Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 31. August 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Anfechtungsklage gegen die Beschlüsse zu den Tagesordnungspunkten 1 (Beschluß über den Jahresabschluß 1997) und 7 (Bestätigung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 10. Oktober 1994 über die Herabsetzung des Grundkapitals), die in der Hauptversammlung der Beklagten vom 14. Juli 1998 gefaßt worden sind. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien darüber, ob die Hauptversammlung ordnungsgemäß i.S. des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG einberufen worden ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 der bis zum 6. Juni 1997 gültigen Satzung mußte der Vorstand der Beklagten, die im Zeitpunkt der Beschlußfassung über ein Grundkapital von 75 Mio. DM verfügte, aus mindestens zwei Mitgliedern bestehen. Für die Folgezeit ist die Vorschrift dahingehend geändert worden, daß der Aufsichtsrat die Zahl der Vorstandsmitglieder bestimmt. Nachdem das Vorstandsmitglied H. sein Vorstandsamt zum 28. Februar 1998 niedergelegt hatte, faßte der Aufsichtsrat am 25. Mai 1998 den Beschluß, Herrn H. als Vorstandsmitglied abzuberufen. Zugleich beschloß er, Herrn S. mit Wirkung ab 1. Juni 1998 zum Mitglied des Vorstandes der Beklagten zu bestellen. In der Zeit vom 28. Februar bis zum 31. Mai 1998 war somit alleiniges Mitglied des Vorstandes Herr Dr. B.. Die auf den 26. Mai 1998 datierte Einladung zur Hauptversammlung vom 14. Juli 1998 ist am 29. Mai 1998 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Die Parteien streiten u.a. darüber, ob der Aufsichtsrat mit seinem in der Sitzung vom 25. Mai 1998 gefaßten Beschluß für die Zeit bis zum 1. Juni 1998 die Zahl der Vorstandsmitglieder auf ein Mitglied beschränkt hat.
Die Anfechtungsklage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt zur Zurückverweisung. Der Vorstand der Beklagten war bei Abschluß der vorbereitenden Maßnahmen für die Hauptversammlung am 26. Mai 1998 sowie bei der Einladung zur Hauptversammlung durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 29. Mai 1998 entsprechend den Anforderungen des Gesetzes und der Satzung der Beklagten (vgl. §§ 23 Abs. 3 Nr. 6, 76 Abs. 2 Satz 2 AktG) ordnungsgemäß besetzt. Der Beklagten kann somit ein Formfehler bei der Erarbeitung und Bekanntgabe der Vorschläge zur Beschlußfassung in der Hauptversammlung vom 14. Juli 1998, der zur Anfechtung der Beschlüsse berechtigen würde, nicht vorgeworfen werden.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die vorbereitenden Maßnahmen i.S. des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG von dem Gesamtvorstand zu treffen und zu verantworten sind. Nach § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG sowie § 8 Abs. 1 der vor dem 6. Juni 1997 gültigen Satzung der Beklagten mußte der Gesamtvorstand aus zwei Mitgliedern bestehen. Der Umstand, daß ein Vorstandsmitglied durch Niederlegung seines Amtes aus dem Vorstand ausschied, führte unter Zugrundelegung dieser Regelung nicht dazu, daß diese Maßnahmen nur durch das verbliebene Vorstandsmitglied vorzubereiten und zu verantworten waren. Das hat der Senat in dem Verfahren II ZR 225/99 mit Urteil vom 12. November 2001 entschieden. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war der Vorstand am 26. bzw. 29. Mai 1998 unter der Geltung der neugefaßten Satzung der Beklagten mit einem Mitglied ordnungsgemäß besetzt.
a) Entgegen der Ansicht der Kläger stimmt die neue Satzungsregelung, nach der die Zahl der Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat der Beklagten bestimmt wird, mit der gesetzlichen Vorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG überein. Diese Bestimmung schreibt für Gesellschaften mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. [Euro] mindestens zwei Vorstandsmitglieder vor. Nach ihrem Wortlaut gilt jedoch eine Ausnahme von diesem Grundsatz, wenn die Satzung bestimmt, daß der Vorstand nur aus einer Person besteht. Dem entspricht die in § 8 der Satzung der Beklagten getroffene Regelung nicht. Die mit der Neufassung des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 in das Gesetz eingefügte Vorschrift des § 76 Abs. 2 Satz 2 AktG ist jedoch unter Berücksichtigung von § 23 Abs. 2 Nr. 6 AktG auszulegen, wonach in der Satzung die Zahl der Mitglieder des Vorstandes oder die Regeln, nach denen diese Zahl festgelegt wird, anzugeben sind. Eine Satzungsvorschrift, nach der die Zahl der Vorstandsmitglieder vom Aufsichtsrat bestimmt wird, gibt eine Regel an, nach der die Zahl der Vorstandsmitglieder festgelegt wird (Reg.Begr. BT-Drucks. 8/1678 S. 12; Hüffer, AktG 4. Aufl. § 76 Rdn. 22; ders. NJW 1979, 1065, 1066; Pentz in MünchKomm. z. AktG § 23 Rdn. 136; Krafft in KK z. AktG, 2. Aufl. § 23 Rdn. 76; Ganske, DB 1978, 2461, 2462).
