Tenor
Die Anträge werden verworfen.
Tatbestand
Das Organstreitverfahren betrifft die Frage, ob die Antragsgegnerin vor dem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm im Juni 2007 die Zustimmung des Deutschen Bundestages hätte einholen oder das Grundgesetz hätte geändert werden müssen.
A.
I.
1. In der Zeit vom 6. bis zum 8. Juni 2007 fand unter deutscher Präsidentschaft in Heiligendamm in Mecklenburg-Vorpommern das 33. Treffen des Weltwirtschaftsgipfels der Gruppe der Acht (G8) unter dem Motto „Wachstum und Verantwortung” statt. Daran nahmen außer den Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten Repräsentanten der Europäischen Union, der großen Schwellenländer Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika sowie der afrikanischen Staaten Ägypten, Algerien, Nigeria, Senegal und Ghana teil.
Die zuständigen Sicherheitsbehörden gingen im Hinblick auf die bisherigen Erfahrungen mit G8-Gipfeln davon aus, dass nicht alle der angekündigten Demonstrationen und Aktionen friedlich verlaufen würden. Darüber hinaus stufte das Bundeskriminalamt in seiner Gefährdungseinschätzung die Bundesrepublik Deutschland wegen des islamistischen Terrorismus als einen Teil des europaweiten Gefahrenraums ein, in dem während des Gipfels mit Anschlägen gerechnet werden müsse. Die Sicherheitsbehörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern entwickelten daraufhin in enger Zusammenarbeit mit anderen Sicherheitsbehörden ein umfassendes Sicherheitskonzept.
2. Das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern beauftragte am 1. September 2005 den Leiter der Polizeidirektion Rostock, den Polizeieinsatz während des G8-Gipfels 2007 zu organisieren und zu leiten. Da man davon ausging, dass zur Wahrnehmung der komplexen und umfangreichen Aufgaben die Grenze der Leistungsfähigkeit der Alltagsorganisation der Polizei überschritten werden würde, wurde eine nach dem griechischen Wort „Kavala” benannte „Besondere Aufbauorganisation” (BAO Kavala) als besondere Organisationseinheit der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern unter Mitarbeit anderer Sicherheitsbehörden, unter anderem des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei, zur Leitung und Koordinierung der Sicherheitskräfte als Teil der Polizeidirektion Rostock eingerichtet. Sie war zuständig für alle polizeilichen Einsatzlagen im Zusammenhang mit dem Weltwirtschaftsgipfel der G8 im Jahr 2007 im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Rostock. Die BAO Kavala bestand seit dem 1. März 2006.
3. Das Land Mecklenburg-Vorpommern und der Bund kamen im Vorfeld des Gipfels zu der gemeinsamen Einschätzung, dass Mecklenburg-Vorpommern ohne Hilfeleistungen des Bundes und anderer Länder mit der Gewährleistung der Sicherheit anlässlich des Gipfels überfordert sein würde.
a) Mit Schreiben vom 21. März 2006 wandte sich der Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern an den für die Billigung von Streitkräfteanforderungen durch die Vollzugsorgane zuständigen Bundesminister der Verteidigung und bat unter Verweis auf eine Zusage des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder in allgemeiner Form um Unterstützung seitens der Bundeswehr durch die Bereitstellung von Unterbringungs-, Ver- und Entsorgungskapazitäten sowie von noch zu spezifizierendem technischen Gerät. Der Bundesminister der Verteidigung sagte dem Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern mit Schreiben vom 8. Mai 2006 die technisch-logistische Unterstützung grundsätzlich zu. Dabei gingen der Bund und das Land davon aus, dass es sich bei den zu treffenden Maßnahmen um Amtshilfe handele.
An den in der Folge erbrachten Unterstützungsleistungen der Bundeswehr waren rund 1.100 Soldaten und zivile Mitarbeiter beteiligt, die für die Unterbringung und Verpflegung der Sicherheitskräfte sorgten, Personen mit Hubschraubern und Booten transportierten, die medizinische Versorgung und Notfallvorsorge übernahmen, Aufklärungs- und Radartechnik zur Verfügung stellten sowie Aufklärungsmissionen mit Tornado-Flugzeugen durchführten, das seeseitige Sperrgebiet und die Seebrücke Heiligendamm absuchten, Wege und Flächen befestigten sowie Sperrvorrichtungen errichteten und Gerät und Betriebsstoffe bereitstellten. Das Vorbringen der Antragstellerin bezieht sich allein auf die Aufklärungsflüge mit Tornado-Flugzeugen, den Einsatz von Aufklärungssystemen Fennek (Spähpanzer), die Unterstützung bei der Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum, die Errichtung eines mobilen Sanitätsrettungszentrums in Bad Doberan sowie den Einsatz von Feldjägerkräften.
b) Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern beantragte mit Schreiben vom 13. März 2007 unter Bezugnahme auf die Zusage technischer Unterstützung des Bundesministers der Verteidigung beim Wehrbereichskommando I „Küste” (im Folgenden: WBK I „Küste”) den Einsatz von Tornado-Flugzeugen des Aufklärungsgeschwaders 51 „Immelmann” zu Aufklärungszwecken, da die Sicherheitsbehörden aufgrund polizeilicher Prognosen, auch im Hinblick auf Erfahrungen bei Castor-Transporten, damit rechneten, dass G8-Gipfelgegner versuchen würden, Blockaden auf den Zufahrtswegen nach Heiligendamm und zum Flughafen Rostock-Laage zu errichten. Insbesondere wurde befürchtet, dass sie Erddepots für Werkzeuge und Blockademittel anlegen und Manipulationen an Straßenzügen wie Unterspülungen oder Unterhöhlungen vornehmen würden. Ziel der Luftaufklärung war die Erkennung dessen.
Die Aufklärungssysteme Tornado sind mit einer Kamerakassette ausgestattet, mit der deckungsgleiche Aufnahmen mittels optischer Kameras und Infrarotsensoren gefertigt werden können. Dies erlaubt die genaue Erfassung von Bodenveränderungen. Die optischen Bilder eignen sich nach Angaben der Antragsgegnerin mangels hinreichender Auflösung jedoch nicht zur Identifizierung von Personen. Bei den Polizeien des Landes Mecklenburg-Vorpommern und auch anderer Länder sowie des Bundes stand eine entsprechende Technik nicht zur Verfügung.
