Leitsatz (amtlich)
Zur Frage
- der Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung eines Geschäftsführer-Anstellungsvertrags,
- der Bindung des Gerichts an die Anträge der Parteien.
Normenkette
BGB §§ 140, 626; ZPO § 308
Verfahrensgang
Thüringer OLG |
LG Meiningen |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Teilurteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. September 1997 insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Feststellung zurückgewiesen worden ist, daß das Dienstverhältnis zwischen dem Kläger und der Gesamtvollstreckungsschuldnerin zum 31. Juli 1995 beendet worden ist.
Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts Meiningen vom 24. Oktober 1996 zu Ziff. 1 des Urteilstenors teilweise abgeändert.
Die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen der Gesamtvollstreckungsschuldnerin vom 6. Juli und 7. Dezember 1995 werden für nichtig erklärt, soweit das Dienstverhältnis des Klägers fristlos gekündigt worden ist.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 14 % und der Beklagte zu 86 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, Gesellschafter der Gesamtvollstreckungsschuldnerin, wendet sich mit seiner Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse ihrer Gesellschafterversammlung vom 6. Juli und 7. Dezember 1995. Diese hat unter TOP 2 mit dem Beschluß vom 6. Juli 1995 die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Gesamtvollstreckungsschuldnerin aus wichtigem Grund widerrufen und die fristlose Kündigung seines Anstellungsverhältnisses ausgesprochen. Mit dem Beschluß vom 7. Dezember 1995 hat die Gesellschafterversammlung die aus wichtigem Grund erfolgte Abberufung des Klägers und die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages bestätigt.
Das Landgericht hat – unter Klageabweisung im übrigen – festgestellt, daß die Beendigung des Anstellungsvertrages am 31. Juli 1995 eingetreten ist. Es ist davon ausgegangen, daß der Gesamtvollstreckungsschuldnerin zwar ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung des Anstellungsvertrages zugestanden hat, die Kündigung jedoch nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB vorgenommen worden ist. Es hat die außerordentliche in eine ordentliche Kündigung umgedeutet und ist unter Anwendung des § 621 Nr. 3 BGB zu dem Ergebnis gelangt, daß das Anstellungsverhältnis zum 31. Juli 1995 beendet worden ist. Zu der von der Gesamtvollstreckungsschuldnerin erhobenen Widerklage auf Rückzahlung von Gehalt, Zustimmung zur Grundbuchberichtigung, Auskunft über Provisions-, Gewinnanteil- und Mieteinnahmen sowie Feststellung der Verpflichtung des Klägers zum Schadenersatz hat es lediglich dem Grundbuchberichtigungsantrag entsprochen.
Das Berufungsgericht hat das gegen die Klageabweisung gerichtete Rechtsmittel des Klägers durch Teilurteil zurückgewiesen. In Übereinstimmung mit dem Landgericht hat es die fristlose Kündigung wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB als unwirksam angesehen und die außerordentliche in eine ordentliche Kündigung mit dem Ergebnis der Beendigung des Anstellungsvertrages zum 31. Juli 1995 umgedeutet.
Der Senat hat die Revision des Klägers nur insoweit angenommen, als sein Anstellungsverhältnis betroffen ist. Dieser macht weiterhin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat im Umfange ihrer Annahme Erfolg. Die von der Gesellschafterversammlung der Gesamtvollstreckungsschuldnerin ausgesprochene fristlose Kündigung des mit dem Kläger geschlossenen Anstellungsvertrages ist unwirksam. Die Feststellung der Beendigung des Anstellungsverhältnisses durch ordentliche Kündigung durfte das Berufungsgericht nicht treffen.
1. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht festgestellt, daß die von der Gesellschafterversammlung der Gesamtvollstreckungsschuldnerin ausgesprochene fristlose Kündigung wegen Versäumung der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB unwirksam ist. Diese Feststellung hat die Revisionserwiderung nicht angegriffen. Sie ist daher für den Senat bindend. Dem Antrag des Klägers, die von der Gesellschafterversammlung nach Ablauf der Ausschlußfrist gefaßten Beschlüsse vom 6. Juli und 7. Dezember 1995 für nichtig zu erklären, war daher stattzugeben.
