Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung auf der Grundlage beiden Parteien nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung nachgelassenen Sachvorbringens ohne erneute mündliche Verhandlung verstößt gegen den Verfahrensgrundsatz der Mündlichkeit.
Soweit Kleingartenpächter nach § 11 BKleingG einen Entschädigungsanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Kleingartenpachtvertrages aufgrund der im Gesetz genannten gemeinwohlbezogenen Kündigungsfälle haben, ist der Inhalt der Rückgabepflicht unter Beachtung der gesetzlichen Entschädigungspflicht zu bestimmen. Aus den insoweit heranzuziehenden Grundsätzen der Enteignungsentschädigung ergibt sich, dass die Rückgabepflicht im Falle der Kündigung zum Zwecke der Verwirklichung des Bebauungsplans nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 BKleingG jedenfalls dann nicht die Entfernung der im Rahmen ordnungsgemäßer kleingärtnerischer Nutzung eingebrachten Baulichkeiten, Anpflanzungen und sonstigen Anlagen erfasst, wenn Pachtverhältnisse auf unbestimmte Zeit bestanden haben.
Normenkette
ZPO § 128 Abs. 1; BKleingG § 9 Abs. 1 Nr. 5, § 11
Verfahrensgang
LG Frankfurt (Oder) (Urteil vom 18.03.2014; Aktenzeichen 19 O 30/13) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger zu 1. a) und b), 2. a) und b), 4. a) und b), 8. a) und b), 9. a) und b), 11. a) und b), 13. a) und b) und 14. a) und b) wird das am 18.03.2014 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des LG Frankfurt (Oder) - 19 O 30/13 - einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens insoweit aufgehoben, als über die Klageanträge der Kläger zu 1. a) und b), 2. a) und b), 4. a) und b), 8. a) und b), 9. a) und b), 11. a) und b), 13. a) und b) und 14. a) und b) erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das LG Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche auf Entschädigung wegen Kündigung von Kleingartenpachtverhältnissen, nachdem die Beklagten das als Kleingartenanlage genutzte Grundstück als Grundstückseigentümer zu Bauzwecken in Anspruch genommen haben.
Das Grundstück war zu DDR-Zeiten vom damaligen Grundstückseigentümer, dem Vater der Beklagten zu 1., in eine LPG eingebracht worden. Nach dem Tod des Eigentümers überließ die LPG das Grundstück der Gemeinde E. Diese schloss am 01.12.1986 einen Nutzungsvertrag mit dem damaligen Kreisvorstand des Verbands der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter S. (im Folgenden VKSK S.) zur Nutzung als Kleingartenanlage. Die Grundstücksfläche wurde in 14 Parzellen aufgeteilt und als "Kleingartenanlage E." betrieben.
Der früher VKSK S. wurde am 27.09.1990 als Kreisverband der Garten- und Siedlerfreunde S. e.V. in das Vereinsregister eingetragen, später erfolgte eine Umbenennung in Verband der Kleingärtner S. und Umgebung e.V. (im Folgenden: Kleingärtner S. e.V.)
Die Kläger waren die letzten Unterpächter der 14 Kleingartenparzellen, und zwar die Kläger zu 4. a) und b) aufgrund eines im Jahr 1987 mit dem VKSK S. geschlossenen Kleingartennutzungsvertrages, die übrigen Kläger auf der Grundlage von zwischen 1991 und 2011 mit dem Kleingärtner S. e.V. begründeten Kleingartenpachtverträgen. Sämtliche der Unterpachtverträge waren auf unbestimmte Zeit geschlossen worden.
Die Kleingartenanlage liegt im Geltungsbereich des 1995 erlassenen und im Jahr 2007 geänderten Bebauungsplans "E.-Zentrum", welcher eine Nutzung als Wohnbauland ausweist.
Die Beklagten erklärten mit Schreiben vom 26.01.2012 gegenüber dem Kleingärtner S. e.V. die Kündigung des Nutzungsvertrages (Zwischenpachtvertrages) zum 30.11.2012 wegen Inanspruchnahme des Grundstücks zur Bebauung unter Verweis auf § 9 Abs. 1 Nr. 5 BKleingG. Sie verlangten vom Kleingärtner S. e.V. die Räumung und Herausgabe zum 30.11.2012.
Die Kläger entfernten ihre persönlichen Sachen von den Parzellen, im Übrigen beließen sie die Parzellen in dem bisherigen Zustand.
Die Beklagten verweigerten am 30.11.2012 die Rücknahme des Grundstücks, weil die Fläche mangels Beseitigung von Baulichkeiten, Anpflanzungen und sonstigen Anlagen nicht ordnungsgemäß geräumt sei. Sie forderten vom Kleingärtner S. e.V. mit Schreiben vom 10.12.1012 die vollständige Beräumung bis zum 31.12.2012.
Die Kläger, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigten, lehnten die Räumung ab. Sie übergaben den Beklagten zu Händen deren Prozessbevollmächtigten am 09.01.2013 sämtliche Schlüssel für die Kleingartenanlage einschließlich derjenigen für die Baulichkeiten. Ferner forderten die Kläger von den Beklagten unter Vorlage der von ihnen eingeholten Bewertungsprotokolle die Zahlung einer Kündigungsentschädigung in Höhe der jeweils ermittelten Werte.
Mit der Klage haben die Kläger die Beklagten auf Zahlung der Kündigungsentschädigung und hilfsweise für den Fall, dass die Zahlung erst nach Räumung fällig sei, auf Feststellung eines entsprechenden Zahlungsanspruchs zuzüglich Erstattung der Kosten für die Beseitigung der Baulichkeiten, Anpflanzungen und Außenanlagen in Anspruch geno...