Der Bundesminister der Verteidigung billigte am 26. April 2007 gemeinsam mit einer Vielzahl von beantragten Unterstützungsleistungen die Durchführung von zwei Aufklärungsflügen. Dies wurde durch den Befehl Nr. 1 vom 30. April 2007 des WBK I „Küste” sowie den Befehl 23/2007 vom 10. Mai 2007 des Befehlshabers Luftwaffenführungskommando und den Divisionsbefehl Nr. 33/07 der 4. Luftwaffendivision konkretisiert, mit denen das Aufklärungsgeschwader 51 „Immelmann” angewiesen wurde, Aufklärungsflüge auf Anforderung des WBK I „Küste” durchzuführen. Der Aufklärungsbedarf wurde für bestimmte Straßenabschnitte festgestellt und bei einer Besprechung der BAO Kavala mit dem Aufklärungsgeschwader am 9. Mai 2007 nochmals konkretisiert.
In der Folge wurden insgesamt sieben Missionen mit Tornado-Flugzeugen geflogen, und zwar eine Demonstrationsmission am 3. Mai 2007 sowie Aufklärungsmissionen am 15. Mai, 22. Mai, 30. Mai, 31. Mai, 4. Juni und 5. Juni 2007. Dabei wurden pro Mission bis zu drei Luftfahrzeuge, insgesamt 14 (teilweise wiederholt dieselben) eingesetzt. Die Flugdauer betrug jeweils zwischen einer und zweieinhalb Stunden. Die Mindestflughöhe betrug bei den meisten Flügen 1.000 Fuß (etwa 300 m), zum Teil auch 500 Fuß (etwa 150 m). Beim letzten Flug wurde über dem bevölkerten Demonstranten-Camp Reddelich die Mindestflughöhe von 500 Fuß für die Dauer von 1 Minute und 22 Sekunden um 119 Fuß unterschritten. Bei den Flügen wurden Bilder angefertigt, auf denen zum Teil Personen zu sehen sind, die aber nicht identifiziert werden können. Bei keinem der Flüge waren die Bordkanonen der Tornado-Flugzeuge aufmunitioniert. Die Bordkanonen sind integraler Bestandteil der Tornados. Mit dem bloßen Auge sind deren Mündungsöffnungen nur aus geringem Abstand erkennbar.
c) Weiterhin beantragte das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern beim WBK I „Küste” den Einsatz von neun geschlossenen Spähsystemen Fennek, bestehend aus je einem Spähpanzer zur Geländeaufklärung. Das Spähsystem Fennek ist durch die Ausstattung mit optischen Sensoren bei Tag und Nacht für die weitreichende Beobachtung von Geländeabschnitten geeignet. Der Bundesminister der Verteidigung billigte den Einsatz am 4. Juni 2007.
Die Spähsysteme wurden zur Überwachung von Räumen und Straßen sowie der Anflugrouten von Gipfelteilnehmern verwendet und hatten den Auftrag, zu beobachten und Wahrnehmungen an die Polizei weiter zu melden. Eigenständige Reaktionen auf wahrgenommene Beobachtungen und Vorfälle waren untersagt. Es wurde kein Bild- oder Tonmaterial aufgezeichnet, vor allem keine Fotos gemacht. Die Waffenanlagen (Nebelmittelwurfanlage und Granatmaschinenwaffe oder Maschinengewehr) waren im Heimatstandort der Spähsysteme abgebaut worden und dort verblieben. Die Kommandanten waren zur Eigensicherung mit einer Pistole P8 mit fünf Schuss Munition ausgestattet. Die Spähsysteme wurden nach Angaben der Antragsgegnerin durch Polizeikräfte begleitet.
d) Nachdem das Innenministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern auch die Unterstützung zur Abwehr von Gefahren aus der Luft durch zivile Flugobjekte beantragt hatte, wurden zur Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum drei AWACS-Luftfahrzeuge im Rahmen des NATO-Verbandes eingesetzt, die ein Luftlagebild erstellten. Daran waren auch eine Fregatte 124 der Marine und ein Luftraumüberwachungsradar Heer für den Nahbereich Heiligendamm beteiligt; weiter stand eine Funkanbindung mit der Flugeinsatzzentrale im Einsatzabschnitt Luft bereit.
Darüber hinaus hielt die Luftwaffe vor und während des G8-Gipfels vier Luftfahrzeuge Eurofighter und acht Luftfahrzeuge Phantom bereit, die etwa 23 Flugstunden erbrachten. Zu besonderen Kernzeiten waren jeweils zwei Jagdflugzeuge in der Luft, um die Reaktionszeiten für den Fall des Eingreifens auf ein Minimum zu verkürzen. In den übrigen Zeiträumen befanden sich die Alarmrotten im sogenannten Ground Alert in einem 15-Minuten-Bereitschaftsstatus am Boden auf den Einsatzflugplätzen. Die Jagdflugzeuge waren bewaffnet. In keinem Fall mussten sie tatsächlich eingreifen. Nach Angaben der Antragsgegnerin wurden die Maßnahmen vom Inspekteur der Luftwaffe in seiner Zuständigkeit für die Gewährleistung der Sicherheit im Luftraum über der Bundesrepublik Deutschland angewiesen.
Unabhängig davon überflogen am 31. Mai 2007 zwei Luftfahrzeuge der Bundeswehr vom Typ Eurofighter das Camp Wichmannsdorf in einer Flughöhe von nicht unter 2.650 Fuß (etwa 800 m). Sie befanden sich nach Angaben der Antragsgegnerin auf einem routinemäßigen Ausbildungsflug.
e) Zur Sicherung der notärztlichen Versorgung während des Gipfels beantragte das Land Mecklenburg-Vorpommern darüber hinaus die Errichtung eines mobilen Sanitätsrettungszentrums der Bundeswehr, einer mobilen Dekontaminationseinrichtung sowie die Verlegung von Luftrettungsmitteln mit Sanitätspersonal in den Bereich des Krankenhauses Bad Doberan/Hohenfelde. Diesem Antrag kam die Bundeswehr nach. Die Einrichtungen wurden von Sanitätssoldaten betrieben.
