Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufungsgründe. Neue Beweismittel und Beweiseinreden. Tatsächliche und rechtliche Würdigung des Urteils
Leitsatz (redaktionell)
Der als Berufungsbegründung eingereichte Schriftsatz muss den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügen. Die Begründung muss erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist.
Normenkette
ZPO §§ 519, 547
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 12.06.2001) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. Juni 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Kläger.
Von Rechts wegen
Tatbestand
I.
Der Kläger verlangt als Konkursverwalter über das Vermögen der F. Bauunternehmung GmbH (im folgenden: Gemeinschuldnerin) restliche Vergütung aus einem gekündigten Vertrag über Rohbauarbeiten an dem Bauvorhaben der Beklagten. Nach der Kündigung des Vertrages rechnete die Gemeinschuldnerin die von ihr erbrachten Leistungen ab. Der Kläger hat 69.346,81 DM und Zinsen von den Beklagten verlangt.
II.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Anspruch der Gemeinschuldnerin nicht entsprechend § 8 Nr. 1 Abs. 2, Nr. 6 VOB/B „schlüssig” dargelegt habe. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Entscheidungsgründe
I.
Die Entscheidung ergeht nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Recht (§ 26 Nr. 7 EGZPO). Die Revision hat keinen Erfolg.
II.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der als Berufungsbegründung eingereichte Schriftsatz vom 24. März 2000 genüge nicht den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Der Kläger habe das landgerichtliche Urteil nur mit dem pauschalen Hinweis angegriffen, die erweiterte Forderung sei umfassend prüfbar abgerechnet und enthalte alle erbrachten und nicht erbrachten Leistungen. Die vorgelegte Berufungsbegründung enthalte nicht mehr als die Aussage, das landgerichtliche Urteil sei falsch. Eine pauschale Bezugnahme auf den Vortrag erster Instanz sei keine ausreichende Berufungsbegründung. Eine der vom Bundesgerichtshof zugelassenen Ausnahmen von diesem Grundsatz liege nicht vor. Die Bezugnahme auf einen zeitlich und prozessual weit zurückliegenden Beschluß des Berufungsgerichts als Beschwerdegericht hinsichtlich einer Entscheidung des Landgerichts über die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ersetze eine Begründung nicht. Es sei keine Förmelei, von dem Berufungsführer die erstmalige Beschäftigung mit den neuen Argumenten des Landgerichts in dessen Urteil zu verlangen, das sich auch mit dem Prozeßkostenhilfe gewährenden Beschluß des Berufungsgerichts auseinandersetze.
Die im Anschluß an die Berufungsbegründung vorgetragenen Ergänzungen rechtfertigten keine abweichende Beurteilung. Die erstmalige bestimmte Bezeichnung der Anfechtungsgründe nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei unzulässig.
III.
Das hält den Angriffen der gemäß § 547 ZPO statthaften Revision stand. Die Berufungsbegründung des Klägers vom 24. März 2000 genügt nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
1. Nach dieser Vorschrift muß die Berufungsbegründung die bestimmte Bezeichnung der im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) sowie der neuen Beweismittel und Beweiseinreden enthalten, die die Partei zur Rechtfertigung ihrer Berufung anzuführen hat. Die Vorschrift soll gewährleisten, daß der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorbereitet wird, indem sie den Berufungsführer anhält, die Beurteilung des Streitfalls durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchen Gründen das angefochtene Urteil für unrichtig gehalten wird. Die Begründung muß demnach zum einen erkennen lassen, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist, und zum anderen im Einzelnen angeben, aus welchen Gründen er die tatsächliche und rechtliche Würdigung des vorinstanzlichen Urteils in den angegebenen Punkten für unrichtig hält. Es reicht nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch den Erstrichter mit formelhaften Wendungen zu rügen oder auf das Vorbringen erster Instanz zu verweisen (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 13. November 2001 – VI ZR 414/00, NJW 2002, 682; Urteil vom 24. Januar 2000 – II ZR 172/98, NJW 2000, 1576; Urteil vom 16. Dezember 1999 – VII ZR 25/98, BauR 2000, 769, 770 = NZBau 2000, 204; Urteil vom 24. Juni 1999 – I ZR 164/97, NJW 1999, 3269, 3270; Urteil vom 06. Mai 1999 – III ZR 265/98, NJW 1999, 3126).
2. Daran gemessen ist die Berufungsbegründung des Klägers vom 24. März 2000 nicht ausreichend. Das Landgericht hat im Einzelnen begründet, warum seiner Ansicht nach die vom Kläger vorgelegte Abrechnung den Vergütungsanspruch nicht rechtfertigt. Dagegen wendet die Berufungsbegründung des Klägers lediglich ein, daß die erweiterte Forderung umfassend prüfbar dargestellt sei und entgegen der Auffassung des Landgerichts alle erbrachten und nicht erbrachten Leistungen enthalte. Dem ist eine auf die Entscheidungsgründe des Landgerichts zugeschnittene Begründung nicht zu entnehmen. Aus dieser Begründung, die sich in der Behauptung erschöpft, der Kläger habe Recht und das Urteil des Landgerichts sei unrichtig, ergibt sich weder, welche konkrete tatsächliche Würdigung der Kläger anders als das Landgericht vornehmen noch welche rechtlichen Gesichtspunkte er im Berufungsverfahren abweichend vom Landgericht zugrundegelegt sehen möchte.
3. Die Bezugnahme auf die Beschlüsse, die das Berufungsgericht auf die Beschwerde des Klägers zur Bewilligung der Prozeßkostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren erlassen hat, macht eine den Anforderungen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO genügende Berufungsbegründung des Klägers nicht entbehrlich. Durch Bezugnahme kann eine ordnungsgemäße Begründung der Berufung nur in begrenzten Ausnahmefällen erfolgen, wenn dadurch der Zweck des § 519 Abs. 3 ZPO, den Rechtsstreit für die Berufungsinstanz ausreichend vorzubereiten, gewahrt ist und die Auseinandersetzung mit dem Urteil des Erstgerichts auf andere Weise als durch Einreichung einer den Vorgaben des § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO entsprechenden Berufungsbegründung erfolgt. Das ist etwa bei der Bezugnahme auf ein zur Durchführung der Berufung eingereichtes Prozeßkostenhilfegesuch des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten (BGH, Beschluß vom 16. August 2000 – XII ZB 65/00, NJW-RR 2001, 789) oder auf einen die beantragte Prozeßkostenhilfe für die Berufung bewilligenden und näher begründeten Beschluß des Berufungsgerichts (BGH, Urteil vom 29. September 1993 – XII ZR 209/92, NJW 1993, 3333, 3334) der Fall.
An der notwendigen Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil fehlt es. Die Beschlüsse des Berufungsgerichts, auf die der Kläger sich in der Berufungsbegründung bezieht, sind auf dessen Beschwerden gegen die Versagung der Prozeßkostenhilfe für die erste Instanz durch das Landgericht bereits vor dem erstinstanzlichen Urteil ergangen. Mit diesem konnten sie sich noch nicht befassen.
4. Die Abweisung der Klage durch das Landgericht wegen fehlender Prüfbarkeit ist als eine Abweisung als derzeit unbegründet anzusehen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Haß, Kuffer, Bauner
Fundstellen
BGHR 2002, 1115 |
BauR 2002, 1434 |
ZfBR 2002, 679 |