einem vermögensrechtlichen Anspruch, der als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden sei. Dem Auskunftsanspruch stehe auch nicht entgegen, dass der Beklagte die Erfüllung des Werkvertrags mit der Klägerin nach § 103 Abs. 2 InsO abgelehnt habe. Die Klägerin mache nicht die Erfüllung einer Hauptleistung aus dem mit dem Schuldner geschlossenen Werkvertrag, sondern einen nebenvertraglichen Auskunftsanspruch geltend.
Rz. 9
Die Auskunftserteilung sei dem Beklagten auch zumutbar. Es gehöre zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters, Unterlagen über Vorgänge vor Insolvenzeröffnung zu sichten, um die für die Verwaltung der Masse notwendigen Erkenntnisse zu gewinnen. Fehlten ihm die erforderlichen Informationen, könne er sich an den Schuldner wenden, der seinerseits nach §§ 97, 98 InsO zur Auskunft verpflichtet sei.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klage ist unbegründet.
Rz. 11
1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass dem Besteller nach Kündigung eines Werkvertrags aus wichtigem Grund ein Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung gegen den Unternehmer zustehen kann, wenn die Parteien Voraus- oder Abschlagszahlungen des Bestellers vereinbart haben.
Rz. 12
a) Folge der Kündigung des Werkvertrags aus wichtigem Grund ist, dass der Unternehmer nur Anspruch auf die Vergütung hat, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt (§ 648a Abs. 5 BGB). Für den Fall, dass die Parteien eines Werkvertrags Voraus- oder Abschlagszahlungen vereinbart haben, kann dem Besteller ein vertraglicher Anspruch auf Auszahlung des Überschusses zustehen, wenn sich ergibt, dass die Summe der geleisteten Voraus- oder Abschlagszahlungen die dem Unternehmer zustehende endgültige Vergütung übersteigt (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 374; vom 8. Januar 2015 - VII ZR 6/14, WM 2015, 1073 Rn. 13).
Rz. 13
b) Aus einer Vereinbarung über Voraus- oder Abschlagszahlungen folgt zugleich die vertragliche Verpflichtung des Unternehmers, seine Leistungen abzurechnen. Der Besteller hat ein berechtigtes Interesse daran, dass der Unternehmer die einzelnen Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer Voraus- oder Abschlagsrechnung und die ihm nach einer Kündigung des Vertrags zustehende endgültige Vergütung unter Berücksichtigung der geleisteten Voraus- oder Abschlagszahlungen in einer endgültigen Rechnung abrechnet. Die Verpflichtung des Unternehmers, dem Besteller die genannten Rechnungen zu erteilen, folgt aus dem vorläufigen Charakter der Voraus- oder Abschlagszahlungen und besteht unabhängig davon, ob sie im Vertrag ausdrücklich geregelt ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 1999 - VII ZR 399/97, BGHZ 140, 365, 374; vom 24. Januar 2002 - VII ZR 196/00, WM 2002, 870, 871; vom 8. Januar 2015 - VII ZR 6/14, WM 2015, 1073 Rn. 14). Dies gilt auch bei vorzeitiger Beendigung eines Pauschalvertrags. Zur Abrechnung eines vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrags hat der Unternehmer die erbrachten Leistungen vorzutragen, diese von dem nicht ausgeführten Teil abzugrenzen und das Verhältnis der bewirkten Leistungen zur vereinbarten Gesamtleistung sowie des Preisansatzes für die Teilleistung zum Pauschalpreis darzulegen. Die Abrechnung muss auf der Grundlage des Vertrags erfolgen und den Besteller in die Lage versetzen, sich hierzu sachgerecht zu verhalten (BGH, Urteil vom 25. November 2004 - VII ZR 394/02, MDR 2005, 501).
Rz. 14
2. Es kann offenbleiben, ob der Klägerin im Streitfall ein Auskunftsanspruch dem Grunde nach zusteht. In der Insolvenz des Unternehmers kann der Besteller vom Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung seines nebenvertraglichen Anspruchs auf Erteilung einer Schlussrechnung verlangen, solange weder der Besteller die Hauptforderung zur Tabelle angemeldet hat noch der Anmeldung widersprochen worden ist.
