Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofes zum grob fahrlässigen Organisationsverschulden des Spediteurs (vgl. BGHZ 129, 345 ff.) kommen nicht ohne weiteres zur Anwendung, wenn nicht wegen Verlustes, sondern wegen Beschädigung von Transportgut Schadensersatz verlangt wird.
Normenkette
ADSp § 51 Buchst. b S. 2 Fassung 1. Januar 1993
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.06.1999) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision des Klägers wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Juni 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Transportversicherer der C. GmbH in Elstal (im folgenden: C. GmbH), der V. AG in Berlin (im folgenden: V.-AG), der RF. GmbH in Düsseldorf (im folgenden: RF. GmbH), der S. KG in Bückeberg (im folgenden: S. KG) und der R. GmbH in Norderstedt (im folgenden: R. GmbH). Er nimmt die Beklagte, die einen Paketbeförderungsdienst betreibt, aus abgetretenem und übergegangenem Recht wegen Verlustes und Beschädigung von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Versicherungsnehmer des Klägers erteilen der Beklagten seit Jahren in erheblichem Umfang Beförderungsaufträge. Auch nach Eintritt der streitgegenständlichen Schadensfälle nahmen sie die Dienste der Beklagten weiter in Anspruch.
Allen Beförderungsverträgen lagen die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten in der zum jeweiligen Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung zugrunde, die u.a. folgende gleichlautenden bzw. sinngemäß gleichlautenden Bestimmungen enthielten:
Präambel
U. bietet mit den Servicearten
- U. STANDARD und U. STANDARD SAMMEL,
- U. EXPRESS und U. EXPRESS PLUS
Standard- und Express-Dienste für die Abholung und Zustellung von Sendungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland an. Die Beförderung erfolgt nach den Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp), soweit nachstehend nicht von den ADSp abweichende Regelungen getroffen worden sind.
…
3. Wertangabe
Die Wertangabe des Versenders ist maßgeblich für den Umfang der Beförderungskontrollen und die Schadensabwicklung. Deswegen ist eine korrekte Wertangabe unerläßlich. Sofern auf dem Absendebeleg kein höherer Wert angegeben ist, gilt für jedes Versandstück eine Wert- und Haftungsgrenze von 500,– DM. Der Versender kann eine höhere Wertgrenze, höchstens jedoch 15.000,– DM (international US-Dollar 50.000) angeben und damit eine entsprechend höhere Haftung vereinbaren, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: …
16. Haftung
16.1
Sofern keine höhere Wertangabe durch den Versender vorgenommen wurde, haftet U. bei Verschulden für Verlust, Beschädigung, Verzug oder Nachnahmefehler bis zur Höhe von 500,– DM pro Versandstück. Die Anwendung der §§ 39-41 ADSp ist ausgeschlossen. Ein Versicherungsschutz nach SVS/RVS besteht nicht.
16.4
Bei Verlust ist die Haftung von U. auf den Verkehrswert des beförderten Gutes, bei Beschädigung auf Ersatz der Schäden am beförderten Gut selbst, bei Verzug auf den unmittelbaren Verzugsschaden und bei Nachnahmefehlern auf den Ersatz des Nachnahmebetrags beschränkt.
16.5
Die vorstehenden Haftungsbeschränkungen gelten nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von U., ihrer gesetzlichen Vertreter oder Erfüllungsgehilfen.
Zwei der Versender, die S. KG und die R. GmbH, erklärten in den von ihnen abgeschlossenen Verträgen gegenüber der Beklagten „ihr ausdrückliches Einverständnis, daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen von U. nicht durchgeführt wird”.
Der Ablauf der Paketbeförderung, in deren Rahmen die reinen Transportleistungen nicht von der Beklagten, sondern von der zur gleichen Firmengruppe gehörenden, rechtlich selbständigen U. Transport GmbH erbracht wurden, war im einzelnen folgendermaßen organisiert: Bei der Übernahme vom Versender (Schnittstelle 1) war der Abholer gehalten, die Pakete zu zählen und die Angaben des Versenders auf dem Absendebeleg zu überprüfen. Stimmten die Angaben überein, quittierte der Abholer die Abholzeit und die Anzahl der von ihm übernommenen Pakete und brachte sie zu einer Sammelstelle der Beklagten (Center oder Hauptumschlagbasis), wo die Sendungen nach Bestimmungsorten sortiert und unter Aufsicht in verplombte Container verladen wurden (Schnittstelle 2). Bei der Schnittstellenkontrolle war der Container in einem Frachtbrief der U. Transport GmbH einzutragen, aus dem sich u.a. die Nummer der Plombe des Containers, sein Volumen und der Bestimmungsort ergaben. Anschließend beförderte die U. Transport GmbH die Container zur nächsten Hauptumschlagbasis für den Empfangsbezirk (Schnittstelle 3). Dort wurden die Container von Mitarbeitern der Beklagten entladen. Zuvor fand ein Vergleich der auf dem Frachtbrief angegebenen Plombennummer mit der Plombe des Containers statt. Sodann erfolgte die Sortierung der Sendungen nach ihren Bestimmungsorten und die Verladung in die Auslieferungsfahrzeuge. Das Zustellverzeichnis wurde unter Einsatz eines tragbaren Gerätes (sog. DIAD) mit Hilfe eines elektronischen Datenverarbeitungssystems geführt, wobei der Zusteller die Möglichkeit hatte, die Paketinformationen entweder mittels eines Scanners direkt vom Paketaufkleber zu erfassen oder manuell einzugeben. Schließlich quittierte der Empfänger den Empfang mit einem speziell entwickelten Stift auf dem Unterschriftsfeld des DIAD-Geräts (Schnittstelle 4).
Der Kläger begehrt Schadensersatz für insgesamt 24 Schadensfälle (Schadensfälle Nr. 1 und 2, 4 bis 24, 27), in denen die von den Versendern zwischen Mai 1995 und September 1996 aufgegebenen Pakete im Gewahrsamsbereich der Beklagten in Verlust gerieten. Im Schadensfall Nr. 3 wurde ein von der V.-AG versandtes Gerät im Gewahrsamsbereich der Beklagten irreparabel beschädigt. Die Schadensersatzforderungen bewegen sich in den jeweiligen Einzelfällen zwischen 699,– DM und 11.795,– DM. Wegen der Einzelheiten wird auf BU 7 bis 12 Bezug genommen. In allen Schadensfällen hatten die Versender den Wert der Versandstücke nicht angegeben, weshalb die Beklagte die Ersatzleistung unter Berufung auf Nr. 16.1 ihrer Beförderungsbedingungen auf jeweils 500,– DM beschränkt hat. Unter Anrechnung dieser Ersatzleistungen ergibt sich die Klageforderung von 120.160,14 DM.
Der Kläger hat seine Aktivlegitimation hauptsächlich auf § 67 VVG gestützt und behauptet, er habe seinen Versicherungsnehmern in allen einzeln aufgelisteten Transportschadensfällen den jeweiligen Restschaden ersetzt. Er hat die Auffassung vertreten, daß sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkung in ihren Beförderungsbedingungen berufen könne, da ihr ein grobes Organisationsverschulden zur Last falle.
Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 120.160,40 DM (richtig: 120.160,14 DM) nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten. Darüber hinaus hat die Beklagte im Berufungsverfahren (erstmals) in Abrede gestellt, daß der Kläger Transportversicherer der von ihm benannten Versender sei. Sie ist ferner der Ansicht, ihre unbeschränkte Inanspruchnahme verstoße jedenfalls gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, weil es ihren kaufmännischen Auftraggebern bewußt gewesen sei, daß die kurzen Beförderungszeiten und niedrigen Beförderungskosten zu einer Verringerung der Kontrollmaßnahmen führten. Zumindest müßten sich die Versender wegen der unterlassenen Wertangabe ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie, die Beklagte, dadurch über den wahren Wert der Sendungen getäuscht und daran gehindert worden sei, die Sendungen wertangemessen zu behandeln. Darüber hinaus hätten die S. KG und die R. GmbH in den abgeschlossenen Verträgen rechtswirksam auf eine schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation verzichtet. In den Schadensfällen Nr. 4 bis 16 und 20 bis 24 verhalte sich der Kläger auch deshalb rechtsmißbräuchlich, weil er im Rechtsstreit 21 U 86/97 vor dem OLG Frankfurt/Main mit der unter dem 2. November 1995 erhobenen Klage den Vorwurf des groben Organisationsverschuldens geltend gemacht habe. Gleichwohl hätten die Versender R. GmbH und RF. GmbH die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten unverändert fortgesetzt, wodurch es zu den genannten Schadensfällen gekommen sei. Der Kläger müsse sich als Rechtsnachfolger das Mitverschulden der Versender an der Schadensentstehung zurechnen lassen. Die Beklagte hat zudem hinsichtlich der Schadenspositionen 24 und 27 die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Klageabweisung im übrigen zur Zahlung von 118.111,14 DM nebst Zinsen verurteilt.
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Mit seiner (unselbständigen) Anschlußrevision begehrt der Kläger auch im Schadensfall Nr. 23 die vollständige Zuerkennung der Ersatzforderung. Beide Parteien beantragen, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat dem Kläger aus abgetretenem und übergegangenem Recht (§ 67 VVG) seiner Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 429 Abs. 1, § 413 Abs. 1 HGB (in der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Fassung, im folgenden: HGB a.F.) in Verbindung mit § 2 Buchst. a, § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp (Stand: 1.1.1993, im folgenden: ADSp a.F.) sowie Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten zuerkannt. Im Verlustfall Nr. 23 müsse sich der Kläger jedoch ein hälftiges Mitverschulden der Versenderin (R. GmbH) anrechnen lassen. Hierzu hat es ausgeführt:
Die zwischen den Versicherungsnehmern des Klägers und der Beklagten geschlossenen Verträge seien als Speditionsverträge zu qualifizieren, da in deren Mittelpunkt nicht das Transportergebnis, sondern die Organisation des Transports stehe. Die für den Güterfernverkehr zwingende Haftung nach der bis zum 30. Juni 1998 geltenden Kraftverkehrsordnung (im folgenden: KVO) greife nicht ein, da die Beklagte als Spediteur/Frachtführerin (§ 413 Abs. 1 HGB a.F.) die Beförderung auf der Fernverkehrsstrecke nicht gemäß § 1 Abs. 5 KVO selbst ausführe, sondern sich der Transportleistung fremder Frachtführer bediene.
Aufgrund der vorgelegten Abschriften der Versicherungsverträge stehe fest, daß der Kläger Transportversicherer der von ihm benannten Versender sei. Seine Aktivlegitimation für die Geltendmachung der Klageforderung folge im Schadensfall Nr. 27 aus der schriftlichen Abtretungserklärung der S. KG vom 12. Mai 1997 und im übrigen aus § 67 VVG, da in den bezeichneten Fällen auf der Grundlage der für jeden Einzelfall vorgelegten Bestätigungen der Mitarbeiter des Klägers feststehe, daß er den Schaden in der angegebenen Höhe ersetzt habe.
Die Beklagte könne sich nicht – wie das Berufungsgericht näher ausgeführt hat – mit Erfolg auf die Haftungsbeschränkungen gemäß §§ 54, 56 ADSp a.F. bzw. ihrer Beförderungsbedingungen berufen, weil sie nach § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. wegen grob fahrlässigen Organisationsverschuldens unbegrenzt hafte.
Der Kläger müsse sich kein Mitverschulden seiner Versicherungsnehmer wegen unterlassener Wertdeklaration anrechnen lassen. Die Beklagte habe in Nr. 16.5 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt, daß die in Nr. 16.1 vereinbarte Haftungsbegrenzung auf 500,– DM je Versandstück im Fall grober Fahrlässigkeit gerade nicht gelten solle. Es entstünde deshalb ein Wertungswiderspruch, wenn die ausdrücklich für unwirksam erklärte Haftungsbeschränkung über das Rechtsinstitut des Mitverschuldens wieder aufleben würde. Gleiches gelte für den von der Beklagten erhobenen Einwand des treuwidrigen Verhaltens.
Die Inanspruchnahme der Beklagten sei auch nicht deshalb treuwidrig, weil die Versender hätten erkennen müssen, daß kurze Beförderungszeiten und niedrige Beförderungskosten zwangsläufig zu Einschränkungen bei den Kontrollmaßnahmen führen müßten. Ohne konkrete Anhaltspunkte könne nicht davon ausgegangen werden, daß ein Versender, der die preisgünstigen Dienste der Beklagten in Anspruch nehme, auf die Einhaltung der von der Rechtsprechung geforderten Mindeststandards verzichte. Auch der Umstand, daß zwei Versender ihr schriftliches Einverständnis damit erklärt hätten, daß keine schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen durchgeführt werde, lasse das Klagebegehren nicht als rechtsmißbräuchlich erscheinen, da die Klausel unklar gefaßt sei: Es werde nicht deutlich, ob die Versender auf die Durchführung der Kontrolle selbst oder lediglich auf die schriftliche Dokumentation der Ein- und Ausgangskontrolle hätten verzichten wollen. Diese Unklarheit gehe gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Klauselverwenders. Schließlich stehe es der Geltendmachung des Schadensersatzes – mit Ausnahme des Schadensfalles Nr. 23 – nicht entgegen, daß die Versender die Dienste der Beklagten trotz bereits entstandener Verluste weiterhin in Anspruch genommen hätten.
Die Klageforderung sei nicht verjährt. Die einjährige Verjährungsfrist des § 414 HGB a.F. sei auch hinsichtlich des mit der Klageerweiterung vom 10. Juni 1997 geltend gemachten Schadensfalles Nr. 27 gem. § 209 Abs. 1 BGB i.V. mit § 270 Abs. 3 ZPO rechtzeitig unterbrochen worden.
II. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe der Parteien haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß dem Kläger wegen des Verlustes von Transportgut grundsätzlich vertragliche Ansprüche zustehen (A 1.). Es hat jedoch rechtsfehlerhaft verneint, daß wegen der fehlenden Wertdeklaration ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer des Klägers zu berücksichtigen ist (A 2.). Unzutreffend ist auch die Annahme, daß die Beklagte im Schadensfall Nr. 3, in dem es nicht um einen Verlust, sondern um eine Beschädigung geht, vertraglich auf vollen Schadensersatz haftet (A 3.).
Die Anschlußrevision des Klägers beanstandet mit Recht, daß die bisherigen tatrichterlichen Feststellungen die Annahme eines Mitverschuldens der R. GmbH im Schadensfall Nr. 23 wegen Fortsetzung der Geschäftsbeziehung zur Beklagten nach Eintritt von Schadensfällen nicht tragen (B).
A. Zur Revision der Beklagten
1. Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Schadensfälle Nr. 1 und 2 sowie 4 bis 24 und 27 die Voraussetzungen einer vertraglichen Haftung nach § 429 Abs. 1 HGB a.F. in Verbindung mit § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. und Ziff. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten bejaht.
