Leitsatz (amtlich)
Zur Beiordnung einer Berliner Rechtsanwältin in einer vor einem beim AG Bernau bei Berlin geführten Familienstreitsache unter Beachtung des Mehrkostenverbots.
Normenkette
ZPO § 121
Verfahrensgang
AG Bernau (Beschluss vom 13.04.2015; Aktenzeichen 6 F 692/13) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2, 568 Satz 2 ZPO in der im GVG vorgesehenen Besetzung entscheidet, ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das AG die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin zu den Bedingungen einer im Bezirk des AG Bernau bei Berlin niedergelassenen Rechtsanwältin beigeordnet. Denn die Voraussetzungen für eine uneingeschränkte Beiordnung liegen nicht vor.
1. Allerdings hat das AG eine unzutreffende Rechtsgrundlage für seine Entscheidung herangezogen, indem es ausgeführt hat, die Beiordnung eines Rechtsanwalts beruhe auf § 78 FamFG. Der Antragsgegnerin ist Verfahrenskostenhilfe für das Scheidungsverfahren und die Folgesachen über den nachehelichen Unterhalt und den Zugewinnausgleich bewilligt worden. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG sind somit die Vorschriften der §§ 76 ff. FamFG und damit auch § 78 FamFG nicht anwendbar. Vielmehr gelten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG die Vorschriften der ZPO entsprechend. Somit ist Rechtsgrundlage für die Entscheidung über die Beiordnung eines Rechtsanwalts die Vorschrift des § 121 ZPO, die mit derjenigen des § 78 FamFG allerdings wörtlich übereinstimmt.
2. Die Voraussetzungen für die uneingeschränkte Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin liegen nicht vor.
Im vorliegenden Verfahren besteht Anwaltszwang, § 114 Abs. 1 FamFG. Mithin ist gemäß § 121 Abs. 1 ZPO dem beteiligten Ehegatten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beizuordnen. Dabei ist aber das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO zu beachten (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen-FamVerf-/Gutjahr, 2. Aufl., § 5 Rn. 64).
Gemäß § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Die Voraussetzungen für eine eingeschränkte Beiordnung eines nicht im Bezirk des zuständigen Gerichts niedergelassenen Rechtsanwalts sind somit nur erfüllt, wenn dadurch höhere Fahrtkosten als durch Beiordnung eines dort niedergelassenen Rechtsanwalts anfallen (Senat, Beschluss vom 28.7.2010 - 10 WF 145/10, BeckRS 2014, 03294; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, Beschluss vom 22.2.2013 - 3 WF 13/13, BeckRS 2013, 14974; OLG München, FamRZ 2007, 489; OLG Koblenz, FamRZ 2007, 1754). Daher kann ein nicht im Bezirk des Familiengerichts niedergelassener Rechtsanwalt uneingeschränkt beigeordnet werden, wenn seine Fahrtkosten niedriger sind als diejenigen eines im Gerichtsbezirk zugelassenen Rechtsanwalts, etwa mit Kanzleisitz im "hintersten Winkel" des Gerichtsbezirks (FamVerf/Gutjahr, § 1 Rn. 198). So liegt es hier aber nicht.
Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin hat ihren Kanzleisitz in B.,..., während sich das AG in Bernau bei Berlin, Breitscheidstraße 50, befindet. Unter Heranziehung des Falk-Routenplaners (wwwfalk.de), der auch abrufbar ist über JustiNe (Justizinformationssystem des Landes Brandenburg), beträgt die Entfernung zwischen dem Kanzleisitz der Verfahrensbevollmächtigten und dem AG selbst bei kürzester Entfernung 30 km, während es bei weiter gehender Inanspruchnahme der Autobahn (B 100), sogar 46,7 km sind. Im AGbezirk Bernau bei Berlin sind die Ortsteile von Gemeinden, die am weitesten vom AG entfernt liegen, Ortsteile der Gemeinden Werneuchen, Marienwerda, Wandlitz und Breydin. Die Entfernung vom AG nach We... beträgt 22,3 km, nach Ma... 28,4 km, nach W., L. Straße, 26,6 km und nach T. in der Gemeinde Br... 20,3 km. Vor diesem Hintergrund ist es ersichtlich, dass bei uneingeschränkter Beiordnung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin höhere Kosten entständen, als wenn ein Rechtsanwalt aus dem AGbezirk Bernau bei Berlin - sei es auch ein solcher mit Niederlassung in einem entfernt gelegenen Ortsteil - beigeordnet würde.
Allerdings ist bei der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang ein nicht bei dem Verfahrensgericht niedergelassener Rechtsanwalt beizuordnen ist, stets zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines zusätzlichen Verkehrsanwalts vorliegen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der auswärtige Rechtsanwalt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden (BGH, NJW 2004, 2749; OLG Brandenburg, 5. Familiensenat, a.a.O.). Dabei ist eine Vergleichsberechnung geboten, bei der die Kosten, die durch Beiordnung des auswärtigen Anwalts als Verkehrsanwalt und gleichzeitige Beiordnung eines ortsansässigen Anwalts als Hauptbevollmächtigten entständen, den Kosten gegenübergest...