Der Bundeswehr wurde dabei für räumlich begrenzte Teilbereiche im Liegenschaftsbereich des Krankenhauses Bad Doberan die Ausübung des Hausrechts übertragen.
f) Zur Sicherung der Tätigkeit der Sanitätssoldaten und zur Wahrnehmung des Hausrechts wurden 83 Feldjäger im Schichtdienst eingesetzt. Dabei handelte es sich nach Angaben der Antragsgegnerin um Maßnahmen zur Eigensicherung und nicht um Amtshilfe. Unabhängig von der Ausübung des Hausrechts standen den Feldjägern dabei die Befugnisse des Gesetzes über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sowie zivile Wachpersonen (UZwGBw) zu.
Darüber hinaus wurden weitere Feldjägerkräfte zum Schutz militärischer Liegenschaften eingesetzt, da deren Gefährdung im Umfeld des Gipfels als erhöht bewertet worden war.
Die Sanitätssoldaten und Feldjäger waren uniformiert und mit Pistole oder Gewehr bewaffnet. Sie fertigten auf dem Gelände des Krankenhauses Bad Doberan und auch außerhalb Fotos an, auf denen zum Teil auch Zivilpersonen zu sehen sind.
Entscheidungsgründe
II.
Die Antragstellerin beantragt in ihrer Antragsschrift vom 29. September 2007, die am 1. Oktober 2007 beim Bundesverfassungsgericht einging, festzustellen, dass die Antragsgegnerin dadurch, dass sie es unterlassen hat, vor dem Einsatz der Bundeswehr anlässlich des G8-Gipfels in Heiligendamm den Deutschen Bundestag damit zu befassen, Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 87a Abs. 2 GG verletzt hat.
1. Der Antrag sei auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen gerichtet (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Im Verhältnis zwischen Deutschem Bundestag und Bundesregierung seien die Gesetzgebungsbefugnisse und sonstigen Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages rügefähig. Hier werde eine unterlassene Mitwirkung am Einsatz der Streitkräfte anlässlich des G8-Gipfels gerügt.
2. Die Antragstellerin sei als Fraktion des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren gemäß § 13 Nr. 5 und §§ 63 ff. BVerfGG parteifähig; als dessen Organ könne sie gemäß § 64 BVerfGG dessen Mitwirkungsrechte im Wege der Prozessstandschaft geltend machen.
3. Antragsgegenstand sei eine Unterlassung der Antragsgegnerin, die darin bestehe, dass die Mitwirkung des Deutschen Bundestages unterblieben und dies der Antragsgegnerin zuzurechnen sei. Aufgrund des Charakters der Bundeswehr als Parlamentsarmee und wegen der Regelung des Art. 87a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 35 GG, wonach die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden dürften, soweit das Grundgesetz dies ausdrücklich zulasse, sei die Mitwirkung des Deutschen Bundestages verfassungsrechtlich geschuldet gewesen. Der Charakter der Bundeswehr als Parlamentsarmee lasse sich auch für Inlandseinsätze auf die Kontrollrechte des Parlaments, etwa nach Art. 87a Abs. 1 Satz 2 GG, die Institution des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages nach Art. 45b GG und den Verfassungsvorbehalt nach Art. 87a Abs. 2 GG stützen.
Es gehe nicht darum, ein Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Grundgesetzes einzuleiten. Die Antragstellerin wolle vielmehr festgestellt wissen, dass der Einsatz der Streitkräfte in Heiligendamm ohne hinreichende verfassungsrechtliche Ermächtigung angeordnet worden sei und damit Rechte des Deutschen Bundestages im Sinne von § 64 BVerfGG verletzt worden seien.
4. Die Antragstellerin sei antragsbefugt. Dabei genüge es, dass die behauptete Rechtsverletzung nach dem vorgetragenen Sachverhalt nicht von vornherein auszuschließen sei. Das Bundesverfassungsgericht lasse ein „Handeln ohne Grundgesetzänderung” zur Begründung der Antragsbefugnis ausreichen, soweit die übergangene Norm zumindest auch Rechte des Deutschen Bundestages zur Gesetzgebung zu gewährleisten bestimmt sei.
Art. 87a Abs. 2 GG habe auch die Funktion, Rechte des Deutschen Bundestages zur Gesetzgebung zu gewährleisten. Insoweit komme der historischen Zielrichtung der Vorschrift entscheidendes Gewicht zu. Nach Art. 143 GG in der Fassung von 1956 hätten die Voraussetzungen, unter denen es zulässig werde, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstands in Anspruch zu nehmen, nur durch ein Gesetz geregelt werden können, das die Voraussetzungen des Art. 79 GG erfülle. Für die Verankerung spezifischer Rechte des Deutschen Bundestages spreche auch die Gesetzesbegründung. Der Ablösung des Art. 143 GG durch Art. 87a GG habe die Zielrichtung des parlamentarischen Kompetenzschutzes zu Grunde gelegen. Dass Art. 87a Abs. 4 GG nicht ausdrücklich eine vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages bei den dort genannten Inlandseinsätzen fordere, führe nicht zur Preisgabe des Kompetenzschutzes, weil diese Regelung im Hinblick auf die spezifische Gefahrendimension Praktikabilitätserwägungen geschuldet gewesen sei. Für den kompetenzschützenden Charakter von Art. 87a Abs. 2 GG spreche auch, dass das Grundgesetz dem Parlament generell in Fragen der Streitkräfte eine starke Rolle zuweise: Dies werde deutlich an den Kontroll- und Begrenzungsrechten des Parlaments nach Art. 87a Abs. 1 Satz 2 GG, der Institution des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages und der Bindungswirkung des Aufhebungsverlangens nach Art. 87a Abs. 4 Satz 2 GG. Auch aus einer systematischen Auslegung ergebe sich daher, dass Art. 87a Abs. 2 GG nicht nur objektivrechtlichen Charakter habe. Die Antragsbefugnis ergebe sich daher aus Art. 87a Abs. 2 GG und dem Verfassungsvorbehalt für Einsätze der Streitkräfte im Innern, nicht aus Art. 35 Abs. 1 GG. Die Verletzung von Rechten des Deutschen Bundestages beruhe darauf, dass die Antragsgegnerin einen Einsatz der Streitkräfte im Innern angeordnet habe, ohne dazu vorher durch eine besondere, von Verfassungs wegen erforderliche Regelung ermächtigt worden zu sein.
