Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwaltungshelfer. Haftung. Rückgriffsbeschränkung
Leitsatz (amtlich)
Die Rückgriffsbeschränkung in Art. 34 S. 2 GG auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gilt nicht für als Verwaltungshelfer herangezogene selbstständige private Unternehmer.
Normenkette
GG Art. 34
Verfahrensgang
OLG Stuttgart (Urteil vom 22.01.2004; Aktenzeichen 13 U 124/03) |
LG Stuttgart |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 22.1.2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land nimmt die Beklagte im Wege des Rückgriffs auf Freistellung von Amtshaftungsforderungen Dritter in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Beklagte ist Inhaberin einer vom Regierungspräsidium S. erteilten Erlaubnis, Hirnstammproben von Rindern mittels eines "BSE-Schnelltests" auf die Erreger der Bovinen spongiformen Enzephalopathie (BSE) zu untersuchen. Mit der Durchführung derartiger Prüfungen, die nach § 1 Abs. 1, § 22a Fleischhygienegesetz i.V.m. § 1 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE v. 1.12.2000 (BGBl. I, 1659 - BSE-Untersuchungsverordnung - in der hier maßgeblichen Fassung der Verordnung v. 23.5.2001, BGBl. I, 982) gesetzlich dem amtlichen Tierarzt obliegen, wurde die Beklagte von den Landratsämtern S. und S. -B. -K. beauftragt. Nach der BSE-Untersuchungsverordnung müssen alle Rinder im Alter von über 24 Monaten untersucht werden. Bis das Ergebnis eines BSE-Schnelltests vorliegt, sind der Tierkörper, die Nebenprodukte der Schlachtung, das Blut und die Haut vorläufig sicherzustellen. Bei einem negativen Ergebnis des Tests ist die vorläufige Sicherstellung aufzuheben (§ 1 Abs. 2 und 3 Nr. 1 der Verordnung).
Am 11. und 12.2.2002 kontrollierten Vertreter des Klägers bei der Beklagten deren Testauswertungen. Den Prüfern erschienen eine Reihe von dokumentierten Testergebnissen, die als Original-Rohbilddateien vorlagen, zu hell und damit nicht auswertbar. Grund war, dass im EDV-System der Beklagten der "Autoscale" nicht eingestellt war, eine abrufbare Software-Variante, die automatisch die Helligkeit herunterregelt. Wegen der Unklarheiten wurde das getestete Fleisch bei den Unternehmen sichergestellt. Nachdem sich in einer erneuten Überprüfung herausgestellt hatte, dass die Testergebnisse der Beklagten doch verwertbar waren und deren Beurteilung als "negativ" richtig gewesen war, gab das klagende Land das sichergestellte Fleisch frei. Zu einem Teil war es allerdings zwischenzeitlich verdorben. Dessen Eigentümer machen darum Amtshaftungsansprüche i.H.v. 7.998,17 EUR und 1.217,33 EUR gegen das Land geltend.
Mit der vorliegenden Klage begehrt das Bundesland seinerseits ggü. der Beklagten Freistellung von den erhobenen Ansprüchen sowie die Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet sei, die ihm oder den Landkreisen S. und S. -B. -K. - insoweit in gewillkürter Prozess-Standschaft - infolge der vorübergehenden Nichtauswertbarkeit der Testergebnisse entstanden sind oder noch entstehen werden.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet die Beklagte dem klagenden Land entsprechend Art. 34 S. 2 GG nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Dieses Haftungsprivileg komme auch der Beklagten zugute, weil sie die Untersuchungen als Beamter im haftungsrechtlichen Sinn (Verwaltungshelfer) innerhalb hoheitlicher Tätigkeit übernommen und dabei Feststellungen ohne ein Ermessen zu treffen gehabt habe. Für die Beschränkung des Rückgriffs nach Art. 34 S. 2 GG genüge es, die Voraussetzungen des Art. 34 S. 1 GG zu bejahen; einer zusätzlichen Begründung durch Normzweck und Interessenlage bedürfe es nicht. Das erscheine auch aus der Sicht des Verwaltungshelfers geboten, weil er nur so das übernommene Eigenrisiko sicher abschätzen könne. Auch in formaler Hinsicht erscheine es nahe liegend, dass eine vom Grundgesetz gewährte Rechtsposition nicht durch einfache Auslegung verkürzt werden könne, sondern dass es dazu einer gesetzlichen Regelung bedürfe.
