Leitsatz (amtlich)
Die Haftung eines Notars, der unrichtigerweise bestätigt hat, die Eintragung einer Gesamtgrundschuld zur Absicherung eines noch auszuzahlenden Darlehens sei an erster Rangstelle sichergestellt, wird nicht dadurch eingeschränkt, daß bei pflichtgemäßem Verhalten des Grundbuchamts die angestrebte dingliche Sicherung teilweise erreicht worden wäre.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
LG Oldenburg |
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 18. Dezember 1998 und das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 30. Juni 1998 unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten zu 2 teilweise geändert. Das Urteil des Landgerichts wird in bezug auf den Beklagten zu 2 wie folgt gefaßt:
Die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Zahlungsklage ist insgesamt dem Grunde nach gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, daß der Beklagte zu 2 dem Kläger den gesamten weiteren Schaden zu ersetzen hat, der ihm dadurch noch entstehen wird, daß die zu seinen Gunsten im Grundbuch von O. Bl. 45308 in Abteilung III Nr. 10 eingetragene Grundschuld nicht den ersten Rang erhalten hat.
Soweit es um das auf dem genannten Grundbuchblatt eingetragene Grundstück Nr. 1 (Flurstück 2267/173) geht, haftet der Beklagte zu 2 als Gesamtschuldner mit dem Beklagten zu 1.
Die Entscheidung über die gesamten Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen des Revisionsverfahrens bleibt dem Betragsverfahren vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die inzwischen in Konkurs gefallene E. GmbH (im folgenden: Eigentümerin oder Darlehensnehmerin) war Eigentümerin des im Grundbuch von O. Bl. 45308 eingetragenen Grundbesitzes. Dieses Grundbuchblatt weist im Bestandsverzeichnis unter Nr. 1 das Flurstück 2267/173 (660 m²; im folgenden: Grundstück Nr. 1) und unter Nr. 2 die beiden Flurstücke 2264/173 und 2265/173 (zusammen 2637 m²; im folgenden: Grundstück Nr. 2) aus. Am 5. Februar 1992 bestellte die Eigentümerin am Grundstück Nr. 2 eine Eigentümerbriefgrundschuld über 2 Mio. DM. Ein entsprechender Eintragungsantrag wurde am 18. Februar 1992 beim Grundbuchamt gestellt. Die zuständige Rechtspflegerin verfügte am 18. Mai 1992 die Eintragung in das Grundbuch sowie die Bildung des Grundschuldbriefs und dessen Versendung an die Eigentümerin. Diese bestellte am 2. Juni 1992 dem Kläger zur Absicherung eines von ihm zu gewährenden Darlehens von 675.000 DM an beiden Grundstücken eine Buchgrundschuld über 750.000 DM, die den ersten Rang erhalten sollte; bereits einen Tag zuvor hatte die GmbH eine die Eigentümergrundschuld betreffende Rangrücktrittsbewilligung erklärt. Der Kläger beauftragte mit Schreiben vom 1. Juni 1992 den verklagten Notar (Beklagter zu 2) mit der Durchführung des Eintragungsverfahrens und der Erteilung einer Notarbestätigung, die abgegeben werden sollte, wenn die erstrangige Eintragung der Buchgrundschuld sichergestellt war.
Am 3. Juni 1992 beantragte die Eigentümerin beim Grundbuchamt die Eintragung einer nachträglich von ihr bewilligten Erweiterung der Haftung der Eigentümergrundschuld auf das Grundstück Nr. 1 (Nachverpfändung). Einen Tag später, am 4. Juni 1992, wurde in Abteilung III des Grundbuchs unter lfd. Nr. 9 die ursprünglich bestellte, nur das Grundstück Nr. 2 erfassende Eigentümergrundschuld eingetragen. Am 5. Juni 1992 reichte der Beklagte zu 2 den Antrag auf erstrangige Eintragung der Buchgrundschuld über 750.000 DM beim Grundbuchamt ein; zugleich nahm er Einsicht in die Grundakten. Noch am selben Tag stellte er eine „notarielle Bescheinigung” aus, in der es heißt: „Es ist sichergestellt, daß die neue Grundschuld von 750.000,– DM nebst Zinsen und Nebenleistung rechtlich und wirtschaftlich mit 1. Rang in das Grundbuchblatt … eingetragen wird”. Daraufhin zahlte der Kläger den Darlehensbetrag von 675.000 DM an die Darlehensnehmerin aus. Das Grundbuchamt schickte am 9. Juni 1992 den Grundschuldbrief für die Eigentümergrundschuld von 2 Mio. DM der Eigentümerin zu. Diese trat, um einen weiteren Kredit zu erlangen, die Grundschuld Ende Juni 1992 unter Übergabe des Briefes an die F. S. ab.
