Leitsatz (amtlich)
Zum Vergütungsanspruch eines ambulanten Pflegedienstes, dessen Mitarbeiter nicht über die vertraglich vereinbarte Qualifikation verfügen.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; SGB V § 37 Abs. 1 S. 1, § 132a Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 11.03.2015; Aktenzeichen 7 U 85/14) |
LG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.03.2014; Aktenzeichen 5 O 43/14) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des OLG Karlsruhe vom 11.3.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin, die einen Pflegedienst betreibt, macht gegen die Beklagte restliche Vergütungsansprüche aus einem Vertrag über ambulante Pflegeleistungen geltend.
Rz. 2
Die Beklagte ist die Mutter des am 2.5.2010 geborenen N., der aufgrund einer rechtsseitigen Zwerchfellhernie intensiver medizinischer Pflege bedarf. Die Beklagte und Noah sind bei der I. Krankenversicherung aG privat versichert. Diese erkannte mit Schreiben vom 12.8.2010, 24.2.2011 und 15.10.2012 die medizinische Notwendigkeit der häuslichen Intensiv- und Behandlungspflege bis zum 30.11.2012 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 35 EUR an. Unter dem 16.8.2010 schlossen die Klägerin und die Beklagte einen "Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen" für N. ab. Unter der Überschrift "Allgemeines" wird darin ausgeführt:
"Der Pflegedienst erbringt für den Kunden - Leistungen der Krankenkassen nach SGB V (nur nach Verordnung) - Leistungen nach Vereinbarung Der Pflegedienst ist durch Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI zugelassen und kann entsprechend mit den Pflegekassen abrechnen. Der Pflegedienst hat einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V abgeschlossen und kann entsprechend mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen."
Rz. 3
Hinsichtlich Leistungsumfang und Vergütungsregelung enthält der Vertrag unter Nr. 1. folgende Regelung:
"Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit bewilligt - und der Pflegeversicherung oder anderer Sozialleistungsträger werden vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet ... Nicht bewilligte Leistungen der Krankenversicherung, die der Kunde auf der Grundlage einer ärztlichen Versorgung dennoch in Anspruch nimmt, hat er selbst zu bezahlen. Dabei wird die zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarte Vergütung abgerechnet. Das Entgeltverzeichnis in der jeweils gültigen Fassung der Vereinbarungen mit den Pflegekassen, gesetzlichen Krankenkassen und den Sozialhilfeträgern ist in der Anlage beigefügt und ebenfalls Bestandteil dieses Vertrages."
Rz. 4
Auf ihrer Homepage warb die Klägerin mit folgender Aussage:
"Qualität schafft Vertrauen Die Grundlage entsteht durch geeignetes Pflegepersonal. Daher arbeiten bei der v. G. AG ausschließlich festangestellte examinierte Kinderkrankenpflegefachkräfte, welche kontinuierlich durch Fortbildungen weitergebildet werden."
Rz. 5
In dem Zeitraum vom 16.8.2010 bis zum 8.11.2012 erbrachte die Klägerin Pflegeleistungen und rechnete diese mit dem vereinbarten Stundensatz monatlich gegenüber der Beklagten ab, die die Rechnungen bei der I. Krankenversicherung aG einreichte. Mit Schreiben vom 1.11.2012 kündigte die Beklagte den Pflegevertrag zum 8.11.2012 und beauftragte einen anderen Pflegedienst mit der Betreuung ihres Sohnes.
Rz. 6
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Zahlung der noch offenen Vergütung für die in dem Zeitraum von Juni bis November 2012 erbrachten Pflegeleistungen i.H.v. 40.445 EUR (nebst Zinsen) sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte hat aus eigenem und abgetretenem Recht der I. Krankenversicherung aG mit angeblichen Schadensersatz- bzw. Rückforderungsansprüchen (hilfsweise) die Aufrechnung erklärt und vorgetragen, die Pflegeleistungen seien entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht von in Deutschland anerkannten Kinderkrankenschwestern bzw. Kinderfachpflegekräften erbracht worden. In der Revisionsinstanz macht sie nur noch geltend, jedenfalls hätten die von der in Bulgarien ausgebildeten Kinderkrankenschwester S. geleisteten 1.800,5 Pflegestunden (insgesamt 63.017,50 EUR) nicht abgerechnet werden dürfen.
