Verfahrensgang
AG Bernau (Entscheidung vom 13.02.2007; Aktenzeichen 6 F 306/06) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen nicht in vollem Umfang versagt werden.
I.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts bietet die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung zumindest, soweit der Unterhalt ab Januar 2006 betroffen ist, teilweise hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
1.
Soweit die Klägerin Unterhalt vom Zeitpunkt der Geburt, vom ... .1987, an bis einschließlich Februar 2003 verlangt, ist das Amtsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass der Unterhaltsanspruch verwirkt ist.
a)
Grundsätzlich ist die Klägerin, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, Unterhalt bereits vom Zeitpunkt ihrer Geburt an geltend zu machen. Gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB kann der Berechtigte für die Vergangenheit ohne Einschränkungen Erfüllung verlangen für den Zeitraum, in dem er aus rechtlichen Gründen an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. Ein rechtliches Hindernis besteht insbesondere, solange die Vaterschaft nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt war (Johannsen/Henrich/Graba, Eherecht, 4. Aufl., § 1613, Rz. 13 a). Die Vorschrift des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB gilt allerdings nicht, wenn, wie vorliegend, Unterhalt für die Zeit vor dem 1.7.1998 verlangt wird (BGH, FamRZ 2004, 800). Für diesen Zeitraum kann aber, soweit, wie hier, der Vater auf Unterhalt in Anspruch genommen wird, auf die entsprechende Vorschrift des § 1615 d BGB in der bis zum 30.6.1998 geltenden Fassung zurückgegriffen werden.
b)
Auch im Anwendungsbereich des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB unterliegt der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen der Verwirkung gemäß § 242 BGB (Palandt/Diederichsen, BGB, 66. Aufl., § 1613, Rz. 22). Ob eine Verwirkung auch dann bereits in Betracht kommt, wenn sich das Kind, gesetzlich vertreten durch seine Mutter, vor Anerkennung der Vaterschaft längere Zeit nicht darum bemüht hat, Unterhalt zu erhalten (so OLG Jena, NJW-RR 2002, 1154; a. A. OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2000, 1044), kann dahinstehen. Denn vorliegend ist Verwirkung jedenfalls auf Grund des Zeitablaufs nach Anerkennung der Vaterschaft durch den Beklagten mit Jugendamtsurkunde vom 5.3.2004 eingetreten.
aa)
Hinsichtlich der Verwirkung, also der Frage, ob sich die Geltendmachung rückständigen Unterhalts unter dem Gesichtspunkt illoyal verspäteter Rechtsausübung nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB als unzulässig darstellt, bedarf es des Zeit- und des Umstandsmoments (vgl. Wendl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6, Rz. 135 ff.). Beim Unterhalt sind an das Zeitmoment keine großen Anforderungen zu stellen. Das Zeitmoment kann bereits für Zeitabschnitte, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder einem erneuten Tätigwerden liegen, bejaht werden. Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (BGH, FamRZ 1988, 370).
Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund deren sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH, FamRZ 1988, 370, 373). Da von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten ist, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht (vgl. BGH, a.a.O.), darf der Unterhaltsschuldner, wenn das Verhalten des Unterhaltsgläubigers den Eindruck erweckte, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGH, a.a.O.; Senat, NJW-RR 2002, 870). Sind Anhaltspunkte dafür, dass es im zu entscheidenden Fall anders lag, nicht ersichtlich, so bedarf es keiner besonderen Feststellungen dazu, dass der Unterhaltsschuldner sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsfor...