Entscheidungsstichwort (Thema)
Schicksal der Mietsicherheit bei Veräußerung und Mietende vor Inkrafttreten der Mietrechtsreform. Darlegungs- und Beweislast des Mieters bei Kautionsrückzahlungsansprüchen
Leitsatz (amtlich)
a) Zur Anwendbarkeit des § 572 a.F. BGB, wenn das vermietete Gewerbegrundstück schon vor In-Kraft-Treten des neuen Mietrechts zum 1.9.2001 veräußert und das Mietverhältnis vor diesem Zeitpunkt beendet war (im Anschluss an BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 381/03, BGHReport 2005, 1098 = MDR 2005, 1044 = NJW-RR 2005, 962).
b) Zur Darlegungs- und Beweislast des Mieters eines vor dem 1.9.2001 veräußerten Gewerbegrundstücks, wenn er vom Erwerber eine an den Vorvermieter gezahlte Kaution zurückverlangen will (im Anschluss an BGH, Urt. v. 28.9.2005 - VIII ZR 372/04, BGHReport 2006, 17 = NJW 2005, 3494).
Normenkette
BGB §§ 566a, 572 a.F.; EGBGB Art. 229; EGBGB § 3
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Urteil vom 06.05.2003; Aktenzeichen 9 U 17/03) |
LG Halle (Saale) (Urteil vom 23.12.2002; Aktenzeichen 4 O 288/02) |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des OLG Naumburg v. 6.5.2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger (Mieter) verlangt von den Beklagten die Rückzahlung einer der Vorvermieterin gezahlten Mietkaution.
Der Kläger mietete mit schriftlichem Vertrag vom Herbst 1992 von der E.-GmbH Büroräume in H. zu einem monatlichen Mietzins von 10.000 DM fest auf fünf Jahre. Das Mietverhältnis begann am 15.11.1992. Der Kläger zahlte die vereinbarte Kaution von 10.000 DM an die E.-GmbH. Durch Erwerb des Grundstücks wurde die Beklagte zu 1), eine GbR, mit Wirkung zum 1.8.1994 Vermieterin. Die Beklagten zu 2) und 3) sind die beiden Gesellschafter der Beklagten zu 1). Der Kläger kündigte das Mietverhältnis, das unstreitig jedenfalls am 15.11.1997 endete, fristlos zum 31.8.1997. Er verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der an die E.-GmbH gezahlten Kaution mit der Behauptung, die E.-GmbH, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3) gewesen sei, habe die Mietsicherheit der Beklagten zu 1) ausgehändigt. Die Beklagten bestreiten dies. Sie machen geltend, der Kläger sei zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages nicht berechtigt gewesen. Die Beklagte zu 1) rechnete deswegen gegen die Klageforderung hilfsweise mit Mietzinsforderungen für die Zeit von September bis Mitte November 1997 auf.