Die Beklagte habe den Schaden jedenfalls nicht grob fahrlässig verursacht. Außerdem habe es sich bei der Überprüfung der Testergebnisse nicht um eine von der Beklagten geschuldete, sondern um eine dem Kläger selbst obliegende Tätigkeit gehandelt. Der damit befasste Angestellte der Beklagten habe bei der Vorführung deshalb nicht als deren Erfüllungsgehilfe gehandelt.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Für die schuldhafte Verletzung von Pflichten in dem zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnis haftet die Beklagte dem Kläger grundsätzlich nach den Regeln über die Leistungsstörungen auf Schadensersatz, ohne Rücksicht darauf, ob dieser Vertrag als Dienst- oder Werkvertrag anzusehen ist oder ob er, wie das LG gemeint hat, dem öffentlichen Recht angehört. Weder ein Verstoß gegen vertragliche Nebenpflichten noch ein Verschulden auf Seiten der Beklagten lässt sich nach dem für die Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Klagevorbringen verneinen; gegenteilige tatsächliche Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Revision rügt mit Recht, dass es schon auf der Grundlage des Erlaubnisbescheids v. 21.12.2001 zu den vertraglichen Pflichten der Beklagten zählte, das Ergebnis der von ihr durchgeführten Untersuchungen zu dokumentieren und Nachweis hierüber zu führen. Infolgedessen gehörte es auch zum Kreis der ihr obliegenden Aufgaben und war nicht etwa, wie das Berufungsgericht meint, Sache des Klägers, die gewonnenen Testergebnisse bei behördlichen Kontrollen überprüfbar darzustellen.
Der Kläger hat behauptet, die von der Beklagten am 11. und 12.2.2002 den Prüfern präsentierten Bilder seien infolge von Bedienungsfehlern nicht aussagekräftig gewesen. Davon muss der Senat ausgehen.
2. Auch auf das Haftungsprivileg des Art. 34 S. 2 GG kann sich die Beklagte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht berufen.
a) Mit Recht hat das OLG allerdings die Beklagte bei der Durchführung und Auswertung der BSE-Schnelltests als Amtsträger und "Beamten" i.S.d. § 839 BGB und des Art. 34 S. 1 GG angesehen. Haftungsrechtlich ist hiernach Beamter jeder, den der Bund, ein Land oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft mit öffentlicher Gewalt ausgestattet hat, ohne Rücksicht darauf, ob ihm staatsrechtliche Beamteneigenschaft zukommt. Beamte in diesem Sinne können deshalb auch Private oder private Unternehmer sein, wenn sie von einem Verwaltungsträger im Wege der Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben betraut worden sind, im Einzelfall aber auch bei bloßen Hilfstätigkeiten im Rahmen öffentlicher Verwaltung (Verwaltungshelfer) (zum Ganzen Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 13 ff.). Soweit Verwaltungshelfer von der öffentlichen Hand durch freie Dienst- oder Werkverträge oder ähnliche Vertragsverhältnisse herangezogen werden, ist darauf abzustellen, wer Vertragspartner des Verwaltungsträgers ist. Insofern kommen auch juristische Personen des Privatrechts haftungsrechtlich als "Beamte" in Betracht (a.A. Heintzen, VVDStRL 62 [2003]; VVDStRL 220 [254m. Fn. 173]).