In der Replik ergänzt die Antragstellerin, mit der Rüge der Verletzung des Art. 87a Abs. 2 GG werde diejenige der Verletzung der Art. 20 Abs. 3, Art. 79 Abs. 1 und Abs. 2 GG verknüpft. Das Einsatz-Spektrum dürfe über Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 sowie Art. 35 Abs. 2 und Abs. 3 GG hinaus nur im Verfahren nach Art. 79 GG ausgeweitet werden.
5. Der Antrag sei begründet, weil es sich bei der Verwendung der Tornado-Flugzeuge, der Spähwagen Fennek, der Jagdflugzeuge, der Feldjäger und Sanitätssoldaten um einen Einsatz der Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG gehandelt habe und dieser nicht auf Art. 35 GG, vor allem nicht auf Art. 35 Abs. 1 GG, habe gestützt werden können.
6. Mit am 18. Juni 2008 beim Bundesverfassungsgericht eingegangener Replik beantragt die Antragstellerin hilfsweise, falls das Bundesverfassungsgericht der Auffassung sei, dass die Verwendung der Bundeswehr dem Grundgesetz entsprochen habe, festzustellen, dass der Parlamentsvorbehalt es geboten hätte, den Deutschen Bundestag vor dem Einsatz damit zu befassen.
III.
Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
1. Der Sachverhalt sei von der Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Der Verweis auf einen Bericht des Bundesministeriums der Verteidigung sowie auf Drucksachen des Deutschen Bundestages genüge insoweit nicht.
2. Die Antragstellerin mache nicht deutlich, was die Antragsgegnerin hätte tun müssen, ob sie den Deutschen Bundestag vor der gesamten Amtshilfeleistung oder vor nur einem Teil davon hätte beteiligen und ob die übrigen Handlungen hätten unterbleiben müssen. Weiter sei offen, ob die Antragsgegnerin um Zustimmung zu den Maßnahmen hätte ersuchen oder nur davon hätte informieren müssen. In letzterem Fall stelle sich die Frage, inwieweit die Antragsgegnerin dieser Pflicht durch die Beantwortung der parlamentarischen Anfragen schon nachgekommen sei.
3. § 64 Abs. 2 BVerfGG verpflichte die Antragstellerin zur Nennung der Norm, gegen die durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung verstoßen worden sei. Die Antragstellerin bezeichne Art. 87a Abs. 2 in Verbindung mit Art. 35 GG als verletzte Normen. Diese vermittelten dem Deutschen Bundestag jedoch keine Organrechte; Art. 87a Abs. 2 GG habe einen rein objektiven Inhalt. Der Charakter der Bundeswehr als Parlamentsheer könne einen ungeschriebenen Parlamentsvorbehalt für Einsätze bewaffneter Streitkräfte begründen, nicht aber den subjektivrechtlichen Charakter des Art. 87a Abs. 2 GG. Nichts anderes folge aus der Entstehungsgeschichte der Wehrverfassung. Selbst wenn Art. 143 GG in der Fassung von 1956 drittschützend gewesen wäre, gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber Art. 87a Abs. 2 GG subjektive Wirkung hätte beimessen wollen. Dagegen spreche auch die Stellung der Norm im achten Abschnitt des Grundgesetzes sowie die Tatsache, dass Art. 87a Abs. 2 GG den Deutschen Bundestag gerade nicht erwähne.
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Rechtsprechung zu den Blauhelm-Einsätzen (BVerfGE 90, 286) ausdrücklich offen gelassen, ob Art. 87a Abs. 2 GG subjektivrechtlichen Charakter habe. Entscheidend sei der ungeschriebene Parlamentsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte gewesen. Geschriebenes Recht könne aber nicht unter Hinweis auf ungeschriebenes Recht unangewendet bleiben. Der Entscheidung liege daher konkludent die Aussage zu Grunde, dass die aus Art. 87a GG ableitbaren Rechte jedenfalls nicht weitergehen könnten als die Rechte aus dem ungeschriebenen Parlamentsvorbehalt. Wenn daher in der konkreten Situation der Einsätze bei dem G8-Gipfel der ungeschriebene Parlamentsvorbehalt keine subjektiven Rechte vermittle, dann könne Art. 87a Abs. 2 GG dies auch nicht tun und zwar auch dann nicht, wenn er eine subjektiv-rechtliche Dimension besitzen sollte.
Selbst wenn Art. 87a Abs. 2 GG drittschützend sei, so decke sich das von der Antragstellerin als verletzt gerügte subjektive Recht nicht mit dem Verfahrensgegenstand: Nach Auffassung der Antragstellerin habe die Antragsgegnerin Art. 87a Abs. 2 GG dadurch verletzt, dass die Schwelle zum Einsatz überschritten worden sei. Daran hätte sich aber auch nichts ändern können, wenn die Antragsgegnerin den Deutschen Bundestag vorher beteiligt und dieser zugestimmt hätte. Ein zustimmender Beschluss könne einen Einsatz, der mit Art. 87a Abs. 2 GG nicht vereinbar sei, nicht verfassungsgemäß werden lassen. In diesem Fall wäre vielmehr eine Verfassungsänderung erforderlich gewesen.
Eine Berufung auf das Recht der Verfassungsänderung würde seitens des jeweiligen Antragstellers voraussetzen, dass dieser über eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der gesetzlichen Mitgliederzahl des Deutschen Bundestages im Sinne von Art. 79 Abs. 2 GG verfüge, weil ihm sonst ein vorheriges Verfahren, das auf Verfassungsänderung gerichtet sei, nichts nütze.