Am 29. Juli 1992 wurde die Nachverpfändung (Einbeziehung des Grundstücks Nr. 1 in die Eigentümergrundschuld) sowie unter lfd. Nr. 10 eine Vormerkung für die zugunsten des Klägers bestellte Buchgrundschuld über 750.000 DM in das Grundbuch eingetragen. Hierbei wurde ein Rangvermerk aufgenommen, wonach das vorgemerkte Recht im Rang vor dem Recht in Abteilung III Nr. 9 eingetragen werden sollte. Am 19. August 1992 wurde die Vormerkung in eine entsprechende Grundschuld umgeschrieben. Bei beiden Eintragungen unterließ es das Grundbuchamt, das Rangverhältnis auch bei der unter Nr. 9 eingetragenen Eigentümerbriefgrundschuld zu vermerken. Die Abtretung dieser Grundschuld an die F. S. wurde am 14. Oktober 1995 in das Grundbuch eingetragen und auf dem Brief vermerkt.
Die belasteten Grundstücke gerieten in die Zwangsversteigerung, wurden dann aber freihändig für 950.200 DM verkauft. In einem zwischen dem Kläger und der F. S. geführten Prozeß, in dem der Kläger den beiden jetzigen Beklagten – der Beklagte zu 1 ist das Land N. – den Streit verkündete, wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Grundschuld Nr. 9 für beide belasteten Grundstücke der unter Nr. 10 eingetragenen Grundschuld des Klägers vorgehe. Dieser überließ daraufhin den Veräußerungserlös der F. S. Im jetzigen Rechtsstreit nimmt er die Beklagten in Höhe von 1.203.242,23 DM auf Ersatz des Schadens in Anspruch, der ihm dadurch entstanden ist, daß er bei der Erlösverteilung hinter der F. S. zurücktreten mußte; außerdem verlangt er in diesem Rahmen Feststellung der Ersatzpflicht für noch entstehende weitere Schäden.
Das Landgericht hat der gegen den Beklagten zu 2 gerichteten Zahlungsklage dem Grunde nach stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagten auf die Zahlungsklage – dem Grunde nach – und auf die Feststellungsklage jeweils zum Ersatz eines Teils des Schadens verurteilt, und zwar den Beklagten zu 1 wegen des Rangverlustes hinsichtlich des Grundstücks Nr. 1 und den Beklagten zu 2 wegen des Rangverlustes hinsichtlich des Grundstücks Nr. 2. Hiergegen haben alle drei Parteien im Rahmen ihrer jeweiligen Beschwer Revision eingelegt. Die Revision des Beklagten zu 1 und die gegen diesen gerichtete Revision des Klägers hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht angenommen. Die Revision des Beklagten zu 2 hat der jetzt entscheidende Senat nicht angenommen. Mit dem nunmehr noch anhängigen Rechtsmittel verfolgt der Kläger den ihm vom Berufungsgericht aberkannten Teil des Klageanspruchs gegen den Beklagten zu 2 weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet; der Beklagte zu 2 ist auch insoweit zum Schadensersatz verpflichtet, als es um das Grundstück Nr. 1 geht.
I.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht eine die Haftung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO auslösende schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2 (im folgenden: Beklagter) darin gesehen, daß er am 5. Juni 1992 eine der Rechtslage nicht entsprechende notarielle Bestätigung – es handelte sich dabei um einen Akt der Betreuungstätigkeit im Sinne des § 24 BNotO (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juni 1999 – IX ZR 100/98, WM 1999, 1642, 1643 m.w.N.) – erteilt hat. Aus diesem Grund hat der Senat die Revision des Beklagten nicht angenommen.
2. Das Berufungsgericht hat trotzdem eine Haftung des Beklagten für den Verlust des auf das Grundstück Nr. 1 entfallenden Erlösanteils mit der Begründung verneint, insoweit wäre ein Schaden letztlich nicht eingetreten, wenn das Grundbuchamt den Rangvermerk ordnungsgemäß – nämlich auch bei der Grundschuld Nr. 9 – eingetragen hätte. Durch die Abtretung von Ende Juni 1992 habe die F. S. zwar die damals schon auf dem Grundstück Nr. 2 lastende Grundschuld, nicht aber das infolge der Nachverpfändung erst durch die Eintragung am 29. Juli 1992 entstandene Recht auf dem Grundstück Nr. 1 erwerben können. Da der Kläger insoweit bei richtiger grundbuchmäßiger Behandlung mit seiner Grundschuld den Vorrang erlangt hätte, fehle es, so hat das Berufungsgericht gemeint, in diesem Umfang an einem Schaden im Rechtssinne.