Nach diesen Maßstäben war die Beklagte - anders als der amtlich anerkannte Sachverständige für den Kraftfahrzeugverkehr (BGHZ 49, 108), der mit der Vorprüfung einer überwachungsbedürftigen Anlage betraute TÜV-Sachverständige (BGH, Urt. v. 25.3.1993 --III ZR 34/92, BGHZ 122, 85 = MDR 1993, 1184) oder ein Prüfer bei der Nachprüfung der Lufttüchtigkeit eines Luftfahrtgeräts (BGH, Urt. v. 22.3.2001 --III ZR 394/99, BGHZ 147, 169 = MDR 2001, 868 = BGHReport 2001, 493) - zwar nicht Beliehene, da alle zur Durchführung der BSE-Untersuchungsverordnung erforderlichen Verwaltungsakte in der Zuständigkeit des amtlichen Tierarztes verblieben und die Beklagte gerade in den kritischen Fällen (bei positiven oder nicht eindeutig negativen Befunden) das weitere Vorgehen den staatlichen Behörden zu überlassen hatte, ihr darum kein eigener Entscheidungsraum verblieb. Die Beklagte war jedoch in dem oben beschriebenen Sinne (selbstständiger) Verwaltungshelfer. Davon gehen auch die Parteien aus. Nach der Rechtsprechung des Senats kann sich die öffentliche Hand jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung, wie hier, der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer von ihr angeordneten Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt. Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen den übertragenen Tätigkeiten und der von der Behörde zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Unternehmers ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (BGH v. 21.1.1993 - III ZR 189/91, BGHZ 121, 161 [165 f.] = MDR 1993, 850 - Abschleppunternehmer; s. auch - abgrenzend - BGH, Urt. v. 27.1.1994 - III ZR 158/91, BGHZ 125, 19 [24 f.] = MDR 1994, 1091 - planender Ingenieur; Urt. v. 26.6.2001 - X ZR 231/99, MDR 2001, 1164 = BGHReport 2001, 782 = NJW 2001, 3115 [3117] - zur Sonderprüfung eines Kreditinstituts durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft). Diese Voraussetzungen sind auch bei einem mit der Durchführung von BSE-Tests betrauten privaten Labor gegeben. Dessen Prüfungen enthalten einen unverzichtbaren Teil der dem Staat obliegenden Überwachung nach dem Fleischhygienegesetz und der ausführenden BSE-Untersuchungsverordnung und sind von dieser nicht zu trennen. Wenn die Beklagte auch selbst keine Verwaltungsakte erlässt und, wie der Kläger in anderem Zusammenhang vorgetragen hat, zu den Adressaten der Verwaltungsakte weder unmittelbar noch mittelbar in Rechtsbeziehungen tritt, so ist doch bei einem negativen Testergebnis, wie regelmäßig, die Entscheidung praktisch gefallen. Infolgedessen erscheint die Tätigkeit des privaten Labors als Bestandteil der staatlichen Verwaltung.
b) Nach Art. 34 S. 2 GG bleibt der an Stelle des an sich verantwortlichen Beamten in die Haftung eintretenden öffentlich-rechtlichen Körperschaft (Art. 34 S. 1 GG) - nur - bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Rückgriff vorbehalten. Wortlaut und systematischer Zusammenhang dieser aufeinander bezogenen Regelungen legen es allerdings nahe, die Haftungsbegrenzung mit den Vorinstanzen auf alle Amtsträger i.S.d. S. 1 zu beziehen. Dem stehen jedoch die Entstehungsgeschichte und vor allem Sinn und Zweck der Bestimmung entgegen. Der Senat hält deswegen für den Fall, dass der Staat durch freie Dienst- oder Werkverträge oder ähnliche Vertragsgestaltungen selbstständigen Privatunternehmern in beschränktem Umfang die Erfüllung hoheitlicher Verwaltungsaufgaben überträgt, eine einschränkende Auslegung oder eine teleologische Reduktion für geboten. Dass es sich um eine Verfassungsnorm handelt, bedeutet entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Hindernis. Für selbstständige private Unternehmer gilt daher die Rückgriffsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit nicht (ebenso U. Stelkens, JZ 2004, 656 [660 f.]; ähnlich Quantz, VersR 2004, 1244 [1248]; undifferenziert hingegen für Anwendung des Art. 34 S. 2 auf alle Verwaltungshelfer beispielsweise Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., S. 120; Erman/J. Hecker, BGB, 11. Aufl., § 839 Rz. 95; Soergel/Vinke, BGB, 12. Aufl., § 839 Rz. 262).
