Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbilanzhaftung bei Vor-GmbH
Leitsatz (amtlich)
a) Im Rahmen der Ermittlung der Unterbilanzhaftung kann auch bei einem sog. "Start-up"-Unternehmen von einer als bewertbares Unternehmen anzusehenden strukturierten Organisationseinheit während des Stadiums der Vor-GmbH nur in engen Ausnahmefällen und erst dann ausgegangen werden, wenn das von den Gründungsgesellschaftern verfolgte innovative Geschäftskonzept seine Bestätigung am Markt gefunden hat (vgl. BGH v. 9.11.1998 - II ZR 190/97, BGHZ 140, 35 = GmbHR 1999, 31 = AG 1999, 122).
b) Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung ist grundsätzlich wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln und unterliegt deshalb denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld (vgl. BGH v. 6.12.1993 - II ZR 102/93, BGHZ 124, 282 [286] = AG 1994, 225 = GmbHR 1994, 176 = MDR 1994, 357).
Auch bei der Unterbilanzhaftung ist nach dem entsprechend geltenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung ein automatisches Erlöschen des Anspruchs durch faktische Zweckerreichung infolge anderweitiger Auffüllung des Haftungsfonds ausgeschlossen.
Der aus Unterbilanz haftende Gesellschafter kann nach dem ebenfalls entsprechend geltenden § 19 GmbHG nicht einseitig mit Forderungen, die er gegen die GmbH besitzt, aufrechnen.
Normenkette
GmbHG § 11
Verfahrensgang
OLG Dresden (Urteil vom 16.03.2004; Aktenzeichen 2 U 1418/03) |
LG Leipzig (Entscheidung vom 25.07.2003; Aktenzeichen 2 HKO 3081/02) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des OLG Dresden vom 16.3.2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, Verwalter in dem am 3.9.2001 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH (nachfolgend: Schuldnerin), nimmt den Beklagten aus Unterbilanzhaftung in Anspruch.
Die Schuldnerin wurde am 13.8.1997 unter der Firmierung "Gl. GmbH" mit einem Stammkapital von 451.000 DM gegründet, von dem der Beklagte als einer ihrer Gründungsgesellschafter einen Anteil von 41,8 % übernahm. Seit Gründung der Schuldnerin, deren Geschäftsgegenstand Dienst- und Werkleistungen auf dem Gebiet der Telekommunikation und Informationsverarbeitung waren, verfolgten deren Gesellschafter als Geschäftskonzept die Einrichtung sog. "Teleports" (Ausrüstung von Bürogebäuden mit Telekommunikationsanlagen und deren Betrieb), mit denen sie eine "Unique Selling"-Position in der Bundesrepublik Deutschland erreichen wollten. Dieses "Gl. Teleport-Konzept" präsentierte die Schuldnerin schon vor ihrer Eintragung in das Handelsregister mehreren Unternehmen, darunter der M. AG, der D. AG, der I. AG und der W. AG; zudem führte sie mit der L.bank H. vorbereitende Gespräche für die - später auch erfolgte - Teilnahme am Ausschreibungsverfahren des Projekts "M. -T. " in F. mit einem Investitionsvolumen von ca. 700 Mio. DM. Noch vor ihrer Eintragung bemühte sie sich ferner um die Kooperation mit anderen Unternehmen und um Beteiligungen Dritter an ihrem Stammkapital. Seinerzeit unterhielt sie Büros in Mü. und Sch., in denen neben den drei Geschäftsführern zwei Angestellte tätig waren. Am 8.10.1997 wurde die Schuldnerin in das Handelsregister bei dem AG Mü. eingetragen; eine Vorbelastungsbilanz auf diesen Stichtag hat die Geschäftsführung der Schuldnerin nicht erstellt.
