Leitsatz (amtlich)
Widerspricht in einem Eigenverwaltungsverfahren ausschließlich der Sachwalter der Feststellung einer titulierten Forderung zur Tabelle, ist er und nicht der eigenverwaltende Schuldner befugt, den Widerspruch durch Aufnahme des anhängigen Rechtsstreits weiterzuverfolgen.
Normenkette
ZPO § 240 S. 1; InsO § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2, § 283 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Zwischenurteil des 8. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 4. Juli 2023 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Anfechtung von Zahlungen der B. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin) an die Beklagte. Zwischen der Schuldnerin und der Beklagten bestand eine laufende Geschäftsbeziehung. Auf einen am 19. Januar 2012 eingegangenen Eigenantrag eröffnete das Insolvenzgericht am 16. März 2012 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Er nahm die Beklagte auf Zahlung von 64.948 € unter dem Gesichtspunkt der Vorsatzanfechtung in Anspruch.
Rz. 2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Deren Revision hat zur Aufhebung des Berufungsurteils durch den Senat und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt (BGH, Urteil vom 28. März 2019 - IX ZR 7/18, NZI 2019, 594). Im neuen Berufungsverfahren ist gegen die im Verhandlungstermin vom 5. November 2019 säumige Beklagte ein Versäumnisurteil ergangen, gegen welches sie Einspruch eingelegt hat. Am 1. Januar 2020 eröffnete das Insolvenzgericht auf ihren Antrag das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen in Eigenverwaltung und bestellte Rechtsanwalt R. zum Sachwalter.
Rz. 3
Der Kläger meldete die Klageforderung zur Tabelle des Eigenverwaltungsverfahrens an. Der Sachwalter widersprach der Feststellung der Forderung zur Tabelle. Unter dem 8. Juli 2022 haben die Beklagte einerseits und der Sachwalter andererseits beim Berufungsgericht erklärt, das Verfahren aufzunehmen. Im Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht am 4. Juli 2023 hat nur die Beklagte beantragt, die wirksame Aufnahme des Rechtsstreits festzustellen; der Sachwalter hat davon abgesehen, seinen Antrag auf Feststellung aufrechtzuerhalten.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat mit Zwischenurteil festgestellt, dass der Rechtsstreit weiterhin unterbrochen ist. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Da nur der Sachwalter der Forderungsanmeldung widersprochen habe, könne die Beklagte als Schuldnerin den Widerspruch nicht verfolgen. Denn § 184 Abs. 2 InsO gestatte es dem Schuldner nur, seinen eigenen Widerspruch zu verfolgen. Abgesehen davon, dass der Sachwalter seinen Antrag auf Aufnahme des Rechtsstreits ohnehin zurückgenommen habe, fehle diesem auch eine Aufnahmebefugnis. Übe der Sachwalter sein Widerspruchsrecht gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO aus, dürfe nur der anmeldende Gläubiger aktiv werden. Dieser könne die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits betreiben.
II.
Rz. 7
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Rechtsstreit unterbrochen ist. Die Unterbrechung ist nicht aufgrund der Aufnahmeerklärung der Beklagten beendet worden.
Rz. 8
1. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten in Eigenverwaltung ist der Rechtsstreit gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 2006 - V ZB 93/06, ZIP 2007, 249 Rn. 6 ff). Gemäß § 240 Satz 1 ZPO kommt eine Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits ausschließlich unter den Voraussetzungen der §§ 85, 86, § 180 Abs. 2 InsO in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2023 - IX ZR 21/22, WM 2023, 779 Rn. 16 mwN).
Rz. 9
2. Gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 270c Satz 2 InsO in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden und hier gemäß Art. 103m EGInsO noch anzuwendenden Fassung der Bestimmung vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen schriftlich beim Sachwalter anzumelden. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO können bei der Prüfung der Forderungen außer den Insolvenzgläubigern der Schuldner und der Sachwalter angemeldete Forderungen bestreiten. Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO gilt eine Forderung, die ein Insolvenzgläubiger, der Schuldner oder der Sachwalter bestritten hat, nicht als festgestellt. Gemäß § 179 Abs. 2 InsO, der gemäß § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO auch auf die Eigenverwaltung Anwendung findet, obliegt es dem eine angemeldete Forderung Bestreitenden, den Widerspruch zu verfolgen, wenn für eine solche Forderung ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt. War zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Rechtsstreit über die Forderung anhängig, ist die Feststellung gemäß § 180 Abs. 2, § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO durch Aufnahme des Rechtsstreits zu betreiben.
