Leitsatz (amtlich)
a) Einer Partei ist in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen.
b) Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die Partei erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten (Fortführung von BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666).
Normenkette
ZPO § 167; GKG § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.03.2016; Aktenzeichen 2-13 S 158/15) |
AG Wiesbaden (Entscheidung vom 07.08.2015; Aktenzeichen 91 C 1131/15 (78)) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird der Beschluss des LG Frankfurt/M., 13. Zivilkammer, vom 14.3.2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 26.2.2015 wurden mehrere Beschlüsse gefasst, u.a. zur Haussanierung. Mit der am 11.3.2015 bei dem AG eingegangenen Anfechtungsklage wenden sich die Kläger gegen diese Beschlüsse. Die Gerichtskostenvorschussrechnung i.H.v. 4.518 EUR ist der Prozessbevollmächtigten der Kläger am 24.3.2015 zugegangen. Der Vorschuss ist am 23.4.2015 bei der Justizkasse eingegangen und die Klage am 29.4.2015 den Beklagten zugestellt worden.
Rz. 2
Das AG hat die Klage abgewiesen. Das LG hat die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der von dem Senat zugelassenen Revision. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haben die Kläger die einmonatige Klageerhebungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG versäumt. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 167 ZPO. Die Klage sei nicht "demnächst" zugestellt worden, weil der Vorschuss verspätet eingezahlt worden sei. Auch wenn der Zeitraum zwischen der Einreichung der Klage und dem Ablauf der Klageerhebungsfrist am 26.3.2015 sowie das Wochenende vom 28./29.3.2015 unberücksichtigt blieben, stelle die Dauer der Zahlung von 28 Tagen eine erhebliche Verzögerung dar. Unter Berücksichtigung der kurzen Bankbearbeitungsfrist von einem Tag (§ 675s BGB) hätte es binnen einer Woche möglich sein müssen, den Vorschuss zu zahlen. Dieser Zeitraum sei nicht deshalb zu verlängern, weil die Vorschussforderung an die Prozessbevollmächtigte der Kläger und nicht an diese selbst übersandt worden sei. Das sei nicht verfahrensfehlerhaft gewesen. Eine §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 2 KostVfg Berlin a.F. entsprechende Regelung habe es im Jahr 2015 in Hessen nicht gegeben.
II.
Rz. 4
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Die Kläger haben die materielle Klageerhebungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Es ist auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht abzustellen, da die Klage demnächst i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden ist.
Rz. 5
1. Im Ausgangspunkt rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass das Merkmal "demnächst" (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen, um eine Überforderung des Klägers sicher auszuschließen (vgl. nur BGH, Urt. v. 12.1.1996 - V ZR 246/94, NJW 1996, 1060, 1061 - insoweit nicht in BGHZ 131, 376 abgedruckt; BGH, Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rz. 8). Dies gilt für sämtliche Fallgruppen, so dass auch für die Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses (§ 12 Abs. 1 GKG) bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf abgestellt wird, um wie viele Tage sich der ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat (BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rz. 6; Versäumnisurt. v. 25.9.2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rz. 9; BGH, Urt. v. 10.2.2011 - VII ZR 185/07, NJW 2011, 1227 Rz. 8).
Rz. 6
2. Zutreffend lässt das Berufungsgericht für die Frage, ob die Zustellung demnächst erwirkt worden ist, den Zeitraum von der Einreichung der Klage bis zum Ablauf der Klageerhebungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG am 26.3.2015 unberücksichtigt. Wenn eine Klage - wie hier - bereits vor Ablauf einer durch Zustellung zu wahrenden Frist eingereicht worden ist, die Zustellung der Klage aber erst nach Ablauf der Frist erfolgt ist, sind bis zum Fristablauf eingetretene Versäumnisse nicht in den Zeitraum der hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen miteinzurechnen (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 25.9.2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rz. 11; BGH, Urt. v. 16.12.1987 - VIII ZR 4/87, BGHZ 103, 20, 30; Urt. v. 15.1.1992 - IV ZR 13/91, NJW-RR 1992, 470, 471).
Rz. 7
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt jedoch eine den Klägern vorwerfbare Verzögerung von mehr als 14 Tagen nicht vor.
Rz. 8
a) Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass es den Klägern eine Woche zur Erledigung der Zahlung zugebilligt hat.
Rz. 9
Eine Partei muss den angeforderten Gerichtskostenvorschusses (§ 12 Abs. 1 GKG) innerhalb eines angemessenen Zeitraums einzahlen. Die Auffassung des II. Zivilsenats, ihr sei dafür eine Erledigungsfrist von bis zu drei Werktage zuzugestehen (Urt. v. 25.10.2016 - II ZR 230/15, WM 2017, 294 Rz. 25), teilt der Senat nicht. Die Partei muss nicht zwingend an demselben Tag tätig werden, an dem bei ihr die Anforderung eingeht. Bei der Bemessung der Frist, innerhalb der die Zahlung zu erfolgen hat, ist zudem nicht nur auf den für die Überweisung durch die Bank erforderlichen Zeitraum (§ 675s Abs. 1 Satz 1 u. 3 BGB) abzustellen. Es ist vielmehr auch die Zeitspanne zu berücksichtigen, die die Partei im Normalfall benötigt, um für eine ausreichende Deckung des Kontos zu sorgen und die Überweisung zu veranlassen. Der Partei ist deshalb in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen. Die Frist kann sich nach Umständen des Einzelfalls angemessen verlängern, etwa wenn - wie hier - der Kostenvorschuss eine beträchtliche Höhe hat (vgl. BGH, Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rz. 19: mehrere Tage) bzw. es mehrere Kostenschuldner gibt und eine interne Abstimmung über die Zahlung erforderlich ist. Danach beträgt sie hier für die Kläger jedenfalls eine Woche.
