Entscheidungsstichwort (Thema)
Amtshaftungsanspruch nach Einrichtung einer Pflegschaft aus behaupteten Marktnachteilen durch verzögerte Erbenermittlung
Leitsatz (amtlich)
Der Staat haftet nicht, wenn das VormG nach Wegfall des von den DDR Behörden bestellten Pflegers (Auflösung des VEB) einen neuen Abwesenheitspfleger bestellt, ohne zuvor eigene umfangreiche Ermittlungen zu den Berechtigten eines Nachlassgrundstücks anzustellen.
Die Bestellung des neuen Pflegers ist keine wiederholende oder neue Entscheidung über die Einrichtung der Pflegschaft, nachdem die von den DDR Behörden eingerichtete Pflegschaft nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages fortbesteht.
Die Pflicht, nach den Berechtigten zu forschen, ist Aufgabe des neu bestellten Pflegers.
Dass VormG ist allein verpflichtet, die Tätigkeit des Pflegers zu überwachen.
Der Umfang der Überwachung hängt von dem zu Tage tretenden Fürsorgebedürfnis ab. Das Interesse der Erben, ein Grundstück bei günstigen Marktpreisen schnellstmöglich zu veräußern, ist kein Interesse, welches die Vormundschaftsgerichte vorrangig zu wahren hätten.
Liegt damit kein besonderes Fürsorgebedürfnis vor, so kann sich der Staat auf die unzulängliche Ausstattung der Kreis - und AG im Beitrittsgebiet in den Jahren bis 1995 (hoher und schwieriger Arbeitsanfall bei deutlichem Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal) zur Abwehr eines Amtshaftungsanspruchs berufen.
Überleitung einer nach dem Recht der DDR eingerichteten Pflegschaft durch die Vorschriften des Einigungsvertrages, §§ 105 Abs. 1c FGB/DDR; Art. 234 § 15 EGBGB, 1911, 1913 BGB; Amtspflichten des VormG bei Bestellung eines neuen Pflegers, Verpflichtung zur Ermittlung der unbekannten Berechtigten; Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs aus Amtspflichtverletzung.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
LG Potsdam (Urteil vom 26.02.2003; Aktenzeichen 4 O 324/02) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.2.2003 verkündete Urteil des LG Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistungen i.H.v. 4.500 EUR abzuwenden, sofern nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin ist Erbin des im Februar 1999 verstorbenen Alexander B jun. Dieser war zu 3/4 Miterbe des mit Wirkung vom 31.1.1945 für tot erklärten A.B. sen.. Weitere Erbin zu 1/4 des verstorbenen A.B. sen. war dessen Witwe, Frau Z. (Erbscheine Bl. 10, 11 d.A.).
Letztere verstarb am 4.8.1994 und wurde von Frau G beerbt.
Herr A.B. senior war Eigentümer der Grundstücke D straße 5 und 7, Flur 2, Flurstücke ... und ... in Falkensee, nunmehr eingetragen im Grundbuch von Falkensee Bl. ... (Flur ..., Flurstück ...) und Bl. ... (Flur ., Flurstück ...).
Unter dem 7.1.1981 beantragte der Rat der Stadt Falkensee eine Pflegschaft für den Eigentümer A.B. zur Übernahme der Verwaltung durch den VEB Gebäudewirtschaft Falkensee.
Zur Begründung war in dem Antrag ausgeführt:
"Der Eigentümer Alexander B, zuletzt wohnhaft in Berlin-Charlotten-burg, ist verstorben. Vertreter Frau I, verwitwete B, letzte Wohnanschrift Berlin-Charlottenburg, K.-Allee ..., kümmert sich seit Jahren nicht mehr um das Grundstück."
Aufgrund dieses Antrages ordnete das Staatliche Notariat Nauen durch Beschl. v. 6.4.1981 gem. § 105 Abs. 1 FGB für die unbekannten Beteiligten anstelle von Alexander B, zuletzt Berlin(West)-Charlottenburg, die Pflegschaft an.
Im April 1993 wurde die Akte einem Richter beim Kreisgericht Nauen vorgelegt, nachdem der bisher im für das Grundstück tätig gewesene Verwalter, der VEB, nicht mehr bestand.
Durch Beschl. v. 20.4.1993 stellte das VormG Nauen fest, dass die seinerzeit begründete Vormundschaft fortbestehe, und bestellte als neuen Pfleger den Rechtspfleger R.C., B.-Straße, B. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, ein Reglungsbedürfnis bestehe, da der seinerzeit als Verwalter vertraglich eingesetzte VEB nicht mehr bestehe und die Rechtsnachfolge ungeklärt sei. Der Pfleger wurde am 20.4.1993 verpflichtet und bat jedenfalls unter dem 6.5.1994 zunächst um Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszuges (Bl. 20 d. beigezogenen Grundakte). Im Jahr 1995 versuchte das VormG den Eigentümer bzw. dessen Erben zu ermitteln. In den Akten befindet sich ein Vermerk, dass eine Grundbucheinsicht stattgefunden habe, dort aber kein Schriftverkehr die Eigentümer betreffend vorhanden sei, ein Eigentumsumschreibungsantrag fehle und auch sonst keine Umstände ersichtlich seien, die Rückschlüsse auf die Personen des Eigentümers bzw. dessen Erben zuließen. Eine erste Anfrage an das Landeseinwohneramt Berlin (Bl. 28 der Pflegschaftsakte) blieb ohne Ergebnis. Auch der Pfleger teilte in seinem ersten Bericht vom 9.1.1996 mit, dass ihm zu den Eigentümern des Grundstücks bisher keine Erkenntnisse vorlägen.
Durch weiteres Schreiben vom 29.1.1997 ...