Diese rechtliche Beurteilung ist, wie die Revision des Klägers zu Recht rügt, unzutreffend.
a) Wie das Berufungsgericht unangefochten festgestellt hat, hätte der Kläger den Darlehensbetrag – am Nachmittag des 5. Juni 1992 – „zweifelsohne” nicht ausgezahlt, wenn der Beklagte die Rechtslage richtig bescheinigt hätte. Dieser Schluß liegt, obwohl die Notarbestätigung nur hinsichtlich der Belastung des Grundstücks Nr. 2 unzutreffend war, schon deswegen nahe, weil, wie den Grundakten zu entnehmen ist, allein dieses Grundstück bebaut und im übrigen erheblich größer ist als das Grundstück Nr. 1. Wenn aber der Kläger das Geld ohne ausreichende Sicherheit nicht ausgezahlt hätte, war bereits durch diese Auszahlung der Schaden eingetreten (vgl. BGH, Urt. v. 19. März 1987 aaO S. 589; zum Beginn der Verjährung auch Urt. v. 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 255). Hätte der Kläger nachträglich – teilweise – doch noch eine Sicherheit erhalten, dann hätte das zwar seinen Schaden gemindert. Dieser Umstand vermag aber, da der Kläger später infolge der unrichtigen Behandlung durch das Grundbuchamt keine Sicherheit erlangt hat, an der Ursächlichkeit der pflichtwidrigen Ausstellung der Notarbescheinigung für den Schadenseintritt nichts zu ändern.
b) Die Ersatzpflicht des Beklagten für den Teil des Schadens, der bei richtiger grundbuchmäßiger Behandlung durch den Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks Nr. 1 aufgewogen worden wäre, entfällt nicht unter dem Gesichtspunkt der Haftungsbegrenzung durch den Schutzzweck der verletzten Pflicht. Allerdings kann sich die Haftung desjenigen, der, wie der Beklagte, zum Ersatz eines Vertrauensschadens verpflichtet ist – der Beklagte hat grundsätzlich den Kläger so zu stellen, wie dieser stünde, wenn er das Darlehen nicht ausgezahlt hätte –, auf den Vermögensnachteil des Geschädigten beschränken, der gerade durch die verletzte Pflicht vermieden werden sollte (BGHZ 116, 209, 212; BGH, Urt. v. 20. November 1997 – IX ZR 286/96, WM 1998, 142, 143; v. 19. Dezember 2000 – XI ZR 349/99, ZIP 2001, 230, 231 m. Anm. Balzer, z. Abdr. in BGHZ best.). Es mag deshalb sein, daß der Beklagte nicht für alle denkbaren Schäden einzustehen hat, die der Kläger durch die Auszahlung des Darlehensbetrages erlitten hat. Daraus ergibt sich jedoch keine Einschränkung des eingeklagten Anspruchs. Der Kläger macht, wie dessen Darlegungen zu dem ihm entstandenen Schaden zeigen, nur die Nachteile geltend, die ihm dadurch entstanden sind, daß er sich mit der F. S. um den Grundstückserlös streiten und diesen schließlich an jene auskehren mußte; auch der Feststellungsantrag bezieht sich nicht auf einen darüber hinausgehenden Ausfallschaden. Es ist jedenfalls nicht gerechtfertigt, die Haftung des Beklagten für den Schaden, der darauf beruht, daß die Grundschuld des Klägers nicht, wie vom Beklagten unrichtig bestätigt, die erste Rangstelle erhalten hat, weiter zu beschränken und von der Ersatzpflicht den Teil des Schadens auszunehmen, der durch pflichtgemäßes Verhalten des Grundbuchamts vermieden worden wäre. Für die Beurteilung der Frage, ob die vom Kläger gewünschte dingliche Absicherung gewährleistet war, war der Beklagte in vollem Umfang verantwortlich. Daß ein Teil des Schadens neben der unzutreffenden notariellen Bestätigung auch durch das pflichtwidrige Verhalten des Grundbuchamts verursacht worden ist, mindert die Ersatzpflicht des Beklagten nicht. Insoweit bleibt es bei dem Grundsatz, daß alle Verursacher eines Schadens für diesen als Gesamtschuldner haften (vgl. BGHZ 31, 5, 13; MünchKomm-BGB/Grunsky 3. Aufl. vor § 249 Rn. 50).
II.
Der Feststellungsantrag ist hinsichtlich des dem Kläger durch die Auszahlung der Darlehenssumme entstandenen Schadens insgesamt begründet, soweit dieser nicht eingetreten wäre, wenn der Kläger mit seiner Grundschuld die erste Rangstelle erhalten hätte; nur in diesem Umfang nimmt der Kläger, wie bereits erwähnt, den Beklagten in Anspruch.
III.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben, soweit die gegen den Beklagten zu 2 gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Da, vom Betragsverfahren abgesehen, keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, ist der Beklagte auch insoweit – hinsichtlich des Zahlungsantrags dem Grunde nach – zu verurteilen.
Unterschriften
Kreft, Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Raebel
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.04.2001 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 2001, 1380 |
DB 2001, 2288 |
NJW 2001, 2714 |
BGHR 2001, 690 |
BauR 2002, 138 |
DNotI-Report 2001, 126 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1246 |
WuB 2002, 383 |
ZfIR 2001, 635 |
DNotZ 2001, 862 |
VersR 2001, 1528 |
MittRKKöln 2001, 336 |
NotBZ 2001, 260 |
ZBB 2001, 279 |
ZNotP 2001, 325 |