Das Berufungsgericht ist dabei zutreffend und von der Revision unbeanstandet davon ausgegangen, daß die Beklagte von den Versicherungsnehmern des Klägers als Fixkostenspediteurin i.S. des § 413 Abs. 1 HGB a.F. beauftragt wurde mit der Folge, daß sich ihre Haftung grundsätzlich nach §§ 429 ff. HGB a.F. und – aufgrund vertraglicher Einbeziehung – ihren Allgemeinen Beförderungsbedingungen sowie den Bestimmungen der ADSp a.F. beurteilt. Auch die vom Berufungsgericht bejahte Aktivlegitimation steht nicht mehr zur revisionsrechtlichen Nachprüfung.
Die Revision der Beklagten wendet sich ohne Erfolg gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe den Verlust der Sendungen i.S. von § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. sowie Ziff. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten durch grob fahrlässiges Verschulden verursacht.
a) Grobe Fahrlässigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden und unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte (BGH, Urt. v. 17.4.1997 – I ZR 131/95, TranspR 1998, 25, 27 = VersR 1998, 82; Urt. v. 28.5.1998 – I ZR 73/96, TranspR 1998, 454, 456 = VersR 1998, 1264; Urt. v. 16.7.1998 – I ZR 44/96, TranspR 1999, 19, 21 = VersR 1999, 254). Davon ist auch das Berufungsgericht zu Recht ausgegangen.
Die Revision der Beklagten beruft sich demgegenüber ohne Erfolg darauf, bei der Bestimmung der Sorgfaltspflichten der Beklagten sei bereits der durch das Transportrechtsreformgesetz vom 25. Juni 1998 (BGBl. I 1588) in § 435 HGB neu eingeführte Haftungsmaßstab der leichtfertigen Schadensverursachung zu beachten.
Eine unmittelbare Anwendung des § 435 HGB scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Transportrechtsreformgesetz auf die hier zugrundeliegenden, spätestens seit September 1996 abgeschlossenen Lebenssachverhalte nicht zurückwirken kann. Dies folgt insbesondere aus dem allgemein anerkannten, in Art. 170 und Art. 232 § 1 EGBGB enthaltenen Rechtsgrundsatz, wonach sich Inhalt und Wirkung eines Schuldverhältnisses nach der zum Zeitpunkt seiner Entstehung geltenden Rechtslage richten, sofern – wie im Streitfall – kein Dauerschuldverhältnis betroffen ist (BGHZ 10, 391, 394; 44, 192, 194; BGH, Urt. v. 12.10.1995 – I ZR 118/94, TranspR 1996, 66, 67 = VersR 1996, 259 zum Tarifaufhebungsgesetz; BGH TranspR 1999, 19, 21; BGH, Urt. v. 14.12.2000 – I ZR 213/98, TranspR 2001, 256, 257 = VersR 2001, 785; Urt. v. 22.2.2001 – I ZR 282/98, TranspR 2001, 372, 374, zur Anwendbarkeit der Vorschriften des HGB a.F. auf Gütertransportschäden, die vor dem 1. Juli 1998 eingetreten sind; Staudinger/Merten, Bearb. 1998, Einl. zu Art. 153 f. EGBGB Rdn. 4 ff.; Staudinger/Hönle, Bearb. 1998, Art. 170 EGBGB Rdn. 1; vgl. auch Piper, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Speditions- und Frachtrecht, 7. Aufl., Rdn. 232, 330).
Eine Rückwirkung des neuen Transportrechts läßt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Senats zur richtlinienkonformen Auslegung wettbewerbsrechtlicher Generalklauseln herleiten (vgl. dazu BGHZ 138, 55 – Testpreis-Angebot; BGH, Urt. v. 23.4.1998 – I ZR 2/96, GRUR 1999, 69 = WRP 1998, 1065 – Preisvergleichsliste II). An einer vergleichbaren Situation, einem gewandelten Verkehrsverständnis durch richterliche Rechtsfortbildung Rechnung zu tragen, fehlt es hier. Die Vorschrift des § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. beschreibt den zur unbeschränkten Haftung des Spediteurs führenden Haftungsmaßstab eindeutig mit dem anerkannten Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit. Damit haben die beim Zustandekommen der ADSp beteiligten Verkehrskreise den Weg versperrt, im Geltungsbereich des § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. den Verschuldensmaßstab unter Berufung auf ein geändertes Verkehrsverständnis gegen den Wortlaut der Bestimmung rechtsfortbildend im Lichte des § 435 HGB auszulegen.
Danach kommt es im Streitfall schon wegen des Rückwirkungsverbots nicht auf die von der Revision der Beklagten aufgeworfene Frage an, ob der Begriff des qualifizierten Verschuldens im Blick auf die Neufassung des § 435 HGB inhaltlich anders als bisher zu bestimmen ist.
b) Auch die Feststellungen, mit denen das Berufungsgericht im Streitfall das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit bejaht hat, halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
Die tatrichterliche Beurteilung der Frage, ob eine grobe Fahrlässigkeit vorliegt, ist durch das Revisionsgericht nur in beschränktem Umfang nachprüfbar. Die Prüfung muß sich darauf beschränken, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit verkannt hat oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO, gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze vorliegen (BGH TranspR 1998, 25, 27; TranspR 1998, 454, 456; TranspR 1999, 19, 21). Solche Rechtsfehler läßt das Berufungsurteil nicht erkennen und werden von der Revision auch nicht aufgezeigt.
Das Berufungsgericht hat die Feststellung eines grob fahrlässigen Verschuldens darauf gestützt, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag weder bei der Übergabe der Versandstücke an die U.-Transport GmbH (Schnittstelle 2) noch bei deren erneuter Übernahme in ihr Auslieferungsdepot (Schnittstelle 3) eine Ein- bzw. Ausgangskontrolle durchgeführt habe. Es habe lediglich eine Eingangserfassung des Transportgutes und eine weitere Erfassung bei Übergabe an den Zusteller stattgefunden. An der Schnittstelle 2 habe sich die Beklagte mit der Verplombung der zu befördernden Container begnügt. An der Schnittstelle 3 sei zwar die Unversehrtheit der Plomben, nicht jedoch der Inhalt der Container anhand der Ladeliste überprüft worden. Bei dieser Sachlage könne die Beklagte nicht darlegen, wo genau der Verlust der Sendung eingetreten sei. In dem erfahrungsgemäß besonders schadensanfälligen Bereich, dem Umschlag des Transportgutes, fehle es an Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen. So könnten im Bereich der Schnittstelle 2 Güter verlorengegangen sein, ohne daß dies der Schnittstelle zuzuordnen sei, da die auszuliefernden Sendungen erst bei Übergabe an den Paketzusteller in dem vorgesehenen Zustellverzeichnis einzutragen gewesen seien. Bei einer derartigen Organisation des Transportablaufs falle der Verlust der Sendung erst dann auf, wenn der Empfänger ihr Ausbleiben rüge. Zudem sei nicht erkennbar, auf welche Weise eine gezielte Nachforschung nach verlorenem Transportgut möglich gewesen sei.
