Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 16.02.2022 aufgehoben und die Zwangsvollstreckungsanträge des Gläubigers auf Ersatzvornahme und Kostenvorschuss vom 22.06.2021 werden gemäß § 887 Abs. 1 und 2 ZPO zurückgewiesen.
Der Gläubiger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde (§§ 567 ff, 793 ZPO) hat in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Anträge des Gläubigers gemäß § 887 Abs. 1 und 2 ZPO.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Gläubiger auf dessen Antrag vom 22.06.2021 ermächtigt, die der Schuldnerin nach dem rechtskräftigen Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgericht vom 13.06.2012 - Az.: 12 U 162/12 (Bl. 786 ff) - auferlegten Handlungen auf deren Kosten vornehmen zu lassen und ihm hierfür einen Kostenvorschuss von 70.000,00 EUR zu zahlen. Ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 21.03.2022 nicht abgeholfen.
Das Amtsgerichts Potsdam hat mit Beschluss vom 22.06.2022 - Az.: 6.60 IN 55/22 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.
Der Insolvenzverwalter ist nunmehr anstelle des Insolvenzschuldners Beteiligter des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Nachdem der Insolvenzschuldner durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verloren hat, ist dem Insolvenzverwalter auch die Befugnis zugefallen, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Er ist daher seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners Verfahrensbeteiligter kraft Amtes (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR 220/96, NJW 1997, 1445).
Das Verfahren ist nicht nach § 240 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners unterbrochen. Diese Vorschrift ist im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht anwendbar. Die systematische Stellung von § 240 ZPO im "Buch 1. Allgemeine Vorschriften", das den speziellen Regelungen der einzelnen Verfahren vorangestellt ist, spricht zwar für dessen grundsätzliche Geltung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Eine Anwendung der allgemeinen Vorschriften kommt aber nicht in Betracht, soweit speziellere Regelungen getroffen sind oder Wesen und Zweck der Zwangsvollstreckung entgegenstehen (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 26. Auflage, vor § 704 Rn. 5). Die Folgen des Insolvenzverfahrens für die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner sind durch §§ 88 ff. InsO speziell geregelt. Daneben ist für die Anwendung von § 240 ZPO kein Raum (BGH, Beschluss vom 28. März 2007 - VII ZB 25/05 -, BGHZ 172, 16-22, Rn. 7 - 10 unter Hinweis allgemein für Zwangsvollstreckungsverfahren: KG, NJW-RR 2000, 1075, 1076; OLG Neustadt, NJW 1965, 591, 592; LG Stuttgart, Rpfleger 1999, 286; Musielak/Stadler, ZPO, 5. Auflage, § 240 Rn. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Auflage, Vorbem. § 239 Rn. 1; MünchKommInsO/Schumacher, vor §§ 85-87, Rn. 47; a.A. OLG Hamburg, InVO 1997, 268; MünchKommZPO/Feiber, 2. Auflage, § 240 RdNr. 3; FK-InsO/App, 3. Auflage, § 85 Rz. 6; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 33. Auflage, § 240 Rn. 2).
Gemäß § 89 Abs. 1 InsO sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig. Unzulässig ist auch die Vollstreckung der hier nach dem eigenen Vortrag des Gläubigers vorliegenden vertretbaren Handlungen gemäß § 887 ZPO (vgl. Kayser/Thole HK-InsO, 10. Aufl. § 89 Rn. 1 ff, 24).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Es bestand keine Veranlassung die Rechtsbeschwerde zuzulassen, weil die hierfür in § 574 Abs. 2 ZPO genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Fundstellen
Haufe-Index 15295976 |
ZInsO 2022, 2241 |