Am 4.12.1997 schlossen die Gründungsgesellschafter, die Gesellschaft sowie die P. GmbH (im Folgenden: P.) einen Beteiligungsvertrag, in dem sich die P. bereit erklärte, anlässlich einer Kapitalerhöhung der Schuldnerin eine neue Stammeinlage über nominal 198.000 DM zu übernehmen und zudem ein Aufgeld von 851.000 DM in die Kapitalrücklage der Gesellschaft zu leisten. Durch Gesellschafterbeschluss vom 9.12.1997 wurde das Stammkapital der Schuldnerin um 349.000 DM auf 800.000 DM erhöht, wobei die neu gebildeten Stammeinlagen vereinbarungsgemäß i.H.v. 198.000 DM von der P. und im Übrigen von den bisherigen Gesellschaftern der Schuldnerin übernommen wurden; die Beteiligung des Beklagten lag danach weiterhin bei 41,8 %. Die P. erfüllte in der Folgezeit sowohl die Einlage- als auch die Aufgeldverbindlichkeit ggü. der Schuldnerin. Der Beklagte zahlte später am 10. Juni, 13. September und 8.12.1999 insgesamt 342.700 DM in die Kapitalrücklage der Schuldnerin.
Der Kläger trägt vor, entsprechend der in seinem Auftrag von dem Wirtschaftsprüfer Prof. Dr. K. am 14.3.2002 nach Substanzwerten aufgestellten Vorbelastungsbilanz habe im Eintragungszeitpunkt - zu dem die Schuldnerin noch keine Organisationseinheit gebildet habe - eine Unterbilanz i.H.v. 427.976,17 DM bestanden, für die der Beklagte entsprechend seiner Beteiligungsquote im Umfang von 178.894,04 DM (= 91.467,07 EUR) einzustehen habe. Demgegenüber meint der Beklagte, eine solche Organisationseinheit sei seinerzeit bereits vorhanden gewesen, so dass die Schuldnerin im Eintragungszeitpunkt nach der Ertragswertmethode zu bewerten und demzufolge ein Unternehmenswert von mindestens 3,5 Mio. DM in die Vorbelastungsbilanz einzustellen gewesen sei. Hilfsweise macht er geltend, eine etwaige Verbindlichkeit aus Unterbilanzhaftung sei bereits durch die Aufgeldzahlung der P., spätestens aber durch seine aus Eigenmitteln geleisteten Zahlungen von 342.700 DM in die Kapitalrücklage der Schuldnerin erloschen.
Das LG hat die auf Zahlung von 91.467,07 EUR nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen, weil es die Schuldnerin bereits im Eintragungszeitpunkt als Unternehmenseinheit angesehen und demzufolge unter Berücksichtigung des bei der Bewertung nach der Ertragswertmethode in die Wertermittlung einfließenden Unternehmenswertes eine Unterbilanz verneint hat. Demgegenüber hat das OLG der Berufung des Klägers im Wesentlichen stattgegeben und - ausgehend von einem um Gründungskosten von 4.000 DM reduzierten Fehlbetrag von 427.976,17 DM - den Beklagten zur Zahlung von 90.612,19 EUR nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner - vom Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte hafte als Gründungsgesellschafter der Schuldnerin nach den Rechtsprechungsgrundsätzen über die Unterbilanzhaftung in Höhe seiner Beteiligungsquote für die in der Vorbelastungsbilanz des Wirtschaftsprüfers Prof. Dr. K. zutreffend unter Zugrundelegung von Fortführungswerten festgestellten - nur um den Gründungsaufwand reduzierten - Unterbilanz der Schuldnerin im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister. Es habe keine Veranlassung bestanden, entsprechend der Entscheidung des BGH vom 9.11.1998 (BGH v. 9.11.1998 - II ZR 190/97, BGHZ 140, 35 = GmbHR 1999, 31 = AG 1999, 122) an Stelle der Einzelbewertung der Vermögensbestandteile der Schuldnerin den Wert des Unternehmens als ganzes anzusetzen und in diesem Rahmen einen Geschäfts- bzw. Firmenwert zu berücksichtigen, weil auf der Grundlage der dem Kläger zugänglichen Erkenntnisquellen nach Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür bestanden habe, dass die Schuldnerin in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung in das Handelsregister durch Aufnahme einer Geschäftstätigkeit ausnahmsweise bereits als Organisationseinheit im Sinne eines Unternehmens anzusehen gewesen sei. Die vom Beklagten vorgetragenen - unstreitigen - Umstände wie Einstellung von Personal, Anmietung von Büroräumen, Aufwendungen für Werbemaßnahmen und der Anfall von Reisekosten hätten ebenso wie das Bemühen um Kooperationspartner und