aa) Die Revision der Beklagten rügt ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe die Anforderungen an die Einlassungsobliegenheit der Beklagten überspannt. Sie läßt hierbei unberücksichtigt, daß das Berufungsgericht den Vorwurf des groben Organisationsverschuldens aus dem unstreitigen Fehlen von ausreichenden Ein- und Ausgangskontrollen und nicht daraus hergeleitet hat, daß die Beklagte ihrer nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 127, 275, 284; 129, 345, 349 f.; BGH, Urt. v. 9.11.1995 – I ZR 122/93, TranspR 1996, 303 = VersR 1996, 782) aus dem Grundsatz von Treu und Glauben erwachsenen Darlegungslast nicht nachgekommen ist, durch detaillierten Sachvortrag zu den näheren Umständen aus ihrem eigenen Betriebsbereich vorzutragen. Die Formulierung des Berufungsgerichts, es fehle auch an Vortrag dazu, ob und welche Nachforschungen die Beklagte nach den in Verlust geratenen Sendungen angestellt habe (BU 27/28), mag für sich allein genommen zwar mißverständlich sein. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe wird jedoch hinreichend deutlich, daß der fehlende Sachvortrag zu den Nachforschungen kein tragender Grund für die Bewertung des Berufungsgerichts gewesen ist, sondern lediglich der Bekräftigung der Annahme gedient hat, daß ohne ausreichende Schnittstellenkontrollen eine Suche nach verlorengegangenen Sendungen nicht erfolgversprechend erscheine. Danach bleibt auch der Verfahrensrüge der Revision, das Berufungsgericht sei unter Verstoß gegen § 286 ZPO zu der Feststellung gelangt, es fehle Sachvortrag dazu, ob und welche Nachforschungen die Beklagte betreibe, der Erfolg versagt.
bb) Die weitere Rüge der Revision der Beklagten, das Berufungsgericht habe übersehen, daß auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Ein- und Ausgangskontrollen nicht zwingend vorgeschrieben seien, so daß stichprobenartige Abgleichungen und Untersuchungen genügen könnten, bleibt ebenfalls erfolglos.
Der Spediteur ist gemäß § 7 Buchst. b Nr. 1 ADSp a.F. verpflichtet, die Packstücke an Schnittstellen auf Vollzähligkeit und Identität sowie äußerlich erkennbare Schäden zu überprüfen. Diese seit 1. Januar 1993 geltende Regelung beruht auf der in der Rechtsprechung des Senats wiederholt hervorgehobenen Erwägung, daß es sich beim Umschlag von Transportgütern, wie er im Streitfall in Rede steht, um einen besonders schadensanfälligen Bereich handelt, der deshalb so organisiert werden muß, daß in der Regel Ein- und Ausgang der Güter kontrolliert werden, damit Fehlbestände frühzeitig festgehalten werden können. Denn ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen, die im Regelfall einen körperlichen Abgleich der papier- bzw. EDV-mäßig erfaßten Ware erfordern, kann ein verläßlicher Überblick über Lauf und Verbleib der in den einzelnen Umschlagstationen ein- und abgehenden Güter nicht gewonnen werden. Das Erfordernis von Schnittstellenkontrollen wird vorliegend noch dadurch verstärkt, daß rechtlich selbständige Drittunternehmen in die Erbringung der Transportleistung eingebunden sind. Dies rechtfertigt den Schluß, daß im Regelfall von einem grob fahrlässigen Verschulden auszugehen ist, wenn der Spediteur den schadensanfälligen Umschlag ohne ausreichende Ein- und Ausgangskontrollen organisiert (BGH, Urt. v. 16.11.1995 – I ZR 245/93, TranspR 1996, 72, 74 = NJW-RR 1996, 545; Urt. v. 26.9.1996 – I ZR 165/94, TranspR 1997, 377, 378 = VersR 1997, 133; Urt. v. 27.2.1997 – I ZR 221/94, TranspR 1997, 440, 442 = VersR 1997, 1513; Urt. v. 8.12.1999 – I ZR 230/97, TranspR 2000, 318, 321 = VersR 2000, 1043).
Das Berufungsgericht hat entgegen der Auffassung der Revision nicht verkannt, daß die erforderlichen Ein- und Ausgangskontrollen nicht zwingend lückenlos alle umzuschlagenden Sendungen erfassen müssen, um den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszuschließen. Im Einzelfall kann vielmehr auch eine stichprobenartige Kontrolle genügen, sofern auf diese Weise eine hinreichende Kontrolldichte gewährleistet wird, um der Gefahr des Abhandenkommens von Sendungen wirksam entgegenzuwirken (BGHZ 129, 345, 350 f.). Das setzt jedoch voraus, daß die Umstände der Stichprobenkontrolle, ihr genauer Ablauf, ihre Häufigkeit und Intensität nachvollzogen werden können. Daran fehlt es hier aber gerade. Das Berufungsgericht hat die Durchführung wirksamer Stichproben nicht festgestellt. Die Revision zeigt nicht auf (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO), daß das Berufungsgericht insoweit verfahrensfehlerhaft entscheidungsrelevanten Sachvortrag übergangen hat.
Eine ausreichende Kontrolle des Warenumschlags wird entgegen der Annahme der Revision auch nicht durch den Einsatz des sog. DIAD-Systems erreicht. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß das DIAD-Gerät die Kontrollücke deshalb nicht schließen kann, weil es erst nach Passieren der Schnittstelle 3 bei der Übergabe der Sendung an den Zusteller zum Einsatz kommt. Es ist daher nicht in der Lage, den exakten Schadensort innerhalb des Beförderungssystems zu lokalisieren. Dieses systembedingte Defizit wird entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch ausgeglichen, daß der Versender spätestens nach 24 oder 48 Stunden Gewißheit darüber erlangen kann, ob die Sendung angekommen ist. Dieses Vorbringen der Revision überzeugt schon deshalb nicht, weil nicht ersichtlich ist, weshalb ein relevanter Teil der Versender Veranlassung haben sollte, unmittelbar nach Ablauf der normalen Zustellzeit Nachforschungen über das Schicksal der Sendung anzustellen. Zudem verbessert selbst ein Zeitraum von nur 24 Stunden die Möglichkeit, mit Aussicht auf Erfolg nach dem Verbleib der Sendung zu forschen, in Anbetracht des unbekannten Schadensorts nach der allgemeinen Lebenserfahrung nur unwesentlich.
cc) Der Revision der Beklagten ist auch nicht darin beizutreten, daß die Rechtsprechungsgrundsätze des Senats zum grob fahrlässigen Organisationsverschulden auf Paketdienstunternehmen, bei denen es auf Massenumschlag, Massenlagerung und Massenbeförderung ankomme und deren Kunden eine kostengünstige Abholung und Zustellung binnen 24 oder 48 Stunden erwarteten, nicht anwendbar seien.