4. Der Antrag könne nicht – auch nicht mit Blick auf den Hilfsantrag – in eine Rüge der Verletzung des unbestritten kompetenzschützenden ungeschriebenen Parlamentsvorbehalts umgedeutet werden. Der Antragstellerin gehe es erkennbar um eine Überprüfung der Maßnahmen am Maßstab des Art. 87a Abs. 2 GG. Der Parlamentsvorbehalt werde von ihr in der Antragsschrift nicht als verletzt gerügt; die als verletzt gerügte Verfassungsbestimmung müsse aber innerhalb der Frist des § 64 Abs. 3 BVerfGG benannt werden.
Selbst wenn die Antragstellerin den ungeschriebenen Parlamentsvorbehalt als verletzt gerügt hätte, sei der Antrag unzulässig, weil ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte offensichtlich nicht vorgelegen habe. Dies sei nur der Fall, wenn die Streitkräfte in militärische Gewaltaktionen einbezogen würden. Das Tragen von Waffen und die Verwendung schweren militärischen Geräts ohne Waffen machten keinen Einsatz bewaffneter Streitkräfte aus. Darüber hinaus gelte der ungeschriebene Parlamentsvorbehalt nur für Auslandseinsätze, was sich aus einem Umkehrschluss aus Art. 87a Abs. 4 GG, der ausdrücklich keinen solchen Vorbehalt enthalte, ergebe. Dagegen spreche auch die unterschiedliche Funktion des Parlaments bei Inlands- und Auslandseinsätzen im Hinblick auf das Verfassungsprozessrecht: Bei Auslandseinsätzen ermögliche der ungeschriebene Parlamentsvorbehalt die verfassungsgerichtliche Überprüfung; dies sei bei Inlandseinsätzen nicht erforderlich, weil diese im Wege einer Bund-Länder-Streitigkeit oder durch Verfassungsbeschwerden Einzelner überprüft werden könnten. Wegen des Gebots der strikten Texttreue des Art. 87a Abs. 2 GG bedürften Inlandseinsätze darüber hinaus keiner zusätzlichen rechtlichen Eingrenzung.
5. Der Antragstellerin fehle zudem das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie eine unzulässige objektive Verfassungskontrolle verlange.
6. Der Antrag sei schließlich auch unbegründet, weil die Maßnahmen als Amtshilfe auf Art. 35 Abs. 1 GG gestützt werden könnten.
IV.
Der Bundespräsident, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat wurden von dem Verfahren in Kenntnis gesetzt (§ 65 Abs. 2 BVerfGG).
B.
Die Anträge im Organstreitverfahren sind jedenfalls offensichtlich unbegründet.
I.
Der Organstreit zielt auf die Auslegung des Grundgesetzes aus Anlass von Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten von Verfassungsorganen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG). Der Organstreit ist eine kontradiktorische Parteistreitigkeit mit Antragsteller und Antragsgegner und kein objektives Verfahren. Das Organstreitverfahren dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht der davon losgelösten Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪69 ff.≫; 73, 1 ≪29 f.≫; 80, 188 ≪212≫; 104, 151 ≪193 f.≫; 118, 244 ≪257≫). Der Organstreit ist keine objektive Beanstandungsklage. Das Grundgesetz hat den Deutschen Bundestag als Gesetzgebungsorgan, nicht aber als umfassendes „Rechtsaufsichtsorgan” über die Bundesregierung eingesetzt. Aus dem Grundgesetz lässt sich kein eigenes Recht des Deutschen Bundestages dahingehend ableiten, dass jegliches materiell oder formell verfassungswidrige Handeln der Bundesregierung unterbleibe (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪72 f.≫). Mit Rechten im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG sind daher allein diejenigen Rechte gemeint, die dem Antragsteller zur ausschließlich eigenen Wahrnehmung oder zur Mitwirkung übertragen sind oder deren Beachtung erforderlich ist, um die Wahrnehmung seiner Kompetenzen und die Gültigkeit seiner Akte zu gewährleisten (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪73≫). In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist daher anerkannt, dass die Grundrechte als solche Rechte des Deutschen Bundestages im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG nicht begründen (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪69 ff.≫). Ein Recht im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG erwächst dem Deutschen Bundestag darüber hinaus nicht aus jeder Bestimmung des Grundgesetzes mit Blick darauf, dass infolge von Art. 79 Abs. 1 und Abs. 2 GG keine dieser Bestimmungen ohne Mitwirkung des Deutschen Bundestages abgeändert oder aufgehoben werden kann. Nur dann, wenn eine Bestimmung selbst Rechte oder Pflichten im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG begründet, kann ihre Verletzung befugtermaßen gerügt werden (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪73≫).
II.
Soweit die Antragstellerin beantragt festzustellen, dass die Antragsgegnerin es unterlassen hat, den Deutschen Bundestag vorab mit der Verwendung der Bundeswehr anlässlich des G8-Gipfels zu befassen, die nach ihrer Auffassung die Grenzen des Art. 87a Abs. 2 GG überschritten hat, und dadurch Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 87a Abs. 2 GG verletzt hat, bleibt der Antrag ohne Erfolg.
1. Soweit der Hauptantrag dahin zu verstehen sein sollte, dass die Antragstellerin die Verletzung eines Beteiligungsrechts des Deutschen Bundestages festgestellt wissen möchte, das sich gerade aus der von ihr angenommenen Verfassungswidrigkeit der Verwendung der Bundeswehr anlässlich des G8-Gipfels ergebe, fehlte es bereits an der Antragsbefugnis.
Unterstellt man im vorliegenden Fall – wie von der Antragstellerin angenommen – einen Verstoß gegen Art. 87a Abs. 2 GG dadurch, dass die Streitkräfte im Sinne dieser Vorschrift eingesetzt worden wären, ohne dass dies der Verteidigung diente und ohne dass dies im Grundgesetz ausdrücklich zugelassen war, so hätte auch durch eine vorherige Zustimmung des Deutschen Bundestages in Form eines einfachen Beschlusses ein verfassungskonformer Zustand nicht hergestellt werden können. Durch die Mitwirkung des Deutschen Bundestages wäre ein Verfassungsverstoß der Antragsgegnerin nicht geheilt, sondern allenfalls vertieft worden. Im Fall einer Überschreitung der Grenzen des Art. 87a Abs. 2 GG wäre zur Herstellung eines verfassungsgemäßen Zustandes vielmehr eine Verfassungsänderung erforderlich gewesen, die durch schlichten Parlamentsbeschluss nicht erfolgen kann.
2. Der Antrag festzustellen, dass die Zustimmung zu der hier in Streit stehenden Verwendung der Bundeswehr nicht eingeholt und dadurch Rechte des Deutschen Bundestages verletzt worden seien, bleibt zudem jedenfalls in der Sache offensichtlich ohne Erfolg, weil mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Senats nicht ersichtlich ist, dass sich Art. 87a Abs. 2 GG oder anderen Vorschriften des Grundgesetzes ein entsprechendes Zustimmungserfordernis – sei es in Bezug auf Maßnahmen unterhalb oder oberhalb der Schwelle eines Einsatzes der Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG – entnehmen ließe.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat nur für Auslandsverwendungen der Bundeswehr aus dem Grundgesetz das Erfordernis der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages zu bewaffneten Einsätzen abgeleitet.
aa) In der Entscheidung BVerfGE 90, 286 hat der Senat der deutschen Verfassungstradition seit 1918 sowie den wehrverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes das Prinzip eines konstitutiven Parlamentsvorbehalts für den militärischen Einsatz von Streitkräften entnommen (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪381 ff.≫). Nach Art. 45 Abs. 2 WRV waren Kriegserklärungen und Friedensschlüsse der Legislative vorbehalten; Art. 59a Abs. 1 GG in der Fassung von 1956 knüpfte daran an, indem die „schicksalhafte politische Entscheidung über Krieg und Frieden” der obersten Vertretung des ganzen Volkes, mithin dem Deutschen Bundestag, übertragen wurde, dem die Feststellung des Eintritts des Verteidigungsfalles oblag (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪384≫). Dies findet im geltenden Recht seine Fortsetzung in Art. 115a Abs. 1 GG. Die auf die Streitkräfte bezogenen Regelungen des Grundgesetzes sind danach darauf angelegt, die Bundeswehr nicht als Machtpotential allein der Exekutive zu überlassen, sondern sie als „Parlamentsheer” in die demokratisch rechtsstaatliche Verfassungsordnung einzufügen (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪381 f.≫; 121, 135 ≪153 f.≫).
In Bezug auf die innere Verwendung der Bundeswehr im Verteidigungsfall, das heißt soweit die Streitkräfte nach Art. 87a Abs. 3 GG befugt sind oder ermächtigt werden können, zivile Objekte zu schützen und Aufgaben der Verkehrsregelung wahrzunehmen, ergibt sich die Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften aus der vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 115a Abs. 1 beziehungsweise Art. 80a Abs. 1 Satz 1 GG zu treffenden vorherigen Feststellung des Verteidigungsfalles beziehungsweise des Spannungsfalles (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪386≫).
Mit Blick auf die Verwendungsmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern außerhalb des Verteidigungsfalles und des Spannungsfalles hat der Senat darauf hingewiesen, dass ein nach Art. 87a Abs. 4 Satz 1 GG möglicher Einsatz von Streitkräften beim Schutz von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisierter und militärisch bewaffneter Aufständischer einzustellen ist, wenn der Deutsche Bundestag oder der Bundesrat es verlangen (Satz 2). Bei Naturkatastrophen oder Unglücksfällen, die das Gebiet mehr als eines Landes betreffen, wird der Einsatz von Streitkräften zur Unterstützung der Polizeikräfte vom Grundgesetz vor allem als bundesstaatliches Problem verstanden: Er ist nach Art. 35 Abs. 3 Satz 2 GG jederzeit auf Verlangen des Bundesrates aufzuheben (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪386 f.≫).
Ein allgemeines Zustimmungsrecht des Deutschen Bundestages in Bezug auf konkrete Verwendungen der Bundeswehr im Inland, seien es bewaffnete oder unbewaffnete Verwendungen, ist dem Grundgesetz nach den Ausführungen des Senats daher gerade nicht zu entnehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verteidigungsfall oder der Spannungsfall vorliegt oder ob dies nicht der Fall ist; denn auch Art. 87a Abs. 3 GG sieht die Zustimmung des Deutschen Bundestages zum konkreten Einsatz der Bundeswehr nicht vor.
bb) Auch die der Entscheidung BVerfGE 121, 135 zu Grunde liegenden Überlegungen haben den wehrverfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalt lediglich als ein wirksames Mitentscheidungsrecht des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der auswärtigen Gewalt behandelt. Dort hat der Senat ausgeführt, dass das Grundgesetz die Entscheidung über Krieg und Frieden dem Deutschen Bundestag nicht nur mit Blick auf die Feststellung des Verteidigungsfalles und des Spannungsfalles, sondern darüber hinaus für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte in Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG übertragen hat (vgl. BVerfGE 121, 135 ≪153 f.≫).
Art. 24 Abs. 2 GG ermächtigt den Bund dazu, sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einzuordnen sowie die Bundeswehr im Rahmen und nach den Regeln eines solchen Systems einzusetzen (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪345 ff.≫; 121, 135 ≪156≫). Die innerstaatliche Kompetenzverteilung des Grundgesetzes verlangt dabei, dass der Deutsche Bundestag der Vertragsgrundlage des jeweiligen Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit zugestimmt hat (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG). Mit der Zustimmung zu einem Vertragsgesetz bestimmen der Deutsche Bundestag und der Bundesrat den Umfang der auf dem Vertrag beruhenden Bindungen und tragen dafür die politische Verantwortung gegenüber dem Bürger (vgl. BVerfGE 104, 151 ≪209≫; 118, 244 ≪260≫; 121, 135 ≪157≫).