Rz. 7
Das LG hat der Klage stattgegeben. Das OLG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 10
Die Beklagte sei gem. § 611 Abs. 1 BGB zur Zahlung der geltend gemachten Vergütung verpflichtet. Ihr stünden weder aus eigenem noch abgetretenem Recht Rückzahlungs- oder Schadensersatzansprüche zu, die sie der Klageforderung im Wege der Aufrechnung entgegenhalten könne. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Pflegevertrag vom 16.8.2010 dahin auszulegen sei, dass die Klägerin verpflichtet gewesen sei, die ihr obliegenden Leistungen durch besonders qualifiziertes Pflegepersonal oder sogar ausschließlich durch festangestellte examinierte Kinderkrankenpfleger und -pflegerinnen zu erbringen. Denn auch in diesem Fall könnte die Beklagte die Vergütung für den durch geringer qualifiziertes Personal erbrachten Teil der Pflegeleistungen nicht zurückfordern. Die "streng formale Betrachtungsweise des Sozialrechts", wonach Leistungen, die von Personal erbracht würden, das nicht über die vereinbarte Qualifikation verfüge, nicht zu vergüten seien und eine gleichwohl geleistete Vergütung zurückgefordert werden könne, lasse sich nicht auf den zivilrechtlichen Vertrag zwischen einem ambulanten Pflegedienst und einer privat krankenversicherten Person übertragen. Fehle es - wie hier - an einer Vereinbarung, dass der Vergütungsanspruch bei Einsatz minderqualifizierten Personals entfalle, seien die Rechtsfolgen einer solchen Pflichtverletzung nach dem dispositiven Gesetzesrecht zu bestimmen (insb. nach §§ 611 ff. i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 326 Abs. 1 BGB). Danach begründe eine mangelhafte Leistung - anders als im Kauf- und Werkvertragsrecht - kein Recht zur Minderung der vereinbarten Vergütung. Ein Wegfall des Vergütungsanspruchs nach § 326 Abs. 1 BGB und ein auf Befreiung von der Vergütungspflicht oder auf Rückerstattung gerichteter Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB komme nur in Betracht, wenn die geleisteten Dienste unbrauchbar oder nutzlos seien und deshalb einer Nichtleistung gleichstünden. Dieser für die ärztliche Heilbehandlung entwickelte Maßstab gelte auch für Pflegedienste, die von nicht hinreichend qualifiziertem Personal geleistet würden. Im vorliegenden Fall scheitere ein Rückzahlungsanspruch deshalb bereits daran, dass die Pflegeleistungen von der Beklagten zu keinem Zeitpunkt beanstandet worden seien und dem betreuten Kind kein Schaden entstanden sei. Vielmehr habe sich dessen Gesundheitszustand erheblich gebessert, so dass die erbrachten Pflegedienste weder als unbrauchbar noch als nutzlos qualifiziert werden könnten. Auf die Frage, ob die in Bulgarien ausgebildete Kinderkrankenschwester S. als Pflegekraft habe eingesetzt werden dürfen, komme es daher nicht an. Ein deliktischer Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheide aus, weil die Klägerin über die Vergütungspflicht nicht getäuscht habe und der Beklagten auch kein Vermögensschaden entstanden sei, zumal die private Krankenversicherung selbst bei Vorliegen des behaupteten Qualifikationsmangels des Pflegepersonals zur Erstattung der von der Klägerin abgerechneten Vergütung verpflichtet gewesen sei.
II.
Rz. 11
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Rz. 12
Die Begründetheit der geltend gemachten Vergütungsansprüche kann ohne nähere Feststellungen zur Qualifikation der Pflegekraft S. nicht geprüft werden, da die Beklagte zur Zahlung nur verpflichtet ist, wenn das vertraglich vereinbarte Anforderungsprofil einer "Kinderkrankenschwester mit staatlicher Anerkennung" erfüllt wurde.