(1) Entgegen der Auffassung der Revision läßt sich ein Absenken der Sorgfaltsanforderungen nicht aus denselben Gründen rechtfertigen, die den im Postgesetz von 1969 verwirklichten Haftungsbeschränkungen bei postalischer Briefbeförderung zugrunde lagen. Denn die dort angestellte Erwägung, daß durch die Haftungsbeschränkungen des Postgesetzes im Interesse einer möglichst schnellen und billigen Massenbeförderung von Briefen umfangreiche und kostspielige Überwachungs- und Sicherungsmaßnahmen vermieden werden, die ohne Haftungsbeschränkung zur Abwendung hoher Schadensersatzforderungen notwendig wären (BGH, Beschl. v. 7.5.1992 – III ZR 74/91, NJW 1993, 2235), ist nicht ohne weiteres auf die Interessenlage des Paketversenders zu übertragen. Ein wesentlicher Unterschied zum Paketversand besteht darin, daß dem Versender eines Briefes, der im Regelfall keinen eigenen wirtschaftlichen Wert hat, aus dem Verlust des Briefes grundsätzlich kein materieller Schaden erwächst. Er wird daher in vielen Fällen kein unmittelbares wirtschaftliches Interesse daran haben, daß die postalisch verschickte Mitteilung den Empfänger gerade in Form des konkreten Briefes erreicht. Dies war der tragende Grund für den bis zur Neufassung des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294) in § 12 Abs. 1 PostG a.F. enthaltenen völligen Haftungsausschluß für Schäden, die aus einer nicht ordnungsgemäßen Behandlung von gewöhnlichen Briefen und Postgut entstanden waren (Altmannsperger, Gesetz über das Postwesen, 8. ErgLief. 1989, § 12 Rdn. 15). Demgegenüber kommt es einem Versender von Paketen gerade auf den Zugang der konkreten Sendung an, da deren Verlust im allgemeinen einen unmittelbaren Vermögensschaden verursacht.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Haftungsbeschränkungen nach den Bestimmungen des Postgesetzes a.F. auch insoweit vom Haftungssystem des allgemeinen Transportrechts abwichen, als der Haftungsausschluß gemäß § 12 PostG a.F. bis zur Einführung von § 12 Abs. 6 PostG a.F. im Jahre 1989 selbst den durch vorsätzliches Handeln eines Postbediensteten entstandenen Verlust erfaßte. Es ist daher aus Sachgründen nicht ohne weiteres gerechtfertigt, die in der Vergangenheit für den Sonderfall der postalischen Briefbeförderung gültigen Haftungsregelungen allgemein auf alle Arten der Massenbeförderung zu übertragen.
Die Sonderstellung der für die postalische Güterversendung in der Vergangenheit gültigen Haftungsgrundsätze wird insbesondere auch durch einen Vergleich mit dem geltenden Recht deutlich: Nach der Privatisierung der Postdienste bestimmt sich die Haftung des Erbringers postalischer Dienste gegenüber dem Kunden nunmehr nach dem im Handelsgesetzbuch geregelten allgemeinen Transportrecht, da das geltende Postgesetz keine eigenen vertraglichen Haftungsvorschriften mehr enthält und der Verordnungsgeber von seiner in § 18 PostG normierten Ermächtigung, Haftungsbeschränkungen in einer Rechtsverordnung zu regeln, bislang keinen Gebrauch gemacht hat (Beck'scher Komm. zum PostG/Stern, § 18 Rdn. 28). Demnach unterliegt auch die Post AG nach dem neuen Transportrecht bei der Erbringung ihrer Dienstleistungen im Grundsatz den für alle Spediteure und Frachtführer gültigen Regelungen; privilegiert ist nur die Beförderung von Briefen und briefähnlichen Sendungen, bei der sich der Frachtführer/Spediteur aus den dargestellten Gründen in stärkerem Umfang freizeichnen kann (§§ 449, 466 HGB).
(2) Soweit die Revision der Beklagten geltend macht, die strengen Anforderungen an die Durchführung von Umschlagskontrollen gingen deshalb an der Realität vorbei, weil die Kunden bei der Inanspruchnahme von Schnellpaketdiensten geringere Erwartungen an die Kontrollmaßnahmen stellten, vermag sie auch damit nicht durchzudringen.
Für die von der Revision behauptete Verkehrserwartung fehlt es schon mangels tatrichterlicher Feststellungen an einer tragfähigen Grundlage. Soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe nicht bestrittenen Sachvortrag der Beklagten übergangen, verhilft ihr das nicht zum Erfolg. In dem von der Revision in Bezug genommenen Schriftsatz vom 22. März 1999 hat die Beklagte lediglich vorgetragen, der Kläger könne nicht einwenden, daß die Beklagte keine Ein- und Ausgangskontrollen durchführe; weitere Schnittstellenkontrollen seien in dem schnellen Geschäft von Paketdienstunternehmen nicht erforderlich und von den Versendern auch nicht gewünscht. Dieses Vorbringen ist nicht genügend substantiiert, da es keinen ausreichenden Tatsachenkern dazu enthält, auf welcher empirischen Grundlage die Folgerung der Beklagten zur Verkehrserwartung beruht und welchen positiven Zuschnitt der Sicherheitsstandard mindestens haben muß, den die Kunden auch bei Paketdiensten erwarten.
Daß die von der Revision behauptete Verkehrserwartung jedenfalls nicht der Erwartung derjenigen Verkehrskreise entsprochen hat, die am Zustandekommen der ADSp 1993 beteiligt waren, zeigt im übrigen auch die Bestimmung des § 7 Buchst. b ADSp a.F. Wären die seinerzeit beteiligten Verkehrskreise davon ausgegangen, daß die gebotenen Sicherheitsvorkehrungen im Interesse des Verkehrs an einer kostengünstigen Massenbeförderung bei Paketdienstunternehmen herabgesetzt werden müßten, hätte es nahegelegen, für diese Beförderungsart in den ADSp eine Beschränkung der an sich gebotenen Sicherheitsvorkehrungen aufzunehmen.
Es kommt hinzu, daß die Beklagte nicht dargelegt hat, welche Auswirkung die Durchführung umfangreicherer Kontrollen auf ihre Kalkulation – und damit letztlich auf die Höhe der von den Kunden zu zahlenden Preise – haben würde. Die Beklagte hat die bei Einhaltung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs zusätzlich erforderlichen Kontrollen nicht im einzelnen benannt. Der Revision kann daher nicht ohne weiteres darin beigetreten werden, daß die in Erfüllung der Senatsrechtsprechung gebotenen Sicherheitsmaßnahmen in jedem Falle unzumutbar wären.
(3) Soweit die Revision der Beklagten die Zumutbarkeit einer weitergehenden Schnittstellenkontrolle mit der Überlegung in Frage stellt, es könne von der Beklagten nicht verlangt werden, den Transportverlauf von täglich 800.000 Paketen komplett zu dokumentieren und über Jahre hinweg aufzubewahren, ist dem entgegenzuhalten, daß eine jahrelange Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht nicht besteht; auch § 7 Buchst. b Nr. 2 ADSp a.F. verlangt nur eine Dokumentation in den Fällen, in denen Unregelmäßigkeiten auftreten.
dd) Schließlich waren die S. KG und die R. GmbH nicht durch ihre vertraglichen Absprachen mit der Beklagten, wonach sie ihr Einverständnis damit erklärt haben, „daß eine Kontrolle des Transportweges durch schriftliche Ein- und Ausgangsdokumentation an den einzelnen Umschlagstellen nicht durchgeführt wird”, daran gehindert, das grobe Organisationsverschulden aus der unzureichenden Durchführung von Umschlagskontrollen herzuleiten. Das Berufungsgericht hat insoweit rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet angenommen, daß sich der in den Vertragsklauseln enthaltene Verzicht nach der AGB-rechtlichen Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) nur auf die schriftliche Dokumentation, nicht hingegen auf die Durchführung der Kontrollen selbst bezieht (vgl. BGH, Urt. v. 15.11.2001 – I ZR 284/99, Umdruck S. 11 ff.). Auf die Frage, ob der in Rede stehende Dokumentationsverzicht auch – wie die Revisionserwiderung geltend macht – gegen § 9 AGBG verstößt und deshalb nichtig ist, kommt es danach im Streitfall nicht mehr entscheidend an.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft ein Mitverschulden der Versicherungsnehmer des Klägers unberücksichtigt gelassen.
a) Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich die unterlassene Wertdeklaration bei den in Verlust geratenen Sendungen nicht als Mitverschulden seiner Versicherungsnehmer anrechnen lassen.