Präsentationen des Unternehmenskonzepts als bloße Vorbereitungshandlungen im Vorstadium werbender Tätigkeit letztlich erst die Basis für eine künftige Aufnahme des operativen Geschäfts schaffen sollen. Auch bei einem Start-up-Unternehmen, als das sich die Schuldnerin bezeichnet habe, verbleibe es dabei, dass in einer Vorbelastungsbilanz ein Unternehmenswert noch nicht für die Phase der Vorbereitung des operativen Geschäfts, sondern erst dann angesetzt werden könne, wenn sich die von den Initiatoren verfolgte innovative Idee "am Markt bewährt" habe. Bis zur Eintragung in das Handelsregister seien aber keine auf die Realisierung des Gesellschaftszwecks gerichteten Vereinbarungen mit Dritten zustande gekommen. Der erst später im Dezember gefasste Kapitalerhöhungsbeschluss und der in diesem Zusammenhang mit der P. geschlossene Beteiligungsvertrag hätten nur die nachträgliche Veränderung der Gesellschafterstruktur und der Eigenkapitalausstattung betroffen. Den vom Kläger substantiiert dargelegten Bilanzansätzen, die zu dem Fehlbetrag geführt hätten, sei der Beklagte trotz der ihm - angesichts der von der Schuldnerin unterlassenen obligatorischen Aufstellung einer zeitnahen Vorbelastungsbilanz - obliegenden sekundären Darlegungslast nicht hinreichend entgegengetreten. Schließlich sei die Haftung des Beklagten auch nicht dadurch automatisch entfallen, dass der bei der Schuldnerin im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister vorhandene Fehlbetrag, wie unterstellt werden könne, in der Folgezeit anderweitig - etwa durch die Zahlungen der P. oder des Beklagten in die Kapitalrücklage - ausgeglichen worden sei. Eine Tilgungsbestimmung zu jenen Zahlungen in die Rücklage existiere - jedenfalls in Bezug auf die Unterbilanzhaftung des Beklagten und/oder anderer Gesellschafter - nicht.
II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
Mit Recht hat das Berufungsgericht eine Unterbilanzhaftung des Beklagten entsprechend seiner Beteiligungsquote von 41,8 % gemäß der im Auftrag des Klägers erstellten Vorbelastungsbilanz des Wirtschaftsprüfers Prof. Dr. K. vom 14.3.2002 für den - um satzungsmäßig festgelegten Gründungsaufwand reduzierten (vgl. dazu: BGH, Urt. v. 25.9.1997 - II ZR 245/96, ZIP 1997, 2008) - im Zeitpunkt der Eintragung der Schuldnerin bestehenden Fehlbetrag von 427.976,17 DM angenommen.
1. Die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte Vorbelastungsbilanz des Wirtschaftsprüfers Prof. Dr. K. ist entsprechend den Vorgaben der ständigen Senatsrechtsprechung als Vermögensbilanz der Gesellschaft mit ihren wirklichen Werten nach Fortführungsgrundsätzen aufgestellt worden (BGH, Urt. v. 25.9.1997 - II ZR 245/96, ZIP 1997, 2008 [2009]; v. 6.12.1993 - II ZR 102/93, BGHZ 124, 282 [285] = AG 1994, 225 = GmbHR 1994, 176 = MDR 1994, 357). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats muss zwar dann, wenn die Ingangsetzung der Vor-GmbH in der Zeit zwischen Errichtung und Eintragung in das Handelsregister durch Aufnahme der Geschäftstätigkeit bereits ausnahmsweise zu einer Organisationseinheit geführt hat, die als Unternehmen anzusehen ist, das - über seine einzelnen Vermögenswerte hinaus - einen eigenen Vermögenswert repräsentiert, für die Zwecke der Unterbilanzhaftung das Unternehmen im Ganzen nach einer hierfür betriebswirtschaftlich anerkannten, vom Tatrichter auszuwählenden (BGH v. 24.5.1993 - II ZR 36/92, MDR 1993, 854 = GmbHR 1993, 505 = ZIP 1993, 1160) Bewertungsmethode bewertet werden (BGH v. 9.11.1998 - II ZR 190/97, BGHZ 140, 35 = GmbHR 1999, 31 = AG 1999, 122; Urt. v. 18.3.2002 - II ZR 11/01, GmbHR 2002, 545 [546] m. Anm. Brauer/Manger).
a) Einen solchen Sonderfall der Qualifizierung der Schuldnerin als bereits in dem maßgeblichen Zeitraum zwischen Errichtung und Eintragung in das Handelsregister nach anerkannten Grundsätzen der Betriebswirtschaftslehre bewertungsfähiges, strukturiertes und in das Marktgeschehen integriertes Unternehmen hat das OLG jedoch - im Einklang mit den Leitentscheidungen des Senats - in revisionsrechtlich einwandfreier tatrichterlicher Würdigung verneint.