Rz. 10
Anlass für eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen gem. § 132 GVG besteht nicht, weil die Annahme des II. Zivilsenat in dem Urteil vom 25.10.2016 (II ZR 230/15, WM 2017, 294 Rz. 25), die Erledigungsfrist zur Einzahlung des Kostenvorschusses betrage bis zu drei Werktage, nicht entscheidungserheblich war. Bei fehlender Entscheidungserheblichkeit ist eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen nicht zulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 299 m.w.N.).
Rz. 11
b) Rechtsfehlerhaft rechnet das Berufungsgericht aber die für die Kenntnisnahme, Bearbeitung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch die Prozessbevollmächtigte erforderliche Zeit den Klägern als vorwerfbare Verzögerung zu.
Rz. 12
aa) Die Zusendung der Gerichtskostenvorschussrechnung an die Prozessbevollmächtigte der Kläger war, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend erkennt, verfahrensfehlerfrei. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 26 Abs. 6 KostVfg Hessen vom 16.4.2014 (JMBl. 2014, S. 229), die mit der entsprechenden Regelung der Kostenverfügung des Bundes vom 6.3.2014 (Bundesanzeiger, Beilage 1 vom 7.4.2014 i.d.F. vom 10.8.2015, Bundesanzeiger, Beilage 1 vom 25.8.2015) übereinstimmt. Danach soll, sofern der Zahlungspflichtige u.a. von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wird, die Kostenanforderung grundsätzlich diesem zur Vermittlung der Zahlung zugesandt werden.
Rz. 13
bb) Auch wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung dem Anwalt verfahrensfehlerfrei zur Vermittlung der Zahlung zugesandt wurde, ist der für die Prüfung der Kostenanforderung und deren Weiterleitung an die Partei erforderliche Zeitaufwand dieser nicht als Zustellungsverzögerung anzulasten.
Rz. 14
Zwar hat der Senat entschieden, dass dann, wenn der Kostenvorschuss unter Missachtung einer landesgesetzlichen Sonderregelung und damit verfahrenswidrig nicht von der Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert worden ist, die damit einhergehende Verzögerung nicht der Partei zuzurechnen (Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rz. 8 zu §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 2 KostVfg Berlin a.F.; Urt. v. 3.2.2012 - V ZR 44/11, NJW-RR 2012, 527 Rz. 11 zu §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 2 KostVfg NRW a.F.). Tragend dafür war aber nicht der Verfahrensfehler, sondern der Umstand, dass die Partei erst tätig werden muss, wenn die Gerichtskostenvorschussrechnung bei ihr eingeht. Das muss sie auch dann erst, wenn die Zusendung der Gerichtskostenvorschussrechnung verfahrensfehlerfrei an ihren Prozessbevollmächtigten erfolgt ist. Richtig ist zwar, dass die Partei sich dessen Wissen zurechnen lassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 16.12.1959 - IV ZR 206/59, BGHZ 31, 351, 354; Beschl. v. 11.5.2006 - IX ZR 171/03, FamRZ 2006, 1029 Rz. 2; Beschl. v. 16.11.2016 - VII ZR 277/14, ZfBR 2017, 147 Rz. 6). Der Prozessbevollmächtigte, dem die Gerichtskostenvorschussrechnung zugesandt wird, ist aber nur Zahlungsvermittler. Er muss die Kostenanforderung entgegennehmen, prüfen und an die Partei zur Unterrichtung weiterleiten. Der dafür erforderliche Zeitraum ist im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschl. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rz. 8). Er führt nicht zu einer der Partei zuzurechnenden Verzögerung, sondern zählt zum normalen Ablauf.
Rz. 15
c) Danach überschreitet die den Klägern zuzurechnende Zustellungsverzögerung den Zeitraum von 14 Tagen nicht. Der mit drei Tagen zu veranschlagende Zeitraum für die Prüfung und Weiterleitung der Gerichtskostenvorschussrechnung durch den Prozessbevollmächtigten begann wegen der am 26.3.2015 abgelaufenen Klageerhebungsfrist am 27.3.2015 (Freitag) und endete am 31.3.2015 (Dienstag). Danach wäre eine Einzahlung bzw. Überweisung spätestens am 7.4.2015 zu erwarten gewesen. Es ist aber in Rechnung zu stellen, dass von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei nicht verlangt werden kann, an Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen (BGH, Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 154/14, NJW 2015, 2666 Rz. 9; Urt. v. 3.9.2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rz. 19). Daher sind, was das Berufungsgericht übersehen hat, die Osterfeiertage vom 3.4.2015 (Karfreitag) und vom 6.4.2015 (Ostermontag) bei der Ermittlung des für die Einzahlung des Vorschusses ohnehin erforderlichen Zeitraums herauszurechnen. Danach war die Einzahlung bzw. Überweisung frühestens am 9.4.2015 zu erwarten. Tatsächlich haben die Kläger den Kostenvorschusses am 23.4.2015 und damit noch innerhalb von 14 Tagen nach diesem Zeitpunkt gezahlt.
III.
Rz. 16
Nach allem unterliegt der Beschluss des Berufungsgerichts der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die für eine Endentscheidung notwendigen Feststellungen getroffen werden können (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 11378140 |
NJW 2017, 9 |
FamRZ 2018, 195 |
NJW-RR 2018, 461 |
FA 2018, 108 |
NZM 2018, 173 |
ZAP 2018, 374 |
ZfIR 2018, 34 |
AnwBl 2018, 106 |
JZ 2018, 121 |
MDR 2018, 177 |
WuM 2017, 738 |
ZWE 2018, 46 |
NJW-Spezial 2018, 99 |
Mitt. 2018, 98 |
RENO 2018, 23 |