aa) Das Berufungsgericht hat seine Beurteilung darauf gestützt, daß die Beklagte in Nr. 16.5 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen klargestellt habe, daß bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit alle Haftungsbeschränkungen, mithin auch diejenige in Nr. 16.1, wonach bei unterbliebener Wertdeklaration nur bis zur Höhe von 500,– DM pro Versandstück gehaftet werde, entfielen. Es hat gemeint, diese Regelung sei eindeutig. Die Beklagte habe eine klare Trennung zwischen der dem Kunden überlassenen Wahl der Vertragsgestaltung, nämlich sorgfältigerer Behandlung des überlassenen Gutes bei höherer Wertdeklaration gegen Zahlung eines zusätzlichen Beförderungsentgeltes, und ihrer Haftung, jedenfalls bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit, vorgenommen. Es entstünde daher ein Wertungswiderspruch, wenn man eine bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit ausdrücklich für unwirksam erklärte Haftungsbegrenzung über die Rechtsinstitute des Mitverschuldens oder des treuwidrigen Verhaltens wieder aufleben ließe. Diese vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
bb) Die Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten finden als allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 1 Abs. 1 AGBG) über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung. Daher unterliegt deren Auslegung uneingeschränkter revisionsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. BGHZ 22, 109, 112; 47, 217, 220; 98, 256, 258). Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (vgl. BGHZ 131, 136, 138; 137, 69, 72; BGH, Urt. v. 8.6.1994 – VIII ZR 103/93, NJW 1994, 2228; Urt. v. 3.4.2000 – II ZR 194/98, NJW 2000, 2099). Dem hat das Berufungsgericht nicht hinreichend Rechnung getragen.
Im rechtlichen Ansatz ist davon auszugehen, daß ein Versender in einen nach § 254 Abs. 1 BGB beachtlichen Selbstwiderspruch geraten kann, wenn er trotz Kenntnis, daß der Spediteur die Sendung bei zutreffender Wertangabe mit größerer Sorgfalt behandelt, von einer Wertdeklaration absieht und bei Verlust gleichwohl vollen Schadensersatz verlangt. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob die von dem Geschädigten vernachlässigte Sorgfaltsanforderung darauf abzielt, einen Schaden wie den eingetretenen zu vermeiden, ob also der eingetretene Schaden von ihrem Schutzzweck erfaßt wird (vgl. BGH, Urt. v. 21.5.1987 – III ZR 25/86, NJW 1988, 129, 130). Mit seinem Verzicht auf die vom Spediteur angebotenen weitergehenden Schutzvorkehrungen setzt der Versender das Transportgut freiwillig einem erhöhten Verlustrisiko aus mit der Folge, daß ihm der eingetretene Schaden bei wertender Betrachtung gemäß § 254 BGB anteilig zuzurechnen ist. Eine Mitverantwortlichkeit des Geschädigten erscheint auch mit Blick auf § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB geboten, wonach sich ein anspruchsminderndes Mitverschulden auch daraus ergeben kann, daß der Geschädigte es unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen mußte (vgl. OLG Hamburg TranspR 1993, 304). Dies hat das Berufungsgericht bei seinem Verständnis der Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen der Beklagten nicht genügend beachtet.
Seine Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, den Verursachungsbeitrag des Geschädigten gegenüber einer grob fahrlässigen Schadensverursachung des Schuldners vollständig auszuschließen. Einen derart weitgehenden Ausschluß der Mitverantwortlichkeit des Schadensersatzgläubigers muß sich selbst ein vorsätzlich handelnder Schädiger nicht in jedem Falle entgegenhalten lassen (vgl. BGHZ 57, 137, 145; BGH NJW 1988, 129, 130). Das vom Berufungsgericht gewonnene Auslegungsergebnis ließe sich nur dann rechtfertigen, wenn ein Versender die Regelung in Nr. 16.5 der Allgemeinen Beförderungsbedingungen in Abweichung von den allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte so verstehen dürfte, daß der Klauselverwender bei eigenem groben Verschulden ohne Rücksicht auf ein eventuelles (Mit-)Verschulden seiner Vertragspartner in jedem Falle eine unbegrenzte Haftung verspreche. Ein derartiges Verständnis überspannt indes den Wortlaut der Klausel und vernachlässigt die Interessen des Klauselverwenders. Die in Rede stehende Klausel (Nr. 16.5) regelt lediglich, unter welchen in der Sphäre des Klauselverwenders liegenden Umständen die in Nr. 16.1 vereinbarte Haftungsbeschränkung ihre Wirkung verliert. Sie besagt hingegen nichts über eine Mithaftung des Versenders aufgrund von schadensursächlichen Umständen aus seinem Bereich. Das Berufungsgericht hat bei seiner Bewertung unberücksichtigt gelassen, daß die Haftung des Spediteurs gerade auch durch Umstände beeinflußt werden kann, die der Sphäre des Versenders zuzurechnen sind.
Soweit ein Mitverschulden des Versenders wegen unterlassener Wertangabe unter Hinweis auf § 56 Buchst. c Satz 2 ADSp a.F. abgelehnt wird (OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 423, 424), kann der Kläger daraus im Streitfall schon deshalb nichts zu seinen Gunsten herleiten, weil die Beklagte in Nr. 3 und Nr. 16.1 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen ausdrücklich auf Notwendigkeit und Bedeutung einer korrekten Wertangabe hingewiesen hat. Überdies fehlt es an der Feststellung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte die in Verlust geratenen Sendungen als wertvoll hätte erkennen müssen (§ 56 Buchst. c Satz 2 ADSp a.F.).
cc) Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob die unterlassenen Wertangaben auf den in Verlust geratenen Sendungen den Schaden tatsächlich deshalb (mit-)verursacht haben, weil die Beklagte bei richtiger Wertangabe ihre Sorgfaltspflichten besser erfüllt hätte und es dann nicht zu den Verlusten gekommen wäre. Die Beklagte hat unter Hinweis auf Nr. 3 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen vorgetragen, sie sei durch die Täuschung über den wahren Sendungswert daran gehindert worden, die Sendungen wertangemessen zu behandeln. Diesem Vorbringen wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzugehen haben.
Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB obliegt ebenfalls grundsätzlich dem Tatrichter (vgl. BGHZ 51, 275, 279; BGH, Urt. v. 30.9.1982 – III ZR 110/81, NJW 1983, 622; BGHR BGB § 254 Abs. 1 – Beauftragter Schädiger 3), so daß die Sache auch aus diesem Grund zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
b) Darüber hinaus läßt sich entgegen der Ansicht der Revision der Beklagten ein Mitverschulden oder auch der Einwand des Rechtsmißbrauchs nicht damit begründen, daß die Versender die Geschäftsbeziehung zur Beklagten fortgesetzt hätten, obwohl ihnen aufgrund langjähriger Zusammenarbeit die Organisation der Beklagten bestens bekannt gewesen sei.