Rz. 10
3. Daran gemessen, hätte im Streitfall - abgesehen von dem als Gläubiger nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls aufnahmeberechtigten Kläger (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1998 - II ZR 353/97, BGHZ 139, 132, 133 f zu § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO, § 146 Abs. 6 KO; Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7; ebenso BAG, NZA 2013, 1303 Rn. 5) - nur der Sachwalter die Aufnahme des Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO wirksam betreiben können.
Rz. 11
a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat nur der Sachwalter der Feststellung der Forderung des Klägers zur Tabelle in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten widersprochen. Gegenstand des Zwischenurteils des Berufungsgerichts ist jedoch ausschließlich die Wirksamkeit der Aufnahmeerklärung der eigenverwaltenden Beklagten gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO, § 250 ZPO. Diese hat aber ihrerseits der Feststellung zur Tabelle gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1, § 283 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht widersprochen.
Rz. 12
b) Offenbleiben kann ob § 184 Abs. 2 InsO auf den eigenverwaltenden Schuldner Anwendung findet (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2013 - IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rn. 9 ff), wie das Berufungsgericht gemeint hat. Nach der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum ist das indes nicht der Fall, weil der Schuldner im Insolvenzverfahren gleichsam sein eigener Verwalter und deshalb im vorliegenden Zusammenhang rechtlich wie ein Insolvenzverwalter zu behandeln sei. Danach wäre auf den eigenverwaltenden Schuldner § 180 Abs. 2 InsO anzuwenden und die Ausschlussfrist des § 184 Abs. 2 Satz 1 InsO gälte für ihn nicht (vgl. HK-InsO/Brünkmans, 11. Aufl., § 283 Rn. 6; MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 10 f; Holzer in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2021, § 283 Rn. 3; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, 6. Aufl., § 283 Rn. 7; Ringstmeier in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 4. Aufl., § 283 Rn. 5; HmbKomm-InsO/Fiebig, 10. Aufl., § 283 Rn. 3; aA FK-InsO/Foltis, 9. Aufl., § 283 Rn. 2; differenzierend Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 3).
Rz. 13
aa) Selbst wenn man das mit dem Berufungsgericht anders sähe, träfe die Ansicht der Revision, der Schuldner könne (und müsse) einen von dem Sachwalter erhobenen Widerspruch gemäß § 184 Abs. 2 InsO verfolgen, nicht zu. Die Revision zeigt keinen durchgreifenden Grund auf, warum der Schuldner, der sich gegen einen Widerspruch gegen die Feststellung einer bereits titulierten Forderung zur Tabelle entschieden hat, das Bestreiten eines anderen weiterverfolgen können soll. Ein solcher Grund ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Allgemein gilt, dass die Aufnahme des unterbrochenen Rechtsstreits gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO dem Bestreitenden obliegt, wenn für die Forderung bereits ein (vorläufig) vollstreckbarer Schuldtitel vorliegt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2014 - IX ZR 261/12, WM 2014, 1487 Rn. 9).
Rz. 14
Hat der Sachwalter einer zur Tabelle angemeldeten Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, im Prüfungstermin widersprochen, ist der Sachwalter befugt, seinen Widerspruch gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO selbst zu verfolgen. § 184 Abs. 2 InsO ist auf den Widerspruch des Sachwalters nicht anwendbar. Entgegen der Revision ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Senats vom 11. Juli 2013 (IX ZR 286/12, WM 2013, 1563 ff), dass den Schuldner stets dann, wenn der anmeldende Gläubiger bereits über einen Titel verfügt und nur irgendein Beteiligter, insbesondere aber der Sachwalter, die Forderung im Prüfungsverfahren bestreitet, die Verfolgungslast trifft. Das betrifft nach einhelliger Auffassung vielmehr nur einen von dem Schuldner selbst gegen die Forderung erhobenen Widerspruch (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2013, aaO Rn. 11, 21; vom 10. Oktober 2013 - IX ZR 30/13, NZI 2013, 1025 Rn. 11; MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 184 Rn. 8d; HK-InsO/Depré, 11. Aufl., § 184 Rn. 6).