Die Bundesregierung ist allerdings befugt, die Vertragsgrundlage eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit in den Formen des Völkerrechts ohne Beteiligung des Deutschen Bundestages fortzuentwickeln, solange sie über die mit dem Zustimmungsgesetz erteilte Ermächtigung nicht hinausgeht und somit nicht ultra vires handelt (vgl. BVerfGE 104, 151 ≪209 f.≫; 118, 244 ≪260≫; 121, 135 ≪158≫). Das Grundgesetz räumt der Bundesregierung für die Regelung der auswärtigen Beziehungen einen grundsätzlich weit bemessenen Spielraum eigener Gestaltung ein (vgl. BVerfGE 121, 135 ≪158, 160≫).
Die bündnispolitische Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung endet aber dort, wo es darum geht, innerstaatlich darüber zu befinden, ob sich Soldaten der Bundeswehr an einem konkreten Einsatz beteiligen, der im Bündnis beschlossen wurde. Die Verantwortung dafür liegt in der Hand des Repräsentationsorgans des Volkes, mithin des Deutschen Bundestages. Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt stellt insoweit ein wesentliches Korrektiv für die Grenzen der parlamentarischen Verantwortungsübernahme im Bereich der auswärtigen Sicherheitspolitik dar. Der weit bemessene Gestaltungsspielraum der Exekutive im auswärtigen Bereich endet mit der Anwendung militärischer Gewalt (vgl. BVerfGE 121, 135 ≪160 f.≫). Die funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten gestaltet sich im Hinblick auf Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach der Rechtsprechung des Senats daher so, dass das Parlament durch seine Mitentscheidung grundlegende Verantwortung für die vertragliche Grundlage des Systems einerseits und für die Entscheidung über den konkreten bewaffneten Streitkräfteeinsatz andererseits übernimmt, während im Übrigen die nähere Ausgestaltung der Bündnispolitik als Konzeptverantwortung ebenso wie konkrete Einsatzplanungen der Bundesregierung obliegen (vgl. BVerfGE 121, 135 ≪162≫).
b) Angesichts dieser Rechtsprechung ist nicht erkennbar, inwieweit Beteiligungsrechte des Deutschen Bundestages mit Blick auf Verwendungen der Bundeswehr im Innern auch dort bestehen könnten, wo das Grundgesetz sie nicht selbst vorsieht, das heißt über die von Art. 87a Abs. 3 GG zu Grunde gelegte Feststellung des Verteidigungsfalles beziehungsweise Spannungsfalles und das in Art. 87a Abs. 4 Satz 2 GG geregelte Rückrufrecht hinaus. Aus der im Kontext von Auslandseinsätzen verwendeten Bezeichnung der Bundeswehr als Parlamentsheer alleine lässt sich keine Befugnis des Deutschen Bundestages ableiten.
III.
Auch soweit unter Berücksichtigung der Begründung des Antrags das Begehren der Antragstellerin dahin verstanden werden kann, dass sie festgestellt wissen möchte, dass es der Verwendung der Bundeswehr mit Blick auf den Verfassungsvorbehalt des Art. 87a Abs. 2 GG an einer verfassungsrechtlichen Grundlage fehlte und dadurch Rechte des Deutschen Bundestages verletzt worden seien, bleibt der Antrag ohne Erfolg. Art. 87a Abs. 2 GG kann ein Recht des Deutschen Bundestages im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG nicht vermitteln.
Der Senat hat in der Entscheidung BVerfGE 90, 286 ausdrücklich offen gelassen, ob Art. 87a Abs. 2 GG kompetenzschützenden Charakter habe und damit Rechte des Deutschen Bundestages im Sinne von § 64 BVerfGG begründe (vgl. BVerfGE 90, 286 ≪356≫). Dem Vortrag der Antragstellerin kann nichts dafür entnommen werden und auch sonst ist nicht ersichtlich, dass diese Frage nunmehr in ihrem Sinne zu beantworten wäre.
1. Nach Art. 87a Abs. 2 GG dürfen die Streitkräfte außer zur Verteidigung nur eingesetzt werden, soweit das Grundgesetz es ausdrücklich zulässt. Art. 87a Abs. 2 GG ist mithin der Grundsatz zu entnehmen, dass jedenfalls ein Einsatz der Streitkräfte im Innern, der nicht der Verteidigung dient, einer verfassungsrechtlichen Grundlage bedarf. Für Einsätze im Sinne der Norm im Inland, die über die im Grundgesetz zugelassenen Fälle (Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Art. 87a Abs. 3 und Abs. 4 Satz 1 GG) hinausgehen, ist somit eine Verfassungsänderung erforderlich. Im Falle einer Überschreitung der Grenzen des Art. 87a Abs. 2 GG wäre der Deutsche Bundestag in seiner Funktion als verfassungsändernder Gesetzgeber betroffen. Seine Stellung als verfassungsändernder Gesetzgeber räumt ihm nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats aber gerade kein eigenes Recht im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG ein, weil ihm anderenfalls im Wege des Organstreitverfahrens eine abstrakte Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Verhaltens des Antragsgegners schlechthin ermöglicht würde (vgl. BVerfGE 68, 1 ≪73≫). Der Deutsche Bundestag oder eine seiner Fraktionen kann die Verletzung einer Bestimmung des Grundgesetzes nur dann befugtermaßen im Organstreitverfahren rügen, wenn diese ihm – gegebenenfalls über die Stellung als verfassungsändernder Gesetzgeber hinaus – eigene Rechte einräumt oder Pflichten begründet.