aa) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz ohne Rechtsverstoß davon ausgegangen, daß die (unveränderte) Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen zu demselben Spediteur nach Kenntnis des Schadenseintritts auf bereits entstandene Ersatzansprüche keinen Einfluß haben kann; ein eingetretener Verlust läßt sich durch einen Abbruch der Geschäftsbeziehungen nicht mehr verhindern (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1998 – I ZR 95/96, TranspR 1998, 475, 477 = VersR 1998, 1443). Dementsprechend ist es dem Auftraggeber eines Spediteurs in einem Schadensersatzprozeß wegen Verlustes von Transportgut grundsätzlich nicht gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf grobe Fahrlässigkeit des Spediteurs zu berufen, wenn er die Geschäftsbeziehungen nach Kenntnis des Schadensfalles fortsetzt. Eine Anspruchsminderung gemäß § 254 Abs. 1 BGB, bei dem es sich um eine konkrete gesetzliche Ausprägung des in § 242 BGB enthaltenen allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben handelt (vgl. BGH TranspR 1998, 475, 477, m.w.N.), kann allerdings dann in Betracht kommen, wenn der Versender einen Spediteur mit der Transportdurchführung beauftragt, von dem er weiß oder zumindest hätte wissen müssen, daß es in dessen Unternehmen aufgrund von groben Organisationsmängeln immer wieder zu Verlusten kommt. Die Auftragserteilung beinhaltet unter solchen Umständen die Inkaufnahme eines Risikos, dessen Verwirklichung allein dem Schädiger anzulasten unbillig erscheint und mit dem § 254 BGB zugrundeliegenden Gedanken von Treu und Glauben unvereinbar ist (BGH, Urt. v. 29.4.1999 – I ZR 70/97, TranspR 1999, 410, 411 = VersR 2000, 474).
bb) Das Berufungsgericht hat in bezug auf die Versicherungsnehmer C. GmbH und RF. GmbH festgestellt, daß diese die Beklagte wegen des Eintritts von Transportschäden bereits in den Jahren 1993 bzw. 1995 gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatten.
Hinsichtlich der C. GmbH hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden an der Entstehung der streitgegenständlichen Schadensfälle verneint, weil nicht dargetan sei, daß diese sich in einem früheren Rechtsstreit auf grobe Organisationsmängel insgesamt berufen habe. Soweit lediglich Mängel bei der Durchführung des konkreten Transportauftrags gerügt worden seien, könne die weitere Inanspruchnahme der Beklagten nicht den Vorwurf des widersprüchlichen Verhaltens begründen, weil es sich bei einem einzelnen Transportauftrag um ein Augenblicksversagen gehandelt haben könne.
Ein Mitverschulden der RF. GmbH hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, die Beklagte habe nicht in Abrede gestellt, daß die Versenderin auf Abhilfe im Sinne einer Absenkung der Verlustquote von Sendungen gedrängt habe. Auch nach Erhebung des Vorwurfs groben Organisationsverschuldens seitens des Klägers mit Schriftsatz vom 9. Mai 1996 in dem beim Landgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 3/11 O 10/96 geführten Rechtsstreit habe die Versenderin zunächst abwarten dürfen, ob ihr Abhilfeverlangen zum Erfolg führen würde; sie sei nicht zum sofortigen Abbruch der Geschäftsbeziehungen genötigt gewesen, um dem Einwand einer Mitverantwortung zu entgehen.
Auf der Grundlage dieser von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen hat das Berufungsgericht ein Mitverschulden der C. GmbH und der RF. GmbH rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision zeigt nicht auf, daß der C. GmbH – gleiches gilt im übrigen für die V.-AG und die S. KG – vor Erteilung der hier in Rede stehenden Transportaufträge bekannt war oder hätte bekannt sein müssen, daß es bei der Beklagten aufgrund von groben Organisationsmängeln wiederholt zu Verlusten gekommen war. Die Kenntnis und Billigung der Transportorganisation der Beklagten reicht für sich allein zur Begründung eines Mitverschuldens nicht aus. Denn es ist im allgemeinen ausschließlich Sache des Spediteurs/Frachtführers, den Transportablauf – in den der Auftraggeber in der Regel keinen bis ins einzelne gehenden Einblick hat – so zu organisieren, daß dabei die ihm anvertrauten Güter weder Schaden nehmen noch in Verlust geraten. Die Versicherungsnehmer des Klägers brauchten ohne besonderen Anlaß die Eignung, Befähigung und Ausstattung ihres Vertragspartners nicht in Zweifel zu ziehen und zu überprüfen (vgl. BGH BGHR BGB § 254 Abs. 1 – Beauftragter Schädiger 3; BGH TranspR 1998, 475, 478).
Die Annahme des Berufungsgerichts, die RF. GmbH habe nach ihrem Abhilfeverlangen zunächst abwarten dürfen, ob die Beklagte geeignete Maßnahmen zum Absenken der Verlustquote ergreifen würde, läßt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision zeigt insbesondere nicht auf, daß das Berufungsgericht die zeitliche Grenze, innerhalb derer der Versender mit einer Abhilfe hätte rechnen müssen, zu weit gezogen hat.
3. Die Revision hat auch Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Beklagte im Schadensfall Nr. 3 zur Zahlung vollen Schadensersatzes für das in ihrer Obhut beschädigte Display verurteilt hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte hafte auch in diesem Schadensfall aufgrund grob fahrlässigen Organisationsverschuldens gemäß § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. unbeschränkt, da sie aufgrund der festgestellten Organisationsmängel nicht habe darlegen können, wo es konkret zur Beschädigung gekommen sei, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Es ist grundsätzlich Sache des Geschädigten, den Beweis für die Schadensursächlichkeit des beanstandeten Verhaltens zu erbringen. Zwar gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Denn insbesondere im Fall grober Verletzungen von beruflichen Organisationspflichten ist eine abweichende Verteilung der Darlegungs- und Beweislast anerkannt (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 282 Rdn. 14). Dies setzt jedoch neben der festgestellten groben Pflichtverletzung voraus, daß das Verhalten geeignet war, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen (BGHZ 49, 121, 123; 51, 91, 105). Im Bereich des Speditionsrechts trägt der Spediteur die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Schadensursächlichkeit des festgestellten Organisationsverschuldens nur dann, wenn es nach Art des eingetretenen Schadens als Schadensursache ernsthaft in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 13.4.1989 – I ZR 28/87, VersR 1989, 1066, 1067; OLG München NJW-RR 1994, 31, 32; vgl. auch Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., Anh. zu § 282 Rdn. 77 ff.; MünchKommHGB/Bydlinski, § 51 ADSp Rdn. 20 f.).
b) Danach begegnet es keinen Bedenken, der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Kausalität ihres Organisationsverschuldens in den Verlustfällen aufzuerlegen. Denn die strengen Anforderungen an die Organisation des Warenumschlags dienen gerade dem Zweck, dem Verlust von Sendungen entgegenzuwirken. Die stärkere Kontrolle beugt Diebstählen und Unterschlagungen durch das Personal der Beförderung vor und erleichtert die zielgenaue Nachforschung nach Transportgut, welches versehentlich verlorengegangen ist.
Auf während des Transports eingetretene Sachschäden sind diese Grundsätze jedoch nicht ohne weiteres übertragbar, da die gebotenen Kontrollmaßnahmen beim Warenumschlag nicht darauf abzielen, den Spediteur zu einem sorgfältigeren Umgang mit den ihm anvertrauten Gütern anzuhalten. Zwar kann nicht völlig ausgeschlossen werden, daß die Durchführung genauerer Schnittstellenkontrollen im Einzelfall auch zu einem sorgfältigeren Umgang beim Umladen der Güter führen mag. Jedoch ist nach der allgemeinen Lebenserfahrung eine wesentliche Verringerung der Schadenshäufigkeit auch bei schärferen Schnittstellenkontrollen nicht zu erwarten. Diese Einschätzung wird nicht zuletzt durch die Zusammensetzung der Klageforderung belegt: Denn nur in einem der 25 Schadensfälle wird Ersatz für einen Sachschaden begehrt. Darüber hinaus kann die Schnittstellenkontrolle ohnehin nur äußerliche Beschädigungen der Sendungen erfassen und trägt zur Vermeidung von Sachschäden mithin nichts Wesentliches bei, wenn das Packstück äußerlich unbeschädigt geblieben ist. Bei dieser Sachlage hätte die Kausalität des vom Berufungsgericht festgestellten Organisationsverschuldens der Beklagten im Schadensfall Nr. 3 gesondert festgestellt werden müssen. Daran fehlt es jedoch gerade. Die Beklagte kann sich daher im Schadensfall Nr. 3 auf die Haftungsbeschränkung gemäß Nr. 16.1 ihrer Allgemeinen Beförderungsbedingungen berufen, sofern das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren keine weitergehenden Feststellungen trifft.