Nach den getroffenen Feststellungen hat die Schuldnerin nämlich in diesem Zeitraum weder auf die werbende Tätigkeit gerichtete Rechtsgeschäfte abgeschlossen noch sonst ihr operatives Geschäft anderweitig in einer sie als Organisationseinheit im Sinne eines Unternehmens kennzeichnenden Weise aufgenommen. Vielmehr bewegten sich nach Einschätzung des Berufungsgerichts sämtliche Aktivitäten - wie Präsentationen des Unternehmenskonzepts und Bemühungen um Kooperationspartner - noch im Vorstadium werbender Tätigkeit und sollten letztlich erst die Basis dafür schaffen, dass in Zukunft das operative Geschäft aufgenommen werden konnte.
Entgegen der Ansicht der Revision musste das Berufungsgericht die unstreitigen Gesamtumstände auch nicht deshalb anders beurteilen, weil die Schuldnerin sich - schlagwortartig - als "Start-up-Unternehmen" bezeichnete, das auf dem Gebiet des damaligen "Neuen Marktes" agieren wollte. Auch für ein so bezeichnetes Unternehmen, das sich - wie im vorliegenden Fall - bis zur Eintragung in das Handelsregister noch in der Phase der Vorbereitung des operativen Geschäfts befunden hat, verbleibt es dabei, dass bei der Ermittlung der Unterbilanzhaftung von einer als bewertbares Unternehmen anzusehenden strukturierten Organisationseinheit nur in engen Ausnahmefällen und erst dann ausgegangen werden kann, wenn das von den Gründungsgesellschaftern verfolgte innovative Geschäftskonzept seine Bestätigung am Markt gefunden hat (vgl. zur Berücksichtigung des Geschäftswertes nach Bestehen des sog. "Markttests" auch: Hennrichs, ZGR 1999, 837 [845]).
An einer derartigen erforderlichen Bewährung des Geschäftsmodells fehlte es nach den zutreffenden Feststellungen des Berufungsgerichts; das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch dann, wenn - wie der Beklagte behauptet hat - die Schuldnerin ein von der Gl. GmbH entwickeltes Geschäftsmodell verfolgte, sich ihre Betätigung als Vor-GmbH aber gleichwohl erst im Vorbereitungsstadium zur vollen operativen Tätigkeit befand.
b) Das Berufungsurteil beruht in Bezug auf die Ablehnung der Anerkennung der Unternehmenseigenschaft der Schuldnerin - entgegen der Ansicht der Revision - auch nicht auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast.
Das Berufungsgericht hat das hierfür maßgebliche Vorbringen des Beklagten zu den geschäftlichen Aktivitäten der Schuldnerin vor Eintragung in das Handelsregister seiner Bewertung als unstreitig zugrunde gelegt, so dass jedenfalls insoweit nicht einmal eine Beweislastentscheidung vorliegt.
Soweit im Übrigen dieses Vorbringen des Beklagten zu den geschäftlichen Aktivitäten der Vor-GmbH als nicht geeignet angesehen wurde, die Berücksichtigung eines Geschäfts- oder Firmenwertes in der Vorbelastungsbilanz zu rechtfertigen, ist der Beklagte allerdings - wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat - der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast letztlich nicht hinreichend nachgekommen. Da von Seiten der Schuldnerin eine Vorbelastungsbilanz auf den Eintragungsstichtag nicht erstellt worden war und sich für den Kläger aus den Geschäftsunterlagen der Schuldnerin keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ergaben, dass bereits vor Eintragung der Gesellschaft ein Unternehmen mit eigenständigem Vermögenswert bestanden hat, im Übrigen aber bei der dann gebotenen Einzelbewertung das Stammkapital der Gesellschaft im Gründungsstadium bereits verbraucht war, oblag es dem Beklagten als Gesellschafter darzulegen, dass eine Unterbilanz wegen einer ausnahmsweise nach der Ertragswertmethode vorzunehmenden und dabei wegen der Prognoseentscheidung der Sache nach einen Geschäfts- oder Firmenwert einschließenden Bewertung nicht bestanden habe (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2003 - II ZR 281/00, GmbHR 2003, 466 m. Anm. Schulze = BGHReport 2003, 497 = ZIP 2003, 625 [627]).