2. Art. 87a Abs. 2 GG vermittelt dem Deutschen Bundestag jenseits des Verfassungsvorbehalts keine eigenen Rechte.
a) Dem Wortlaut der Norm ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass dem Deutschen Bundestag hier ein Recht im Sinne des § 64 Abs. 1 BVerfGG übertragen würde. Anders als etwa in Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG, der ausdrücklich von der Zustimmung oder der Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften spricht, wird der Deutsche Bundestag in Art. 87a Abs. 2 GG nicht erwähnt.
b) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind auch der Entstehungsgeschichte und der Zielsetzung des Art. 87a Abs. 2 GG keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass der Norm über ihren objektiven Aussagegehalt hinaus kompetenzschützende Wirkung zu Gunsten des Deutschen Bundestages zukäme. Die Vorgängernorm von Art. 87a Abs. 2 GG, Art. 143 GG in der Fassung von 1956 (vgl. Gesetz zur Ergänzung des Grundgesetzes vom 19. März 1956, BGBl I S. 111), lautete: „Die Voraussetzungen, unter denen es zulässig wird, die Streitkräfte im Falle eines inneren Notstandes in Anspruch zu nehmen, können nur durch ein Gesetz geregelt werden, das die Erfordernisse des Artikels 79 erfüllt.” Auch dieser Wortlaut lässt die Verankerung von Rechten des Deutschen Bundestages nicht erkennen. Es ist zwar richtig, dass es Ziel der zweiten Wehrnovelle im Jahr 1956 war, eine Armee zu schaffen, „die eingebettet ist in das Staatsganze und in die demokratische freiheitliche Ordnung” (vgl. den Redebeitrag des Abgeordneten Dr. Arndt [SPD], Deutscher Bundestag, 2. Wahlperiode, 132. Sitzung vom 6. März 1956, S. 6825 B). Es sollte ein Missbrauch der Bundeswehr als innenpolitisches Machtinstrument vermieden werden (vgl. Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87a Rn. 28 [August 1971]). Dem diente und dient gerade der Verfassungsvorbehalt des Art. 143 GG in der Fassung von 1956 sowie des Art. 87a Abs. 2 GG in der heutigen Fassung, der einen Einsatz der Streitkräfte jedenfalls im Innern ohne verfassungsrechtliche Grundlage nicht zulässt. Ein kompetenzschützender Gehalt zu Gunsten des Deutschen Bundestages mit der Folge, dass dieser sich im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf eine Verletzung der Norm berufen könnte, lässt sich aus diesem Umstand aber nicht herleiten. Das der parlamentarischen Debatte um Art. 143 GG a.F. zu entnehmende Ziel der Einbettung der Bundeswehr in die demokratische freiheitliche Ordnung weist vielmehr auf eine freiheitssichernde Funktion der Bestimmung wie ihres Nachfolgers hin (vgl. Linke, AöR 129 [2004], S. 489 ≪510 ff.≫). In diese Richtung deutet auch der Schriftliche Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages, auf dessen Vorschlag die geltende Fassung des Art. 87a Abs. 2 GG zurückgeht. Dort heißt es, die Bestimmung beschränke nur den Einsatz der Streitkräfte, das heißt ihre Verwendung als Mittel der vollziehenden Gewalt (vgl. BTDrucks V/2873, S. 13).
c) Ein kompetenzschützender Gehalt des Art. 87a Abs. 2 GG ergibt sich auch nicht daraus, dass nach Art. 59a Abs. 1 GG in der Fassung von 1956 ebenso wie nach Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG in der heute gültigen Fassung die Feststellung des Verteidigungsfalles sowie nach Art. 80a Abs. 1 Satz 1 GG die Feststellung des Spannungsfalles durch den Deutschen Bundestag getroffen wird. Ebenso wenig kann ein solcher Schluss aus dessen Rückrufrecht aus Art. 87a Abs. 4 Satz 2 GG gezogen werden. Wie bereits unter B.II.2.a)aa) dargelegt, können die genannten Regelungen zum einen nicht ohne weiteres dahin generalisiert werden, dass auch Verwendungen der Bundeswehr im Inland wie die in Streit stehende, die mit weit weniger Gefahrenpotenzial behaftet war, der Zustimmung des Deutschen Bundestages unterliegen. Zum anderen kann aus ihnen nicht gefolgert werden, dass der eventuelle Mangel der verfassungsrechtlichen Grundlage der angegriffenen Verwendung der Bundeswehr vom Deutschen Bundestag im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden kann, und zwar jedenfalls dann nicht, wenn – wie hier – die Verwendung offensichtlich nicht in einer Situation erfolgte, die einer der von den genannten Vorschriften in den Blick genommenen Situationen nahekommt.
d) Gerade auch mit Blick auf die vorliegende Fallkonstellation wird deutlich, dass die erhobene Rüge, im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel seien die Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG ohne die erforderliche verfassungsrechtliche Grundlage eingesetzt worden, in erster Linie der Geltendmachung möglicher Grundrechtsverstöße dient. Hauptanliegen der Antragstellerin ist es, feststellen zu lassen, dass die Überflüge der Demonstranten-Camps mit Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr, die Anfertigung von Fotos aus der Luft wie auch die Beobachtung durch die Spähsysteme Fennek die Grundrechte der Demonstranten und Gipfelgegner verletzten.
Selbst wenn man davon ausginge – was hier offen bleiben kann –, dass die getroffenen Maßnahmen in Grundrechte eingegriffen hätten, könnte der Deutsche Bundestag derartige eventuelle Rechtsverletzungen Einzelner nicht im Wege des Organstreits vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen. Das gilt auch für den Fall, dass die Schwelle zum Einsatz der Streitkräfte im Sinne des Art. 87a Abs. 2 GG überschritten worden wäre. Die Rüge von Grundrechtsverletzungen im Verfassungsprozess muss auch in dieser Konstellation den Betroffenen vorbehalten bleiben (vgl. dazu schon BVerfGE 68, 1 ≪69 ff.≫).
IV.
Der Hilfsantrag ist darauf gerichtet, feststellen zu lassen, dass der Deutsche Bundestag den getroffenen Maßnahmen auch dann hätte zustimmen müssen, wenn es für sie im Grundgesetz eine hinreichende verfassungsrechtliche Grundlage gäbe. Ungeachtet der Frage, ob der Hilfsantrag fristgemäß erhoben wurde und ob die Voraussetzungen vorliegen, unter denen er gestellt ist, ergibt sich seine Erfolglosigkeit jedenfalls aus den obigen Erwägungen zur Reichweite des Parlamentsvorbehalts für Verwendungen der Bundeswehr.
Unterschriften
Voßkuhle, Broß, Osterloh, Di Fabio, Mellinghoff, Lübbe-Wolff, Gerhardt, Landau
Fundstellen
Haufe-Index 2368750 |
BVerfGE 2011, 55 |