B. Zur Anschlußrevision des Klägers
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger handele rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB), wenn er sich bei der Geltendmachung des Schadens im Transportfall Nr. 23 (Versenderin: R. GmbH) auf § 51 Buchst. b Satz 2 ADSp a.F. und die daraus folgende unbeschränkte Haftung der Beklagten berufe. Er habe sich in dem Rechtsstreit 21 U 86/97 OLG Frankfurt am Main (Revisionsverfahren I ZR 163/99), in dem u.a. auch Ersatz für Transportverluste der R. GmbH begehrt werde, mit Schriftsatz vom 2. November 1995 auf ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden der Beklagten berufen und darauf deren unbeschränkte Haftung gestützt. Es bestünden keine Zweifel, daß die Versenderin von der Klageerhebung ihres Transportversicherers Kenntnis erlangt habe. Ungeachtet des von dem Kläger erhobenen Vorwurfs habe sie die Geschäftsbeziehung zur Beklagten fortgesetzt. Dadurch sei es zu dem Schadensfall Nr. 23 gekommen. Denn das Transportdatum 23. April 1996 liege zeitlich deutlich nach dem 2. November 1995. Für den entstandenen Schaden sei gemäß § 254 Abs. 2 BGB eine eigene Mitverantwortung der Versenderin anzunehmen, die zu einer Schadensteilung führe. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. a) Ohne Erfolg bleibt die Rüge der Anschlußrevision, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 ZPO nicht berücksichtigt, daß der Kläger in dem genannten Rechtsstreit bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seiner Berufungsbegründung vom 9. Juni 1997 – von der Beklagten nicht bestritten – vorgetragen habe, die R. GmbH habe sich wegen der vielen Verluste mehrfach an die Beklagte gewandt, die zugesichert habe, die Schadensfälle zu minimieren. Dieses Vorbringen hätte – so die Anschlußrevision – das Berufungsgericht als gerichtsbekannt (§ 291 ZPO) behandeln müssen, weil es auch Gegenstand in anderen vor ihm verhandelten Fällen gewesen sei.
b) Der für die Urteilsfindung maßgebliche Inhalt der Verhandlungen wird grundsätzlich durch denjenigen Sachvortrag begrenzt, den die Parteien in ihren Schriftsätzen und Anlagen im jeweiligen zur Entscheidung stehenden Verfahren vortragen. Es kann nicht verlangt werden, daß der Richter nicht nur die im konkreten Verfahren vorgebrachten, sondern all jene Tatsachen berücksichtigen muß, die die Parteien in etwaigen Parallelverfahren vorgetragen haben, weil dies nicht nur dem zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz, sondern auch dem anerkennenswerten Ziel entgegensteht, Verfahren innerhalb einer angemessenen Zeit prozeßwirtschaftlich zu erledigen.
Eine Erweiterung des Prozeßstoffes läßt sich insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 291 ZPO herleiten, die dem Gericht in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich lediglich die Beweiserhebung über solche Tatsachen erleichtern soll, die die Parteien zuvor zum Gegenstand des zur Entscheidung stehenden Verfahrens gemacht haben. Die umstrittene Frage, inwieweit § 291 ZPO dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, gerichtsbekannte Tatsachen von sich aus in den Prozeß einzuführen (vgl. zum Meinungsstand MünchKommZPO/Prütting, 2. Aufl., § 291 Rdn. 13), bedarf im vorliegenden Rechtsstreit keiner Erörterung. Denn in jedem Fall ist das Gericht mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot, den Parteien rechtliches Gehör zu gewähren (Art. 103 Abs. 1 GG), verpflichtet, die offenkundige Tatsache, auf die es seine Entscheidung stützen will, zuvor im Rahmen eines Hinweises oder einer mündlichen Verhandlung in das Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 10, 177, 183; BGH, Urt. v. 6.5.1993 – I ZR 84/91, NJW-RR 1993, 1122; MünchKommZPO/Prütting aaO § 291 Rdn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 22. Aufl., § 291 Rdn. 3; Musielak/Huber, ZPO, 2. Aufl., § 291 Rdn. 4). Dies ist hier in bezug auf den vom Berufungsgericht berücksichtigten Vortrag des Klägers in dem genannten Parallelverfahren zwar nicht geschehen; das verhilft der Anschlußrevision aber mangels durchgreifender Verfahrensrügen nicht zum Erfolg.
2. Die Anschlußrevision beanstandet aber mit Recht, daß die tatrichterlichen Feststellungen die Annahme eines Mitverschuldens der R. GmbH im Schadensfall Nr. 23 nicht tragen.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, die R. GmbH habe von der Klageerhebung ihres Transportversicherers, die zu dem Verfahren 21 U 86/97 OLG Frankfurt am Main geführt hat, Kenntnis gehabt, reicht für sich allein zur Begründung einer Mitverantwortung im streitgegenständlichen Schadensfall Nr. 23 nicht aus. Es kann nicht ohne weitere Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß die vom Berufungsgericht für ausreichend erachtete Kenntnis zugleich das Bewußtsein vermittelt, in der Vergangenheit aufgetretene Verluste hätten ihre Ursache in einem groben Organisationsverschulden des Spediteurs gehabt (vgl. BGH TranspR 1999, 410, 412). Einer derartigen Annahme steht schon entgegen, daß selbst bei ordnungsgemäß organisiertem Warenumschlag Sendungsverluste nicht vollständig vermieden werden können. Es ist zudem nicht ersichtlich, ob die vor dem in Rede stehenden Schaden eingetretenen Verluste ähnlich wie der streitgegenständliche Schadensfall gelagert waren. Selbst wenn die zuvor eingetretenen Schäden auf groben Organisationsmängeln im Betrieb der Beklagten beruht hätten, fehlte es jedenfalls an Feststellungen dazu, daß dies der Versicherungsnehmerin bei Auftragserteilung im April 1996 bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen.
Sofern das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren keine weitergehenden Feststellungen trifft, braucht sich der Kläger im Schadensfall Nr. 23 wegen Aufrechterhaltung der Geschäftsbeziehung der R. GmbH zur Beklagten ebenfalls kein Mitverschulden anlasten zu lassen.
Es kommt allerdings auch im Schadensfall Nr. 23 ein Mitverschulden der Versicherungsnehmerin wegen unterlassener Wertangabe in Betracht.
III. Danach war das Berufungsurteil auf die Rechtsmittel der Parteien aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Pokrant, Büscher, Schaffert
Fundstellen
Haufe-Index 743343 |
NJW 2002, 3110 |
BGHR 2002, 630 |
BGHR |
NJW-RR 2002, 1108 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 2062 |
MDR 2002, 957 |
NVersZ 2002, 375 |
VersR 2003, 1007 |