2. Das Berufungsgericht hat entgegen der Ansicht der Revision auch nicht insoweit die Darlegungs- und Beweislast verkannt, als es im Rahmen der Einzelbewertung der Vermögensgegenstände der Schuldnerin die von dem Wirtschaftsprüfer Prof. Dr. K. ermittelten Bilanzansätze seiner Entscheidung über das Bestehen einer Unterbilanz zugrunde gelegt hat. Zu Recht hat es dabei das pauschale Bestreiten der inhaltlichen Richtigkeit dieser vom Kläger vorgetragenen Bilanzpositionen - etwa zur Höhe der Bilanzansätze und des daraus resultierenden Fehlbetrages oder zu den Ansätzen der Gewinn- und Verlustrechnung - durch den Beklagten als prozessual unzulässig angesehen. Angesichts des vom Kläger an Hand des bei der Schuldnerin vorgefundenen Tatsachenmaterials hinreichend substantiiert dargelegten Fehlbetrags einerseits und der Verletzung der Pflicht zur zeitnahen Aufstellung der Vorbelastungsbilanz durch die Schuldnerin andererseits hätte es dem Beklagten oblegen, den Bilanzansätzen des Klägers durch hinreichend konkreten Vortrag entgegenzutreten (vgl. BGH, Urt. v. 17.2.2003 - II ZR 281/00, GmbHR 2003, 466 m. Anm. Schulze = BGHReport 2003, 497 = ZIP 2003, 625 [627]).
3. Mit Recht hat das Berufungsgericht es auch abgelehnt, das von der P. mit Beteiligungsvertrag vom 4.12.1997 anlässlich der Kapitalerhöhung versprochene und entrichtete Aufgeld von 851.000 DM zugunsten des Beklagten bereits in der Vorbelastungsbilanz als Aktivum zu berücksichtigen. Für die Ermittlung der Vorbelastungshaftung ist dieser - erst für die spätere Kapitalerhöhung relevante Vorgang - auch dann ohne Belang, wenn, wie der Beklagte erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen hat, zwischen der Schuldnerin und der P. bereits im Juli 1997 - also noch vor Gründung der Schuldnerin - vereinbart worden sein sollte, dass die P. im Wege der Kapitalerhöhung einen Geschäftsanteil und eine zusätzliche Aufgeldzahlung i.H.v. 851.000 DM übernehmen werde. Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht insoweit zu Recht die fehlende Einhaltung der nach § 154 Abs. 2 BGB in Anbetracht der Gesamtumstände für erforderlich erachteten Schriftform beanstandet hat, hätte auch eine im Vorgründungsstadium etwa mündlich wirksam erklärte Beteiligungsabsicht anlässlich einer noch in der Zukunft liegenden etwaigen Kapitalerhöhung nicht zu einem bereits in der Vorbelastungsbilanz der Schuldnerin berücksichtigungsfähigen Aktivum geführt.
4. Die danach eingetretene Unterbilanzhaftung des Beklagten ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - nicht dadurch entfallen, dass der bei der Schuldnerin im Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Handelsregister vorhandene Fehlbetrag in der Folgezeit - wie vom Berufungsgericht unterstellt und wie daher auch für das Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist - im Verlauf der weiteren Geschäftstätigkeit, insb. etwa durch Zahlungen der P. oder noch spätere Leistungen des Beklagten selbst in die Kapitalrücklage der Schuldnerin, anderweitig ausgeglichen worden ist.
Der in der Jahresbilanz zu aktivierende Anspruch aus Unterbilanzhaftung geht - gleichgültig, ob diese bilanztechnische Aktivierung stattgefunden hat oder nicht - ebenso wenig wie der echte Einlageanspruch oder der Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG automatisch "durch Zweckerreichung" unter, wenn die Gesellschaft nach dem Stichtag aus anderen Gründen über ein die Stammkapitalziffer deckendes Vermögen - namentlich über nicht ausgeschüttete Gewinne oder über eine auflösungsfähige Kapitalrücklage i.S.d. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB - verfügt (so zutreffend: Butzke, ZHR 154, 357 [363 f.]; vgl. auch: BGH v. 29.5.2000 - II ZR 118/98 - Balsam/Procedo, BGHZ 144, 336 [341] = MDR 2000, 1082 m. Anm. Bieder = GmbHR 2000, 771, zur vergleichbaren Situation beim Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG; gegen eine automatische Tilgung ohne Beschluss der Gesellschafterversammlung in bilanzieller Hinsicht: Schulze-Osterloh, FS Goerdeler, 531 [546 f.]; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 42 Rz. 564; wohl auch. Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 11 Rz. 64 i.V.m. § 29 Rz. 24, bezugnehmend auf: Schulze/Osterloh, § 42 Rz. 564, und § 42a Rz. 38; zutreffend: Ulmer, FS 100 Jahre GmbHG, 363 [387] Fn. 93, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner davon abweichenden früheren Ansicht in: Hachenburg, GmbHG, 8. Aufl., § 11 Rz. 87; s. jetzt aber: Ulmer, GmbHG, 2005, § 11 Rz. 105; a.A. mit näherer Begründung: Priester, FS Ulmer, 477 [489 ff., 491]; ferner: Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 11 Rz. 31; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 11 Rz. 131a).
Der Senat hat bereits durch Urteil vom 29.5.2000 (BGH v. 29.5.2000 - II ZR 118/98 - Balsam/Procedo, BGHZ 144, 336 [341] = MDR 2000, 1082 m. Anm. Bieder = GmbHR 2000, 771) für den Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG unter Aufgabe seiner früher mit Urteil vom 11.5.1987 (BGH v. 11.5.1987 - II ZR 226/86, GmbHR 1987, 390 = MDR 1988, 31 = ZIP 1987, 1113) vertretenen Zweckerreichungsthese entschieden, dass ein einmal wegen Verstoßes gegen § 30 Abs. 1 GmbHG entstandener Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG nicht von Gesetzes wegen entfällt, wenn das Gesellschaftskapital zwischenzeitlich anderweit bis zur Höhe der Stammkapitalziffer nachhaltig wiederhergestellt ist. Danach dient der Anspruch aus § 31 Abs. 1 GmbHG der Wiederaufbringung des durch die verbotene Auszahlung verletzten Stammkapitals der Gesellschaft und ist deshalb funktional mit dem Einlageanspruch der Gesellschaft zu vergleichen, für dessen Bestand es wegen des Grundsatzes der realen Kapitalaufbringung keine Rolle spielt, ob das Stammkapital der Gesellschaft möglicherweise bereits auf andere Weise gedeckt ist.
Eine derartige Betrachtungsweise gilt erst recht für die vergleichbare Situation bei der Unterbilanzhaftung, wenn die im Zeitpunkt des Stichtages bestehende Unterbilanz später durch Wiederauffüllung des Haftungsfonds auf andere Weise beseitigt worden ist. Der Anspruch aus Unterbilanzhaftung - die gewährleisten soll, dass der Gesellschaft das ihr von ihren Gesellschaftern versprochene, in ihrer Satzung verlautbarte Stammkapital wenigstens im Augenblick ihrer Eintragung tatsächlich seinem Wert nach unversehrt zur Verfügung steht (BGH v. 9.3.1981 - II ZR 54/80, BGHZ 80, 129 [136 f.] = GmbHR 1981, 114 = MDR 1981, 649) - ist nach der Senatsrechtsprechung grundsätzlich wie ein Anspruch auf Leistung fehlender Bareinlagen zu behandeln und unterliegt deshalb denselben strengen Regeln der Kapitalaufbringung wie die ursprüngliche Einlageschuld (BGH v. 6.12.1993 - II ZR 102/93, BGHZ 124, 282 [286] = AG 1994, 225 = GmbHR 1994, 176 = MDR 1994, 357; h.M.: Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 11 Rz. 128; Lutter/Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., § 11 Rz. 33; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 11 Rz. 84; Ulmer, GmbHG, 2005, § 11 Rz. 101; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 11 Rz. 62). Nach dem insoweit entsprechend geltenden Grundsatz der realen Kapitalaufbringung ist damit auch bei der Unterbilanzhaftung - nicht anders bei der für Sacheinlagen geltenden Differenzhaftung (§ 9 GmbHG) - ein automatisches Erlöschen des Anspruchs durch faktische Zweckerreichung infolge einer anderweitigen Auffüllung des Haftungsfonds ausgeschlossen. Der aus Unterbilanz haftende Gesellschafter kann nach dem ebenfalls entsprechend geltenden § 19 GmbHG auch nicht - ebenso wenig wie dies bei dem echten Einlageanspruch oder dem Erstattungsanspruch nach § 31 GmbHG in Betracht käme - einseitig mit Forderungen, die er gegen die GmbH besitzt, aufrechnen. Möglich ist allenfalls eine tatsächlich ausgesprochene und nicht lediglich unterstellte (so aber: Priester, FS Ulmer, 477 [491]) Verrechnung seitens der Gesellschaft, die allerdings - wie stets bei § 19 Abs. 2 GmbHG - nur dann in Betracht kommen kann, wenn der zur Verrechnung gestellte Gegenanspruch des Gesellschafters vollwertig, fällig und liquide, also mit 100 % zu bewerten ist (vgl. auch: Butzke, ZHR 154, 357 [364]).
Unter diesen engen Voraussetzungen kann dem auch in bilanzieller Hinsicht dadurch Rechnung getragen werden, dass die Gesellschafterversammlung den zwingend in der Jahresbilanz der Gesellschaft zu aktivierenden Unterbilanzhaftungsanspruch gegen den betreffenden Gesellschafter (vgl. dazu: Schulze-Osterloh, FS Goerdeler, 544 [549]; Scholz/K.Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., § 11 Rz. 128; Priester, FS Ulmer, 484 f.) mit dem ausgewiesenen Jahresüberschuss bzw. dem an seiner Stelle ausgewiesenen Bilanzgewinn durch Ergebnisverwendungsbeschluss (§§ 29 Abs. 2, 42a Abs. 2, 46 Nr. 1 GmbHG) oder durch Auflösung von Kapital- oder Gewinnrücklagen anlässlich der Feststellung des Jahresabschlusses verrechnet (vgl. dazu: Schulze-Osterloh, FS Goerdeler, 46 f.; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 42 Rz. 224 [564], m.w.N.).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat eine Verrechnung, die den vorstehenden Vorgaben entsprochen hätte, seitens der Gesellschafterversammlung der Schuldnerin nicht stattgefunden, und zwar weder in Bezug auf die Leistungen des Aufgeldes der P. in die Kapitalrücklage noch hinsichtlich der späteren Zahlungen des Beklagten selbst in die entsprechende Rücklage im Jahre 1999. Jene Zahlungen des Beklagten waren auch nicht geeignet, den seit dem 8.10.1997 fälligen Anspruch auf Ausgleich der Unterbilanz gem. § 362 BGB unmittelbar zu erfüllen, da es an der erforderlichen entsprechenden Tilgungszweckbestimmung des Beklagten fehlte, dieser vielmehr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf die ggü. den Gesellschaftern übernommene Verpflichtung zur "Stärkung des Betriebskapitals" durch Zahlung in die Kapitalrücklage leisten wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 1494117 |
BGHZ 2006, 391 |
BB 2006, 907 |
DB 2006, 775 |
DStR 2006, 711 |
DStZ 2006, 423 |
WPg 2006, 523 |
NJW 2006, 1594 |
BGHR 2006, 725 |
GmbH-StB 2006, 129 |
DNotI-Report 2006, 90 |
EWiR 2006, 565 |
NZG 2006, 390 |
StuB 2006, 648 |
WM 2006, 719 |
ZAP 2006, 737 |
ZIP 2006, 668 |
DNotZ 2006, 539 |
InVo 2006, 308 |
MDR 2006, 1057 |
NZI 2007, 189 |
NZI 2007, 40 |
ZInsO 2006, 374 |
BKR 2006, 208 |
GmbHR 2006, 482 |
KSI 2006, 114 |
NJW-Spezial 2006, 223 |
ZBB 2006, 207 |
Konzern 2006, 379 |