Rz. 15
a) Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Insolvenzverwalter gegenüber dem Aussonderungs- oder Absonderungsberechtigten zur Erteilung einer Auskunft verpflichtet ist, welche die Verfolgung eines auf Handlungen des Gemeinschuldners beruhenden Anspruchs vorbereiten soll, wenn der Hauptanspruch die Insolvenzmasse berührt und gegen den Insolvenzverwalter geltend zu machen ist (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11, 16 ff; vom 11. Mai 2000 - IX ZR 262/98, WM 2000, 1209, 1212; vom 4. Dezember 2003 - IX ZR 222/02, WM 2004, 295, 296; vom 2. Juni 2005 - IX ZR 221/03, WM 2005, 1472, 1474). Der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs gegen den Insolvenzverwalter steht insbesondere nicht entgegen, dass der Auskunftsanspruch keine Insolvenzforderung ist, weil er weder auf Geld gerichtet ist noch sich in einen Geldanspruch umwandeln lässt (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967, aaO S. 17). Die aufgrund einer nebenvertraglichen Pflicht zu erteilende Auskunft dient vielmehr der Vorbereitung eines Aussonderungs- oder Absonderungsrechts, welches gegen die Insolvenzmasse geltend zu machen ist. Auch prozessuale Erwägungen sprechen dafür, dass sich die Pflicht zur Auskunftserteilung gegen den Insolvenzverwalter richtet. Eine prozesswirtschaftlich sinnvolle Verbindung des Anspruchs auf Auskunft oder Rechnungslegung im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO mit dem Leistungsanspruch ist nur dann jederzeit gewährleistet, wenn sich sowohl der Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruch als auch der Leistungsanspruch gegen dieselbe Person richten (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967, aaO S. 18). Immer dann, wenn der Hauptanspruch gegen den Insolvenzverwalter zu verfolgen ist, richtet sich auch der Anspruch auf Auskunftserteilung, weil er das rechtliche Schicksal des Hauptanspruchs teilt, gegen den Insolvenzverwalter (BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967, aaO S. 19). Der Aussonderungs- oder Absonderungsberechtigte kann deshalb seinen Anspruch auf Auskunftserteilung in gleicher Weise wie sein Aussonderungs- oder Absonderungsrecht gegen den Insolvenzverwalter durchsetzen.
Rz. 16
b) Im Streitfall dient der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung jedoch nicht der Vorbereitung und Durchsetzung eines Aussonderungs- oder Absonderungsrechts oder einer Masseforderung der Klägerin. Nach der fristlosen Kündigung des Werkvertrags kann der Klägerin ein Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses gegen den Schuldner zustehen, wenn die Summe der von ihr geleisteten Voraus- oder Abschlagszahlungen die dem Schuldner zustehende endgültige Vergütung übersteigt. Dieser Anspruch stellt gemäß § 38 InsO eine Insolvenzforderung und keine Masseverbindlichkeit dar. Der Anspruch auf Auszahlung eines Überschusses wird nicht erst durch eine Handlung des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet, wenn der Insolvenzverwalter die Nichterfüllung des gegenseitigen Vertrags nach § 103 Abs. 2 InsO wählt. Er ist vielmehr bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Pauschalpreisvertrags angelegt.
Rz. 17
Insolvenzforderungen können gemäß § 87 InsO nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung durchgesetzt werden. Hierfür sehen die §§ 174 ff InsO eine Anmeldung der Insolvenzforderungen beim Insolvenzverwalter vor, wobei die Insolvenzforderung vom anmeldenden Gläubiger zu beziffern ist (§ 174 Abs. 2 InsO). Ob die Erfüllung eines nebenvertraglichen Rechnungslegungs- oder Auskunftsanspruchs, der die Anmeldung der Insolvenzforderung zur Tabelle vorbereiten und ermöglichen soll, vom Insolvenzverwalter verlangt werden kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch nicht abschließend geklärt.