Der Kläger hat zwar auch beantragt festzustellen, daß das Dienstverhältnis zwischen ihm und der Gesamtvollstreckungsschuldnerin weder durch den Beschluß vom 6. Juli 1995 noch durch das ihm aufgrund des Beschlusses vom 7. Dezember 1995 zugesandte Kündigungsschreiben vom 20. Dezember 1995 beendet worden ist, sondern fortbesteht. Über diese Anträge durfte jedoch nicht entschieden werden, weil sie nur hilfsweise für den Fall gestellt worden sind, daß den Anträgen, die Kündigungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlung der Gesamtvollstreckungsschuldnerin für nichtig zu erklären, nicht entsprochen wird.
2. Das Berufungsgericht hat – ebenso wie das Landgericht – den Beschluß vom 6. Juli 1995 über die außerordentliche Kündigung nach § 140 BGB in eine ordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses zum 31. Juli 1995 umgedeutet. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Die Feststellung der Beendigung des Anstellungsvertrages durch ordentliche Kündigung hat der Kläger nicht angestrebt. Er hat keinen entsprechenden Hauptantrag gestellt. Aus seinem Vorbringen kann auch nicht entnommen werden, daß er ein solches Begehren verfolgt und sein Klageantrag dementsprechend auszulegen wäre.
Der Beklagte hat zwar in der Berufungsinstanz zum Ausdruck gebracht, daß er die Entscheidung des Landgerichts, die Beendigung des Dienstverhältnisses für den 31. Juli 1995 festzustellen, billigt. Er hat jedoch keinen entsprechenden Widerklageantrag gestellt; im Rahmen der Widerklageanträge, mit denen er zur Sache verhandelt hat, kann seine Ansicht im Wege der Antragsauslegung jedoch nicht berücksichtigt werden.
Darüber hinaus führen auch Grundsätze des materiellen Rechts dazu, daß die Umdeutung einer außerordentlichen in eine ordentliche Kündigung im vorliegenden Falle nicht in Betracht kommt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sie bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung dann vorgenommen werden, wenn nach der Sachlage anzunehmen ist, daß die ordentliche Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung gegenüber dem Kündigungsempfänger erkennbar zum Ausdruck kommt (vgl. zuletzt Sen.Urt. v. 8. September 1997 – II ZR 165/96, ZIP 1997, 1882, 1883). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, weil unter Berücksichtigung der auf den Kläger entfallenden Stimmenanteile (153.600) nach der im Gesellschaftsvertrag der Gesamtvollstreckungsschuldnerin getroffenen Regelung keine Mehrheit für eine ordentliche Kündigung zustande gekommen wäre. Nach § 7 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages faßt die Gesellschafterversammlung ihre Beschlüsse grundsätzlich mit einer Mehrheit von 51 % des „stimmberechtigten Kapitals”. Es kann offenbleiben, ob man unter dem „stimmberechtigten Kapital” die Anteilealler Gesellschafter oder nur das in der Gesellschafterversammlungvertretene Stammkapital versteht. Denn in keinem Falle würde sich nach dem Ergebnis der über die außerordentliche Kündigung vorgenommenen Abstimmung unter Berücksichtigung der auf den Kläger entfallenden Stimmen die für eine ordentliche Kündigung erforderliche Mehrheit von 51 % der Stimmen ergeben. Legt man der Berechnung alle Stammkapitalanteile zugrunde, entsprechen einer Mehrheit von 51 % 613.173 Stimmen; geht man von dem „vertretenen Kapital” aus, ist eine Mehrheit von 578.799 Stimmen erforderlich. Da bei der Abstimmung über die außerordentliche Kündigung nur 578.600 Ja-Stimmen gezählt worden sind, wäre bei der Abstimmung über die ordentliche Kündigung eine Mehrheit von 51 % in keinem Falle erreicht worden. Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, daß eine ordentliche Kündigung dem Willen der Gesellschafterversammlung als dem für die Kündigung zuständigen Organ entspricht.
3. Da es keiner weiteren Feststellungen zum Sachverhalt bedarf, ist der Senat in der Lage, über den Antrag des Klägers selbst zu entscheiden. Nach dem der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalt ist der Klage im Umfang der Annahme stattzugeben.
Die Kostenentscheidung für das Revisionsverfahren beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat das Berufungsgericht in seiner Schlußentscheidung zu befinden.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.02.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2000, 631 |
DB 2000, 766 |
DStR 2000, 526 |
DStZ 2000, 311 |
EBE/BGH 2000, 93 |
GmbH-StB 2000, 95 |
NJW-RR 2000, 987 |
EWiR 2000, 519 |
NZA 2000, 430 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 623 |
WuB 2000, 599 |
ZIP 2000, 539 |
JA 2000, 737 |
MDR 2000, 655 |
GmbHR 2000, 376 |
JAR 2000, 160 |