Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwaltliche Scheinsozietät. Restzahlungsanspruch nach Lieferung einer PC-Anlage an Anwaltssozietät. Rechtsscheinhaftung. Briefkopf. Rechtsgeschäft bezüglich Büroeinrichtung
Leitsatz (amtlich)
Keine Rechtsscheinhaftung des Mitglieds einer anwaltlichen Scheinsozietät für Forderungen, die nicht die anwaltstypische - rechtsberatende oder rechtsvertretende - Tätigkeit betreffen.
Normenkette
BGB § 675
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 10.7.2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin vertreibt und repariert Computeranlagen. Die Beklagte war als Rechtsanwältin in der ehemaligen Rechtsanwaltskanzlei S. angestellt, die ihre EDV-Ausstattung von der Klägerin erwarb. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Bezahlung zweier Rechnungen vom 24.12.2002i.H.v. 1.780 EUR Restkaufpreis für eine an die Kanzlei gelieferte PC-Anlage sowie von 877,10 EUR Reparaturkosten für einen Server nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten in Anspruch. Lieferung und Rechnungsstellung erfolgten an die Rechtsanwaltskanzlei S. Die Beklagte wurde auf dem Briefkopf der Kanzlei ohne haftungseinschränkenden Zusatz wie eine Sozia (Gesellschafterin der Anwaltssozietät) geführt. Von diesem Briefkopf hatte einer der Geschäftsführer der Klägerin Kenntnis, weil er in einem Rechtsstreit von der Rechtsanwaltskanzlei vertreten wurde.
[2] Das AG hat der Klage auf Zahlung von 2.667,10 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
[3] Die Revision hat keinen Erfolg; sie ist trotz der Säumnis der Beklagten durch kontradiktorisches Urteil zurückzuweisen (BGH, Urt. v. 14.7.1967 - V ZR 112/64, NJW 1967, 2162).
I.
[4] Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
[5] Der Klägerin stehe weder nach § 433 Abs. 2 BGB i.V.m. § 128 HGB analog ein Anspruch auf Zahlung des restlichen Kaufpreises noch gem. §§ 631, 632 BGB i.V.m. § 128 HGB analog ein Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns zu.
[6] Nicht die Beklagte, sondern die Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei Vertragspartnerin der Klägerin geworden. Die Beklagte, die unstreitig keine Gesellschafterin der Anwaltssozietät gewesen sei, hafte auch nicht nach Rechtsscheingrundsätzen.
[7] Von den im Briefkopf der Schriftsätze einer Kanzlei aufgeführten Rechtsanwälten könne nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass sie Vertragspartner bei Rechtsgeschäften würden, die andere Gegenstände als Anwaltsverträge mit Mandanten beträfen. Hier sei es nicht um einen Anwaltsvertrag gegangen, sondern lediglich um Rechtsgeschäfte, die die Büroeinrichtung beträfen. Unstreitig sei im Rahmen der streitgegenständlichen Vertragsverhandlungen nicht Papier mit dem Briefkopf der Kanzlei verwendet worden. Weder die Stellung der Beklagten als Ansprechpartnerin für PC-Angelegenheiten in der Kanzlei noch ihr Erscheinen im Geschäftslokal der Klägerin nach Vertragsschluss und die Übergabe eines Schecks über 500 EUR zur Begleichung der offenen Kaufpreisforderung für den PC unter Zusage weiterer Zahlungen ließen Rückschlüsse auf einen bei Vertragsschluss gesetzten Rechtsschein einer Gesellschafterstellung der Beklagten zu.
II.
[8] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der Klägerin steht kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte ist weder Vertragspartnerin der Klägerin geworden, noch haftet sie als "Scheinsozia" nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGHZ 70, 247, 249).
[9] 1. Zutreffend - und von der Revision unangegriffen - hat das Berufungsgericht festgestellt, dass aus den die PC-Anlage betreffenden Verträgen die Sozietät, bei der die Beklagte damals als angestellte Rechtsanwältin tätig war, verpflichtet werden sollte und verpflichtet wurde.
[10] 2. Die Beklagte haftet aus den mit der Anwaltssozietät S. geschlossenen Verträgen entgegen der Ansicht der Revision auch nicht nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen der Scheinsozietät. Diese betreffen den Fall, dass mehrere Rechtsanwälte, zwischen denen keine Sozietät, sondern nur ein Anstellungsverhältnis besteht, nach außen hin durch gemeinsame Briefbögen, Stempel usw. den Anschein einer Sozietät erwecken und dadurch ggü. dem Rechtsverkehr den Anschein erzeugen, dass der einzelne handelnde Rechtsanwalt sie sämtlich vertritt. An diesem von ihnen gesetzten Rechtsschein müssen sich deshalb alle Rechtsanwälte festhalten lassen. Dies ergibt sich aus den von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätzen zur sog. Duldungs- und Anscheinsvollmacht (BGHZ 70, 247, 249). Die Rechtsfigur der Scheinsozietät dient indessen allein dazu, im Interesse der Mandantschaft um deren Vertrauensschutzes willen unter Haftungsgesichtspunkten auf den erweckten Anschein abzustellen (BGH, Urt. v. 12.10.2000 - WpSt (R) 1/00, NJW 2001, 165, unter II 1b). Fehler eines Scheinsozius bei der Bearbeitung eines Mandats werden als solche der Sozietät behandelt (BGH, Urt. v. 3.5.2007 - IX ZR 218/05, NJW 2007, 2490, Tz. 20). Die Haftung eines Mitglieds einer Scheinsozietät setzt ein Mandatsverhältnis und damit eine anwaltstypische Tätigkeit voraus. Eine anwaltstypische Tätigkeit liegt jedoch dann nicht vor, wenn keine rechtsberatende oder rechtsvertretende Tätigkeit damit verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1999 - IX ZR 338/97, NJW 1999, 3040, unter I 3b aa; OLG Celle NJW 2006, 3431, 3433; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 164 Rz. 6). So ist es hier. Der Kauf einer PC-Anlage und deren Reparatur stellen, auch wenn sie für ein Anwaltsbüro erfolgen, keine anwaltstypischen Tätigkeiten dar.
[11] 3. Nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts sind auch im Übrigen - außerhalb einer Mandatsbeziehung zur Klägerin - keine Anhaltspunkte für eine Rechtsscheinhaftung der Beklagten für den von der Rechtsanwaltssozietät S. zu zahlenden Restkaufpreis und Werklohn ersichtlich. Übergangenen Sachvortrag hierzu zeigt die Revision nicht auf.
Fundstellen