Rz. 18
aa) Der Bundesgerichtshof ist in den nicht tragenden Gründen seines Urteils vom 30. Oktober 1967 zum Auskunftsanspruch eines absonderungsberechtigten Gläubigers davon ausgegangen, dass (auch) ein Insolvenzgläubiger vom Insolvenzverwalter die Erteilung einer Auskunft zu Bestand und Höhe seiner Insolvenzforderung nach § 38 InsO verlangen kann, wenn ihm ein nebenvertraglicher Auskunftsanspruch zusteht (VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11, 13 ff). Aus diesem Urteil wird in weiten Teilen der Literatur geschlossen, dass der Insolvenzgläubiger, der zur Anmeldung seiner Insolvenzforderung auf eine Auskunft oder Berechnung durch den Schuldner angewiesen ist, vom Insolvenzverwalter die Erfüllung seines Auskunfts- oder Rechnungslegungsanspruchs verlangen kann (Schmidt/Büteröwe, InsO, 20. Aufl., § 38 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Lüdtke, 10. Aufl., § 38 Rn. 25; MünchKomm-InsO/Ehricke/Behme, 4. Aufl., § 38 Rn. 54; Jaeger/Eichel, InsO, 2. Aufl., § 38 Rn. 79; Schmidt/Jungmann, NZI 2002, 65, 68).
Rz. 19
bb) Mit Urteil vom 2. Juni 2005 hat der Senat über einen Anspruch auf Auskunft zum Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenzreife, welcher der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs des Klägers nach § 64 Abs. 1 GmbHG aF, § 823 Abs. 2 BGB dienen sollte, entschieden und angenommen, dass dieser Anspruch gegen die Schuldnerin persönlich geltend zu machen sei (IX ZR 221/03, ZIP 2005, 1325, 1327). Im entschiedenen Fall wurde der Auskunftsanspruch allerdings nicht als Nebenpflicht aus einer Insolvenzforderung des Klägers hergeleitet. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch, der durch den Auskunftsanspruch geklärt werden sollte, war nicht auf eine Befriedigung aus der Insolvenzmasse (§ 38 InsO) gerichtet.
Rz. 20
cc) Auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Oktober 2009 (I ZR 94/07, ZIP 2010, 901 Rn. 19), mit dem eine Verfahrensunterbrechung wegen Insolvenzeröffnung nach § 240 Satz 1 ZPO im Hinblick auf einen gegen den Schuldner gerichteten Auskunftsanspruch abgelehnt wurde, betrifft nicht die im Streitfall maßgebliche Frage. Im dort entschiedenen Fall sollte der geltend gemachte Drittauskunftsanspruch dem Kläger die Rechtsverfolgung gegenüber gewerblichen Abnehmern des auf Auskunft in Anspruch genommenen Schuldners ermöglichen. Ein Bezug zur Insolvenzmasse bestand wiederum nicht.
Rz. 21
c) Der Senat entscheidet die Frage dahingehend, dass vom Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung eines nebenvertraglichen Anspruchs auf Erteilung einer Auskunft oder Schlussrechnung verlangt werden kann, solange weder der Besteller die Hauptforderung zur Tabelle angemeldet hat noch der Anmeldung widersprochen worden ist.
Rz. 22
aa) Nach §§ 87, 174 ff InsO können Insolvenzforderungen nur durch Anmeldung zur Insolvenztabelle durchgesetzt werden. Schon im Ausgangspunkt liegt nahe, dass ein nebenvertraglicher Anspruch, welcher die Geltendmachung der Hauptforderung vorbereiten und ermöglichen soll, deren rechtliches Schicksal teilt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 1967 - VIII ZR 176/65, BGHZ 49, 11, 19). Ebenso wie der Gläubiger vom Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung seiner Insolvenzforderung aus der Masse verlangen kann, sondern auf die Anmeldung zur Tabelle verwiesen wird, kann er ohne Anmeldung der Insolvenzforderung nicht die Erfüllung seines nebenvertraglichen Anspruchs auf Erteilung einer Schlussrechnung oder Auskunft verlangen.
Rz. 23
bb) Für dieses Ergebnis spricht im Fall eines zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner oder vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrags auch die Regelung des § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrags ab, kann der andere Teil eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung des Vertrags nur als Insolvenzforderung geltend machen. Nach der Erfüllungsablehnung ist der Insolvenzverwalter nicht mehr zur Erfüllung der fortbestehenden gegenseitigen Ansprüche verpflichtet.
Rz. 24
d) Auch ohne vorherige Erteilung einer Auskunft oder Abrechnung durch den Schuldner oder Insolvenzverwalter, die ihm eine Bezifferung seiner Insolvenzforderung ermöglicht, steht dem Gläubiger über § 45 Satz 1 InsO ein prozessökonomischer und kostengünstiger Weg zur effizienten Abwicklung von Insolvenzforderungen offen.
Rz. 25
aa) Nach § 45 Satz 1 Variante 2 InsO sind Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt ist, mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Die Vorschrift ist auch anwendbar, wenn die genaue Bezifferung der Forderung von einer Auskunft oder Abrechnung durch den Schuldner abhängt, welche nicht erteilt wird (vgl. Schmidt/Thonfeld, InsO, 20. Aufl., § 45 Rn. 8; Schmidt/Jungmann, NZI 2002, 65, 68 f; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 45 Rn. 16a; HK-InsO/Keller, 11. Aufl., § 45 Rn. 5).
Rz. 26
bb) Die Schätzung ist grundsätzlich Sache des anmeldenden Gläubigers (Schmidt/Thonfeld, InsO, 20. Aufl., § 45 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Bitter, 4. Aufl., § 45 Rn. 21; Holzer in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2024, § 45 Rn. 8). Besondere Anforderungen sind bei einer Schätzung der Forderung durch den Gläubiger, der einen nebenvertraglichen Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung oder Auskunft hat, aber nicht zu stellen. Insbesondere ist er nicht zur eigenen Erstellung einer Schlussrechnung oder Auskunft oder zur Einholung eines Sachverständigengutachtens verpflichtet. Andernfalls würde dem Gläubiger die Erstellung einer Schlussrechnung oder Auskunft auferlegt, auf deren Erteilung er nach materiellem Recht einen Anspruch hat.
Rz. 27
cc) Bezogen auf die im Streitfall gegebene Kündigung eines Werkvertrags bei Vereinbarung von Voraus- oder Abschlagszahlungen stellt sich die Rechtslage ohne Eintritt der Insolvenz auf Seiten des Unternehmers wie folgt dar: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Besteller im Prozess zwischen Besteller und Unternehmer über die Rückforderung einer Werklohnvorauszahlung, wenn der Unternehmer Leistungen erbracht hat, zur Begründung des vertraglichen Rückforderungsanspruchs schlüssig die Voraussetzungen eines Saldoüberschusses aus einer Schlussrechnung vorzutragen. Ausreichend ist eine Abrechnung, aus der sich ergibt, in welcher Höhe der Besteller Voraus- und Abschlagszahlungen geleistet hat und dass diesen Zahlungen ein entsprechender endgültiger Vergütungsanspruch des Unternehmers nicht gegenübersteht. Der Besteller kann sich auf den Vortrag beschränken, der bei zumutbarer Ausschöpfung der ihm zur Verfügung stehenden Quellen seinem Kenntnisstand entspricht. Hat der Besteller nach diesen Grundsätzen ausreichend vorgetragen, muss der Unternehmer darlegen und beweisen, dass er berechtigt ist, die Voraus- und Abschlagszahlungen endgültig zu behalten (BGH, Urteil vom 11. Juli 2024 - VII ZR 127/23, zVb Rn. 18 mwN).
Rz. 28
An dieser materiell-rechtlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. Bei der Schätzung seiner Forderung auf Rückzahlung eines etwaigen Überschusses kann sich der Besteller auf die ihm zur Verfügung stehenden Kenntnisse beschränken. Es ist dann Aufgabe des Insolvenzverwalters substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass der Schuldner bereits Leistungen in einem Umfang erbracht hat, welche den erhaltenen Vorauszahlungen entsprechen.