Die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Nr. 6 AktG, deren gegenwärtige Fassung auf dem Gesetz zur Durchführung der zweiten Richtlinie vom 13. Dezember 1976 (BGBl. 1978, S. 1959) beruht, steht mit Art. 2 lit. d dieser Richtlinie (77/91 EWG, ABl.EG Nr. L 26 vom 31. Januar 1977, S. 1) in Übereinstimmung. Zwar hat die Satzung nach dem Wortlaut der deutschen Fassung der Richtlinie „die Bestimmungen, welche die Zahl … der Mitglieder …” festlegt, zu enthalten. Diese Fassung entspricht jedoch nicht der Entstehungsgeschichte der Richtlinienvorschrift (Ganske, DB 1978, 1461, 1462 Fn. 11). Diese spiegelt sich vielmehr zutreffend u.a. in der englischen und französischen Fassung wider, die von „rules, governing the number of … members” bzw. von „règles, qui déterminent le nombre …” sprechen (zu diesen Fassungen vgl. EUR-Lex, Community legislation in force bzw. Législation communitaire en vigueur, Document 377 L 001 S. 1). Die Richtigkeit dieser Anwendung des Gemeinschaftsrechtes, die auch der Ansicht des deutschen historischen Gesetzgebers entspricht (vgl. BT-Drucks. 8/1678 S. 12), ist offenkundig im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. EuGH, Urt. v. 6. Oktober 1982 – RS 283/81, Slg. 1982, 3415, 3430 f.). Es bedarf daher keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.
b) Mit seinen Beschlüssen zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 der Sitzung vom 25. Mai 1998 hat der Aufsichtsrat zum Ausdruck gebracht, daß er die Zahl der Vorstandsmitglieder nach § 8 Abs. 1 der ab 6. Juni 1997 gültigen Satzung auf ein Mitglied reduziert. In dem Beschluß zu Tagesordnungspunkt 2 hat der Aufsichtsrat der Niederlegung des Vorstandsmandates durch das frühere Vorstandsmitglied H. zugestimmt und dessen Abberufung beschlossen. Zu Tagesordnungspunkt 3 hat der Aufsichtsrat den Beschluß gefaßt, Herrn S. mit Wirkung ab 1. Juni 1998 zum Mitglied des Vorstandes der Beklagten zu bestellen. Zwar wird in diesen Beschlüssen nicht ausgesprochen, daß für die Zeit bis zum Antritt des Amtes durch Herrn S. die Zahl der Vorstandsmitglieder auf eine Person beschränkt wird. Ein solcher Beschlußinhalt kann jedoch durch Auslegung beider Beschlüsse festgestellt werden. Einmal ist sich der Aufsichtsrat des Umstandes, daß bis zum Antritt des Amtes durch Herrn S. der Vorstand nur mit einem Mitglied besetzt war, bewußt gewesen. Zum anderen hat er trotz Kenntnis dieses Umstandes, Herrn S. nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst ab 1. Juni 1998 in den Vorstand berufen. Damit hat er hinreichend zum Ausdruck gebracht, daß für die Zwischenzeit von der Berufung eines weiteren Vorstandsmitgliedes abgesehen und damit die Zahl der Vorstandsmitglieder auf eine Person beschränkt wird.
Das Berufungsgericht hat zwar im Ausgangspunkt seiner gegenteiligen Überlegungen insoweit Recht, als Aufsichtsratsbeschlüsse nach der Rechtsprechung des Senates nicht stillschweigend gefaßt werden können, sondern daß es eines ausdrücklichen Beschlusses bedarf (BGHZ 10, 187, 194; BGHZ 41, 282, 286). Liegt jedoch ein ausdrücklich gefaßter Beschluß vor, so kann seine Auslegung dazu führen, daß ein über den ausdrücklichen Beschlußwortlaut hinausgehender Erklärungsgehalt zu berücksichtigen ist (BGHZ 12, 337, 340; BGH, Urt. v. 19. Dezember 1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295). Diese Voraussetzungen sind, wie vorstehend ausgeführt, im vorliegenden Falle gegeben. Das hat das Berufungsgericht verkannt.
Da die Kläger ihre Anfechtungsklage auf verschiedene weitere Gründe gestützt haben, zu denen bislang keine Feststellungen getroffen worden sind, war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kurzwelly, Frau RinBGH Münke ist wegen Erkrankung an der Leistung der Unterschrift gehindert, Röhricht
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 17.12.2001 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 671578 |
DB 2002, 520 |
DStR 2002, 1310 |
BGHR 2002, 418 |
EWiR 2002, 317 |
NZG 2002, 817 |
WM 2002, 287 |
WuB 2002, 563 |
WuB 2002, 569 |
ZIP 2002, 216 |