Das LG hat die Beklagten zur Rückzahlung der Kaution i.H.v. 5.112,92 EUR (= 10.000 DM) verurteilt. Die Hilfsaufrechnung der Beklagten zu 1) hat es als nicht durchgreifend erachtet, weil die fristlose Kündigung des Klägers wirksam gewesen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, weil dem Kläger gegen die Beklagten nach § 572 S. 2 BGB a.F. kein Anspruch auf Rückzahlung der Kaution zustehe. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision sucht der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu erreichen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
Das OLG hat im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagten seien nicht passiv legitimiert. Zwar sei nach § 566a BGB i.V.m. § 578 Abs. 2 S. 1 BGB der Erwerber von Mieträumen zur Zurückzahlung der Kaution verpflichtet, die der Mieter dem Veräußerer gestellt habe. Doch kämen diese ab 1.9.2001 geltenden Vorschriften nicht zur Anwendung, weil die Veräußerung der Mieträume vor diesem Zeitpunkt stattgefunden habe. In diesem Fall bleibe es, auch wenn das Mietrechtsreformgesetz für die zeitliche Geltung des § 566a BGB keine Vorschrift enthalte, auf Grund des allgemeinen Rückwirkungsverbots entsprechend Art. 170 EGBGB bei der Anwendung des § 572 S. 2 BGB a.F. Nach dieser Vorschrift aber sei der Erwerber zur Rückgewähr der Kaution, die der Mieter dem Veräußerer geleistet habe, nur verpflichtet, wenn sie ihm ausgehändigt worden sei oder er dem Veräußerer gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen habe. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Zwar sei der Beklagte zu 3) auch Geschäftsführer und Gesellschafter der E.-GmbH. Auch habe er als Vertreter der neuen Vermieter den Wechsel in der Vermieterstellung ausgehandelt. Dies lasse es zwar nahe liegend erscheinen, dass die Kaution von der E.-GmbH an die Beklagten ausgehändigt worden sei; für einen entsprechenden Nachweis reiche dies jedoch nicht aus.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, auf die Frage der Rückgewähr der Kaution sei im Gegensatz zur Meinung des OLG § 566a BGB und nicht § 572 BGB a.F. anzuwenden. Denn aus dem Fehlen einer Übergangsvorschrift für § 566a BGB folge, dass seit dem 1.9.2001 diese Vorschrift auch dann anwendbar sei, wenn die vermieteten Räume vor In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes veräußert worden seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
Vielmehr verneint die ganz herrschende Meinung zu Recht die Anwendung des § 566a BGB auf Veräußerungsvorgänge vor seinem In-Kraft-Treten am 1.9.2001 selbst dann, wenn das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt noch bestand (LG Berlin Grundeigentum 2002, 596; LG Aachen v. 28.11.2002 - 2 S 216/02, NJW-RR 2003, 586; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht, 8. Aufl., § 566a BGB Rz. 4; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl., § 566a BGB Rz. 30; Derleder, WuM 2002, 239; Geldmacher, DWW 2002, 182 [193]; a.A. Franke, ZMR 2001, 951 [952]). Dieser Meinung hat sich auch der für Wohnraummiete zuständige VIII. Zivilsenat des BGH (BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 381/03, BGHReport 2005, 1098 = MDR 2005, 1044 = NJW-RR 2005, 962) angeschlossen und ausgeführt, dass der Gesetzgeber in der Regelung des Art. 229 § 3 EGBGB zum Ausdruck gebracht habe, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit für Miet- und Pachtverträge Übergangsvorschriften erforderlich seien. Es entspreche daher dem Willen des Gesetzgebers, das berechtigte Vertrauen eines Grundstückserwerbers zu schützen, die dem Veräußerer gezahlte Kaution nur aus den in § 572 BGB a.F. genannten Gründen erstatten zu müssen, wenn der Erwerbsvorgang vor dem 1.9.2001 abgeschlossen sei. Eine Erstreckung der Regelung des § 566a S. 1 BGB stellte eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung dar.
Diese Ausführungen, denen sich der Senat auch für den Bereich der Gewerberaummiete anschließt, gelten erst recht, wenn, wie im vorliegenden Fall, nicht nur der Erwerbsvorgang, sondern auch das Mietverhältnis als solches bereits vor dem 1.9.2001 abgeschlossen und beendet war. Der Gesetzgeber hat in Art. 229 § 3 EGBGB bestimmt, dass auf am 1.9.2001 bestehende Mietverhältnisse unter bestimmten Voraussetzungen altes Recht anzuwenden ist. Daraus aber ist zu schließen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers auf Mietverhältnisse, die zu diesem Zeitpunkt bereits beendet waren, das bis dahin bestehende Recht entsprechend dem in Art. 170 EGBGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken und dem verfassungsrechtlich geltenden Verbot echter Rückwirkung anzuwenden ist.