aa) Mit Art. 34 GG folgt das Grundgesetz dem Vorbild des Art. 131 der Weimarer Reichsverfassung. Art. 131 Abs. 1 S. 2 WRV enthielt für den Rückgriff gegen den Beamten freilich noch keine Einschränkungen. Die Weimarer Verfassung überließ vielmehr auch insoweit die näheren Regelungen der zuständigen Gesetzgebung (Art. 131 Abs. 2). Eine gesetzliche Beschränkung des staatlichen Regresses auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit findet sich reichsweit erstmals in § 23 des Deutschen Beamtengesetzes v. 26.1.1937 (RGBl. I, 39), und zwar in Abs. 2 für die staatsrechtlichen Beamten und in Abs. 4, wenn "eine Person, die nicht Beamter im Sinne dieses Gesetzes ist, in Ausübung der ihr anvertrauten öffentlichen Gewalt ihre Amtspflicht verletzt hat". Mit dieser Ausdehnung auf andere Amtsträger sollten indes nach dem damaligen Verständnis lediglich die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes in die Haftungsprivilegierung einbezogen werden (Brand, Das deutsche Beamtengesetz, 4. Aufl., 1942, § 23 Rz. 1), zumal auch das RG nur Organmitglieder oder abhängig Beschäftigte als Amtsträger i.S.d. § 839 BGB und des Art. 131 WRV anerkannt hatte (RGZ 104, 257 - Arbeiter- und Soldatenräte; RGZ 105, 334 - Unterwachtmeister der Sicherheitswehr; 118, 241 - Kanzleiangestellter; RGZ 142, 190; RGZ 158, 95 - Feld- und Forsthüter; RGZ 159, 235 - Nachtwächter; RGZ 164, 1 - Soldat). Auch der Parlamentarische Rat hatte ausweislich der Materialien bei der Regelung des Rückgriffs nach Art. 34 S. 2 GG allein die Beamten und die ihnen gleichzustellenden Angestellten des öffentlichen Dienstes vor Augen (JöR 1 n.F. S. 329; hierzu U. Stelkens, JZ 2004, 656 [661]; Quantz, VersR 2004, 1244 [1245]).
bb) Die verfassungsrechtliche Limitierung der Innenhaftung bei haftungsrechtlichen Beamten nach Art. 34 S. 2 GG beruht zum einen auf dem Gedanken, deren Entschlussfähigkeit und Entschlussfreudigkeit, insb. bei Eilmaßnahmen, zu fördern (Abgeordneter Dr. Schmid, JöR 1 n.F. S. 328 f.; Amtliche Begründung zum Deutschen Beamtengesetz, abgedr. bei H. Daniels, Deutsches Beamtengesetz v. 26.1.1937, S. 19), und zum anderen auf dem Gebot der Fürsorge ggü. den öffentlichen Bediensteten (Bonner Kommentar/Dagtoglou, GG, Art. 34 Rz. 349 f.; v. Danwitz in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 34 Rz. 125); in dem letztgenannten Punkt besteht eine Parallele zu den arbeitsrechtlichen Haftungserleichterungen für Arbeitnehmer (BAG v. 27.9.1994 - GS 1/89 (A), MDR 1995, 135 = CR 1995, 99 = NJW 1995, 210; BAGE 101, 107; BGH, Urt. v. 11.3.1996 - II ZR 230/94, MDR 1996, 717 = NJW 1996, 1532). Beide normativen Zielsetzungen erstrecken sich unmittelbar nur auf die staatsrechtlichen Beamten, die Richter, Soldaten und Zivildienstleistenden sowie auf die Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes; das findet seinen Niederschlag einfachrechtlich in den entsprechenden gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen (§ 46 Abs. 1 S. 1 BRRG, § 78 Abs. 1 S. 1 BBG, § 24 Abs. 1 S. 1 SoldG, § 34 Abs. 1 Satz ZDG, § 14 BAT). Die Zweckrichtung der Norm bezieht in ihren Anwendungsbereich darüber hinaus indes auch unselbstständige Verwaltungshelfer ein, soweit ihnen ggü. eine ähnliche Fürsorgepflicht besteht, wie etwa beim Turnunterricht hilfeleistende Schüler (BGH, Urt. v. 3.7.1958 - III ZR 88/57, VersR 1958, 705) oder Schülerlotsen (OLG Köln NJW 1968, 655); in solchen Fällen kann der Innenregress allerdings auch schon einfachrechtlich ausgeschlossen sein (vgl. § 106 SGB VII). Der Senat hat außerdem aus ähnlichen Überlegungen die Innenhaftung einer privatrechtlich organisierten Beschäftigungsstelle des Zivildienstes bei dem Unfall eines Zivildienstleistenden gleichfalls auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt (BGH v. 15.5.1997 - III ZR 250/95, BGHZ 135, 341 [347 f.]), während auf der anderen Seite § 10 Abs. 4 des Kraftfahrsachverständigengesetzes v. 22.12.1971 (BGBl. I, 2086) dem Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr eine vollständige Haftungsfreistellung des Bundeslandes abverlangt (BGH, Urt. v. 25.3.1993 - III ZR 34/92, BGHZ 122, 85 [88 f.] = MDR 1993, 1184).