Rz. 15
bb) Allerdings erlaubt die höchstrichterliche Rechtsprechung dem Gläubiger in Abweichung von diesem Grundsatz die weitere Verfolgung seiner titulierten Forderung durch Aufnahme des Rechtsstreits, wenn der Bestreitende seinerseits untätig bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1998 - II ZR 353/97, BGHZ 139, 132, 133 f zu § 11 Abs. 3 Satz 2 GesO, § 146 Abs. 6 KO; Beschluss vom 31. Oktober 2012 - III ZR 204/12, BGHZ 195, 233 Rn. 7; ebenso BAG, NZA 2013, 1303 Rn. 5). Dahinter steht, dass dem Insolvenzgläubiger die Möglichkeit gegeben werden soll, die durch das Bestreiten verursachte Ungewissheit über sein Recht zu beenden (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1998, aaO).
Rz. 16
Hieraus folgt nichts für die Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners. Dieser kann der Forderung selbst widersprechen und sodann den Rechtsstreit wirksam aufnehmen, wobei anders als im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO) sein Widerspruch gemäß § 283 Abs. 1 Satz 2 InsO auch die Feststellung zur Tabelle hindert. Damit hat es der Schuldner von vornherein selbst in der Hand, den mit der Unterbrechung des Rechtstreits gemäß § 240 Satz 1 ZPO eintretenden Schwebezustand nach Anmeldung der titulierten Forderung seitens des Gläubigers durch eigene Entscheidung zu beenden, wohingegen der Titelgläubiger weder über die Erhebung eines Widerspruchs noch darüber entscheiden kann, ob der Widersprechende seinen Widerspruch verfolgt und sich zur Aufnahme des Rechtsstreits entscheidet oder diese verzögert. In Anbetracht dessen ist es dem Schuldner zumutbar, die mit dem zunächst nicht weiter verfolgten Widerspruch ausschließlich des Sachwalters verbundene Unsicherheit über das Bestehen der gegen ihn titulierten Forderung hinzunehmen, wenn er selbst aufgrund eigener Entscheidung von einem Widerspruch absieht.
Rz. 17
cc) Es ist unzutreffend, wenn das Berufungsgericht meint, der Sachwalter, welcher der Forderung widersprochen hat, sei aufgrund der im Eigenverwaltungsverfahren fortbestehenden Verwaltungs- und Verfügungsmacht einschließlich der Prozessführungsbefugnis des Schuldners daran gehindert, den Rechtsstreit über die Insolvenzforderung wirksam aufzunehmen. Die von ihm zitierten Fundstellen im Schrifttum (unter anderem MünchKomm-InsO/Schumacher, 4. Aufl., § 85 Rn. 25; Uhlenbruck/Zipperer, InsO, 15. Aufl., § 283 Rn. 4) wie auch eine von ihm angeführte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFHE 244, 150 Rn. 14) betreffen die Anwendung von §§ 85, 86 InsO. Darum geht es hier nicht. Es steht vielmehr außer Frage, dass der Sachwalter den von ihm erhobenen Widerspruch, der die Feststellung hindert (§ 283 Abs. 1 Satz 2 InsO), nach den allgemeinen Regeln (§ 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 InsO) weiterverfolgen kann (vgl. MünchKomm-InsO/Kern, 4. Aufl., § 283 Rn. 17). Die Zulässigkeit eines solchen Vorgehens steht mit seiner Funktion im Eigenverwaltungsverfahren im Einklang, insbesondere Aufgaben zu erfüllen, die im Insolvenzverfahren ohne Eigenverwaltung der Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubiger wahrzunehmen hätte (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 223, zu § 331 RegE-InsO). § 179 Abs. 2 InsO bezieht sich - anders als das Berufungsgericht meint - auf sämtliche Widersprüche (arg. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierfür spricht nicht zuletzt § 189 Abs. 1 InsO, wonach eine Forderung, für die ein vollstreckbarer Schuldtitel oder ein Endurteil vorliegt, trotz eines Widerspruchs bei der Verteilung zu berücksichtigten ist (vgl. MünchKomm-InsO/Kebekus/Schwarzer, 4. Aufl., § 189 Rn. 3; Jäger/Meller-Hannich, InsO, 2. Aufl., § 188 Rn. 14, § 189 Rn. 5, 16, auch zur streitigen Frage, ob der Betrag zurückzuhalten oder auszuzahlen ist).
Schoppmeyer |
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Schultz |
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Selbmann |
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Harms |
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Kunnes |
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Fundstellen
BB 2024, 2178 |
WM 2024, 1228 |
WuB 2024, 409 |
ZIP 2024, 4 |
DZWir 2024, 617 |
JZ 2014, 401 |
NZI 2024, 774 |
ZInsO 2024, 1695 |
GWR 2024, 275 |
NJW-Spezial 2024, 534 |
ZRI 2024, 543 |