Rz. 13
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin keinen Vergütungsanspruch, soweit die eingesetzten Pflegekräfte nicht über die in dem Pflegevertrag vorausgesetzte Qualifikation verfügten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden. Das Berufungsgericht durfte daher nicht offenlassen, ob die Klägerin nach dem Inhalt des Pflegevertrags die ihr obliegenden Leistungen durch besonders qualifiziertes Pflegepersonal ("festangestellte examinierte Kinderkrankenpflegefachkräfte") erbringen musste.
Rz. 14
a) In der gesetzlichen Krankenversicherung führt das Unterschreiten der nach dem Pflegevertrag vereinbarten Qualifikation nach den insoweit maßgeblichen Grundsätzen des Sozialrechts auch dann zum vollständigen Entfallen des Vergütungsanspruchs, wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurden (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2014 - 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rz. 28 ff.; Sächsisches LSG, Urt. v. 18.12.2009 - L 1 KR 89/06, juris Rz. 36, 44 ff., jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urt. v. 5.12.2002 - 3 StR 161/02, NJW 2003, 1198, 1200 m. Anm. Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 315, 316; Beschl. v. 28.9.1994 - 4 StR 280/94, NStZ 1995, 85 f.). Dieser "streng formalen Betrachtungsweise" liegt die ständige Rechtsprechung des BSG zum Vertragsarztrecht und zum Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zugrunde, wonach Bestimmungen, die die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, innerhalb dieses Systems zu gewährleisten haben, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Das wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind (BSGE 94, 213 Rz. 26m. umfangr. w. N.). Um eine den praktischen Erfordernissen entsprechende Qualitätskontrolle zu gewährleisten, können die Krankenkassen auf formalen Ausbildungs- und Weiterbildungsqualifikationen bestehen mit der Folge, dass die Abrechenbarkeit von Leistungen streng an die formale Qualifikation des Personals anknüpft (BSGE 98, 12 Rz. 32 m.w.N.), wobei die vertragliche Vereinbarung mit dem Leistungserbringer maßgeblich ist (BGH, Beschl. v. 16.6.2014, a.a.O., Rz. 29 m.w.N.). Dementsprechend scheidet ein Vergütungsanspruch aus, wenn Pflegeleistungen durch Personal erbracht werden, welches nicht über die vertraglich vorausgesetzte Qualifikation verfügt (vgl. Sächsisches LSG, a.a.O., Rz. 36).
Rz. 15
b) Ob diese Grundsätze - wie die Revision meint - generell auch auf Pflegeverträge mit privat Versicherten anzuwenden sind, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Denn der Pflegevertrag vom 16.8.2010 ist dahingehend zu verstehen, dass die Parteien die sozialrechtlichen Abrechnungsgrundsätze durch Bezugnahme zur Grundlage ihrer privatrechtlichen Leistungsbeziehung gemacht haben und damit die "streng formale Betrachtungsweise" der gesetzlichen Krankenversicherung auch für die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen maßgebend ist. Der Senat kann die erforderliche Auslegung des Pflegevertrags, die das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen hat, selbst vornehmen, da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu treffen sind (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 8.12.2011 - III ZR 72/11, NVwZ 2012, 581 Rz. 17; BGH, Urt. v. 25.9.1975 - VII ZR 179/73, BGHZ 65,107, 112 und vom 7.7.1999 - VIII ZR 131/98, NJW 1999, 3037 f.).