2. Zu Recht ist das OLG im Übrigen davon ausgegangen, dass der Mieter im Rahmen von § 572 S. 2 BGB a.F. darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass dem Erwerber die Mietsicherheit vom Veräußerer ausgehändigt worden ist oder er dem Veräußerer gegenüber die Verpflichtung zur Rückgewähr übernommen hat. Dies wird von der Revision hingenommen. Allerdings wird zum Teil die Meinung vertreten, dass im Streitfall der Erwerber beweisen müsse, dass er die Kaution nicht erhalten habe (Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil III Rz. 237; Voelskow in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 572 Rz. 7; Bub/Treier/v. Martius, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. III A Rz. 784; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rz. 1429). Abgestellt wird dabei darauf, dass der umstrittene Vorgang in der Sphäre des Erwerbers liege. Dies rechtfertigt jedoch nicht die Abweichung von der allgemeinen Regel, dass der Anspruchsteller die anspruchsbegründenden Tatbestandsmerkmale einer Norm nachweisen muss (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., vor § 284 Rz. 17a). § 572 S. 2 BGB a.F. formuliert die Aushändigung der Mietsicherheit an den Erwerber als ein solches anspruchsbegründendes Merkmal. Es ist daher der Meinung zu folgen, die die Darlegungs- und Beweislast insoweit beim Mieter belässt (AG Lichtenberg NZM 2002, 385 [386]; LG Frankfurt/M. WuM 1998, 31; Geldmacher, DWW 2002, 182 [193]; Blank/Börstinghaus, Miete, § 572 BGB Rz. 18; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht I, 2. Aufl., § 572 BGB Rz. 4; Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Bearb., § 572 Rz. 25; Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. V Rz. 321; Schmidt-Futterer/Gather, Mietrecht, 7. Aufl., § 572 Rz. 25). Dies vertritt auch der VIII. Zivilsenat für das Wohnraummietrecht (BGH, Urt. v. 28.9.2005 - VIII ZR 372/04, BGHReport 2006, 17 = NJW 2005, 3494).
Für eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu Lasten des Grundstückserwerbers besteht kein Anlass, da es keinen Erfahrungssatz des Inhalts gibt, dass der Grundstückserwerber seinen Anspruch auf Auszahlung der vom Mieter an den Grundstücksveräußerer gezahlten Kaution auch tatsächlich gegen Letzteren durchsetzt und die Kaution erhält (Bub/Treier/Scheuer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. V Rz. 321). Es lassen sich vielmehr auch Fälle denken, in denen - etwa bei drohender oder bestehender Insolvenz des Veräußerers - die Kaution von diesem nicht mehr zu erlangen ist.
Der Umstand, dass im vorliegenden Fall eine wirtschaftliche und personelle Verflechtung zwischen der E.-GmbH als ehemaliger Grundstückseigentümerin und Vermieterin und der GbR als Erwerberin und neuer Vermieterin vorlag (H.O. war Geschäftsführer und Gesellschafter der E.-GmbH und Mitgesellschafter der GbR und schloss den Nachtragsmietvertrag über den Eintritt der GbR in die Vermieterstellung), ist noch kein ausreichendes Indiz dafür, dass die Kaution von der alten auf die neue Vermieterin übertragen wurde, und kann daher keine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten rechtfertigen.
Der Mieter wird dadurch auch nicht unzumutbar benachteiligt. Wie der VIII. Zivilsenat a.a.O. ausführt, kann er zum Beweis für die Kautionsübertragung etwa den früheren Vermieter oder andere Personen aus dessen Umfeld als Zeugen benennen oder unter den Voraussetzungen des § 445 ZPO auch die Vernehmung des beklagten Erwerbers als Partei beantragen.
Fundstellen
BGHR 2006, 417 |
NJW-RR 2006, 443 |
NZM 2006, 179 |
ZMR 2006, 348 |
MDR 2006, 805 |
NJ 2006, 177 |
Rpfleger 2006, 214 |
GuT 2006, 72 |
Info M 2006, 152 |
NJW-Spezial 2006, 195 |
ZGS 2006, 86 |