Rz. 29
e) Die Anmeldung der Insolvenzforderung nach Schätzung durch den Gläubiger ist für diesen im Fall eines gegebenenfalls erfolgenden Widerspruchs nicht mit besonderen Kostenrisiken verbunden.
Rz. 30
aa) Widerspricht der Insolvenzverwalter der angemeldeten, geschätzten Forderung, ist er zum einen auf Grund der materiell-rechtlich bestehenden Auskunfts- und Rechnungslegungspflicht und zum anderen aus Gründen des materiellen Rechts gehalten, die von ihm für berechtigt gehaltene Forderung in einer substantiierten Art und Weise darzulegen. Erteilt der Insolvenzverwalter nach der Anmeldung der geschätzten Forderung die geforderte Auskunft oder Schlussrechnung, ist die Ungewissheit über die Forderungshöhe beseitigt. Der Gläubiger kann sich nach Überprüfung der eigenen Schätzung mit der Abrechnung des Insolvenzverwalters zufriedengeben und davon absehen, den diese Abrechnung übersteigenden Betrag seiner Forderungsanmeldung weiterzuverfolgen. Begehrt der Gläubiger gleichwohl die Feststellung einer höheren Forderung, kann er um den bestrittenen Teil seiner Forderung bei allgemeinem Kostenrisiko prozessieren (Schmidt/Jungmann, NZI 2002, 65, 69).
Rz. 31
bb) Legt der Insolvenzverwalter nach dem Widerspruch keine Auskunft oder Schlussrechnung vor, kann der Gläubiger nunmehr seinen Anspruch auf Auskunft oder Schlussrechnung gegen den Insolvenzverwalter geltend machen, um seine Feststellungsklage vorzubereiten. Dies trägt dem materiell-rechtlichen Anspruch des Gläubigers auf Auskunft und Rechnungslegung Rechnung, der durch die Insolvenzeröffnung nicht erlischt.
Rz. 32
Erhebt der Gläubiger ohne vorherige Auskunftsklage die Feststellungsklage und legt der Insolvenzverwalter erst während des Feststellungsprozesses eine Auskunft oder Schlussrechnung vor, aus der sich eine Überhöhung des angemeldeten Betrags ergibt, ist die vom Gläubiger erhobene Feststellungsklage teilweise unbegründet. Der Gläubiger kann nun die Klage entsprechend teilweise zurücknehmen oder teilweise für erledigt erklären. Die Prozesskosten sind dann dem Insolvenzverwalter in entsprechender Anwendung von § 93 ZPO aufzuerlegen (vgl. Schmidt/Jungmann, NZI 2002, 65, 69 bei entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Ungewissheit über die Forderungshöhe ist nicht vom Gläubiger zu vertreten, weil dessen Anspruch auf Erteilung einer Schlussrechnung oder Auskunft zuvor nicht erfüllt worden ist; Anlass für den Feststellungsprozess hat vielmehr der Insolvenzverwalter gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2006 - IX ZB 160/04, ZIP 2006, 576 Rn. 9 ff zur Kostentragung bei vorläufigem Bestreiten einer Insolvenzforderung durch den Insolvenzverwalter).
Rz. 33
cc) Bestreitet der Insolvenzverwalter die angemeldete, geschätzte Forderung auch im Feststellungsprozess ohne nähere Angaben oder nur pauschal in einer nicht den Anforderungen an die dem Gläubiger zustehende Auskunft oder Schlussrechnung genügenden Weise, hat die Feststellungsklage bei schlüssiger Darlegung der geschätzten Forderung durch den Gläubiger Erfolg. Die Kosten des Verfahrens trägt in diesem Fall nach § 91 Abs. 1 ZPO der Insolvenzverwalter als Beklagter.
III.
Rz. 34
Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden. Die Aufhebung der Urteile erster und zweiter Instanz erfolgt nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis; nach letzterem ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Schlussrechnung gegen den Beklagten geltend machen kann, sind die Urteile erster und zweiter Instanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Schoppmeyer Röhl Schultz
Selbmann Kunnes
Fundstellen
BB 2024, 2817 |
NJW 2024, 8 |
WM 2024, 2244 |
ZIP 2024, 4 |