Über derartige Sachverhalte ist hier nicht zu entscheiden. Im Streitfall besteht keine Rechtfertigung für eine entsprechende Haftungserleichterung. Deren Zweck, die Entschlussfreudigkeit und Schlagkraft der öffentlichen Verwaltung zu stärken, spielt bei einem als Verwaltungshelfer herangezogenen privaten Unternehmer von vornherein keine Rolle, weil eine solche Qualifizierung grundsätzlich nur dann in Betracht kommt, wenn ihm allenfalls geringe Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt sind (ebenso U. Stelkens, JZ 2004, 656 [661]; a.A. Würtenberger, JZ 1993, 1003 [1005] - für einen Abschleppunternehmer). Vor allem aber ist für den Fürsorgegedanken unter solchen Umständen kein Raum. Anders als ein abhängig Beschäftigter kann der gewerbliche Unternehmer über Art und Umfang seines Einsatzes selbst bestimmen; es steht ihm frei, die - jedenfalls im Regelfall auch versicherbaren (dazu BGH, Urt. v. 11.7.1978 - VI ZR 138/76, NJW 1978, 2502 [2503] zur Haftung des Abschleppunternehmers) - Haftungsrisiken einzugehen und deren Kosten in das von ihm geforderte Entgelt einzukalkulieren oder von der Übernahme der Tätigkeit abzusehen, wenn ihm das Risiko zu groß erscheint. Insofern besteht zwischen einer Mitwirkung des Unternehmers an hoheitlichen Aufgaben und der Ausführung von Dienst- oder Werkleistungen im fiskalischen Bereich, bei denen er nach den allgemeinen Regeln für jedes Verschulden haftet, kein wesentlicher Unterschied. Es fehlt deswegen an einem inneren rechtfertigenden Grund, den Unternehmer im Rahmen hoheitlicher Verwaltungsaufgaben von seiner vertraglichen Haftung auch nur teilweise freizustellen. Soweit der Wortlaut des Art. 34 S. 2 GG auch eine solche Fallgestaltung abdeckt, ist die Norm darum nach ihrem Sinn und Zweck entsprechend einzuschränken. Die Verwaltung mag hierdurch die Möglichkeit erhalten, eigene Haftungsrisiken durch eine "Flucht in die Privatisierung" zu vermeiden, was die Revisionserwiderung für bedenklich hält; sie erkauft dies jedoch durch eine in der Gegenleistung kalkulatorisch enthaltene Versicherungsprämie.
III.
Das klageabweisende Berufungsurteil kann nach alledem nicht bestehenbleiben. Der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung nicht in der Lage. Der Rechtsstreit ist deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur weiteren Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
Fundstellen
BGHZ 2005, 6 |
NJW 2005, 286 |
BGHR 2005, 20 |
EBE/BGH 2004, 1 |
EBE/BGH 2004, 370 |
JR 2005, 412 |
ZAP 2004, 1207 |
ZIP 2004, 2290 |
DÖD 2005, 207 |
DÖV 2005, 162 |
JA 2005, 246 |
JZ 2005, 568 |
JuS 2006, 570 |
VersR 2005, 362 |
ZfS 2005, 230 |
DVBl. 2005, 247 |
RdW 2004, 735 |
UPR 2005, 29 |
LL 2005, 406 |