Rz. 16
Dass die Abrechenbarkeit der erbrachten Pflegeleistungen hier nach den Grundsätzen des Sozialrechts zu beurteilen ist, ergibt sich aus Folgendem: Das gesamte Vertragswerk verweist hinsichtlich der Leistungserbringung und der Vergütungsregelung auf die Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Dabei wird hervorgehoben, dass die Klägerin mit den gesetzlichen Krankenkassen einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V geschlossen habe und "entsprechend" abrechnen könne (die Vorschrift nennt als Regelungsgegenstände eines derartigen Vertrags "die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie die Preise und deren Abrechnung"). Für Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, die der Versicherte selbst zu bezahlen hatte, sollte die "zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarte Vergütung abgerechnet" werden. Zugleich wird auf das mit den gesetzlichen Krankenkassen vereinbarte Entgeltverzeichnis als Vertragsbestandteil Bezug genommen. Nach alledem haben die Parteien hinsichtlich der Abrechnung der erbrachten Pflegeleistungen nicht zwischen gesetzlich und privat Versicherten differenzieren wollen. In beiden Fällen sollten dieselben Maßstäbe zur Anwendung kommen.
Rz. 17
c) Die gebotene interessengerechte Auslegung des Pflegevertrags vom 16.8.2010 ergibt ferner unter Berücksichtigung des Vertragswortlauts und unter Einbeziehung der Begleitumstände des Vertragsschlusses, dass die Behandlungspflege des Kindes ausschließlich durch Kinderkrankenpflegefachkräfte mit staatlicher Anerkennung durchzuführen war.
Rz. 18
In dem privatrechtlichen Pflegevertrag wird auf § 37 SGB V sowie darauf Bezug genommen, dass die Klägerin einen Vertrag nach § 132a Abs. 2 SGB V abgeschlossen hat. Nach § 37 Abs. 1 bis 3 SGB V haben Versicherte unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen ihre Krankenkassen, die von diesen "durch geeignete Pflegekräfte" (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zu erbringen ist. Zur Erfüllung des korrelierenden Sicherstellungsauftrags für häusliche Krankenpflege schließen die Krankenkassen - soweit sie nicht selbst geeignete Personen anstellen (§ 132a Abs. 2 Satz 10 SGB V) - Verträge mit den Leistungserbringern nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V (BSGE 90, 150 f.) und konkretisieren dabei die von dem Pflegepersonal zu erfüllenden Anforderungsmerkmale, wobei zur Durchführung umfassender Krankenpflege ("große Behandlungspflege") regelmäßig nur staatlich anerkannte Krankenpfleger oder -schwestern, Kinderkrankenpfleger oder -schwestern sowie Altenpfleger in Betracht kommen (vgl. BSG, a.a.O., S. 153, 156). Dementsprechend wird auch in dem von der Beklagten vorgelegten "Rahmenvertrag nach § 132a SGB V über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege", der u.a. zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und dem Arbeitgeberverband e.V. abgeschlossen wurde, in § 3 Abs. 2 bestimmt, dass in der Behandlungspflege (nur) "Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger, Altenpfleger/-innen jeweils mit staatlicher Anerkennung" als i.S.v. § 37 SGB V geeignete Pflegekräfte ("Pflegefachkräfte") anzusehen sind. Nach der Rechtsprechung des BSG sind die Anforderungen eines Versorgungsvertrags für einen Pflegedienst, der sämtliche Bereiche der häuslichen Krankenpflege nach §§ 132a Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 1 bis 3 SGB V, einschließlich aller Aufgaben der ("großen") Behandlungspflege, abdecken will, wegen der dabei häufig auftretenden gesundheitlichen Probleme der pflegebedürftigen Personen hoch anzusetzen (BSGE, a.a.O., S. 155 f.). Damit korrespondiert auch der Werbeauftritt der Klägerin (Homepage und Flyer), wonach sie ausschließlich mit festangestellten examinierten Kinderkrankenpflegefachkräften arbeitet, welche kontinuierlich weitergebildet werden. Nimmt man zugleich in den Blick, dass im konkreten Fall ein Kleinkind mit einer angeborenen rechtsseitigen Zwerchfellhernie zu betreuen war, das intensiver, zeitaufwendiger Behandlungspflege bedurfte, kann nicht zweifelhaft sein, dass nach der Interessenlage der Parteien und dem Vertragszweck der Einsatz von staatlich anerkannten Kinderkrankenpflegefachkräften als vertragliche Leistung geschuldet war.
Rz. 19
Vor diesem Hintergrund kommt es für die Berechtigung der geltend gemachten Pflegevergütung entscheidend darauf an, ob die in Bulgarien ausgebildete und im Wesentlichen mit der Pflege des Kindes betraute Kinderkrankenschwester S. hinreichend qualifiziert war. Dazu fehlen bislang tragfähige Feststellungen. Das Berufungsgericht hat es vielmehr dahinstehen lassen, ob das als Anlage K 20 in Übersetzung vorgelegte Diplom der Medizinischen Fachschule in H. vom 20.5.2002 mit der Fachrichtung "Kinderkrankenschwester" in Deutschland anerkannt werden kann bzw. Frau S. nach § 19 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 5 Satz 1 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege zur Ausübung des Berufs einer Kinderkrankenpflegerin berechtigt ist. Verneinendenfalls können die von ihr erbrachten Pflegeleistungen nicht abgerechnet werden. Eine bereits bezahlte Vergütung könnte nach § 326 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BGB bzw. § 280 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 283 Satz 1 BGB zurückgefordert werden (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.2006 - III ZR 167/05, NJW 2006, 1276 Rz. 18), da wegen unzureichender Qualifikation der Pflegekraft nach gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen nicht abrechnungsfähige Pflegeleistungen keinen wirtschaftlichen Wert verkörpern (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 25.1.2012 - 1 StR 45/11, BGHSt 57, 95 Rz. 81, 86) und die Dienste auch nicht nachgeholt werden können. Bei bewusst wahrheitswidriger Täuschung darüber, Pflegepersonal eingesetzt und beschäftigt zu haben, das die vertraglich vereinbarte Qualifikation aufwies, kommt auch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 16.6.2014 - 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rz. 17 ff.).
Rz. 20
2. Soweit die Revision geltend macht, die von Frau S. erbrachten Pflegeleistungen seien schon deshalb nicht zu vergüten, weil sie auch qualitativ unbrauchbar gewesen seien und das betreute Kind sich während der zweijährigen Laufzeit des Vertrags in latenter Lebensgefahr befunden habe, vermag sie hingegen damit nicht durchzudringen.
Rz. 21
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen werden, beanstandete die Beklagte die erbrachten Pflegedienste während der Vertragslaufzeit nicht. Auch in dem Kündigungsschreiben vom 1.11.2012 stellte sie die Qualität der Pflegeleistungen nicht in Frage. Die Beklagte bekräftigte vielmehr, die noch offenen Rechnungsposten schnellstmöglich auszugleichen. Während der Pflegephase verbesserte sich der Gesundheitszustand des Kindes erheblich, ohne dass es infolge unzureichender Qualifikation der Pflegekräfte zu krisenhaften Entwicklungen gekommen ist. Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen in ihrer Qualität so gemindert waren, dass sie - unabhängig von der (möglicherweise) fehlenden Abrechenbarkeit wegen der (etwaig) mangelnden Qualifikation der Frau S. - bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Beklagte wertlos und daher einer Nichtleistung gleichzustellen waren mit der Folge, dass die Beklagte die vereinbarte Vergütung nach §§ 614, 320, 326 Abs. 1 BGB nicht bezahlen musste (vgl. Senatsurteil vom 23.2.2006, a.a.O.; BGH, Beschl. v. 16.6.2014, a.a.O., Rz. 31 m.w.N.). Eine bloße Schlechtleistung würde nicht zur Kürzung des Vergütungsanspruchs führen, da dem Dienstvertragsrecht eine Minderung der vertraglichen Vergütung fremd ist (BGH, Urt. v. 7.3.2002 - III ZR 12/01, NJW 2002, 1571, 1572; BGH, Urt. v. 15.7.2004 - IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817 jeweils m.w.N.).
III.
Rz. 22
Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO). Das OLG hat nunmehr die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu der umstrittenen Qualifikation der Pflegekraft S. zu treffen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob die erbrachten Pflegeleistungen nach den vertraglichen Bestimmungen abrechnungsfähig waren.
Fundstellen