Verfahrensgang
LG Bonn (Entscheidung vom 09.11.2006; Aktenzeichen 6 S 227/06) |
AG Bonn (Entscheidung vom 29.06.2006; Aktenzeichen 6 C 189/06) |
Tatbestand
Die Kläger vermieteten dem Beklagten mit Vertrag vom 20. Oktober 2005 ab dem 1. Dezember 2005 eine Wohnung in W. zu einer monatlichen Miete von 210 EUR zuzüglich einer Betriebskostenvorauszahlung von 95 EUR. Nachdem der Beklagte die Miete für Februar und März 2006 sowie eine vertraglich vereinbarte Kaution von 500 EUR nicht gezahlt hatte, kündigten die Kläger mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 15. März 2006 das Mietverhältnis fristlos und forderten den Beklagten vergeblich auf, die Wohnung bis zum 29. März 2006 geräumt an sie herauszugeben und den rückständigen Betrag in Höhe von insgesamt 1.110 EUR zu zahlen.
Mit ihrer nachfolgenden Räumungs- und Zahlungsklage haben die Kläger vom Beklagten auch die Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten für die fristlose Kündigung in Höhe von 373,98 EUR nebst Zinsen verlangt.
Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Räumung und Zahlung von 1.110 EUR sowie zur Zahlung weiterer 198,59 EUR für die durch die anwaltliche Kündigung vorprozessual entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt. Hinsichtlich der weitergehend geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten von 175,39 EUR hat es die Klage abgewiesen. Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Erstattung der restlichen vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger hat Erfolg.
Über das Rechtsmittel ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
I. Das Berufungsgericht (LG Bonn ZMR 2007, 374) hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:
Den Klägern stehe der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Kosten nur in Höhe von 198,59 EUR zu, weil ihnen ein weitergehender ersatzfähiger Schaden wegen der teilweisen Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr nicht entstanden sei. Für den Ausspruch der Kündigung hätten die Prozessbevollmächtigten der Kläger insgesamt 373,98 EUR verdient (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) aus einem Gegenstandswert von 2.520 EUR, 0,3 Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG, 20 EUR Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und 16 % Umsatzsteuer aus den vorgenannten Beträgen nach Nr. 7008 VV RVG). Die auf den Satz von 1,6 erhöhte Geschäftsgebühr sei nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 VV RVG zur Hälfte, also mit einem Gebührensatz von 0,8, auf die Verfahrensgebühr des vorliegenden Rechtsstreits anzurechnen.
Der Ausspruch einer Kündigung und der anschließende Räumungsrechtsstreit beträfen denselben Gegenstand. Deshalb sei die für den Ausspruch der Kündigung verdiente Geschäftsgebühr teilweise auf die Verfahrensgebühr des anschließenden Räumungsrechtsstreits anzurechnen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Zwar ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts, der mit dem Ausspruch der Kündigung beauftragt ist, das Räumungsverlangen des Vermieters und somit denselben Gegenstand betrifft wie eine spätere gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der Räumungsklage (Senatsurteil vom 14. März 2007 - VIII ZR 184/06, NJW 2007, 2050 = NZM 2007, 396 unter II 2 b).
2. Wie der Bundesgerichtshof (Senatsurteil vom 7. März 2007 - VIII ZR 86/06, NJW 2007, 2049 = NZM 2007, 397) - nach Erlass der Entscheidung des Berufungsgerichts - aber bereits entschieden hat, führt die in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG angeordnete Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens zu einer Reduzierung der letztgenannten Gebühr. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung erfolgt die Anrechnung auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens, so dass sich nicht die vorgerichtliche Geschäftsgebühr, sondern die Verfahrensgebühr im Umfang der Anrechnung reduziert. Diese Anrechnung ist erst im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 14. März 2007, aaO., unter II 2 d).
Soweit prozessökonomische Gründe für den umgekehrten Weg der hälftigen Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr sprechen mögen (beispielsweise: KG JurBüro 2006, 202; OVG NRW NJW 2006, 1991), weil die vorgerichtliche Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG - anders als die Verfahrensgebühr - nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO berücksichtigt werden kann, rechtfertigt dies nicht, das Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden.
Den Klägern steht daher gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung weiterer 175,39 EUR nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB zu, da ihnen insgesamt ein verzugsbedingter Schaden in Höhe der ihren Prozessbevollmächtigten zustehenden Vergütung von 373,98 EUR für die fristlose Kündigung entstanden ist. Der Beklagte befand sich mit Mietzahlungen für zwei Monate in Verzug. Auf dieser Pflichtverletzung beruhte die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Kläger zur außergerichtlichen Wahrnehmung ihrer Interessen, insbesondere zur Erklärung der - gemäß § 543 Abs. 1, 2 Nr. 3 Buchst. a BGB berechtigten - fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses.
III. Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist zur Endentscheidung reif, da es keiner weiteren Feststellungen bedarf (§ 563 Abs. 3 ZPO). Der Beklagte ist unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Versäumnisurteils zur Zahlung weiterer 175,39 EUR zu verurteilen.
Fundstellen