Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Steuerhehlerei durch Handel mit unversteuerten und unverzollten Zigaretten
Leitsatz (amtlich)
Die konkreten "Schmuggelwege" festzustellen, ist nicht Voraussetzung für die Annahme einer Vortat im Sinne von §§ 370, 372, 373 AO und einer vorsätzlich begangenen Steuerhehlerei (§ 374 AO). Gewichtiges Indiz für die Einfuhr unversteuerter und unverzollter Zigaretten in die Bundesrepublik ist - in der vorliegenden Fallkonstellation - neben dem Fehlen des deutschen Tabaksteuerzeichens (Banderole) jedenfalls die Produktion dieser Zigaretten außerhalb des Zollgebietes der Europäischen Gemeinschaft. Aufgrund der gegebenen Umstände (u.a. fehlende deutsche Steuerbanderole, Marke und Herkunft der Zigaretten, Verpackung und Anzahl der Zigaretten) kann in der Regel auch davon ausgegangen werden, dass der Täter (der Steuerhehlerei) mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass diese unversteuert und unverzollt in die Bundesrepublik gebracht worden sind (vgl. OLG Hamm 26.02.2003, 2 Ss144/03 nach juris). Die bisher vertretene engere Auffassung des Senats, es seien Tatsachen festzustellen, die ausschließen, dass die Zigaretten zwar unversteuert, aber auf andere Weise, zum Beispiel durch Diebstahl oder Hehlerei, in den Besitz des Täters gelangt sind (vgl. Beschluss vom 2. November 2000 - 1 Ss 69/00 - ; Beschluss vom 6. November 2001 - 1 Ss 51/01 -; Beschluss vom 21. Januar 2008 - 1 Ss 105/07 -) - wird nicht aufrechterhalten.
Normenkette
AO § 374 Abs. 1 i.V.m. § 373 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Neuruppin (Entscheidung vom 30.07.2009; Aktenzeichen 80 Ds 252/09) |
Tenor
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neuruppin vom 30. Juli 2009, den Schuld- und Strafausspruch betreffend, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafrichterabteilung des Amtsgerichts Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe
I. Das Amtsgericht Neuruppin hat durch das angefochtene Urteil vom 30. Juli 2009 die Angeklagte unter Freisprechung im Übrigen wegen Steuerhehlerei in zwei Fällen zu einer unbedingten Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt, die "sichergestellten Zigaretten" eingezogen und den Verfall des "sichergestellten Geldes" angeordnet.
Nach den Urteilsfeststellungen seien die Angeklagte und ein unbekannt gebliebener Mittäter am 21. November 2006 und am 24. Januar 2007 bzw. jeweils im Zeitraum davor in den Besitz unversteuerter und unverzollter Zigaretten der Marke Jin Ling gelangt. Die Angeklagte habe mit dem unbekannt gebliebenen Mittäter beabsichtigt, am 21. November 2006 vor dem Aldi-Einkaufmarkt in Pritzwalk 9.400 Stück dieser unversteuerten und unverzollten Zigaretten zu verkaufen. Beim Verstecken der Zigaretten in Erdlöchern seien sie von Zollbeamten beobachtet und gestellt worden. Des Weiteren soll die Angeklagte am 24. Januar 2007 erneut mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter den Entschluss gefasst haben, vor dem Aldi-Einkaufmarkt in Pritzwalk 600 Stück unversteuerte und unverzollte Zigaretten der Marke Jin Ling zu verkaufen, dabei seien sie ebenfalls von Zollbeamten beobachtet und gestellt worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich das am 5. August 2009 bei Gericht angebrachte Rechtsmittel, das mit Anwaltschriftsatz vom 1. Oktober 2009 als Revision bezeichnet und mit weiterem Anwaltschriftsatz vom 8. Oktober 2009 begründet worden ist. Die Angeklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 13. Januar 2009 die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafabteilung des Amtsgerichts Neuruppin beantragt.
II. 1. Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision (§ 335 StPO) statthaft und gem. §§ 341, 344, 345 StPO zulässig erhoben worden.
2. Die Sprungrevision hat (vorläufigen) Erfolg; sie ist begründet.
a) Zu Recht macht die Angeklagte materielle Rechtsfehler geltend, weshalb bereits der Schuldspruch wegen Steuerhehlerei keinen Bestand haben kann. Die insoweit vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen sind unzureichend.
Das Tatgericht hat sich lediglich auf die Feststellung beschränkt, die Angeklagte sei in den Besitz unversteuerter und unverzollter Zigaretten gelangt und habe diese verkaufen wollen, wobei ihr "aufgrund der fehlenden Steuerbanderolen bewusst" gewesen sei, dass diese Zigaretten "ohne Entrichtung der Zoll- und Einfuhrumsatzsteuer (Senat: bezüglich der Einfuhrumsatzsteuer ist Anklage nicht erhoben - § 154 a StPO) in die Bundesrepublik Deutschland verbracht" worden seien. Diese knappen Angaben reichen nicht aus, um die Vortat hinreichend zu konkretisieren.
Gewichtiges Indiz für die Einfuhr unversteuerter und unverzollter Zigaretten in die Bundesrepublik ist - in der vorliegenden Fallkonstellation - neben dem Fehlen des deutschen Tabaksteuerzeichens (Banderole) jedenfalls die Produktion dieser Zigaretten außerha...